Urteil des BVerfG vom 14.01.2004

BVerfG: verfassungsbeschwerde, aufschiebende wirkung, innere medizin, rechtsschutz, hauptsache, behörde, kontrolle, onkologie, grundrecht, vergleich

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 506/03 -
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der F...-Hospital gem. GmbH,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Professor Dr. Konrad Redeker und Koll.,
Mozartstraße 4-10, 53115 Bonn -
gegen
a)
den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom
12. Februar 2003 - 13 B 2513/02 -,
b)
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 5. Dezember 2002 - 3 L 1300/02
-
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Jaeger
und die Richter Hömig,
Bryde
am 14. Januar 2004 einstimmig beschlossen:
1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Februar 2003 - 13 B
2513/02 - und der Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 5. Dezember 2002 - 3 L 1300/02 - verletzen
die Beschwerdeführerin in ihrem Recht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes; sie werden aufgehoben.
Die Sache wird an das Verwaltungsgericht Minden zurückverwiesen.
2. Das Land Nordrhein-Westfalen hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen für das
Verfassungsbeschwerdeverfahren zu ersetzen.
3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 100.000 € (in Worten: einhunderttausend Euro)
festgesetzt.
Gründe:
I.
1
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob ein Krankenhaus, das nicht in den Krankenhausplan eines Landes
aufgenommen wurde, als konkurrierender Bewerber die Planaufnahme eines anderen Krankenhauses anfechten kann.
2
1. a) Krankenhauspläne werden gemäß § 6 Abs. 1 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser
und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz - KHG) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 10. April 1991 (BGBl I S. 886) von den Ländern zur Verwirklichung der in § 1 des Gesetzes
genannten Ziele aufgestellt. Nach § 1 Abs. 1 KHG ist Zweck des Gesetzes die wirtschaftliche Sicherung der
Krankenhäuser, um eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen, eigenverantwortlich
wirtschaftenden Krankenhäusern zu gewährleisten und zu sozial tragbaren Pflegesätzen beizutragen. Bei der
Durchführung des Gesetzes ist nach § 1 Abs. 2 KHG die Vielfalt der Krankenhausträger zu beachten, insbesondere
ist die wirtschaftliche Sicherung freigemeinnütziger und privater Krankenhäuser zu gewährleisten.
3
Die Aufstellung von Krankenhausplänen und die Regelung des Planungsverfahrens sind nach § 6 KHG Sache der
Länder. Die Aufstellung des Krankenhausbedarfsplans wird von der Rechtsprechung als eine verwaltungsinterne
Maßnahme ohne unmittelbare Rechtswirkungen nach außen qualifiziert (vgl. BVerwG, NJW 1987, S. 2318 <2319>;
BVerwGE 72, 38 <45>). Daran schließen sich die von der zuständigen Landesbehörde zu treffenden Entscheidungen
in Form von Feststellungsbescheiden über die Aufnahme oder Nichtaufnahme eines bestimmten Krankenhauses in
den Plan an. Die Feststellung der Aufnahme in den Krankenhausplan ist Voraussetzung für eine Investitionsförderung
nach §§ 8 ff. KHG und für die Erbringung von Krankenhausleistungen zu Lasten der gesetzlichen
Krankenversicherung nach § 108 Nr. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V).
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b) Im Raum B. bestand im Jahre 1996 zusätzlich zu den sonstigen bestehenden Planbetten ein Bedarf an 20
Planbetten im Bereich Innere Medizin/Hämatologie. Im Juli 1996 beantragte die Beschwerdeführerin, ein
freigemeinnütziges Krankenhaus in B., bei der Bezirksregierung die Feststellung von Planbetten für diesen Bereich
mit der Begründung, sie halte die Betten bereits vor und erfülle alle personellen und sachlichen Voraussetzungen;
insbesondere habe sie schon jetzt einen Chefarzt und zwei Oberärzte mit der Schwerpunktbezeichnung Hämatologie
sowie fachkompetentes Pflegepersonal eingestellt. Die Städtischen Kliniken in B. stellten im Sommer 1998 einen
gleichlautenden Antrag; sie hatten damals weder Betten noch ärztliches Personal im Fachbereich Hämatologie.
5
Im Zuge einer vor dem Verwaltungsgericht erfolgreichen Untätigkeitsklage der Beschwerdeführerin, gegen die die
beklagte Bezirksregierung zunächst Berufung einlegte, nahm die Bezirksregierung im September 2002 nicht die
Beschwerdeführerin, sondern die Städtischen Kliniken mit 20 Betten für das Teilgebiet Hämatologie in den
Krankenhausplan auf; anschließend nahm sie die Berufung zurück. Mit weiterem Bescheid stellte sie im Januar 2003
fest, dass die von den Städtischen Kliniken unter dem Teilgebiet Hämatologie ausgewiesenen Betten einstweilen für
die internistische Onkologie genutzt werden. Erst wenn die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind, insbesondere die
fachärztliche Betreuung der Hämatologie sichergestellt ist, sollen die Betten planmäßig genutzt werden können.
6
Gegen den Feststellungsbescheid zugunsten der Städtischen Kliniken legte die Beschwerdeführerin Widerspruch
ein. Zugleich stellte sie beim Verwaltungsgericht Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihres
Widerspruchs, den das Verwaltungsgericht zurückwies. Der Auswahlentscheidung zugunsten der Städtischen Kliniken
komme keine Rechtswirkung gegenüber der Beschwerdeführerin zu. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Das
Oberverwaltungsgericht führt zur Begründung seiner Entscheidung aus, aufschiebende Wirkung könne nur ein
zulässiger Widerspruch haben. Der Widerspruch der Beschwerdeführerin sei aber unzulässig, weil diese durch den
Feststellungsbescheid zugunsten der Städtischen Kliniken nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sei. Es
bestehe lediglich ein Anspruch auf fehlerfreie Auswahl unter mehreren Bewerbern. Dieser Anspruch werde durch die
Auswahl eines konkurrierenden Krankenhauses nicht berührt und könne unabhängig von dieser Auswahlentscheidung
im Hauptsacheverfahren mit einer Verpflichtungsklage weiter verfolgt werden.
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Zuvor war der eigene Antrag der Beschwerdeführerin auf Aufnahme in den Krankenhausplan mit der Begründung
abgelehnt worden, die Beschwerdeführerin habe zwar bereits einen Schwerpunkt im Bereich Hämatologie/Onkologie
gebildet, die Städtischen Kliniken verfügten jedoch über ein breiteres Spektrum an Fachabteilungen sowie eine fest
vereinbarte und praktizierte Kooperation mit der onkologischen Schwerpunkt-Praxis in B. Die mit dem Aufbau der
Abteilung Hämatologie geschaffenen Tatsachen und die erheblichen finanziellen Vorleistungen der
Beschwerdeführerin könnten nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Über den Widerspruch gegen diese
Entscheidung erging im Juni 2003 ein Widerspruchsbescheidsbescheid. Ein verwaltungsgerichtliches Verfahren ist
anhängig.
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2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde, die sich gegen die zugunsten der Konkurrentin im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren ergangenen Entscheidungen richtet, rügt die Beschwerdeführerin vor allem eine Verletzung
ihrer Grundrechte aus Art. 12 und Art. 19 Abs. 4 GG. Die Frage der Klagebefugnis des bei einer Auswahlentscheidung
nicht berücksichtigten Krankenhausträgers sei in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Eine Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts liege nicht vor und sei auch nicht zu erwarten, weil kein Krankenhausträger eine
mehrjährige Dispositionsunsicherheit auf sich nehme. Die Ablehnung eines Antrags auf Feststellung von Planbetten
mit der gleichzeitigen Zuerkennung von Planbetten an den Konkurrenten bedeute jedoch einen erheblichen Eingriff in
die Berufsausübungsfreiheit des abgelehnten Bewerbers. Werde diesem kein gerichtlicher Rechtsschutz gewährt,
laufe das Grundrecht aus Art. 12 GG leer. Die Auffassung, die Entscheidung für den Konkurrenten sei für den eigenen
Anspruch des Benachteiligten nicht von Bedeutung, sei nicht haltbar. Nach der Entscheidung zugunsten eines
Bewerbers trete Bedarfsdeckung ein. Lasse man diese außer Betracht, so müsste unter Umständen über den Bedarf
hinaus ein Krankenhaus in den Plan aufgenommen werden. Die zuvor erfolgte, dann aber rechtswidrige Feststellung
zugunsten eines Konkurrenten könne aber in aller Regel nicht mehr aufgehoben werden.
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Im Übrigen sei die Zuweisung der Planbetten an die Städtischen Kliniken sachlich nicht vertretbar. Während die
Beschwerdeführerin selbst alle personellen und sachlichen Voraussetzungen erfüllt habe, müssten die Städtischen
Kliniken diese erst aufbauen. Dass die Beschwerdeführerin seit 1996 die Abteilung Hämatologie sogar in Abstimmung
mit der Bezirksregierung aufgebaut habe, lasse die Entscheidung willkürlich erscheinen.
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3. Gelegenheit zur Stellungnahme erhielten alle Landesregierungen, die Präsidenten des Bundessozialgerichts und
des Bundesverwaltungsgerichts sowie die Beteiligten des Ausgangsverfahrens.
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a) Das Land Baden-Württemberg hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig. Die Beschwerdeführerin habe den
Rechtsweg nicht erschöpft; sie habe das verwaltungsgerichtliche Hauptsacheverfahren noch nicht durchlaufen,
obwohl die von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen der Klärung im Hauptsacheverfahren bedürften. Jedenfalls aber sei die
Verfassungsbeschwerde unbegründet. Die Beschwerdeführerin verkenne, dass sich für die zuständige Landesbehörde
das Auswahlermessen bei jedem Antrag eines Krankenhauses auf Aufnahme in den Krankenhausplan - selbst bei
Bedarfsdeckung durch die bereits bestandskräftig in den Krankenhausplan aufgenommenen Krankenhäuser - neu
eröffne. Anderenfalls könnte sich die Krankenhauslandschaft ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Bedarfsdeckung nicht
mehr verändern oder verbessern. Eine Krankenhausbehörde müsse jedoch zu jedem Zeitpunkt die freie Auswahl
haben und daher stets neue Krankenhäuser in ihre Planung miteinbeziehen können. Über den Antrag des zunächst
übergangenen Bewerbers sei daher so zu entscheiden, dass bei Ausübung des Auswahlermessens alle in Betracht
kommenden und sich bewerbenden Krankenhäuser gleich behandelt würden, unabhängig davon, ob sie im
Krankenhausplan bereits aufgenommen seien oder sich erst um die Aufnahme bewürben. Gegenüber dem zunächst
aufgenommenen Krankenhaus könne ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG erfolgen.
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b) Nach Auffassung des Bundessozialgerichts macht es der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz erforderlich, vor
Aufnahme der konkurrierenden Krankenhausbewerber in den Krankenhausplan dem voraussichtlich unberücksichtigt
bleibenden Bewerber einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren. Denn durch die Zulassung eines Mitbewerbers würden
Tatsachen geschaffen, die durch ein späteres Obsiegen des übergangenen Bewerbers nicht mehr oder nur begrenzt
rückgängig gemacht werden könnten. Es sei rechtlich und faktisch schwierig, ein Krankenhaus wieder aus dem
Krankenhausplan zu entfernen. Zudem dürfe nicht übersehen werden, dass das in den Krankenhausplan
aufgenommene Krankenhaus für seine Investitionen öffentliche Fördermittel erhalte, die bei einer Herausnahme aus
dem Krankenhausplan als Fehlinvestitionen betrachtet werden müssten.
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c) Die Bezirksregierung als Gegnerin des Ausgangsverfahrens hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, da
der Rechtsweg noch nicht erschöpft sei. Die Beschwerdeführerin habe inzwischen Klage erhoben. Damit stehe eine
Klärung der Rechtsfragen im Hauptsacheverfahren noch aus. Gerichtliche Kontrolle bleibe möglich. Die Städtischen
Kliniken in B. als Beigeladene des Ausgangsverfahrens teilen mit, dass sie mittlerweile eine Onkologische Klinik
eingerichtet hätten. Eine Rücknahme des zu ihren Gunsten ergangenen Feststellungsbescheides oder eine
Schließung dieser Abteilung sei ohne rechtliche Schritte und ohne Schadensersatzforderungen ihrerseits nicht
denkbar.
II.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, da dies zur Durchsetzung eines der in § 90
Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren
Voraussetzungen des § 93 c Abs. 1 BVerfGG liegen vor. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die
Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.
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1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere steht der Zulässigkeit der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG
zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität nicht entgegen. Dieser erfordert, dass ein Beschwerdeführer
über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung
stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu
erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 73, 322 <325>; 77, 381 <401>). Danach kann
bei einer Verfassungsbeschwerde, die sich gegen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangene
Entscheidungen richtet, auch die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache geboten sein. Dies ist
insbesondere dann der Fall, wenn ausschließlich Grundrechtsverletzungen gerügt werden, die sich auf die Hauptsache
beziehen, die tatsächliche und die einfach-rechtliche Lage durch die Fachgerichte noch nicht ausreichend geklärt ist
und dem Beschwerdeführer durch die Verweisung auf den Rechtsweg in der Hauptsache kein schwerer Nachteil
entsteht (vgl. BVerfGE 77, 381 <401 f.>; 79, 275 <279>; 80, 40 <45>).
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Nach diesen Grundsätzen ist es der Beschwerdeführerin angesichts der voraussichtlichen Dauer des
Hauptsacheverfahrens und der wirtschaftlichen Bedeutung der Streitsache nicht zumutbar, sie auf die Erschöpfung
des Rechtswegs im Hauptsacheverfahren zu verweisen. Seit Einrichtung der Hämatologischen Abteilung durch die
Beschwerdeführerin und deren Antragstellung sind knapp acht Jahre vergangen. Über den Widerspruch gegen den sie
betreffenden Ablehnungsbescheid und den Widerspruch, der das Hauptsacheverfahren betreffend die
Konkurrentenklage in Gang setzen könnte, wurde erst im Juni 2003 entschieden. Bis zum Abschluss in der
Hauptsache zuzuwarten, ist für die Beschwerdeführerin unzumutbar, weil die begünstigte Konkurrentin ihre Position
inzwischen weiter ausbauen und festigen kann.
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2. Die Verfassungsbeschwerde wirft keine Fragen von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung auf (§ 93 a
Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung des Falles maßgeblichen
Fragen zum effektiven Rechtsschutz schon entschieden (vgl. BVerfGE 41, 23 <26>; 67, 43 <58>; 69, 220 <227 f.>;
88, 118 <123 ff.>; 94, 166 <213>; 96, 27 <39>). Geklärt ist auch, dass die Verwirklichung der Grundrechte aus Art. 12
Abs. 1 GG eine dem Grundrechtsschutz angemessene Verfahrensgestaltung fordert (vgl. BVerfGE 73, 280 <296>;
82, 209 <227>).
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3. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Rechts der Beschwerdeführerin aus Art. 19
Abs. 4 GG angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die angegriffenen Entscheidungen haben Bedeutung und
Tragweite dieses Grundrechts verkannt, indem sie die Drittbetroffenheit der Beschwerdeführerin verneint haben.
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a) Die Verfahrensgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG beschränkt sich nicht auf die Einräumung der Möglichkeit,
die Gerichte gegen Akte der öffentlichen Gewalt anzurufen, sie gibt dem Bürger darüber hinaus einen Anspruch auf
eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <275>; stRspr). Das Gebot effektiven
Rechtsschutzes verlangt daher nicht nur, dass jeder Akt der Exekutive in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der
richterlichen Prüfung unterstellt ist, sondern die Gerichte müssen den betroffenen Grundrechten auch tatsächliche
Wirksamkeit verschaffen. Vor diesem Hintergrund sind irreparable Entscheidungen soweit wie möglich
auszuschließen (vgl. BVerfGE 35, 263 <274>).
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b) Diesen Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen, die dem unterlegenen Mitbewerber um die
Aufnahme in den Krankenhausplan das Recht zur Drittanfechtung absprechen, nicht gerecht.
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(aa) Die Aufnahme eines konkurrierenden Bewerbers in den Krankenhausplan schränkt die beruflichen
Betätigungsmöglichkeiten für das nicht aufgenommene Krankenhaus ein. Zwar berührt die Nichtaufnahme in den
Krankenhausplan nicht das Recht, ein Krankenhaus - oder, wie hier, eine bestimmte Krankenhausabteilung - zu
führen. Soweit aber ein Krankenhaus nicht in den Krankenhausplan aufgenommen wird, ist es einem erheblichen
Konkurrenznachteil ausgesetzt, der in seinen wirtschaftlichen Auswirkungen einer Berufszulassungsbeschränkung
nahe kommt (vgl. BVerfGE 82, 209 <224, 229>).
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(bb) Die besondere Grundrechtsbetroffenheit, die für die Beschwerdeführerin vorliegend mit der Aufnahme der
Städtischen Kliniken in den Krankenhausplan verbunden ist, macht es erforderlich, der Beschwerdeführerin hiergegen
zeitnahen Rechtsschutz zu eröffnen. Hierfür kommt in erster Linie der Weg der Drittanfechtung in Betracht. Hingegen
genügt die der Beschwerdeführerin in den angegriffenen Entscheidungen vorgeschlagene isolierte Verpflichtungsklage
mit dem Ziel der eigenen Zulassung zum Krankenhausplan dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nicht,
nachdem die Konkurrentin bereits zugelassen wurde.
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(1) Die Abwägungssituation wird durch die Zulassung der Konkurrentin verändert. Die Darstellung der Gründe für eine
eigene Aufnahme in den Krankenhausplan kommt in aller Regel zu spät, wenn die Argumente nicht im
Zusammenhang mit der Aufnahmeentscheidung zugunsten des Konkurrenten vorgebracht werden können. Das
aufgenommene Krankenhaus wird dann bereits vollendete Tatsachen geschaffen haben, die eine Rückgängigmachung
der Entscheidung praktisch unmöglich machen. Dies widerspricht jedoch der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts, wonach irreparable Entscheidungen soweit wie möglich auszuschließen sind (vgl.
BVerfGE 35, 263 <274>).
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Wie das Bundessozialgericht in seiner Stellungnahme ausführt, werden zudem die öffentlichen Fördermittel bei jeder
nachträglichen Herausnahme eines Krankenhauses aus dem Krankenhausplan zu einer Fehlinvestition. Durch die
Verfahrensgestaltung muss eine solche Verschwendung tunlichst vermieden werden. Das ist bei einem unabhängigen
Nebeneinander der Verpflichtungsklage eines gescheiterten Bewerbers einerseits und der nach Aufnahme in den Plan
ins Werk gesetzten Krankenhaustätigkeit des erfolgreichen Bewerbers andererseits aber ausgeschlossen. Denn die
Rechtmäßigkeit der Aufnahmeentscheidung steht erst nach rechtskräftigem Abschluss der Verpflichtungsklage fest.
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Erweist sich die begünstigende Entscheidung im Nachhinein als falsch, ist absehbar, dass ein Krankenhaus
versuchen wird, seine Aufwendungen bei nachträglicher Herausnahme aus dem Krankenhausplan gegenüber der
zuständigen Behörde geltend zu machen. Die Behörde muss mit Ersatzforderungen rechnen. Das wird durch die
Äußerung der Städtischen Kliniken im vorliegenden Fall bestätigt. Sie haben inzwischen eine Hämatologische
Abteilung aufgebaut und kündigen an, die Verluste, die durch ihre Herausnahme aus dem Krankenhausplan verursacht
würden, nicht ohne die Geltendmachung von Regressansprüchen hinnehmen zu wollen. Auch solche Regresskosten
werden möglicherweise für die Entscheidung darüber, welches Krankenhaus letztlich im Sinne des
Krankenhausfinanzierungsgesetzes die wirtschaftlichere Lösung darstellt, Berücksichtigung finden.
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(2) Effektiver Rechtsschutz ist daher nur gewährleistet, wenn dem übergangenen Krankenhaus zeitnah die
Möglichkeit der Drittanfechtung eingeräumt wird. Nur dann kann die Rechtslage für alle Beteiligten verbindlich geklärt
werden, bevor öffentliche Mittel für Investitionen bewilligt werden.
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Dafür spricht im Übrigen auch, dass die Entscheidung über die Aufnahme eines Krankenhauses in den
Krankenhausplan in aller Regel nicht isoliert, sondern immer auch unter Berücksichtigung gleichzeitig vorliegender
anderer Bewerbungen zu erfolgen hat, schon um festzustellen, welches der beteiligten Krankenhäuser nach den
maßgeblichen Kriterien am besten geeignet ist (vgl. BVerwGE 72, 38). Entscheidet die Behörde über den Antrag des
einen Krankenhauses, so darf sie dies nicht ohne den Vergleich mit gleichzeitig vorliegenden Anträgen anderer
Krankenhäuser tun. Die Aufnahme eines von zwei konkurrierenden Krankenhäusern in den Krankenhausplan stellt
implizit immer auch eine Entscheidung gegen das andere Krankenhaus dar. In dieser Weise ist die Behörde
ausweislich der vorliegenden Begründung gegen die Beschwerdeführerin auch vorgegangen. Bei einer anderen
Verfahrensweise hätte sie sich in Widerspruch zu Sinn und Zweck des Krankenhausfinanzierungsgesetzes gesetzt,
das ihr aufgibt, eine möglichst wirtschaftliche Lösung zu finden.
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(3) Damit ist nicht ersichtlich, inwieweit sich die Bewerbung zweier Krankenhäuser auf begrenzte Bettenplätze noch
von den Konkurrenzsituationen unterscheidet, in denen nach inzwischen gefestigter verwaltungsgerichtlicher
Rechtsprechung eine Konkurrentenklage zugelassen werden muss (vgl. die Aufzählung der bereits aufgetretenen
Fallkonstellationen bei Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl., 2003, § 42 Rn. 45 ff.). In diesen Fällen
hat die Rechtsprechung - mit der Begründung, dass die den Konkurrenten begünstigende Entscheidung die
Rechtsstellung des Unterlegenen verschlechtere - jeweils anerkannt, dass dem unterlegenen Bewerber die Möglichkeit
der Drittanfechtung offen stehen muss (vgl. dazu ausführlich Kopp/Schenke, a.a.O., § 42 Rn. 142 ff.).
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4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des
Gegenstandswertes ergibt sich aus § 113 Abs. 2 Satz 3 BRAGO (vgl. auch BVerfGE 79, 365 <366 f.>).
Jaeger
Hömig
Bryde