Urteil des BVerfG vom 19.02.2013

BVerfG: wohl des kindes, schutz der ehe, gemeinschaftliche adoption, schutz der familie, ausschluss, einzeladoption, gemeinsame elterliche sorge, gefahr im verzug, achtung des familienlebens

Leitsätze
zum Urteil des Ersten Senats vom 19. Februar 2013
- 1 BvL 1/11 -
- 1 BvR 3247/09 -
1. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verleiht dem Kind ein Recht auf
staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung. Eine Verpflichtung des
Gesetzgebers, die Adoption des angenommenen Kindes eines eingetragenen
Lebenspartners durch den anderen Lebenspartner (Sukzessivadoption) zu ermöglichen,
lässt sich daraus nicht ableiten.
2. Zwei Personen gleichen Geschlechts, die gesetzlich als Elternteile eines Kindes anerkannt
sind, sind auch im verfassungsrechtlichen Sinne Eltern (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG).
Eine Person, die bislang weder in einer biologischen noch in einer einfachrechtlichen
Elternbeziehung zu einem Kind steht, ist grundsätzlich nicht allein deshalb nach Art. 6 Abs.
2 Satz 1 GG Elternteil im verfassungsrechtlichen Sinne, weil sie in sozial-familiärer
Beziehung mit dem Kind lebt.
3. Leben eingetragene Lebenspartner mit dem leiblichen oder angenommenen Kind eines
Lebenspartners in sozial-familiärer Gemeinschaft, bilden sie mit diesem eine durch Art. 6
Abs. 1 GG geschützte Familie im Sinne des Grundgesetzes.
Bei der rechtlichen Ausgestaltung der Familie ist der Gesetzgeber verfassungsrechtlich
nicht ohne Weiteres verpflichtet, denjenigen, die tatsächlich soziale Elternfunktion
wahrnehmen, allein deswegen eine Adoptionsmöglichkeit zu schaffen.
4. Indem § 9 Abs. 7 des Lebenspartnerschaftsgesetzes die Möglichkeit der Annahme eines
adoptierten Kindes des eingetragenen Lebenspartners durch den anderen Lebenspartner
(Sukzessivadoption) verwehrt, wohingegen die Möglichkeit der Annahme eines adoptierten
Kindes des Ehepartners und die Möglichkeit der Annahme eines leiblichen Kindes des
eingetragenen Lebenspartners (Stiefkindadoption) eröffnet sind, werden sowohl die
betroffenen Kinder als auch die betroffenen Lebenspartner in ihrem Recht auf
Gleichbehandlung verletzt (Art. 3 Abs. 1 GG).
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvL 1/11 -
- 1 BvR 3247/09 -
Verkündet
am 19. Februar 2013
Kehrwecker
Amtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
Bundesadler
Im Namen des Volkes
In den Verfahren
I. zur verfassungsrechtlichen Prüfung,
ob das Verbot der sukzessiven Adoption durch den Lebenspartner des
zunächst Annehmenden gemäß § 9 Abs. 7 des
Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) in der Fassung vom 16. Februar
2001 (BGBl I S. 266), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes zur
Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts vom 6.
Juli 2009 (BGBl I S. 1696), mit dem Grundgesetz vereinbar ist
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 22.
Dezember 2010 (2 Wx 23/09) -
- 1 BvL 1/11 -,
II. über die Verfassungsbeschwerde
der Frau Dr. K.-W…,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Meisterernst, Düsing, Manstetten,
Wolbecker Straße 16 a, 48155 Münster -
1. unmittelbar gegen
a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 1. Dezember 2009 - I-
15 Wx 236/09 -,
b) den Beschluss des Landgerichts Münster vom 16. März 2009 - 05 T
775/08 -,
c) den Beschluss des Amtsgerichts Münster vom 30. September 2008 - 105
XVI 5/08 -,
2. mittelbar gegen
§ 9 Abs. 7 LPartG
- 1 BvR 3247/09 -
hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Vizepräsident Kirchhof,
Gaier,
Eichberger,
Schluckebier,
Masing,
Paulus,
Baer,
Britz
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 2012 durch
Urteil
für Recht erkannt:
1. § 9 Absatz 7 des Lebenspartnerschaftsgesetzes ist mit Artikel 3 Absatz 1 des
Grundgesetzes unvereinbar, soweit die Annahme eines adoptierten Kindes des
eingetragenen Lebenspartners durch den anderen Lebenspartner danach nicht möglich ist.
2. Dem Gesetzgeber wird aufgegeben, bis zum 30. Juni 2014 eine verfassungsgemäße
Regelung zu treffen. Bis zur gesetzlichen Neuregelung ist § 9 Absatz 7 des
Lebenspartnerschaftsgesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Adoption des
angenommenen Kindes des eingetragenen Lebenspartners möglich ist.
3. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 1. Dezember 2009 - I-15 Wx 236/09 -,
der Beschluss des Landgerichts Münster vom 16. März 2009 - 05 T 775/08 - und der
Beschluss des Amtsgerichts Münster vom 30. September 2008 - 105 XVI 5/08 - verletzen
die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes.
Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Münster zurückverwiesen.
4. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen
zu erstatten.
Gründe:
A.
1
Das Vorlageverfahren und die Verfassungsbeschwerde betreffen die Frage, ob der durch das
Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 2004 (BGBl I S.
3396) eingefügte § 9 Abs. 7 LPartG mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das vorlegende Gericht
und die Beschwerdeführerin verneinen dies, soweit § 9 Abs. 7 LPartG eingetragenen
Lebenspartnern die Möglichkeit verwehrt, das angenommene Kind ihres Partners ebenfalls
anzunehmen (sogenannte Sukzessivadoption), wohingegen Ehepartnern in § 1742 BGB die
Möglichkeit der Sukzessivadoption eröffnet ist und § 9 Abs. 7 LPartG die Adoption des leiblichen
Kindes des eingetragenen Lebenspartners ermöglicht (sogenannte Stiefkindadoption).
I.
2
1. Das deutsche Adoptionsrecht unterscheidet verschiedene Adoptionsformen. Die
Einzeladoption steht nur unverheirateten Personen offen (§ 1741 Abs. 2 Satz 1 BGB); da
eingetragene Lebenspartner nicht verheiratet sind, können sie hiernach ein Kind allein
annehmen. Ehepaaren vorbehalten ist hingegen die gemeinschaftliche Adoption, auf die sie
nach § 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB zugleich grundsätzlich beschränkt sind. Ehepartnern und
eingetragenen Lebenspartnern gleichermaßen möglich ist die sogenannte Stiefkindadoption des
leiblichen Kindes des Partners - sei es des Ehepartners, sei es des eingetragenen
Lebenspartners (§ 1741 Abs. 2 Satz 3 BGB und § 9 Abs. 7 LPartG). Hingegen kann gemäß
§ 1742 BGB nur ein Ehegatte das von seinem Ehegatten bereits vor der Eheschließung
angenommene Kind sukzessiv adoptieren; hiergegen wenden sich die Vorlage und die
Verfassungsbeschwerde.
3
2. Obwohl § 9 Abs. 7 LPartG die Möglichkeit der Annahme eines Kindes des Lebenspartners
nicht ausdrücklich auf dessen leibliches Kind beschränkt, lässt er die Anwendung der in § 1742
BGB für Ehegatten getroffenen Regelung der Sukzessivadoption auf eingetragene
Lebenspartner nicht zu.
4
§ 9 Abs. 7 LPartG hat folgenden Wortlaut:
5
„(7) Ein Lebenspartner kann ein Kind seines Lebenspartners allein annehmen. Für diesen Fall
gelten § 1743 Satz 1, § 1751 Abs. 2 und 4 Satz 2, § 1754 Abs. 1 und 3, § 1755 Abs. 2, § 1756
Abs. 2, § 1757 Abs. 2 Satz 1 und § 1772 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe c des Bürgerlichen
Gesetzbuchs entsprechend.”
6
Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen der Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsgesetzes
bewusst gegen eine gleichzeitige oder nachfolgende mehrfache Adoption durch eingetragene
Lebenspartner entschieden (vgl. BTDrucks 15/3445, S. 15; Plenarprotokoll des Deutschen
Bundestages, 15. Wahlperiode, 119. Sitzung am 2. Juli 2004, S. 10912 ff.). § 9 Abs. 7 LPartG
verweist daher nicht auf § 1742 BGB, wonach ein angenommenes Kind, solange das
Annahmeverhältnis besteht, bei Lebzeiten eines Annehmenden von dessen Ehegatten
angenommen werden kann. Lebenspartner sind Ehegatten insoweit weder durch das
Bürgerliche Gesetzbuch noch durch das Lebenspartnerschaftsgesetz gleichgestellt. § 9 Abs. 7
Satz 1 LPartG ermöglicht zwar die Annahme „eines Kindes” des Lebenspartners, sodass
prinzipiell auch ein Adoptivkind des Lebenspartners von § 9 Abs. 7 LPartG erfasst sein könnte.
Da § 9 Abs. 7 Satz 2 LPartG nicht auch auf § 1742 BGB verweist, entspricht es jedoch
allgemeiner Auffassung, dass ein durch eine Einzelperson angenommenes Kind zu Lebzeiten
des Annehmenden nicht von dessen Lebenspartner angenommen werden kann (vgl. Bach,
Adoption in der Lebenspartnerschaft, in: Paulitz , Adoption, 2. Aufl. 2006, S. 167 <168>;
Dethloff, FPR 2010, S. 208 <209>; Frank, in: Staudinger, BGB, Bd. IV, 2007, § 1742 Rn. 14;
ders., ZKJ 2010, S. 197 <198>; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 6. Aufl. 2010, § 42
Rn. 46; Henkel, NJW 2011, S. 259; Hilbig, FamRZ 2011, S. 1315; Kaiser, StAZ 2006, S. 65
<68>; Muscheler, StAZ 2006, S. 189 <192>; Stüber, FamRZ 2005, S. 574 <576>).
7
3. In den Gesetzesmaterialien zum Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts
finden sich keine Ausführungen dazu, warum der Gesetzgeber Lebenspartnern mit dem neu
eingefügten § 9 Abs. 7 LPartG die Stiefkindadoption leiblicher Kinder, nicht aber die
Sukzessivadoption adoptierter Kinder ihres Partners ermöglicht hat. In der Begründung des
Regierungsentwurfs wird auf die rechtlichen Vorteile hingewiesen, die eine Adoption durch den
anderen Lebenspartner für die Kinder und die Eltern mit sich bringt, ohne zwischen leiblichen
und adoptierten Kindern zu unterscheiden:
8
„Wenn der Elternteil eines Kindes, bei dem es lebt, eine Lebenspartnerschaft begründet hat,
besteht in der Regel eine gemeinsame Familie. Auch der Lebenspartner, der nicht Elternteil ist,
übernimmt Verantwortung für das Kind. Bei Auflösung der Lebenspartnerschaft durch Aufhebung
oder Tod eines Partners kann eine unsichere Situation für das Kind entstehen. Zwar kann durch
entsprechende Verträge geholfen werden, dies reicht jedoch nicht immer aus. Durch die
Zweitadoption wird die Rechtsstellung des Kindes gegenüber dem Nichtelternteil erheblich
verbessert: Die von einem Lebenspartner wahrgenommene Verantwortung für das Kind seines
Lebenspartners kann durch die Adoption als gemeinsame elterliche Verantwortung weitergeführt
werden” (BTDrucks 15/3445, S. 15).
9
4. Im Rahmen einer großen Anfrage zur Verfassungsmäßigkeit der bestehenden
Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften gegenüber Ehen (vgl. BTDrucks
17/4112, S. 3) antwortete die Bundesregierung am 21. Dezember 2011, eine Zweit- oder
Kettenadoption für Lebenspartner sei durch Art. 6 Abs. 2 des für Deutschland verbindlichen
Europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern (EuAdÜbEink) vom 24. April
1967 (ETS No. 58, UNTS vol. 634 p. 256, BGBl II 1980 S. 1093) verboten. Dieses Abkommen
sehe keine Ausnahmemöglichkeit für Lebenspartner vor. Ob die Neufassung des Abkommens
aus dem Jahre 2008 (European Convention on the Adoption of Children vom 27.
November 2008, CETS No. 202, UNTS No. I-49008) gezeichnet werden solle, werde derzeit
geprüft (vgl. BTDrucks 17/8248, S. 5).
II.
10
Der Beteiligte des dem Vorlageverfahren zugrunde liegenden Ausgangsverfahrens und die
Beschwerdeführerin bemühen sich bislang jeweils ohne Erfolg darum, das adoptierte Kind ihres
eingetragenen Lebenspartners beziehungsweise ihrer eingetragenen Lebenspartnerin zu
adoptieren.
11
1. Der Vorlage des Hanseatischen Oberlandesgerichts in dem Verfahren 1 BvL 1/11 liegt ein
Adoptionsverfahren zugrunde, in dem der Beteiligte des Ausgangsverfahrens das von seinem
eingetragenen Lebenspartner adoptierte Kind annehmen möchte. Der Lebenspartner adoptierte
mit rechtskräftigem Urteil eines rumänischen Amtsgerichts vom 8. November 2002 ein im Jahr
2000 in Rumänien geborenes Kind. Das Amtsgericht H. hat die rumänische
Adoptionsentscheidung nach dem Adoptionswirkungsgesetz anerkannt und festgestellt, dass
das Eltern-Kind-Verhältnis des Kindes zu seinen leiblichen Eltern erloschen sei und das Kind
die rechtliche Stellung eines Kindes des Lebenspartners erlangt habe. Seit Dezember 2002 lebt
das Kind im gemeinsamen Haushalt der beiden Männer, die seither die elterliche Betreuung
gemeinsam übernehmen und im gleichen Monat die eingetragene Lebenspartnerschaft
begründeten.
12
a) Der eingetragene Lebenspartner des Adoptivvaters beabsichtigt, das Kind ebenfalls zu
adoptieren, und stellte einen entsprechenden Antrag. Das Amtsgericht H. wies den
Adoptionsantrag zurück.
13
Die dagegen eingelegte Beschwerde wies das Landgericht H. zurück. Insbesondere seien
weder Grundrechte des Kindes noch solche der eingetragenen Lebenspartner verletzt. Im
Zentrum stünden das Interesse und das Wohl des Kindes. Man dürfe das Recht eines jeden, ein
„sexuelles Leben nach seiner Wahl“ zu führen, nicht verwechseln mit einem „Recht auf Kinder”.
Art. 3 Abs. 1 GG gebiete keine Gleichbehandlung der Ehe mit der Lebenspartnerschaft.
Abgesehen von den Unterschieden zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft bestehe auch ein
die Differenzierung rechtfertigender sachlicher Unterschied zwischen einem leiblichen Kind
eines Lebenspartners, welches durch den anderen Lebenspartner adoptiert werden solle, und
dem Fall, dass ein von einem Lebenspartner bereits angenommenes fremdes Kind durch eine
Adoption des anderen Lebenspartners zum Kind beider Lebenspartner werden solle. Auch ein
Verstoß gegen Art. 6 GG liege nicht vor. Ausweislich der zum Teil sehr kontroversen Anhörung
zu § 9 Abs. 7 Satz 2 LPartG im Rechtsausschuss habe es sich bereits um einen politischen
Kompromiss gehandelt, dass die Stiefkindadoption durch eingetragene Lebenspartner
zugelassen wurde. Eine weitergehende Regelung sei nicht Gesetz geworden. Dass die
Adoption eines bereits angenommenen Kindes des Lebenspartners dem Kindeswohl
entsprechen könne, liege auf der Hand. Es sei aber Sache des Gesetzgebers, diesbezüglich
Veränderungen herbeizuführen.
14
Der Beteiligte des Ausgangsverfahrens erhob weitere Beschwerde zum Hanseatischen
Oberlandesgericht. Das Hanseatische Oberlandesgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem
Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob das Verbot der
sukzessiven Adoption durch den eingetragenen Lebenspartner des zunächst Annehmenden
gemäß § 9 Abs. 7 LPartG mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
15
b) Nach Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts verstößt § 9 Abs. 7 LPartG gegen
Art. 3 Abs. 1 GG, soweit er nicht die sukzessive Adoption durch den Lebenspartner ermöglicht.
16
Kindeswohlgesichtspunkte seien nicht geeignet, die Ungleichbehandlung von Ehe und
eingetragener Lebenspartnerschaft zu rechtfertigen. Das Kindeswohl sei nicht generell dadurch
gefährdet, dass das Kind mit zwei homosexuellen Lebenspartnern als rechtlichen
Bezugspersonen aufwachse. Entscheidend sei vielmehr, wie bei jeder Adoption, die
Einzelfallprüfung gemäß § 1741 Abs. 1 Satz 1 BGB. Darum könnten Kinder auch nach
derzeitiger Rechtslage von einem Lebenspartner adoptiert werden und innerhalb einer
Lebenspartnerschaft aufwachsen. Im Hinblick auf Kindeswohlgesichtspunkte sei nicht
nachvollziehbar, dass das leibliche Kind eines Lebenspartners durch den anderen
Lebenspartner adoptiert werden könne, nicht aber das von einem Lebenspartner bereits allein
adoptierte Kind. Das einzeln adoptierte Kind dürfte ein viel größeres Bedürfnis nach einer
weiteren Absicherung haben als ein leibliches Kind. Zudem erwerbe das Kind durch die
Zweitadoption zusätzliche Erb- und Unterhaltsansprüche. Darüber hinaus wirke sich die
Tatsache, dass die Zweitadoption adoptierter Kinder durch Lebenspartner unzulässig sei,
oftmals finanziell nachteilig aus - beispielsweise bei der steuerlichen Veranlagung.
17
Auch aus dem Schutz der Ehe gemäß Art. 6 Abs. 1 GG folge keine verfassungsrechtliche
Rechtfertigung der Ungleichbehandlung.
18
Das Europäische Übereinkommen über die Adoption von Kindern vom 24. April 1967 sei
ebenfalls kein ausreichender Grund zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Ehegatten
und Lebenspartnern im derzeitigen Adoptionsrecht. Selbst wenn nach dem Übereinkommen
eine gemeinschaftliche Adoption durch Lebenspartner nicht zulässig sein sollte, könne dies
keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung darstellen. Die Bundesrepublik Deutschland könne
das Abkommen jederzeit mit einer Frist von sechs Monaten kündigen. Ferner habe das
Ministerkomitee im Jahr 2008 eine revidierte Fassung des Übereinkommens beschlossen, die
schon von vielen Mitgliedstaaten unterzeichnet worden sei. Danach seien auch die
gemeinschaftliche Adoption von Kindern und die Zweitadoption von adoptierten Kindern durch
Lebenspartner zulässig. Die Bundesrepublik Deutschland könne diese revidierte Fassung
unterzeichnen und ratifizieren.
19
2. Der Verfassungsbeschwerde in dem Verfahren 1 BvR 3247/09 liegt ein Adoptionsverfahren
zugrunde, in dem die Beschwerdeführerin das Adoptivkind ihrer eingetragenen Lebenspartnerin
annehmen möchte. Die Lebenspartnerin der Beschwerdeführerin adoptierte mit Beschluss eines
bulgarischen Stadtgerichts vom 9. Juli 2004 ein im Oktober 1999 in Bulgarien geborenes Kind.
Im Oktober 2005 begründeten die Beschwerdeführerin und ihre Lebenspartnerin eine
eingetragene Lebenspartnerschaft. Sie leben mit dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt.
20
a) aa) Die Beschwerdeführerin beabsichtigt, das Kind ebenfalls zu adoptieren und stellte im Mai
2008 einen entsprechenden Antrag. Das Amtsgericht Münster wies den Adoptionsantrag der
Beschwerdeführerin zurück, da Lebenspartner ein fremdes Kind nicht gemeinschaftlich
annehmen könnten.
21
bb) Die dagegen eingelegte Beschwerde wies das Landgericht Münster zurück. Gegen § 9 Abs.
7 LPartG bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1
GG liege nicht vor. Nach dieser Vorschrift stünden Ehe und Familie unter dem besonderen
Schutz der staatlichen Ordnung. Zweifelhaft sei schon, ob gleichgeschlechtliche Verbindungen
mit Kindern dem Familienbegriff des Art. 6 Abs. 1 GG unterfielen, weil das Modell des
Grundgesetzes, das darauf basiere, dass Menschen zusammenlebten, die prinzipiell auch
ehefähig seien, dadurch aufgegeben werde, dass es auf das Zusammenleben zweier
gleichgeschlechtlicher Menschen, die gerade nicht ehefähig seien, erstreckt werde. Aus Art. 6
Abs. 1 GG lasse sich eine Förderungspflicht des Staates lediglich bezüglich der Ehe, nicht
jedoch hinsichtlich der eingetragenen Lebenspartnerschaft ableiten. Die Tatsache, dass
Ehegatten nach der jetzigen Rechtslage im Gegensatz zu Lebenspartnern die Möglichkeit
zukomme, ein bereits angenommenes Kind ebenfalls anzunehmen, stelle auch keinen Verstoß
gegen Art. 3 GG dar. Prüfungsmaßstab sei Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG. Dies
bedeute, dass der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz im Lichte der Wertentscheidung der
Verfassung für die Ehe auszulegen und anzuwenden sei. Die aufgezeigte Ungleichbehandlung
finde ihre Rechtfertigung im Schutzauftrag des Art. 6 Abs. 1 GG. Dieser berechtige den
Gesetzgeber, die Ehe als die förmlich eingegangene Lebensgemeinschaft von Frau und Mann
gegenüber anderen Lebensformen herauszuheben und zu begünstigen.
22
cc) Die hiergegen eingelegte weitere Beschwerde wies das Oberlandesgericht Hamm zurück.
Die Regelung des § 9 Abs. 7 LPartG sei verfassungsgemäß. Die emotionale und soziale
Elternschaft, die die Beschwerdeführerin zu dem betroffenen Kind begründet habe, werde zwar
vom Schutzbereich der Familie in Art. 6 Abs. 1 GG erfasst. Dieser Gesichtspunkt zwinge den
Gesetzgeber indessen nicht zu einer die gemeinschaftliche Adoption minderjähriger Kinder
durch gleichgeschlechtliche Lebenspartner eröffnenden Ausgestaltung der Adoption. Die
verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft lasse
die Befugnis und die Aufgabe des Gesetzgebers unberührt, die Strukturprinzipien auszuformen,
die der Ehe die Gestalt und die Exklusivität gäben, in der sie verfassungsrechtlichen Schutz
erfahre. Die familienrechtlichen Institutionen der Ehe und der Adoption seien einem
übereinstimmenden Erziehungsbild verpflichtet, das die Kindererziehung zuvörderst als Aufgabe
einer aus Vater, Mutter und Kind bestehenden Familie ansehe. Darin liege zugleich ein
gewichtiger Sachgrund für eine Ungleichbehandlung von Ehegatten gegenüber
gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern. Weitere Gründe der beanstandeten Regelung lägen
darin, eine Umgehung des Verbots gemeinschaftlicher Fremdadoption durch eine spätere
Zweitadoption zu verhindern und den Willen der Eltern zu respektieren, die in eine
Einzeladoption eingewilligt hätten, möglicherweise aber nicht mit einer ergänzenden späteren
Adoption durch den Lebenspartner des Annehmenden einverstanden seien.
23
b) Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Beschlüsse
des Amtsgerichts, des Landgerichts und des Oberlandesgerichts sowie mittelbar gegen § 9
Abs. 7 LPartG und rügt die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG.
24
aa) Das Landgericht verkenne, dass vom Schutzauftrag des Art. 6 Abs. 1 GG nicht nur das
Rechtsinstitut der Ehe umfasst sei, sondern auch die Familie als solche. Insbesondere habe sich
das Landgericht nicht mit dem Wandel des Rechtsverständnisses von Elternschaft
auseinandergesetzt. Das Landgericht habe außer Acht gelassen, dass für die Vermittlung des
Elternrechts neben der biologischen Abstammung auch rechtlichen und sozialen Tatbeständen
Bedeutung beigemessen werde, dass die Elternstellung zu einem Kind im Sinne des Art. 6
Abs. 2 Satz 1 GG nicht allein durch die Abstammung, sondern auch aufgrund der sozial-
familiären Verantwortungsgemeinschaft vermittelt werde, die gleichermaßen den Gehalt von
Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ausmache und dass nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts die leibliche Elternschaft gegenüber der rechtlichen und sozial-
familiären Elternschaft keine Vorrangstellung einnehme. Das Europäische
Adoptionsübereinkommen sei inzwischen geändert worden und lasse im Unterschied zur
Fassung von 1967 die gemeinschaftliche Adoption durch
Lebenspartner zu.
25
bb) Woher das Oberlandesgericht die Erkenntnis nehme, der Schutz des Kindes sei am ehesten
in einer aus Mutter, Vater und Kind bestehenden Familie gewährleistet, erschließe sich nicht.
Der Schutzauftrag in Art. 6 Abs. 1 GG verbiete geradezu eine Ungleichbehandlung. Tatsache
sei, dass die von einem Lebenspartner bereits adoptierten Kinder in der homosexuellen
Beziehung lebten, die Familienbande damit faktisch existierten. Diese Familienbande seien
durch die Zulassung der Adoption zu stärken.
III.
26
1. Zu beiden Verfahren haben das Bundesministerium der Justiz für die Bundesregierung sowie
die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen in der mündlichen Verhandlung Stellung
genommen.
27
a) Nach Ansicht des Bundesministeriums der Justiz hat sich das völkerrechtliche Umfeld der hier
in Rede stehenden Regelung gewandelt. Hätten die völkervertragsrechtlichen Verpflichtungen
Deutschlands bei Einfügung des § 9 Abs. 7 LPartG der Zulassung der Sukzessivadoption für
eingetragene Lebenspartner möglicherweise entgegengestanden, so sehe sich die
Bundesregierung hierdurch mittlerweile nicht mehr gehindert. Bei der verfassungsrechtlichen
Gleichheitsbetrachtung sei bislang vor allem auf die Situation der Lebenspartner abgestellt
worden. Erforderlich sei aber auch die Einbeziehung der in einer eingetragenen
Lebenspartnerschaft lebenden Kinder. Die Einschätzungen der Sachverständigen über die
Vorteile, die für die Kinder mit der Ermöglichung der Sukzessivadoption verbunden seien,
ergäben insoweit ein eindeutiges Bild.
28
b) Nach Ansicht der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen ist § 9 Abs. 7 LPartG
verfassungswidrig, weil die Regelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG und gegen Art. 6 Abs. 5 GG
verstoße. Die Ungleichbehandlung adoptierter Kinder eines eingetragenen Lebenspartners
gegenüber adoptierten Kindern eines Ehepartners und gegenüber leiblichen Kindern eines
eingetragenen Lebenspartners sei nicht gerechtfertigt. Sie beruhe nicht auf
Kindeswohlerwägungen, sondern sei ein politischer Kompromiss.
29
2. Als sachkundige Auskunftspersonen haben - teilweise sowohl schriftlich als auch in der
mündlichen Verhandlung - der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen, der
Berufsverband der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten e.V., die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und
Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V., die Bundesarbeitsgemeinschaft
Schwule und Lesbische Paare e.V., der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD),
die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) e.V., das Deutsche Institut für
Jugendhilfe und Familienrecht e.V., der Deutsche Familiengerichtstag e.V. -
Kinderrechtekommission -, der Deutsche Familienverband, die Wissenschaftliche Vereinigung
für Familienrecht e.V. Bonn und der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband Gesamtverband
e.V. Stellung genommen. Erörtert wurden die tatsächliche und einfachgesetzliche Situation der
Betroffenen sowie die Verfassungsmäßigkeit von § 9 Abs. 7 LPartG.
30
a) Zehn der elf Stellungnahmen halten es aus praktischen und aus verfassungsrechtlichen
Erwägungen - insbesondere mit Rücksicht auf das Wohl der betroffenen Kinder - für erforderlich,
die Sukzessivadoption durch eingetragene Lebenspartner zuzulassen.
31
aa) Hinsichtlich der tatsächlichen und einfachrechtlichen Situation der Betroffenen wurden
verschiedene Gesichtspunkte im Wesentlichen übereinstimmend hervorgehoben.
32
Es sei davon auszugehen, dass homosexuelle Erwachsene kompetente Eltern seien. Kinder
gleichgeschlechtlicher Eltern seien trotz eines gewissen Risikos, soziale Diskriminierungen zu
erleben, in der Regel gut sozial integriert und eher weniger psychiatrisch auffällig. Nicht selten
sei bei den Kindern ein starkes Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl sowie ein Erlernen von
Bewältigungsstrategien im offenen Umgang mit der Lebenssituation zu beobachten.
33
Eine Adoption durch den eingetragenen Lebenspartner des Adoptivelternteils sei für die
Entwicklung des Kindes eher vorteilhaft. Ein fester Rahmen der Familie wirke sich auch auf
interne Strukturen aus. Stabilisierend könne insbesondere die rechtliche Gleichstellung beider
Elternteile innerhalb der Familie wirken, da Kinder im Alltag durchaus erfassten, wenn ein
Elternteil weniger rechtliche Befugnisse habe als der andere; das gemeinsame Sorgerecht der
Eltern stärke die Sicherheit der Kinder und der Eltern. Die Adoption durch den Lebenspartner
könne zur Bindungssicherheit des Kindes beitragen. Weil die Umstände, die zur Erstadoption
führten, für das Kind eine frühe Bedrohung der für seine Entwicklung wichtigen
Bindungssicherheit darstellten, sei es wichtig, dass das Kind in seiner jetzigen Familie
Annahme, emotionale Sicherheit und Stabilität erfahre. Dies bilde die Grundlage für neue
Bindungserfahrung und -sicherheit. Dabei gäben insbesondere die Hauptbezugspersonen dem
Kind den Rahmen für seine neuen Bindungs- und Beziehungserfahrungen; von deren sexueller
Identität sei das unabhängig. Dies sollte nicht durch ungleiche rechtliche Bedingungen
destabilisiert oder gar in Frage gestellt werden. Eine Adoption durch beide Elternteile würde
diese auch in den Augen des Kindes gleichstellen, was die gemeinsame Erziehung erleichtere.
Stehe das adoptierte Kind des Lebenspartners zu dem anderen Lebenspartner in rechtlich
ungleicher Stellung, könne das Kind dies zudem als Abwehr und Ablehnung seiner Person
erleben, es fühle sich unter Umständen nicht wichtig genug, um von dem Lebenspartner
angenommen zu werden. Der Ausschluss der Sukzessivadoption sei für die betroffenen Kinder
in unterhalts- und erbrechtlicher Hinsicht von Nachteil.
34
Die vom Oberlandesgericht Hamm angestellte Überlegung, dass die Einwilligung der leiblichen
Eltern lediglich im Hinblick auf eine Einzeladoption ausgesprochen sei, stehe einer
Sukzessivadoption durch den anderen Lebenspartner nicht entgegen, da die leiblichen Eltern
wüssten, dass sie mit der Einwilligung in die Adoption ihre Elternrechte verlören und auf die
weiteren Belange des Kindes keinen Einfluss mehr nehmen könnten.
35
bb) In verfassungsrechtlicher Hinsicht wird § 9 Abs. 7 LPartG als unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1
GG angesehen, weil die Regelung eine Ungleichbehandlung sowohl der betroffenen Kinder als
auch der betroffenen Lebenspartnerinnen und
Lebenspartner bewirke, die nicht gerechtfertigt sei. Teilweise wird die Regelung darüber hinaus
für unvereinbar mit Art. 6 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 5 GG gehalten.
36
b) Der Deutsche Familienverband hält § 9 Abs. 7 LPartG aufgrund tatsächlicher und
verfassungsrechtlicher Erwägungen für mit dem Grundgesetz vereinbar.
37
aa) Es sei nachvollziehbar, dass es wesentlich zur Selbstfindung eines Kindes beitrage, wenn
es in einer guten Beziehung zu Mutter und Vater aufwachsen und beide Teile des
Lebensspektrums erleben könne. Mutter und Vater seien mehr als zwei austauschbare
Erziehungsberechtigte; sie brächten komplementäre Elemente in die Erziehung ein, die
gleichgeschlechtliche Partner nicht mitbringen könnten. Die vorliegenden
Forschungsergebnisse reichten nicht aus, um sicher davon auszugehen, dass Adoptivkinder
unter den Diskriminierungserfahrungen und der speziellen Lebenssituation in ihrer neuen
Familie nicht dauerhaft litten. Sollte sich empirisch herausstellen, dass mit der Vermittlung von
Adoptivkindern in eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft längerfristig nachteilige
psychosoziale Auswirkungen verbunden seien, wäre der mit der Adoption einhergehende
hoheitliche Eingriff in die Grundrechte des Kindes und gegebenenfalls auch in das Elternrecht
der leiblichen Eltern, die in eine Kettenadoption durch einen Lebenspartner nicht eingewilligt
hätten, nicht zumutbar.
38
bb) Auch verfassungsrechtlich sei eine Differenzierung zu Gunsten von Ehepaaren im
Adoptionsrecht nach wie vor geboten und im Sinne der Wertentscheidung der Verfassung für die
Ehe unverzichtbar. Mit Art. 6 Abs. 1 GG sei eine wertentscheidende Grundsatznorm geschaffen
worden. Ehe und Familie im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG stünden nicht beziehungslos
nebeneinander. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Verfassungsgeber die Ehe als
sexuelle Gemeinschaft unter diesen besonderen Schutz stellen wollten. Sie hätten die Ehe als
Keimzelle der Familie vor Augen gehabt und seien von der Erfahrung geleitet gewesen, dass die
Institution der Ehe als Verbindung von Frau und Mann im Regelfall die besten Voraussetzungen
für eine gelingende Kindererziehung biete.
B.
39
Der Ausschluss der Sukzessivadoption von Kindern durch eingetragene Lebenspartner ist
verfassungswidrig. Zwar sind weder das Recht des Kindes auf staatliche Gewährleistung
elterlicher Pflege und Erziehung (I.) noch das Elterngrundrecht (II.) noch das Familiengrundrecht
(III.) für sich genommen verletzt. § 9 Abs. 7 LPartG ist jedoch mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar,
soweit danach die Annahme eines adoptierten Kindes des eingetragenen Lebenspartners nicht
möglich ist, wohingegen die Annahme eines adoptierten Kindes des Ehepartners und die
Annahme eines leiblichen Kindes des eingetragenen Lebenspartners möglich sind (IV. bis VII.).
I.
40
Das dem Kind nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zustehende Recht
auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung ist durch die Verwehrung der
Sukzessivadoption durch Lebenspartner für sich genommen nicht verletzt.
41
1. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verleiht dem Kind ein Recht auf
staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung.
42
Das Kind, dem ein eigenes Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit zukommt (Art. 2
Abs. 1 GG), steht unter dem besonderen Schutz des Staates (vgl. BVerfGE 57, 361 <382>).
Kinder bedürfen des Schutzes und der Hilfe, um sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten
innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln zu können (vgl. BVerfGE 121, 69 <92 f.>;
stRspr). Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verpflichtet den Gesetzgeber,
Lebensbedingungen des Kindes zu sichern, die für sein gesundes Aufwachsen erforderlich sind
(vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; 57, 361 <383>). Diese vom Gesetzgeber näher auszugestaltende
Schutzverantwortung für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes teilt das Grundgesetz
zwischen Eltern und Staat auf. In erster Linie ist sie den Eltern zugewiesen; nach Art. 6 Abs. 2
Satz 1 GG sind Pflege und Erziehung die zuvörderst den Eltern obliegende Pflicht. Daneben
sind dem Staat eigene Pflichten gegenüber den Kindern auferlegt, die den elterlichen Pflege-
und Erziehungsauftrag unterstützen und ergänzen (vgl. BVerfGE 83, 130 <139>). Darüber hinaus
trifft den Staat auch in jenen Bereichen, in denen die Pflege- und Erziehungspflicht in den
Händen der Eltern liegt, eine grundrechtliche Gewährleistungspflicht aus Art. 2 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG; ihm verbleibt eine Kontroll- und
Sicherungsverantwortung dafür, dass sich ein Kind in der Obhut seiner Eltern tatsächlich zu
einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit entwickeln kann (vgl. BVerfGE 101, 361 <385 f.>;
121, 69 <93 f.>).
43
Der dem Staat durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG auferlegte
Gewährleistungsauftrag verpflichtet ihn, das Wie und das Ob elterlicher Pflichtenwahrnehmung
in Ausrichtung auf das Kindeswohl zu sichern. Diese Aufgabe hat insbesondere in der der
staatlichen Gemeinschaft durch Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zugewiesenen Wächterfunktion
Ausdruck gefunden. Darüber hinaus ist Teil dieser dem Staat verbleibenden Verantwortung, die -
von der Verfassung vorausgesetzte - spezifisch elterliche Hinwendung zu den Kindern (vgl.
BVerfGE 101, 361 <385 f.>) dem Grunde nach zu ermöglichen und zu sichern (vgl. BVerfGE 57,
361 <382 f.>; 121, 69 <95>). Dazu gehört auch die Verpflichtung des Staates, rechtliche
Vorkehrungen dafür zu treffen, dass in Fällen, in denen die leiblichen Eltern nicht bereit oder
nicht in der Lage sind, die elterlichen Funktionen wahrzunehmen, elterliche Verantwortung von
anderen Personen übernommen werden kann (vgl. BVerfGE 24, 119 <148 f.>). Art. 2 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG begründet insofern ein auf die tatsächliche
Pflichtenwahrnehmung durch Eltern gerichtetes subjektives Gewährleistungsrecht des Kindes
gegenüber dem Staat.
44
2. Das Recht auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung ist berührt; ohne
Ermöglichung der Sukzessivadoption kann der adoptionswillige Lebenspartner nicht in die
rechtliche Elternposition einrücken und kann damit nicht zum Wohle und zum Schutze des
Kindes Elternverantwortung im rechtlichen Sinne übernehmen. Praktisch führt der Ausschluss
der Sukzessivadoption in aller Regel dazu, dass die betroffenen Kinder nur einen rechtlichen
Elternteil haben. Dem Sukzessivadoptionswunsch liegt typischerweise eine Situation zugrunde,
in der ein Kind ursprünglich keine Eltern hatte oder die leiblichen Eltern zur Übernahme der
Elternverantwortung nicht bereit waren. Erst im Wege der Einzeladoption durch den anderen
Lebenspartner hat das Kind einen Elternteil erhalten, der bereit ist, die mit dem Elternrecht
untrennbar verbundenen Pflichten (vgl. BVerfGE 24, 119 <150>) auf sich zu nehmen. Diese
Adoption hat die rechtliche Verbindung zu den leiblichen Eltern vollständig zum Erlöschen
gebracht (§ 1755 Abs. 1 BGB), sodass das Kind infolge der Einzeladoption, abweichend vom in
Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG unterstellten Fall, nicht mehrere „Eltern“, sondern lediglich einen
Elternteil hat. Lebt dieser Elternteil in eingetragener Lebenspartnerschaft, kann das Kind keinen
zweiten Elternteil durch Annahme erhalten (§ 1742 BGB), solange die sukzessive Adoption
durch einen eingetragenen Lebenspartner ausgeschlossen bleibt.
45
3. Im Ergebnis hat der Gesetzgeber seine aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1
GG folgende Gewährleistungsverantwortung gegenüber dem Kind gleichwohl nicht verletzt. Die
staatliche Verpflichtung, die Wahrnehmung der Pflege- und Erziehungsverantwortung durch die
Eltern zu sichern, wurzelt in der grundrechtlichen Schutzpflicht gegenüber dem Kind. Wie der
Staat seine Verpflichtung zu einem effektiven Grundrechtsschutz erfüllt, ist in erster Linie vom
Gesetzgeber zu entscheiden. Zunächst befindet er darüber, welche Schutzmaßnahmen er für
zweckdienlich und geboten hält, um einen wirksamen Schutz zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 39,
1 <44>; 46, 160 <164>; 121, 317 <356>; 125, 39 <78>; stRspr). Die aus den Grundrechten
folgenden subjektiven Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe einerseits und die sich aus der
objektiven Bedeutung der Grundrechte ergebenden Schutzpflichten andererseits unterscheiden
sich insofern grundlegend voneinander, als das Abwehrrecht in Zielsetzung und Inhalt ein
bestimmtes staatliches Verhalten fordert, während die Schutzpflicht grundsätzlich unbestimmt ist.
Wie die staatlichen Organe ihre Schutzpflicht erfüllen, ist von ihnen in eigener Verantwortung zu
entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht betont deshalb in ständiger Rechtsprechung, dass
die Aufstellung und normative Umsetzung eines Schutzkonzepts Sache des Gesetzgebers ist,
dem grundsätzlich auch dann ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum
zukommt, wenn er dem Grunde nach verpflichtet ist, Maßnahmen zum Schutz eines Rechtsguts
zu ergreifen (vgl. BVerfGE 96, 56 <64>; stRspr).
46
Die Grenzen des dem Gesetzgeber zustehenden Spielraums sind hier nicht überschritten. Die
betroffenen Kinder sind nicht elternlos, sondern haben einen Elternteil im Rechtssinne. Zudem
hat der Gesetzgeber anderweitig Sorge dafür getragen, dass der Lebenspartner des
Adoptivelternteils in gewissem Umfang elterliche Aufgaben wahrnehmen kann, indem ihm
praktisch wichtige elterntypische Befugnisse verliehen werden. Gemäß § 9 Abs. 1 LPartG hat er
die Befugnis zur Mitentscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes. Das
sind nach § 1687 Abs. 1 Satz 3 BGB solche Entscheidungen, die häufig vorkommen und die
keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Erfasst sind
damit insbesondere Fragen der täglichen Betreuung und Versorgung des Kindes sowie
Alltagsfragen, die im schulischen Leben und in der Berufsausbildung des Kindes auftreten.
Ebenfalls gehören hierzu Entscheidungen, die im Rahmen der gewöhnlichen medizinischen
Versorgung des Kindes zu treffen sind (vgl. BTDrucks 14/3751, S. 39, mit Verweis auf BTDrucks
13/4899, S. 107). Bei Gefahr im Verzug ist der Lebenspartner außerdem gemäß § 9 Abs. 2
LPartG dazu berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes
notwendig sind. Dass der Umfang elternähnlicher Verantwortung, die der Lebenspartner zum
Wohl des Kindes tragen kann, hinter dem Ausmaß der rechtlichen Verantwortung zurückbleibt,
die mit dem Elternrecht verbunden wäre, ist vom verfassungsrechtlichen
Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt.
II.
47
Dass ein eingetragener Lebenspartner das angenommene Kind seines Partners nicht adoptieren
kann, verletzt nicht das durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Elternrecht. Zwar ist der
sachliche Schutzbereich dieses Grundrechts betroffen, wenn das einfache Recht einer Person,
die im verfassungsrechtlichen Sinne Elternteil eines Kindes ist, die gesetzliche Elternstellung
verwehrt. Der eingetragene Lebenspartner eines Adoptivelternteils ist jedoch nicht ohne
Weiteres Träger des verfassungsrechtlichen Elternrechts. Dabei schließt nicht schon die
Gleichgeschlechtlichkeit zweier Personen aus, beide als Elternteile im Sinne des Art. 6 Abs. 2
Satz 1 GG anzusehen (1.). Unabhängig vom Geschlecht gelten jedoch Personen, die weder in
einer biologischen noch in einer rechtlichen Elternbeziehung zu einem Kind stehen,
grundsätzlich nicht allein deshalb als Elternteile im verfassungsrechtlichen Sinne, weil sie in
sozial-familiärer Verbindung mit dem Kind leben (2.).
48
1. Sofern das einfache Recht die rechtliche Elternschaft zweier gleichgeschlechtlicher Partner
begründet, sind diese auch im verfassungsrechtlichen Sinne als Eltern anzusehen. Art. 6 Abs. 2
Satz 1 GG schützt nicht nur verschiedengeschlechtliche Eltern, sondern schützt auch zwei
Elternteile gleichen Geschlechts.
49
a) Dies folgt schon aus der Kindeswohlfunktion des Elterngrundrechts. Das Kindeswohl ist
wesensbestimmender Bestandteil des Art. 6 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 108, 82 <102>). Die
verfassungsrechtliche Gewährleistung des Elternrechts dient in erster Linie dem Schutz des
Kindes. Sie beruht auf dem Gedanken, dass in aller Regel den Eltern das Wohl des Kindes mehr
am Herzen liegt als irgendeiner anderen Person oder Institution. Das Elternrecht ist um des
Kindes willen gegen Eingriffe des Staates geschützt (vgl. BVerfGE 59, 360 <376 f.>; 61, 358
<371 f.>). Für die Schutzbedürftigkeit dieses zum Wohle des Kindes gewährten Elternrechts
gegenüber dem Staat macht es keinen Unterschied, ob die Eltern gleichen oder verschiedenen
Geschlechts sind.
50
b) Der Wortlaut des Elterngrundrechts steht einer Anwendung auf zwei Personen gleichen
Geschlechts nicht entgegen.
51
aa) Das Grundgesetz spricht in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht von Mutter und Vater, sondern von
geschlechtlich nicht spezifizierten Eltern. Damit richtet das Grundgesetz den Blick zwar auf
mehrere Elternteile. Eine begriffliche Festlegung auf verschiedengeschlechtliche
Elterngemeinschaften folgt daraus jedoch nicht. Träger des Elternrechts des Art. 6 Abs. 2 Satz 1
GG sind nicht die Eltern als (verschiedengeschlechtliche) Gemeinschaft, sondern - unabhängig
vom Geschlecht - jeder Elternteil für sich (vgl. BVerfGE 47, 46 <76>; 99, 145 <164>).
52
Die verfassungsrechtliche Anerkennung der Elternschaft zweier gleichgeschlechtlicher
Personen hat das Bundesverfassungsgericht nicht mit der Feststellung ausschließen wollen, der
Umstand, dass ein Kind nur von einem Elternpaar abstammen könne, lasse darauf schließen,
dass der Verfassungsgeber nur einem Elternpaar das Elternrecht für ein Kind habe zuweisen
wollen (vgl. BVerfGE 108, 82 <101>). In dieser Entscheidung ging es ersichtlich nicht um die
Frage der Geschlechterkonstellation der Eltern, sondern um die Begrenzung der Trägerschaft
des Elternrechts zur Vermeidung von Verantwortungsunklarheit und Kompetenzkonflikten. Beim
Nebeneinander von zwei Vätern, denen zusammen mit der Mutter jeweils die gleiche
grundrechtlich zugewiesene Elternverantwortung für das Kind zukäme, nähme die Schwierigkeit
zu, elterliche Verantwortung personell festzumachen; zudem wären Rollenkonflikte und
Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Eltern gleichsam angelegt, die negativen Einfluss auf die
Entwicklung des Kindes nehmen könnten (vgl. BVerfGE 108, 82 <103>).
53
bb) Der verfassungsrechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Eltern steht auch nicht
entgegen, dass Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG vom natürlichen Recht der Eltern spricht. Zwar ist daraus
zu schließen, dass mit Eltern zunächst die Menschen gemeint sind, die dem Kind das Leben
geben (vgl. BVerfGE 24, 119 <150>). Dass damit alle anderen Personen als Träger des
Elterngrundrechts ausscheiden, kann dem jedoch nicht entnommen werden. Einfachrechtlich
können biologische und rechtliche Vaterschaft etwa infolge der bürgerlichrechtlichen
Vaterschaftsvermutung bei der ehelichen Geburt eines Kindes (§ 1592 Nr. 1 BGB) und infolge
einer Vaterschaftsanerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB) auseinanderfallen; verfassungsrechtliche
Elternschaft wird hier grundsätzlich auch dem „nur-rechtlichen Vater“ zugesprochen (vgl.
BVerfGE 108, 82 <100 f.>). Den verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG
genießt auch die - ebenfalls nicht auf Abstammung beruhende - Adoptivelternschaft nach § 1754
BGB (vgl. BVerfGE 24, 119 <150>).
54
c) Auch abweichende historische Vorstellungen davon, was unter „Eltern“ im Sinne des Art. 6
Abs. 2 Satz 1 GG zu verstehen ist, stehen seiner Anwendung auf eingetragene Lebenspartner
heute nicht entgegen.
55
Zwar ist angesichts der damaligen Strafbarkeit und der gesellschaftlichen Verpöntheit von
Homosexualität im Zeitpunkt der Entstehung des Grundgesetzes davon auszugehen, dass bei
Abfassung von Art. 6 Abs. 2 GG ausschließlich an verschiedengeschlechtliche Eltern gedacht
war. In der Norm liegt deshalb aber nicht eine bewusste Entgegensetzung zur Anerkennung
gleichgeschlechtlicher Eltern; vielmehr lag diese schlicht außerhalb des damaligen
Vorstellungshorizonts. Entsprechend konnte es damals anders als heute zur Elternschaft zweier
gleichgeschlechtlicher Personen einfachrechtlich in keiner Konstellation kommen. Die Grenzen
der damaligen Vorstellungswelt und des dabei unterlegten historischen Begriffsverständnisses
sind indessen mit der Veränderung der rechtlichen Einordnung von Homosexualität nach und
nach entfallen. Gegenüber der Situation bei Inkrafttreten des Grundgesetzes hat sich nicht nur
das Gesetzesrecht, sondern auch die Einstellung der Gesellschaft zur Gleichgeschlechtlichkeit
und der Lebenssituation gleichgeschlechtlicher Paare erheblich gewandelt. Zwei Personen
gleichen Geschlechts als Elternpaar anzusehen, scheitert heute nicht mehr daran, dass
homosexuellen Paaren rechtliche Berechtigung und Anerkennung ihrer dauerhaften
Partnerschaft schlechthin verweigert würden.
56
War männliche Homosexualität im Jahr 1949 in §§ 175, 175a StGB a.F. noch strafbewehrt, so
sind die Tatbestandsvoraussetzungen im Laufe der Jahre mehrfach modifiziert und die Strafnorm
schließlich ganz aufgehoben worden. Der Gesetzgeber hat homosexuelle Menschen seitdem
heterosexuellen Menschen weitgehend gleichgestellt. Insbesondere traten am 1. August 2001
das Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften:
Lebenspartnerschaften und am 15. Dezember 2004 das Gesetz zur Überarbeitung des
Lebenspartnerschaftsrechts in Kraft. Auch die Gesetzgebung in den anderen europäischen
Staaten, insbesondere in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, tendiert zu einer
Gleichbehandlung verschieden- und gleichgeschlechtlicher Paare, die in einer Reihe von
Staaten deren Adoptionsmöglichkeiten einschließt. Eine gemeinsame Adoption durch
gleichgeschlechtliche Paare ist derzeit in Belgien, Dänemark, den Niederlanden, Schweden,
Spanien, im Vereinigten Königreich, in Island und Norwegen möglich. In denselben Staaten ist
auch die Sukzessivadoption für gleichgeschlechtliche Paare möglich. Stiefkindadoptionen des
leiblichen Kindes des Lebenspartners lassen neben Deutschland und den acht genannten
Staaten auch Finnland und Slowenien zu. Neben Deutschland erlauben Finnland, Frankreich,
Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Polen,
Rumänien, die Slowakei, Slowenien, Ungarn, England und Wales, Kroatien, Monaco und die
Türkei Einzeladoptionen durch homosexuelle Personen. Eine entsprechende Entwicklung ist in
der Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichts (vgl. einerseits BVerfGE 6, 389 und
andererseits BVerfGE 105, 313; 124, 199) wie auch der europäischen Gerichte erkennbar (vgl.
zur rechtlichen Gleichstellung eingetragener Lebenspartner im Allgemeinen EuGH, Urteil vom 1.
April 2008 - C-267/06 - Tadao Maruko/Versorgungsanstalt der Deutschen Bühnen, EuZW 2008,
S. 314 ff.; zur Einzeladoption durch eine homosexuelle Person einerseits früher EGMR, Urteil
vom 26. Februar 2002 - 35615/97 - Fretté/Frankreich, FamRZ 2003, S. 149 ff.; andererseits jetzt
EGMR, Urteil vom 22. Januar 2008 - 43546/02 - E.B./Frankreich, NJW 2009, S. 3637 ff.).
57
2. Können Personen gleichen Geschlechts demnach im verfassungsrechtlichen Sinne Eltern
eines Kindes sein, vermag der eingetragene Lebenspartner eines Adoptivelternteils aus Art. 6
Abs. 2 Satz 1 GG gleichwohl keinen Anspruch auf Ermöglichung der Sukzessivadoption
abzuleiten. Er ist vor der Adoption selbst dann nicht Träger dieses Grundrechts, wenn er mit
seinem Lebenspartner und dessen angenommenem Kind in sozial-familiärer Gemeinschaft lebt,
denn ein bis dahin allein soziales Elternverhältnis zum Kind des Lebenspartners begründet
keine verfassungsrechtliche Elternschaft.
58
a) Träger des verfassungsrechtlichen Elternrechts können Personen sein, die in einem durch
Abstammung (vgl. BVerfGE 108, 82 <100> m.w.N.) oder durch einfachgesetzliche Zuordnung
(vgl. BVerfGE 108, 82 <103> m.w.N.) begründeten Elternverhältnis zum Kind stehen. Daran fehlt
es hier.
59
b) Grundsätzlich sind Personen nicht allein deshalb Eltern im Sinne des Grundgesetzes, weil sie
gegenüber dem Kind ihres Partners die soziale Funktion eines zweiten Elternteils wahrnehmen.
Zwar misst das Grundgesetz der sozialen Eltern-Kind-Beziehung verfassungsrechtliche
Bedeutung bei: Konkurriert ein leiblicher Elternteil mit dem bisherigen rechtlichen Elternteil um
die einfachrechtliche Zuweisung der Elternposition, kann das Bestehen einer sozial-familiären
Beziehung zum Kind von Verfassungs wegen über diese Zuweisung entscheiden, weil auch die
soziale und personale Verbundenheit zwischen Eltern und Kind Voraussetzung dafür ist,
entsprechend dem Elternrecht Verantwortung für das Kind tragen zu können (vgl. BVerfGE 108,
82 <106> m.w.N.). Kann soziale Elternschaft demnach verfassungsrechtlich notwendige
Bedingung für die einfachgesetzliche Zuweisung der Elternrolle sein, so ist sie doch für sich
genommen nicht hinreichende Voraussetzung verfassungsrechtlicher Elternschaft. Soziale
Elternschaft allein begründet grundsätzlich keine Elternposition im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1
GG und vermittelt damit auch kein Recht auf Adoption. Dem verfassungsrechtlichen
Schutzbedarf der familiären Bindungen zwischen einem Kind und der Person, die ihm
gegenüber eine soziale Elternrolle übernommen hat, ohne rechtlich Elternteil zu sein, wird
vielmehr durch den Familienschutz des Art. 6 Abs. 1 GG Rechnung getragen, der vom formalen
Elternstatus unabhängig ist (s.u., III.).
III.
60
Die sozial-familiäre Gemeinschaft aus eingetragenen Lebenspartnern und dem leiblichen oder
angenommenen Kind eines Lebenspartners bildet eine durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte
Familie; auf den Schutz des Familiengrundrechts können sich alle Beteiligten jeweils
eigenständig berufen (1.). Der Ausschluss der Sukzessivadoption für Lebenspartner berührt das
Familiengrundrecht, ohne es jedoch für sich genommen zu verletzen (2.).
61
1. Das Familiengrundrecht schützt auch die aus gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern und
einem Kind bestehende Gemeinschaft, sofern diese dauerhaft angelegt ist und als umfassende
Gemeinschaft gelebt wird (vgl. v. Coelln, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 6 Rn. 16 m.w.N.;
Coester-Waltjen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 6 Rn. 11; Jarass, in:
Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 6 Rn. 9; Stern, Der Schutz von Ehe, Familie und Eltern/
Kind-Beziehung, in: Stern/Sachs/Dietlein, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland,
Bd. IV/1, 2006, § 100, S. 402 f.; a.A. Uhle, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar
GG, Edition 17, Art. 6 Rn. 18 ).
62
a) Die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft von Eltern mit Kindern ist als Familie
durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfGE 79, 256 <267>; 108, 82 <112>). Die leibliche und
seelische Entwicklung der prinzipiell schutzbedürftigen Kinder findet in der Familie und der
elterlichen Erziehung eine wesentliche Grundlage (vgl. BVerfGE 80, 81 <90>). Weil das
Familiengrundrecht auf den Schutz der spezifisch psychologischen und sozialen Funktion
familiärer Bindungen zielt (vgl. Pirson, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, Bonner Kommentar zum GG,
Art. 6 Abs. 1 Rn. 24 ; Robbers, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2010,
Art. 6 Rn. 90), setzt der Grundrechtsschutz den Bestand rechtlicher Verwandtschaft nicht voraus.
Der Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG reicht insofern über das Elternrecht des Art. 6
Abs. 2 Satz 1 GG hinaus, als er auch Familiengemeinschaften im weiteren Sinne einbezieht (vgl.
zur Pflegefamilie BVerfGE 68, 176 <187>; 79, 51 <59>; zur Stieffamilie BVerfGE 18, 97 <105 f.>;
79, 256 <267>), die als „soziale Familien“ vom Bestehen rechtlicher Elternschaft unabhängig
sind (vgl. BVerfGE 68, 176 <187>; 79, 51 <59>; 80, 81 <90>; 99, 216 <231 f.>; 108, 82 <107,
116>).
63
b) Angesichts des Schutzzwecks des Familiengrundrechts ist auch eine aus
gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern und einem Kind bestehende, dauerhaft angelegte,
sozial-familiäre Gemeinschaft eine Familie im verfassungsrechtlichen Sinne. Dies gilt auch
dann, wenn rechtliche Elternschaft nur im Verhältnis zu einem Partner begründet ist. Die
verfassungsrechtliche Familieneigenschaft setzt bei gleichgeschlechtlichen Paaren ebenso
wenig wie bei verschiedengeschlechtlichen Paaren voraus, dass beide Partner Eltern im
rechtlichen Sinne sind. Das familiäre Zusammenleben zweier gleichgeschlechtlicher Partner mit
dem Kind des einen Partners kann die gleichen schutzwürdigen familiären Bindungen
hervorbringen wie das Zusammenleben in der Stieffamilie eines verschiedengeschlechtlichen
Paares. Dort wie hier ist im Übrigen für den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unerheblich, ob das
Kind leibliches oder angenommenes Kind des rechtlichen Elternteils ist.
64
c) Die Erstreckung des Schutzes des Familiengrundrechts auf gleichgeschlechtliche Paare mit
Kind ist nicht etwa dadurch ausgeschlossen, dass Art. 6 Abs. 1 GG nur die auf einer Ehe
gründende Familie schützen würde. Für den Schutz durch das Familiengrundrecht kommt es
nicht darauf an, ob die Eltern miteinander verheiratet sind oder nicht; der Familienschutz schließt
auch die nichteheliche Familie ein (vgl. BVerfGE 10, 59 <66>; 18, 97 <105 f.>; 45, 104 <123>;
79, 256 <267>; 108, 82 <112>).
65
d) Der Familienbegriff des Art. 6 Abs. 1 GG ist nicht auf „zumindest prinzipiell ehefähige
Partnerschaften“ ausgerichtet, was die Einbeziehung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften
mangels Ehefähigkeit ausschließen würde (so aber Uhle, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher
Online-Kommentar GG, Edition 17, Art. 6 Rn. 18 ). Wo ein gleichgeschlechtliches
Paar dauerhaft mit einem Kind in einer faktischen Eltern-Kind-Beziehung zusammenlebt, lässt
sich das Bestehen einer Familie tatsächlich nicht in Abrede stellen (vgl. Stern, a.a.O., § 100, S.
402 f.). Ihr den Schutz des Familiengrundrechts zu verweigern, widerspräche dem Sinn des auf
den Schutz der sozialen Familiengemeinschaft gerichteten Familiengrundrechts.
66
e) Die Einbeziehung gleichgeschlechtlicher Elternpaare in den Familienschutz entspricht der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. In der Rechtssache
Schalk und Kopf gegen Österreich (EGMR, Urteil vom 24. Juni 2010 - 30141/04 -, NJW 2011,
S. 1421 ff.) ist der Gerichtshof unter Hinweis auf die gesellschaftliche und rechtliche Entwicklung
in den Konventionsstaaten ausdrücklich von seiner früheren Auffassung abgerückt, dass
gleichgeschlechtliche Paare kein Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne von Art. 8
EMRK haben könnten.
67
2. Art. 6 Abs. 1 GG ist jedoch nicht verletzt. Das Familiengrundrecht garantiert als Abwehrrecht
insbesondere das Zusammenleben der Familienmitglieder und die Freiheit, über die Art und
Weise der Gestaltung des familiären Zusammenlebens selbst zu entscheiden (vgl. BVerfGE 61,
319 <347>; 99, 216 <231>). In dieses Recht wird nicht eingegriffen. Der Ausschluss der
Möglichkeit einer Sukzessivadoption betrifft das tatsächliche Zusammenleben der Lebenspartner
und des Kindes nicht unmittelbar. Zwar hat der Adoptionsausschluss insofern Einfluss auf das
familiäre Zusammenleben, als dem Lebenspartner des Adoptivelternteils gegenüber dessen
Kind bestimmte elterntypische rechtliche Befugnisse verwehrt bleiben, sodass die beiden
Partner die Erziehungsaufgaben nicht ohne Weiteres gleichberechtigt wahrnehmen können. Im
Ergebnis ist die Verwehrung der Sukzessivadoption jedoch von der insoweit maßgebenden
Befugnis des Gesetzgebers zur rechtlichen Ausgestaltung der Familie gedeckt.
68
Trotz starker tatsächlicher Vorprägung bedarf der Lebensbereich Familie einer rechtlichen
Struktur, innerhalb derer sich Familienbeziehungen entfalten können; dies gilt insbesondere für
wechselseitige Verpflichtungen und Befugnisse. Eine solche rechtliche Struktur bereitzustellen,
ist der Gesetzgeber durch Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet (vgl. Burgi, in: Friauf/Höfling, Berliner
Kommentar zum GG, Art. 6 Rn. 17, 26 ; Seiler, Grundzüge eines öffentlichen
Familienrechts, 2008, S. 40 ff., 65 m.w.N.). Dafür kommt ihm ein Gestaltungsspielraum zu (vgl.
Seiler, ebd., S. 66). Zwar bleibt die Ausgestaltung grundrechtlich gebunden (vgl. BVerfGE 105,
313 <345> zur Ehe). Der Gesetzgeber ist durch Art. 6 Abs. 1 GG jedoch nicht ohne Weiteres
verpflichtet, bei der Ausgestaltung der Familie im rechtlichen Sinne tatsächlich vorgefundene
familiäre Gemeinschaften genau nachzuzeichnen.
69
Mit der Regelung der Adoptionsmöglichkeiten definiert der Gesetzgeber eine Form der
Erlangung des Elternstatus‘. Die Adoption ist ein rechtlicher Vorgang, der dem Einzelnen
überhaupt erst durch gesetzliche Regelung verfügbar wird. Regelungen über
Adoptionsmöglichkeiten nehmen keine familiäre Freiheit, sondern gestalten diese aus (vgl.
Stern, a.a.O., § 100, S. 417), indem sie weitere Möglichkeiten rechtlich anerkannter
Familienbeziehungen eröffnen. Auch die Entscheidung des Gesetzgebers, eine
Adoptionsmöglichkeit nicht zu gewähren, ist grundsätzlich noch der Ausgestaltungsdimension
des Grundrechts zuzurechnen; Ausgestaltung schließt die Verwehrung bestimmter
Entfaltungsmöglichkeiten ein.
70
Der gesetzgeberische Ausgestaltungsspielraum ist durch die Verwehrung der
Sukzessivadoption nicht überschritten. Gerade weil das Familiengrundrecht Beziehungen
einschließt, die einem Eltern-Kind-Verhältnis gleichkommen, ohne vom Elternrecht (Art. 6 Abs. 2
Satz 1 GG) erfasst zu sein (s.o., 1.a)), ist der Gesetzgeber nicht aus Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet,
in jedem Fall einer faktischen Eltern-Kind-Beziehung das volle Elternrecht zu gewähren. Hier hat
der Gesetzgeber insbesondere mit den in § 9 LPartG vorgesehenen elterntypischen Befugnissen
Regelungen getroffen, die es dem Lebenspartner des Adoptivelternteils ermöglichen, für das
Kind zu sorgen. Hingegen ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 GG für den Lebenspartner eines
Adoptivelternteils ebenso wenig wie für den Ehepartner eines Adoptivelternteils ein Anspruch
auf Ermöglichung einer Sukzessivadoption (vgl. v. Coelln, a.a.O., Art. 6 Rn. 16 m.w.N.; a.A.
Grehl, Das Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare unter verfassungsrechtlichen
Gesichtspunkten, 2008, S. 152 ff.; Dittberner, Lebenspartnerschaft und Kindschaftsrecht, 2004, S.
166 f.).
IV.
71
Die Nichtzulassung der sukzessiven Adoption angenommener Kinder eingetragener
Lebenspartner durch den anderen Lebenspartner verletzt jedoch die betroffenen Kinder in ihrem
Recht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG). Sie benachteiligt das adoptierte Kind eines
eingetragenen Lebenspartners in verfassungswidriger Weise sowohl gegenüber adoptierten
Kindern eines Ehegatten, die nach § 1742 BGB vom anderen Ehegatten angenommen werden
können, als auch gegenüber leiblichen Kindern eines eingetragenen Lebenspartners, die nach
§ 9 Abs. 7 LPartG vom anderen Lebenspartner adoptiert werden können.
72
1. a) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und
wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 98, 365 <385>; stRspr). Der
Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen
im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine
Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche
Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 129, 49 <69>; stRspr). Dabei verwehrt Art. 3
Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets
der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der
Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfGE 129, 49 <68 f.>; stRspr). Hinsichtlich der
verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund
ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche
Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten
Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl.
BVerfGE 130, 240 <254>; stRspr). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich
insbesondere aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfGE 130, 240
<254>; stRspr).
73
b) Nach diesen Grundsätzen ist hier ein gegenüber dem bloßen Willkürverbot deutlich strengerer
Prüfungsmaßstab anzuwenden. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen gehen schon
deshalb über das bloße Willkürverbot hinaus, weil die Verwehrung der Sukzessivadoption für
die Persönlichkeitsentfaltung wesentliche Grundrechte des Kindes betrifft. Auch wenn der
Gesetzgeber die betroffenen Grundrechte der Kinder nicht verletzt (s.o., I. und III.), so bleiben den
adoptierten Kindern eines eingetragenen Lebenspartners doch mit der Sukzessivadoption
verbundene Möglichkeiten der Entwicklung und Lebensgestaltung verwehrt, die dem
Adoptivkind eines verheirateten Elternteils und dem leiblichen Kind eines Lebenspartners
offenstehen. Berührt ist insbesondere die Gewährleistung elterlicher Pflege (Art. 2 Abs. 1 i.V.m.
Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG); die Verwehrung der Sukzessivadoption schließt aus, dass das Kind
einen zweiten rechtlichen Elternteil erhält, der die von der Verfassung zuvörderst den Eltern
zugedachte Sorge für die Entfaltung des Kindes in vollem Umfang übernehmen könnte (s.o., I.).
Die mit der Verwehrung der rechtlich vollwertigen Elternstellung verbundenen Beschränkungen
elterlicher Befugnisse erschweren auch das durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte familiäre
Zusammenleben des Kindes mit seinen Eltern, weil sie einer gleichberechtigten Wahrnehmung
der Elternverantwortung durch beide Lebenspartner entgegenstehen. Beeinträchtigt ist zudem
die für die Entwicklung des Kindes wichtige, durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte
Stabilisierungsfunktion der Familie, weil der allein für die Familienkonstellation des
angenommenen Kindes eines Lebenspartners geltende Ausschluss einer Adoption durch den
Stiefelternteil dem Kind den Eindruck vermitteln kann, sein Familienverhältnis sei weniger
wertvoll als das Familienverhältnis anderer Stiefkindfamilien, in denen die Eltern verheiratet sind
oder das Kind leibliches Kind eines eingetragenen Lebenspartners ist.
74
2. Die Ungleichbehandlung der betroffenen Kinder im Verhältnis zu adoptierten Kindern von
Ehepartnern ist nicht gerechtfertigt.
75
a) Die Ungleichbehandlung ist nicht durch das allgemeine Ziel einer Beschränkung von
Sukzessivadoptionen gerechtfertigt. Die Sukzessivadoption ist - unabhängig von der Frage der
Gleichgeschlechtlichkeit oder Verschiedengeschlechtlichkeit von Eltern - grundsätzlich
ausgeschlossen und nur für Ehepartner zugelassen (vgl. § 1742 BGB). Die eingetragene
Lebenspartnerschaft unterscheidet sich von der Ehe jedoch nicht in einer Weise, die eine
Ungleichbehandlung hinsichtlich des an sich legitimen Zwecks des generellen Ausschlusses
der Sukzessivadoption rechtfertigen könnte.
76
aa) Mit der Beschränkung von Sukzessivadoptionen soll insbesondere verhindert werden, dass
ein Kind konkurrierenden Elternrechten ausgesetzt ist, die widersprüchlich ausgeübt werden
könnten. Folgerichtig ist eine weitere Adoption für den Fall des Fortbestands der ersten Adoption
grundsätzlich ausgeschlossen. Die Entstehung konkurrierender Elternrechte gilt aber als
unproblematisch, wenn es sich bei den Eltern um Ehepartner handelt (vgl. Maurer, in:
Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 8, 6. Aufl. 2012, § 1742 Rn. 8). Die Zulassung der
Sukzessivadoption für Ehepartner ist insoweit konsequent. Das Ziel, zum Schutze des Kindes
einer konflikthaften Ausübung von konkurrierenden Elternrechten vorzubeugen, erklärt jedoch
nicht die Benachteiligung von Kindern eingetragener Lebenspartner gegenüber Kindern von
Ehepartnern. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass eingetragene Lebenspartner ihre Elternrechte
gegenüber einem gemeinsamen Kind weniger einvernehmlich ausüben könnten als Ehepartner.
77
bb) Zum Wohle des Kindes soll zudem verhindert werden, dass es im Wege der Adoption von
Familie zu Familie weitergegeben wird (vgl. Maurer, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 8,
6. Aufl. 2012, § 1742 Rn. 4; vgl. BTDrucks 7/3061, S. 30). Wegen der in Adoptivfamilien als
erhöht geltenden Wahrscheinlichkeit von Komplikationen im Eltern-Kind-Verhältnis wird die
Gefahr einer wiederholten Weiterreichung des Kindes gesehen (vgl. Kemper, in: Schulz/Hauß,
Familienrecht, 2. Aufl. 2011, § 1742 BGB Rn. 1). Die Gefahr einer Kindesweiterreichung durch
Kettenadoption besteht allerdings nicht, wenn die weitere Adoption gerade durch den Partner
des ersten Adoptivelternteils erfolgt. Hier gibt der erste Adoptivelternteil das Kind nicht an eine
neue Familie ab; vielmehr wird im Gegenteil die bestehende familiäre Bindung zum ersten
Adoptivelternteil durch die Begründung eines rechtlichen Eltern-Kind-Verhältnisses auch zum
Partner des ersten Adoptivelternteils gestärkt. § 1742 BGB lässt darum die Adoption durch den
Ehepartner zu. Diese Ausnahme ist vor dem Hintergrund des Zwecks des generellen
Ausschlusses der Sukzessivadoption konsequent. Auch hinsichtlich dieses Zwecks
unterscheiden sich die Adoption durch den Ehepartner und durch den eingetragenen
Lebenspartner jedoch nicht. Durch die Sukzessivadoption eines eingetragenen Lebenspartners
würde das Kind, genauso wie bei einer Sukzessivadoption durch einen Ehegatten, zum
gemeinschaftlichen Kind der Lebenspartner. Es bestünde ebenso wenig wie bei Ehepartnern die
Gefahr, dass das Kind auf diese Weise von Familie zu Familie weitergereicht würde.
Insbesondere ist die eingetragene Lebenspartnerschaft gleichermaßen auf Dauer angelegt und
durch eine verbindliche Verantwortungsübernahme geprägt wie eine Ehe (vgl. BVerfGE 124,
199 <225>; 126, 400 <426>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. Juni 2012 - 2 BvR
1397/09 -, juris, Rn. 66 f.).
78
b) Der Ausschluss der Sukzessivadoption durch Lebenspartner lässt sich auch ansonsten nicht
mit Belangen des Kindes rechtfertigen. Das Kindeswohl steht der Adoption des zuvor
adoptierten Kindes des einen Lebenspartners durch den anderen Lebenspartner nicht entgegen,
sondern spricht im Gegenteil dafür, diese zu ermöglichen.
79
aa) Der Ausschluss der Sukzessivadoption ist nicht damit zu rechtfertigen, dass dem Kind das
Aufwachsen mit gleichgeschlechtlichen Eltern schade.
80
(1) Es ist davon auszugehen, dass die behüteten Verhältnisse einer eingetragenen
Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie die einer Ehe
(vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. Juni 2012 - 2 BvR 1397/09 -, juris, Rn. 76).
Bedenken, die sich gegen das Aufwachsen von Kindern in gleichgeschlechtlichen
Elterngemeinschaften im Allgemeinen richten, wurden in der ganz überwiegenden Zahl der
sachverständigen Stellungnahmen zurückgewiesen (s.o., A.III.2.a)). Auch der Rechtsausschuss
des Deutschen Bundestages hatte bereits in seinem Bericht zum Lebenspartnerschaftsgesetz
bekundet, mit der Ausklammerung der Möglichkeit zur gemeinschaftlichen Adoption sei keine
negative Aussage über die Erziehungsfähigkeit gleichgeschlechtlich orientierter Personen
intendiert (vgl. BTDrucks 14/4550, S. 6).
81
(2) Im Übrigen wäre der Ausschluss der Sukzessivadoption ungeeignet, etwaige Gefahren des
Aufwachsens eines Kindes mit gleichgeschlechtlichen Eltern zu beseitigen, denn der
Ausschluss der Sukzessivadoption kann, darf und soll nicht verhindern, dass das Kind mit
seinem Adoptivelternteil und dessen gleichgeschlechtlichem Lebenspartner zusammenlebt.
Homosexuelle Menschen können im Wege der Einzeladoption ein Kind annehmen (§ 1741
Abs. 2 Satz 1 BGB) und mit ihrem Kind und ihrem gleichgeschlechtlichen Partner ein Leben in
familiärer Gemeinschaft führen. Nach § 9 Abs. 6 LPartG kommt eine Einzeladoption durch einen
Lebenspartner auch dann in Betracht, wenn eine eingetragene Lebenspartnerschaft bereits
besteht. Eine tatsächliche Familiengemeinschaft zweier gleichgeschlechtlicher Partner mit dem
von einem Partner angenommenen Kind kann demnach im Anschluss an eine Einzeladoption
begründet werden, ohne dass dafür eine Sukzessivadoption erforderlich wäre (vgl. Dethloff, FPR
2010, S. 208 <209>). Weder die Einzeladoption durch homosexuelle Menschen noch das
faktische Zusammenleben eingetragener Lebenspartner mit dem Kind eines der beiden Partner
ließen sich ohne gravierende Verstöße gegen das Grundgesetz unterbinden. Ein genereller
Ausschluss homosexueller Menschen von der Einzeladoption verstieße auch gegen die
Europäische Menschenrechtskonvention (vgl. EGMR, Urteil vom 22. Januar 2008 - 43546/02 -
E.B./Frankreich, NJW 2009, S. 3637 ff.). Dem Gesetzgeber lag dies aber ohnehin fern. Er hat die
Einzeladoption durch homosexuelle Menschen zugelassen und fördert darüber hinaus das
Zusammenleben des Kindes mit seinem Adoptivelternteil und dessen eingetragenem
Lebenspartner. Die familiäre Gemeinschaft eines gleichgeschlechtlichen Paares mit dem Kind
des einen Lebenspartners ist also nicht nur nicht verboten, sondern das
Lebenspartnerschaftsgesetz unterstützt deren familiäres Zusammenleben, indem es gerade für
diesen Fall Regelungen trifft, die dem Lebenspartner, der nicht Elternteil im Rechtssinne ist,
elternähnliche Befugnisse einräumen, einschließlich der Möglichkeit, einen gemeinsamen
Lebenspartnerschaftsnamen zu verwenden (§ 9 Abs. 1 bis 5 LPartG; s.o., I.3.).
82
bb) Auch die Sukzessivadoption an sich beeinträchtigt das Kindeswohl nicht, sondern ist diesem
in den hier zu beurteilenden Konstellationen regelmäßig zuträglich.
83
(1) Die Sukzessivadoption hat nach Einschätzung der angehörten psychologischen
Sachverständigen stabilisierende entwicklungspsychologische Effekte (s.o., A.III.2.a)). Die
betroffenen Kinder sind durch die Trennung von den leiblichen Eltern in besonderer Weise
belastet. Die mit der Weggabe durch die leiblichen Eltern einhergehende Bindungsunsicherheit
des Kindes würde mit der Adoption durch den eingetragenen Lebenspartner des
Adoptivelternteils nicht vertieft; vielmehr würde diese weitere Adoption der Stabilisierung und
Integration des Kindes in seine neue Familie dienen. Das Kind erhielte Gewissheit, dass ihm im
Fall des Verlusts des einen Elternteils ein anderer Elternteil bliebe. Stabilisierend könnte auch
die rechtliche Gleichstellung beider Elternteile innerhalb der Familie wirken; das gemeinsame
Sorgerecht der Eltern könnte das Zugehörigkeitsgefühl der Kinder und das
Verantwortungsgefühl der Eltern stärken und die gemeinsame Erziehung erleichtern. Hingegen
könnte das Kind die Verweigerung der rechtlichen Anerkennung seines Verhältnisses zum
sozialen Elternteil als Abwehr und Ablehnung seiner Person und seiner Familie erleben.
84
(2) Die Adoption durch den Lebenspartner würde die Rechtsstellung des Kindes bei Auflösung
der Lebenspartnerschaft durch Trennung oder Tod verbessern. Gerade diese Überlegung hat
den Gesetzgeber ausweislich der amtlichen Begründung zum Gesetzentwurf (vgl. BTDrucks
15/3445, S. 15) bei der gesetzlichen Zulassung der Stiefkindadoption durch Lebenspartner
geleitet (s.o., A.I.3.), ohne dass sich die Interessenlage des Kindes dort von der des Kindes bei
der Sukzessivadoption unterscheiden würde.
85
(a) Insbesondere ließe erst eine Sukzessivadoption im Fall einer Auflösung der
Lebenspartnerschaft eine die Kindeswohlerfordernisse berücksichtigende Regelung des
Sorgerechts zu, die der emotionalen Bindung des Kindes zum anderen Lebenspartner
Rechnung tragen könnte. Nach der Trennung der Partner bleibt das alleinige Sorgerecht nach
derzeitiger Rechtslage dem Adoptivelternteil. Die gemeinsame Ausübung des Sorgerechts ist
mangels rechtlicher Elternbeziehung des anderen Lebenspartners zum Kind ausgeschlossen.
Selbst wenn er das Kind seit der Adoption durch seinen Partner persönlich betreut und zu ihm
eine enge Bindung entwickelt hat, kommt eine Teilhabe am Sorgerecht derzeit nicht in Betracht.
Mit der Trennung entfallen zudem gemäß § 9 Abs. 4 LPartG die in § 9 Abs. 1 Satz 1 LPartG
eingeräumten elterntypischen Befugnisse. Dem Lebenspartner verbleibt einzig ein
Umgangsrecht nach § 1685 Abs. 2 BGB. Könnte der andere Lebenspartner das Kind hingegen
ebenfalls adoptieren, erhielte dieses die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes
der Lebenspartner (§ 1754 Abs. 1 BGB, § 9 Abs. 7 Satz 2 LPartG) und diesen stünde die
gemeinsame elterliche Sorge zu (§ 1754 Abs. 3 Alt. 1 BGB, § 9 Abs. 7 Satz 2 LPartG). Die
Verteilung des Sorgerechts und des darin enthaltenen Aufenthaltsbestimmungsrechts könnten
dann unter Berücksichtigung des Kindeswohls von Fall zu Fall angemessen geregelt werden
(vgl. Dethloff, in: Gedächtnisschrift für Heinze, 2005, S. 133 <143>).
86
(b) Auch in materieller Hinsicht würde das Kind durch eine Sukzessivadoption grundsätzlich
rechtlich besser abgesichert. Es würde von der doppelten Elternschaft insbesondere in
unterhalts- und erbrechtlicher Hinsicht profitieren (vgl. BVerfGE 117, 202 <234>).
87
(aa) Da das Kind ohne Sukzessivadoption nicht mit dem eingetragenen Lebenspartner des
Elternteils verwandt ist, die Unterhaltspflicht aber nur auf Verwandtschaft beruhen kann (§ 1601
BGB), hat es gegenüber dem Lebenspartner keine Unterhaltsansprüche. Erst mit der
rechtswirksamen Adoption könnten aufgrund der dann bestehenden Verwandtschaft
Unterhaltsansprüche des Kindes gegenüber dem Annehmenden entstehen.
88
Zwar gehen mit dem rechtlichen Hinzukommen eines zweiten Elternteils potenziell Pflichten des
Kindes gegenüber diesem Elternteil einher. So sind Kinder grundsätzlich gegenüber ihren Eltern
unterhaltsverpflichtet (§ 1601 BGB). Der Elternunterhalt ist jedoch im Vergleich zum
Kindesunterhalt schwächer ausgestaltet (vgl. dazu BGH, Urteil vom 30. August 2006 - XII ZR
98/04 -, FamRZ 2006, S. 1511 <1513>). Zudem realisiert sich die Verpflichtung zum
Elternunterhalt seltener und trifft das Kind in aller Regel allenfalls in fortgeschrittenem
Lebensalter, wenn es selbst über ein geregeltes Einkommen verfügt. Dagegen erhält das Kind
finanzielle Unterstützung durch seine Eltern in einer Lebensphase, in der es auf diese dringend
angewiesen ist, da es sich noch keine eigene wirtschaftliche Existenz schaffen konnte.
89
(bb) Die Sukzessivadoption stellte das Kind erbrechtlich besser. Das Stiefkind hat bei
Versterben des Stiefelternteils keine gesetzlichen erbrechtlichen Ansprüche. Deren Grundlage
würde erst durch Herstellung eines Verwandtschaftsverhältnisses im Wege der Adoption
geschaffen.
90
(3) Die betroffenen Kinder büßen durch eine Sukzessivadoption weder verwandtschaftliche
Beziehungen noch dadurch vermittelte unterhalts- oder erbrechtliche Ansprüche ein. Mit der
Annahme enden zwar grundsätzlich das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zu den
bisherigen Verwandten und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten (§ 1755 Abs. 1
BGB); Unterhaltsansprüche, das Erbrecht, die elterliche Sorge und das Umgangsrecht
erlöschen. Im Fall der Sukzessivadoption sind diese Ansprüche gegenüber früheren Elternteilen
und deren Verwandten jedoch bereits mit der ersten Adoption erloschen. Die Sukzessivadoption
bewirkt insoweit einen Zugewinn an Rechten, führt aber nicht zu einem weiteren Rechtsverlust.
91
cc) Eine Gefährdung des Kindeswohls durch Zulassung der Sukzessivadoption ist schließlich
auch deshalb nicht zu befürchten, weil jeder Adoption eine Einzelfallprüfung vorausgeht, bei der
etwaige individuelle Nachteile der konkret in Frage stehenden Adoption berücksichtigt werden.
Gemäß § 1741 Abs. 1 BGB darf das Familiengericht die Annahme nur aussprechen, wenn sie
dem Wohl des Kindes dient. Ob eine Adoption dem Wohl des Kindes dient, ist nach Prüfung des
Einzelfalls im Wege einer Prognoseentscheidung durch das Familiengericht zu beantworten.
Hierbei wird das Familiengericht nach § 189 Satz 1 FamFG grundsätzlich von der
Adoptionsvermittlungsstelle unterstützt, die die Situation der Betroffenen zuvor umfassend
untersucht hat. Wird der Adoptionsvermittlungsstelle bekannt, dass für ein Kind die Adoption in
Betracht kommt, führt sie gemäß § 7 Abs. 1 Adoptionsvermittlungsgesetz zur Vorbereitung der
Vermittlung Ermittlungen bei den Adoptionsbewerbern, bei dem Kind und seiner Familie durch,
um sich ein umfassendes Bild von der Lebenssituation des Kindes, seiner Bezugspersonen und
dem potenziellen Adoptivelternteil zu machen.
92
c) Auch der Zweck, eine Umgehung der gesetzgeberischen Entscheidung gegen die Zulassung
der gemeinschaftlichen Adoption durch zwei eingetragene Lebenspartner zu verhindern,
rechtfertigt den Ausschluss der Sukzessivadoption für eingetragene Lebenspartner nicht. Dabei
bedarf hier keiner Entscheidung, ob der Ausschluss der gemeinschaftlichen Adoption mit dem
Grundgesetz vereinbar ist, obgleich das Gesetz diese für Eheleute zulässt. Der Ausschluss der
gemeinschaftlichen Adoption ließe sich durch die Sukzessivadoption nicht vollständig umgehen,
weil sich die beiden Adoptionsformen im Ablauf voneinander unterscheiden und der Ausschluss
der gemeinschaftlichen Adoption durch die Ermöglichung der Sukzessivadoption seine Wirkung
insoweit nicht verlöre.
93
Sofern sich das Umgehungsbedenken darauf bezieht, dass ein Kind bei einer
Sukzessivadoption durch einen eingetragenen Lebenspartner wie bei der ausgeschlossenen
gemeinschaftlichen Adoption durch tätige Mithilfe des Staates in eine gleichgeschlechtliche
Elterngemeinschaft vermittelt würde, in der ihm komplementäre Elemente einer Erziehung durch
verschiedengeschlechtliche Eltern fehlten, so ist der gesetzliche Ausschluss der sukzessiven
Adoption nicht geeignet, dem zu begegnen. Ungeachtet der Frage, ob dieser Einwand als
legitimes Ziel bei einer verfassungsrechtlichen Prüfung Bestand haben könnte, verhindert der
Ausschluss der Sukzessivadoption nicht, dass ein Kind - staatlich vermittelt - dauerhaft mit einem
gleichgeschlechtlichen Paar in familiärer Gemeinschaft lebt. Kinder können im Wege der
Einzeladoption (§ 1741 Abs. 2 Satz 1 BGB) durch familiengerichtlichen Beschluss (§ 1752 Abs.
1 BGB) von einem homosexuellen Elternteil angenommen werden und dann tatsächlich - sei es
gleich, sei es später - mit dem Adoptivelternteil und dessen Lebenspartner in einer familiären
Gemeinschaft leben, sofern die Kindeswohlprüfung nach § 1741 Abs. 1 Satz 1 BGB im Einzelfall
ergibt, dass die Einzelannahme dem Wohl des Kindes dient. In dieser Hinsicht nimmt schon die
Eröffnung der Einzeladoption, die der Staat nicht allein homosexuellen Menschen vorenthalten
könnte (s.o., b)aa)(2)), und nicht erst die Sukzessivadoption dem Ausschluss der
gemeinschaftlichen Adoption die Wirkung. Das Kind wird bereits mit der Einzeladoption durch
eine homosexuelle Person in eine Familie vermittelt, in der es in aller Regel an einem
andersgeschlechtlichen Partner fehlt und dauerhaft fehlen wird. Ob diese Einzeladoption dem
Kindeswohl dient oder nicht, kann und muss anhand der individuellen Lebensumstände der
Betroffenen im konkreten Fall beurteilt werden.
94
d) Der Ausschluss der Sukzessivadoption durch einen Lebenspartner ist nicht im Hinblick auf die
Elternrechte Dritter gerechtfertigt. Elternrechte Dritter sind nicht betroffen, weil diese im Fall der
Sukzessivadoption bereits mit der ersten Adoption erloschen sind (§ 1755 Abs. 1 BGB). Mit der
Einwilligung in die Einzeladoption durch den ersten Lebenspartner (§ 1747 Abs. 1 Satz 1 BGB)
haben sich die leiblichen Eltern ihres Einflusses auf weitere Adoptionsentscheidungen der
Familiengerichte begeben.
95
e) Der Schutz der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG rechtfertigt den Ausschluss der Sukzessivadoption
durch einen eingetragenen Lebenspartner nicht.
96
aa) Die Eröffnung der Möglichkeit der Sukzessivadoption durch einen Lebenspartner verletzt das
Ehegrundrecht nicht in seiner abwehrrechtlichen Dimension. Die Sukzessivadoption durch einen
Lebenspartner berührt weder die Eheschließungsfreiheit noch die den Ehepartnern
zukommende Freiheit der inneren Ausgestaltung der Ehe.
97
bb) Die im Ehegrundrecht enthaltene Institutsgarantie ist nicht betroffen. Regelungen, die der
Ehe einen rechtlichen Rahmen geben und den Eheschluss mit Rechtsfolgen ausstatten, bleiben
unangetastet.
98
cc) Auch der durch Art. 6 Abs. 1 GG gebotene besondere Schutz der Ehe durch die staatliche
Ordnung (vgl. BVerfGE 105, 313 <346>) rechtfertigt nicht die Benachteiligung angenommener
Kinder eines Lebenspartners gegenüber angenommenen Kindern eines Ehepartners. Zwar ist
es dem Gesetzgeber wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe grundsätzlich nicht
verwehrt, diese gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen (vgl. BVerfGE 126, 400
<420>; stRspr). Geht die Privilegierung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer
Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der
Normierung verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar sind, rechtfertigt der bloße Verweis auf das
Schutzgebot der Ehe deren Benachteiligung jedoch nicht (vgl. BVerfGE 124, 199 <226>; 126,
400 <420>). Aus dem besonderen Schutz der Ehe lässt sich nicht ableiten, dass andere
Lebensgemeinschaften im Abstand zur Ehe auszugestalten und mit geringeren Rechten zu
versehen sind (vgl. BVerfGE 105, 313 <348>; 124, 199 <226>). Vielmehr bedarf es zur
Rechtfertigung der Benachteiligung vergleichbarer Lebensgemeinschaften jenseits der bloßen
Berufung auf Art. 6 Abs. 1 GG eines hinreichend gewichtigen Sachgrundes, der gemessen am
jeweiligen Regelungsgegenstand und -ziel die Benachteiligung anderer Lebensformen
rechtfertigt (vgl. BVerfGE 124, 199 <226>). Solche Sachgründe sind hier nicht gegeben (s.o., a)).
99
f) Auch das verfassungsrechtliche Elternrecht wird nicht dadurch verletzt, dass einer Person
ermöglicht wird, neben ihrem eingetragenen Lebenspartner in die rechtliche Elternposition
einzurücken. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verlangt nicht, Elternschaft auf verschiedengeschlechtliche
Paare zu beschränken. Vielmehr schützt das Elterngrundrecht auch gleichgeschlechtliche
Eltern, sofern deren Elternschaft einfachrechtlich Anerkennung gefunden hat (s.o., II.).
100
g) Ebenso wenig rechtfertigt der verfassungsrechtliche Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG), die
Möglichkeit der Sukzessivadoption auf heterosexuelle Paare zu begrenzen. Art. 6 Abs. 1 GG
schützt mannigfaltige familiäre Beziehungen, auch wenn keine Ehe zugrunde liegt. So fällt auch
die familiäre Gemeinschaft eingetragener Lebenspartner mit einem Kind unter den Schutz des
Familiengrundrechts (s.o., III.).
101
h) Ungeachtet der Frage, wie weit völkerrechtliche Verpflichtungen eine von der Verfassung
verbotene Ungleichbehandlung rechtfertigen können, lässt sich der Ausschluss des
Sukzessivadoptionsrechts nicht mit Art. 6 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens über die
Adoption von Kindern begründen, nach dem die einzelne Adoption eines Adoptivkindes des
Ehegatten gestattet ist. Art. 8 Buchstabe a der am 7. Mai 2008 vom Ministerkomitee des
Europarats verabschiedeten revidierten Fassung des Übereinkommens lässt ausdrücklich die
Sukzessivadoption durch eingetragene Lebenspartner zu. Es steht der Bundesrepublik
jedenfalls offen, der bereits in Kraft getretenen revidierten Fassung beizutreten und, soweit
erforderlich, das ursprüngliche Abkommen zu kündigen.
102
3. Auch im Vergleich zur Situation leiblicher Kinder eingetragener Lebenspartner ist die
Ungleichbehandlung adoptierter Kinder eingetragener Lebenspartner nicht zu rechtfertigen.
Zwischen der Adoption eines leiblichen Kindes des eingetragenen Lebenspartners und der
Adoption eines angenommenen Kindes des eingetragenen Lebenspartners bestehen keine
Unterschiede solcher Art, die die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten. Im
Wesentlichen gelten hier die gleichen Erwägungen wie zur Benachteiligung der angenommenen
Kinder eingetragener Lebenspartner gegenüber den von Ehepartnern adoptierten Kindern (s.o.,
2.). Zwar ist das deutsche Adoptionsrecht generell großzügiger, wenn es um die Adoption
leiblicher Kinder geht, als wenn ein Kind angenommen werden soll, das bereits einmal adoptiert
wurde (vgl. § 1742 BGB). Sinn dieser Differenzierung ist die Verhinderung der mit der
Kettenadoption verbundenen Kindeswohlgefahren. Diese bestehen jedoch nicht, wenn das Kind
durch den Ehepartner oder eingetragenen Lebenspartner des Adoptivelternteils angenommen
wird (s.o., 2.a)).
V.
103
Ob die Benachteiligung adoptierter Kinder eingetragener Lebenspartner gegenüber adoptierten
Kindern von Ehepartnern darüber hinaus auch gegen das verfassungsrechtliche Gebot der
Gleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder (Art. 6 Abs. 5 GG) verstößt (vgl. Grehl,
Das Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare unter verfassungsrechtlichen
Gesichtspunkten, 2008, S. 176 ff.; Dittberner, Lebenspartnerschaft und Kindschaftsrecht, 2004,
S. 167 f.), kann hier offenbleiben.
VI.
104
Die Regelung des § 9 Abs. 7 LPartG verstößt auch insofern gegen Art. 3 Abs. 1 GG, als sie
eingetragene Lebenspartner im Vergleich zu Ehegatten benachteiligt, denen es gemäß § 1742
BGB möglich ist, das adoptierte Kind ihres Partners anzunehmen. Die Rechtfertigung der
Ungleichbehandlung von Verheirateten und eingetragenen Lebenspartnern nach § 9 Abs. 7
LPartG unterliegt hohen verfassungsrechtlichen Anforderungen, weil die Ungleichbehandlung
die sexuelle Identität betrifft (vgl. BVerfGE 124, 199 <220 f.>; 126, 400 <419>; BVerfG, Beschluss
des Ersten Senats vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 16/11 -, juris, Rn. 40). Unterschiede zwischen Ehe
und eingetragener Lebenspartnerschaft, welche die ungleiche Ausgestaltung der
Adoptionsmöglichkeiten rechtfertigen könnten, bestehen nicht; insbesondere sind beide
Partnerschaften gleichermaßen auf Dauer angelegt und rechtlich verfestigt (s.o., IV. 2.e)cc)).
VII.
105
§ 9 Abs. 7 LPartG verstößt auch insofern gegen Art. 3 Abs. 1 GG, als er eingetragene
Lebenspartner eines Adoptivelternteils im Vergleich zu eingetragenen Lebenspartnern eines
leiblichen Elternteils benachteiligt, weil nur Letzteren die Adoption des Kindes des
Lebenspartners rechtlich möglich ist. Auch dies ist verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen.
C.
I.
106
Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit
(§ 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 Satz 1 BVerfGG). Da dem Gesetzgeber hier aber mehrere Möglichkeiten
zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, kommt nur eine
Unvereinbarkeitserklärung in Betracht (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr). Neben der
naheliegenden Angleichung der Adoptionsmöglichkeiten eingetragener Lebenspartner an die für
Ehepartner bestehenden Adoptionsmöglichkeiten wäre auch eine allgemeine Beschränkung der
Adoptionsmöglichkeiten denkbar, sofern diese für eingetragene Lebenspartner und Ehepartner
gleich ausgestaltet würden.
II.
107
Die Übergangsregelung stellt sicher, dass die Sukzessivadoption durch eingetragene
Lebenspartner sofort ermöglicht wird. Da eine Adoption erst im Zeitpunkt der Zustellung des
Adoptionsbeschlusses an den Annehmenden wirksam wird (§ 197 Abs. 2 FamFG), ohne
Wirkungen für den davor liegenden Zeitraum zu entfalten, erachtet es der Senat angesichts der
mit der Versagung der Sukzessivadoption verbundenen Nachteile für nicht zumutbar, die
Betroffenen bis zur gesetzlichen Neuregelung zuwarten zu lassen.
108
Die Übergangsregelung orientiert sich allein an den in diesem Verfahren aufgeworfenen
Rechtsfragen. Demgemäß liegt ihr nicht die Prüfung und Beurteilung der Frage zugrunde, ob
andere Unterschiede, die sich im derzeit geltenden Recht bei der Adoption durch Ehepartner
und durch eingetragene Lebenspartner ergeben, mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die
Prüfung dieser Frage obliegt im Rahmen der erforderlichen Gesetzesänderungen zum
Adoptionsrecht zunächst dem Gesetzgeber.
III.
III.
109
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 3247/09 werden die angegriffenen
Entscheidungen gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht
Münster zurückverwiesen. Gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG hat die Bundesrepublik Deutschland
der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten, weil die Entscheidungen auf
einem verfassungswidrigen Bundesgesetz beruhen.
IV.
110
Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
Kirchhof
Gaier
Eichberger
Schluckebier
Masing
Paulus
Baer
Britz