Urteil des BVerfG vom 08.02.2000

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Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2351/95 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der L GmbH
vertreten durch den Geschäftsführer
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Michael Fürst und Partner,
Roscherstraße 13, Hannover -
gegen
a)
den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. August 1995 - BVerwG 1 B
47.95 -,
b)
das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. November 1994 -
7 L 2095/92 -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den
Vizepräsidenten Papier
und die Richter Steiner,
Hoffmann-Riem
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I
S. 1473) am 8. Februar 2000 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1
Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt
keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Sie wirft, soweit sie zulässig ist, aus
verfassungsrechtlicher Sicht allein die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen die Nichteinleitung eines
Vorlageverfahrens an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 177 EGV a.F. (jetzt: Art. 234 EGV) die Garantie des
gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt. Die Maßstäbe hierfür sind in der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. BVerfGE 82, 159).
2
Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG
angezeigt. Das Grundrecht gewährt einen subjektiven Anspruch auf den gesetzlichen Richter. Dieser Anspruch wird
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verletzt, wenn ein Gericht entgegen Art. 177 EGV a.F. ein
Vorlageverfahren
an
den
Europäischen
Gerichtshof
nicht
einleitet.
Allerdings
beanstandet
das
Bundesverfassungsgericht die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger
Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen oder offensichtlich
unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 82, 159 <194>). Das ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei
der Nichteinleitung eines Vorlageverfahrens nur dann der Fall, wenn ein Gericht seine Vorlagepflicht grundsätzlich
verkennt, wenn es bewusst von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ohne Vorlagebereitschaft
abweicht oder wenn es eine entscheidungserhebliche europarechtliche Frage in einer bestimmten Richtung
beantwortet, ohne dass diese bereits in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vorgegeben wäre (vgl.
BVerfGE 82, 159 <195 f.>).
3
Gemessen daran begegnet es im vorliegenden Fall keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die
Verwaltungsgerichte von der Einleitung eines Verfahrens nach Art. 177 EGV a.F. abgesehen haben. Sowohl das
Oberverwaltungsgericht als auch das Bundesverwaltungsgericht haben die bereits im Ausgangsverfahren umstrittene
Frage einer Vorlagepflicht eingehend behandelt. Sie haben diese Frage allerdings nicht im Sinn der
Beschwerdeführerin beantwortet. Dass die Gerichte dabei bewusst von der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs abgewichen oder die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur unvollständig oder
grundlegend falsch zur Kenntnis genommen hätten, ist weder substantiiert vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
4
Die Möglichkeit einer Verletzung anderer Verfassungsrechte hat die Beschwerdeführerin nicht in einer den
Anforderungen der §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG genügenden Art dargetan. Von einer weiteren Begründung wird
insoweit abgesehen (§ 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
5
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier
Steiner
Hoffmann-Riem