Urteil des BVerfG vom 24.07.2000

BVerfG: verfassungsbeschwerde, stadt, papier, rüge, bebauungsplan, genehmigung, fristablauf, eigentumserwerb, betreiber, eigentümer

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 151/99 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn F...
gegen
a)
den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. November 1998 - BVerwG 4
BN 37.98 -,
b)
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig vom
23. Januar 1998 - 1 K 14/94 -,
c)
den Bebauungsplan Nr. A 6 "Hafenspitze"
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Papier
und die Richterinnen Haas,
Hohmann-Dennhardt
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I
S. 1473) am 24. Juli 2000 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1
Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung liegen nicht vor. Die
Verfassungsbeschwerde wirft keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Fragen auf (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a
BVerfGG). Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte des
Beschwerdeführers angezeigt, weil die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 93 a Abs. 2
Buchstabe b BVerfGG).
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1. Den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts, mit dem es die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der
Revision zurückgewiesen hat, hat der Beschwerdeführer nicht in zulässiger Weise angegriffen; insoweit fehlt es an
jeder Darlegung, weshalb die Entscheidung Grundrechte des Beschwerdeführers verletzt.
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2. Ohne Erfolg bleibt die Verfassungsbeschwerde aber auch, soweit sie sich gegen das im Normenkontrollverfahren
ergangene Urteil des Oberverwaltungsgerichts und den Bebauungsplan wendet. Dies gilt ungeachtet der Frage, ob
insoweit überhaupt der Rechtsweg im weiteren Sinne ordnungsgemäß erschöpft wurde. Der Beschwerdeführer hat
nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass Art. 14 Abs. 1 GG verletzt ist; hierfür ist auch nichts ersichtlich.
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Art. 14 Abs. 1 GG schützt das Recht, ein Grundstück im Rahmen der Gesetze zu bebauen (vgl. BVerfGE 35, 263
<276>). Gesetze, die im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmen, sind
auch untergesetzliche - auf gesetzlicher Ermächtigung beruhende - Normen, insbesondere auch Bebauungspläne (vgl.
BVerfGE 79, 174 <192>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 2. Juli 1992 - 1 BvR 1536/91 -
1993, S. 51>).
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Mit der Verfassungsbeschwerde wird weder substantiiert dargelegt noch ist es ersichtlich, dass der Satzungsgeber
oder das Oberverwaltungsgericht hinsichtlich der Festsetzung einer öffentlichen Verkehrsfläche Bedeutung und
Tragweite der Eigentumsgarantie verkannt hätten.
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Mit der Rüge, es sei der Stadt bei der Aufstellung des Bebauungsplans nur darum gegangen zu verhindern, dass ihr
durch die von ihm beabsichtigte Bewilligung von Baulasteintragungen zur Erfüllung von Stellplatzverpflichtungen
Einnahmen entgingen, macht der Beschwerdeführer der Sache nach geltend, es handle sich um eine unzulässige
Verhinderungsplanung. Die Rüge bleibt ohne Erfolg. Eine gegen Art. 14 Abs. 1 GG verstoßende Verhinderungs- oder
Negativplanung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann vor, wenn eine
Planung - unabhängig davon, ob sie durch den Wunsch, ein konkretes Vorhaben zu verhindern, ausgelöst worden ist -
für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB ist, die getroffene
Festsetzung also nur vorgeschobenes Mittel ist, um einen Bauwunsch zu durchkreuzen (vgl. BVerwG, Beschluss
vom 18. Dezember 1990 - 4 NB 8/90 -, NVwZ 1991, S. 875; Beschluss vom 23. Juni 1992 - 4 B 55/92 -, NVwZ-RR
1993, S. 456). Hierfür gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte. Die vom Oberverwaltungsgericht dargestellte
Verkehrsplanung, die sich aus der Planbegründung hinreichend deutlich ergibt, lässt nicht den Schluss zu, dass hinter
der Festsetzung in Wirklichkeit kein städtebauliches Konzept der Stadt steht.
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Die Rüge des Beschwerdeführers, das dem Eigentumsrecht wesensgleiche Anwartschaftsrecht seines Vaters - nach
Aktenlage wohl ein "ungesicherter" Erfüllungsanspruch, da keine Auflassungsvormerkung eingetragen wurde - sei
nicht in die Abwägung eingestellt worden, geht fehl. Es mag zwar zweifelhaft sein, ob das Oberverwaltungsgericht zu
Recht annimmt, dass der Eigentumserwerb seines Vaters zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses noch ungewiss
gewesen sei. Denn immerhin hatte die Stadt den Fristablauf für die Ausübung des Vorkaufsrechts, auf den auch das
Verwaltungsgericht in seiner späteren Entscheidung maßgeblich abgestellt hat, bereits im August 1988 attestiert und
hatte der Vater des Beschwerdeführers im Dezember 1989 die sanierungsrechtliche Genehmigung des Kaufvertrages
gerichtlich erstritten. Mit der weiteren Erwägung des Oberverwaltungsgerichts, die in die Abwägung eingestellten
Interessen seines Vaters als Betreiber einer privaten Stellplatzanlage und damit - was der Beschwerdeführer verkennt
- als Inhaber eines Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb seien hier praktisch identisch mit
denen, die die Stadt hätte berücksichtigen müssen, wenn der Vater des Beschwerdeführers bereits Eigentümer
gewesen wäre, setzt sich der Beschwerdeführer jedoch nicht auseinander. Die tragende Begründung hierfür, die
planende Stelle habe nur die privaten Interessen und Belange einzustellen, die für sie als abwägungserheblich
erkennbar seien, hier aber habe eine andere Nutzung als die einer privaten Stellplatzanlage nie in Rede gestanden, ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dasselbe gilt für die - nicht angegriffene - Schlussfolgerung des
Oberverwaltungsgerichts, dass gewichtige städtebauliche Allgemeinbelange vorlägen, die die Festsetzung als objektiv
vernünftigerweise geboten erscheinen ließen und daher die Zurückstellung des Interesses an der privatnützigen
Nutzung künftigen Eigentums rechtfertigten.
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Auch die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts, mit denen es die Ausführungen der Stadt zum fehlenden
Bestandsschutz der bisherigen Nutzung bestätigt, greift der Beschwerdeführer nicht substantiiert an. Ein durch Art. 14
Abs. 1 GG bewirkter Bestandsschutz liegt nur dann vor, wenn der Bestand zu irgendeinem Zeitpunkt genehmigt
worden oder jedenfalls genehmigungsfähig gewesen ist (vgl. Papier in: Maunz/Dürig, GG, Kommentar, Band II, Stand
Mai 1994, Art. 14 Rn. 84). Hiervon ausgehend setzt sich das Oberverwaltungsgericht im Einzelnen und mit
nachvollziehbarer Begründung mit dem - der Genehmigungsfähigkeit u.a. entgegenstehenden - Fachplanungsvorbehalt
der DB auseinander und widerlegt anhand des im November 1979 abgeschlossenen Gestattungsvertrags die
Behauptung des Beschwerdeführers, die DB habe bereits Anfang der achtziger Jahre die Nutzung des Grundstücks
endgültig aufgegeben, eine Behauptung, die der Beschwerdeführer mit seinem Beschwerdevorbringen lediglich
wiederholt, ohne der Urteilsbegründung etwas entgegenzusetzen.
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Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier
Haas
Hohmann-Dennhardt