Urteil des BVerfG vom 04.03.2008

BVerfG: hinreichender tatverdacht, ordnungswidrigkeit, unverletzlichkeit der wohnung, durchsuchung, verfassungsbeschwerde, maurer, maler, handwerk, beweismittel, schwarzarbeit

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 103/04 -
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn C…
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt Walter Ratzke,
Bahnhofstraße 7, 92507 Nabburg -
gegen a) den Beschluss des Landgerichts Essen vom 2. Dezember 2003 - 28 Qs 129/03 -,
b)
den Beschluss des Amtsgerichts Hattingen vom 14. April 2003 - 19 Gs (68/03) -
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Richter Broß,
die Richterin Osterloh
und den Richter Mellinghoff
am 4. März 2008 einstimmig beschlossen:
Der Beschluss des Landgerichts Essen vom 2. Dezember 2003 - 28 Qs 129/03 - und der Beschluss des Amtsgerichts
Hattingen vom 14. April 2003 - 19 Gs (68/03) - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 13
Absätze 1 und 2 des Grundgesetzes.
Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Essen zurückverwiesen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe:
1
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Anordnung der Durchsuchung seiner Wohn- und Geschäftsräume in
einem Verfahren wegen handwerksrechtlicher Verstöße.
I.
2
Der Beschwerdeführer betreibt seit August 1995 ein handwerksähnliches Gewerbe, das als „Holz- und Bautenschutz“
eingetragen ist. Eine Eintragung mit einem Handwerk in der Handwerksrolle besteht dagegen nicht.
3
1. Im Januar 2003 wurde der Beschwerdeführer bei einer Baustellenkontrolle gemeinsam mit einem Gas- und
Wasserinstallateur bei der Renovierung eines Badezimmers angetroffen. Auf Anfrage erklärte der Beschwerdeführer,
er sei lediglich mit dem Abriss der Fliesen und der Schuttentsorgung beauftragt. Eine Befragung des Auftraggebers
ergab, dass er dem Beschwerdeführer den Auftrag zur Sanierung des Badezimmers erteilt habe, wozu auch das
Entkernen und die Beseitigung der alten Fliesen gehört habe. Ob der Beschwerdeführer auch die übrigen Arbeiten
habe selbst erledigen wollen, sei ihm nicht bekannt. Jedenfalls habe der Beschwerdeführer auch in der Vergangenheit
für ihn gearbeitet und habe einige Arbeiten an Subunternehmer weitergegeben. Zum Beleg hierfür legte der
Auftraggeber insgesamt sieben Rechnungen des Beschwerdeführers an ihn aus dem Zeitraum zwischen Mai 2000 und
Dezember 2002 vor.
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Aus drei dieser Rechnungen im Zeitraum Juni und Juli 2002 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer die Leistungen
„in Zusammenarbeit mit der Fa. P.“ erbracht hat; eine Rechnung vom Dezember 2002 weist aus, dass eine
Fassadensanierung „in Zusammenarbeit mit der Fa. P. und K. ausgeführt“ wurde. Eine Rechnung vom Mai 2000 weist
das Abschlagen und Entsorgen von altem Putz und das Neuverputzen unter einem Fenster aus, eine weitere
Rechnung vom August 2001 betrifft die Demontage und Montage eines Briefkastens und eine Rechnung vom Februar
2001 das Entfernen von Tapeten und Teppichen sowie das Entrümpeln eines Kellers.
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Bei seiner schriftlichen Anhörung legte der Beschwerdeführer korrespondierende Rechnungen der Fa. P. vor, aus
denen sich ergibt, dass die von dem Beschwerdeführer abgerechneten Leistungen von der Fa. P. erbracht worden
waren. Seine Tätigkeit habe im Wesentlichen in der Vermittlung des Auftrags an die Fa. P., einem Handwerksbetrieb,
bestanden.
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2. Mit angegriffenem Beschluss vom 14. April 2003 ordnete das Amtsgericht die Durchsuchung der Wohn- und
Geschäftsräume des Beschwerdeführers nach "Verträgen und Aufträgen jeder Art, Rechnungen, Bankbelegen sowie
Buchführungsunterlagen, Zahlungsquittungen, Schriftverkehr, Notizbüchern oder sonstigen Aufzeichnungen, aus
denen die Beauftragung von Schwarzarbeit hervorgeht sowie Stunden- und Lohnzettel" an. Der Beschwerdeführer sei
einer Ordnungswidrigkeit nach § 117 Abs. 1 Nr. 1, § 1 HwO (Gesetz zur Ordnung des Handwerks in der Fassung der
Bekanntmachung vom 24. September 1998) dringend verdächtig. Ihm werde vorgeworfen, in erheblichem Umfang
handwerkliche Arbeiten des Gerüstbauhandwerks, des Maurer- und Betonhandwerks, des Fliesen-, Platten- und
Mosaiklegerhandwerks sowie des Maler- und Lackiererhandwerks zu erbringen, ohne pflichtgemäß in die
Handwerksrolle eingetragen zu sein.
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3. Die gegen den Durchsuchungsbeschluss eingelegte Beschwerde verwarf das Landgericht mit angegriffenem
Beschluss vom 2. Dezember 2003 als unbegründet. Der Durchsuchungsanordnung stehe nicht entgegen, dass der
Beschwerdeführer „nur“ einer Ordnungswidrigkeit verdächtig sei. Der Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer habe
sich auf eine Ordnungswidrigkeit von erheblichem Gewicht bezogen. Ihm werde vorgeworfen, in erheblichem Umfang
handwerkliche Arbeiten des Gerüstbauhandwerks, des Maurer- und Betonhandwerks, des Fliesen-, Platten- und
Mosaiklegerhandwerks erbracht zu haben. Es sei um den Vorwurf gegangen, dass der Beschwerdeführer seine
berufliche Erwerbstätigkeit illegal aufgebaut hatte. Es hätten erhebliche Einnahmen und Gewinne im Raum gestanden.
Bei einem Vorwurf von diesem Gewicht sei eine Durchsuchungsanordnung nicht von vornherein unverhältnismäßig.
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Es habe auch ein hinreichender Tatverdacht für eine Ordnungswidrigkeit nach § 117 Abs. 1 HwO bestanden. Der
Beschwerdeführer sei nicht mit einem Handwerk in die Handwerksrolle eingetragen gewesen. Die den
Ermittlungsbehörden vorliegenden Rechnungen hätten auf eine entsprechende Tätigkeit des Beschwerdeführers
schließen lassen.
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Mildere Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts hätten nicht zur Verfügung gestanden. Nur die Durchsuchung zur
Auffindung von Geschäftsunterlagen sei geeignet gewesen, den Nachweis der Ordnungswidrigkeit zu erbringen. Sie
habe auch zur Schwere des Tatverdachts nicht in einem unangemessenen Verhältnis gestanden.
II.
10
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Rechte aus Art. 12, Art. 13, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 und
Art. 103 Abs. 2 GG.
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Art. 13 Abs. 1 GG sei verletzt, weil kein hinreichender Tatverdacht vorgelegen habe. § 117 Abs. 1 HwO setze die
Erbringung handwerklicher Tätigkeiten in erheblichem Umfang voraus. Hiervon könne aber anhand der den
Ermittlungsbehörden vorliegenden Rechnungen nicht ausgegangen werden. Die Vermittlung der handwerklichen
Leistungen der Fa. P. an die Auftraggeber des Beschwerdeführers stelle keine eintragungspflichtige Tätigkeit dar. Die
in den Rechnungen vom Mai 2000 und Februar und August 2001 angeführten Tätigkeiten stellten keine
handwerklichen Tätigkeiten dar. Das Abschlagen von losem Putz sowie das Neuverputzen stelle ebenso wenig wie
die Montage eines Briefkastens oder das Entfernen von Tapeten und Teppichen und das Entrümpeln eines Kellers
eine dem Meisterzwang unterliegende Tätigkeit dar. Aus den angegriffenen Beschlüssen ergebe sich nicht, welche
dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tätigkeiten welchem Handwerk zuzuordnen sein könnten. Die Beschlüsse
ließen nicht erkennen, mit welcher Handlung der Beschwerdeführer eine Ordnungswidrigkeit begangen haben könnte.
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Die Durchsuchung sei ferner unverhältnismäßig gewesen. Als milderes Mittel wäre die Aufforderung zur Herausgabe
der Unterlagen in Betracht gekommen. Zudem habe lediglich eine (geringfügige) Ordnungswidrigkeit im Raum
gestanden.
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Der Beschluss des Landgerichts verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG, da sich das Landgericht inhaltlich nicht mit der
rechtlichen Problematik befasst habe. Soweit das Landgericht ausführe, die Maßnahme habe zur Schwere des
Tatverdachts nicht in einem unangemessenen Verhältnis gestanden, bleibe offen, welcher Tatverdacht bestanden
habe und wie schwer dieser einzuschätzen sei.
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Ferner seien die Vorschriften des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks, deren Missachtung mit einer Geldbuße
geahndet werden könne, zu unbestimmt. Sie verstießen gegen Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 2 GG, weil für den
Betroffenen aus dem Gesetz nicht ersichtlich sei, welche Tätigkeiten eintragungspflichtig seien und welche ohne
Eintragung in die Handwerksrolle ausgeübt werden dürften.
III.
15
1. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat zu der Verfassungsbeschwerde nicht Stellung
genommen.
16
2. Dem Bundesverfassungsgericht hat der Verwaltungsvorgang vorgelegen.
IV.
17
Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des
Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer
berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits
entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).
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Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2
GG, weil der Durchsuchungsbeschluss nicht den aus Art. 13 Abs. 1 GG folgenden Begründungsanforderungen
genügt. Ferner bestehen erhebliche Zweifel daran, ob eine eigenständige richterliche Prüfung des Tatverdachts erfolgt
ist und die Anordnung der Durchsuchung noch den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs
genügte.
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1. a) Dem Gewicht des Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung durch eine richterliche
Durchsuchungsanordnung und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre
entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält. Dieser
Richtervorbehalt zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz
(vgl. BVerfGE 20, 162 <223>; 57, 346 <355>; 76, 83 <91>; 103, 142 <150 f.>). Wird die Durchsuchung - wie auch im
vorliegenden Fall - ohne vorherige Anhörung des Betroffenen angeordnet, so soll die Einschaltung des Richters auch
dafür sorgen, dass die Interessen des Betroffenen angemessen berücksichtigt werden (vgl. BVerfGE 103, 142
<151>). Dies verlangt eine eigenverantwortliche richterliche Überprüfung der Eingriffsvoraussetzungen. Der richterliche
Durchsuchungsbeschluss ist keine bloße Formsache (BVerfGE 57, 346 <355>).
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b) Der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss dient auch dazu, die Durchführung der Eingriffsmaßnahme messbar
und kontrollierbar zu gestalten (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220>; 103, 142 <151>). Dazu muss der
Beschluss insbesondere den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen
die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Dies versetzt den von der Durchsuchung Betroffenen zugleich in den Stand,
die Durchsuchung seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen im Rahmen seiner rechtlichen
Möglichkeiten von vornherein entgegen zu treten (vgl. BVerfGE 42, 212 <221>; 103, 142 <151 f.>). Um die
Durchsuchung rechtsstaatlich zu begrenzen, muss der Richter die aufzuklärende Straftat, wenn auch kurz, doch so
genau umschreiben, wie es nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212
<220 f.>). Der Richter muss weiterhin grundsätzlich auch die Art und den vorgestellten Inhalt derjenigen Beweismittel,
nach denen gesucht werden soll, so genau bezeichnen, wie es nach Lage der Dinge geschehen kann. Nur dies führt
zu einer angemessenen rechtsstaatlichen Begrenzung der Durchsuchung, weil oft eine fast unübersehbare Zahl von
Gegenständen als - wenn auch noch so entfernte - Beweismittel für den aufzuklärenden Sachverhalt in Frage kommen
können (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>).
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c) Ferner steht die Anordnung der Durchsuchung von vornherein unter dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der
Verhältnismäßigkeit. Soll wegen einer Ordnungswidrigkeit durchsucht werden, die angesichts eines niedrigen
Ordnungsgeldes (hier: 10.000 €) vom Gesetzgeber als minderes Unrecht eingestuft wurde, so sind die Anforderungen
an die Stärke des Tatverdachts unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit erhöht. Von der Einhaltung des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat sich der Richter ebenfalls aufgrund eigenverantwortlicher Prüfung der
Ermittlungen zu überzeugen.
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2. Diesen Anforderungen werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht.
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a) Der Durchsuchungsbeschluss bezeichnet die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit nach
§ 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO nur insoweit, als er verdächtig sei, „in erheblichem Umfang handwerkliche Arbeiten des
Gerüstbauhandwerks, des Maurer- und Betonhandwerks, des Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerks sowie des
Maler- und Lackiererhandwerks zu erbringen, ohne pflichtgemäß in die Handwerksrolle eingetragen zu sein“.
Tatsächliche Angaben zur Umschreibung der dem Beschwerdeführer konkret vorgeworfenen Taten fehlen ebenso wie
Angaben zum Tatzeitraum. Dadurch war eine hinreichende Begrenzung der Maßnahme nicht gewährleistet. Die in dem
Beschluss genannten Beweismittel sind nicht geeignet, den Mangel der Tatkonkretisierung auszugleichen. Die Art der
gesuchten Beweismittel war nur allgemein umschrieben und umfasste alle nur denkbaren schriftlichen Unterlagen.
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b) Zudem erscheint zweifelhaft, ob die Fachgerichte im vorliegenden Fall ihrer eigenverantwortlichen Prüfungspflicht
nachgekommen sind. Während das Amtsgericht keinerlei Ausführungen zu den bisherigen Ermittlungsergebnissen,
auf die es den Tatverdacht stützt, macht, führt das Landgericht aus, dass „Rechnungen des Betroffenen an
Auftragnehmer vorlagen, die auf eine entsprechende Tätigkeit des Betroffenen schließen ließen“. Beide Fachgerichte
gehen - wie in dem Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses geschildert - von einem Tatverdacht im
Hinblick auf die unerlaubte Ausübung des Gerüstbauhandwerks, des Maurer- und Betonhandwerks, des Fliesen-,
Platten- und Mosaiklegerhandwerks sowie des Maler- und Lackiererhandwerks aus. Dies lässt befürchten, dass sich
die Fachgerichte nicht mit den im Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses bereits vorliegenden
Rechnungen des Auftraggebers im Zeitraum zwischen Mai 2000 und Dezember 2002 sowie den von dem
Beschwerdeführer freiwillig vorgelegten Rechnungen der Fa. P. an ihn auseinandergesetzt haben. Bei Durchsicht der
Rechnungen muss sich die Frage aufdrängen, inwieweit dem Beschwerdeführer noch der Vorwurf der unerlaubten
Ausübung des Maler- und Lackiererhandwerks und des Gerüstbauhandwerks gemacht werden kann. Denn aus den
vorgelegten Rechnungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer derartige Tätigkeiten nicht selbst ausgeführt hat,
sondern durch Handwerksbetriebe hat ausführen lassen. Die bloße Vermittlung eines Auftrags an andere Handwerker
und die Weiterreichung der Kosten an den Kunden erfüllen aber nicht die Voraussetzungen des selbständigen Betriebs
eines Handwerks im Sinne des § 1 HwO und sind nicht eintragungspflichtig (vgl. BayObLG, Beschluss vom 23. Mai
1973 - RReg. 8 St 515/73 OWi -, GewArch 1974, S. 23 <24>; VG Berlin, Urteil vom 11. September 1991 - VG 4 A
144.88 -, GewArch 1992, S. 188 <189>). Auch aus den Rechnungen vom Februar und August 2001 ergeben sich
keinerlei handwerkliche Tätigkeiten.
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c) Ferner ist zu befürchten, dass sich die Verhältnismäßigkeitserwägungen des Landgerichts - der amtsgerichtliche
Durchsuchungsbeschluss enthält seinerseits keine über die bloße Feststellung der Verhältnismäßigkeit
hinausgehenden Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme - auf eine falsche Grundlage stützen.
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Beide Fachgerichte gehen zwar von einer Ordnungswidrigkeit nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO aus, wonach
„ordnungswidrig handelt, wer entgegen § 1 ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betreibt“. Andererseits
umschreiben beide Gerichte den Tatvorwurf dahingehend, dass der Beschwerdeführer „in erheblichem Umfang“
handwerkliche Arbeiten ausgeführt habe. Das Tatbestandsmerkmal des „erheblichen Umfangs“ gehört jedoch zum
Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG. Es bewirkt, dass sich die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 3
SchwarzArbG (Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 1995)
als Qualifikation gegenüber § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO darstellt. An sich wäre der Durchsuchungsbeschluss nicht bereits
deswegen zu beanstanden, wenn anstelle einer Qualifikation der Grundtatbestand einer Vorschrift zum Anlass für eine
Durchsuchungsanordnung gemacht wird, sofern der Grundtatbestand als solcher erfüllt ist.
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Anders liegt es jedoch im vorliegenden Fall, in dem das Landgericht seine Verhältnismäßigkeitserwägungen vor
allem auf den „erheblichen Umfang“ der unerlaubten Tätigkeiten des Beschwerdeführers stützte. In seinem
angegriffenen Beschluss führte das Landgericht aus, es habe sich um „eine Ordnungswidrigkeit von erheblichem
Gewicht“ gehandelt. Der Beschwerdeführer habe „im erheblichen Umfang handwerkliche Arbeiten des
Gerüstbauhandwerks, des Maurer- und Betonhandwerks, des Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerks sowie des
Maler- und Lackiererhandwerks erbracht“. Es gehe um den Vorwurf, „dass der Betroffene seine berufliche
Erwerbstätigkeit illegal aufgebaut hatte. Es standen erhebliche Einnahmen und Gewinne, die der Betroffene
womöglich rechtswidrig erwirtschaftet hatte, im Raum“. Diese Feststellungen sind in Anbetracht der in dem
Ermittlungsverfahren vorgelegten Rechnungen nicht zu halten. Vor diesem Hintergrund kann es auch nicht mehr
darauf ankommen, dass die Durchsuchungsanordnung als zu verfolgende Ordnungswidrigkeit die Vorschrift des § 117
Abs. 1 Nr. 1 HwO nennt.
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3. Auf die weiteren von dem Beschwerdeführer gerügten Grundrechtsverletzungen kommt es nach alledem nicht an,
da jedenfalls eine Verletzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG festzustellen
ist, die der Verfassungsbeschwerde zum Erfolg verhilft.
V.
29
Die angegriffenen Beschlüsse sind aufzuheben (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Die Sache wird an das Landgericht
zurückverwiesen, das noch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird.
VI.
30
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Broß
Osterloh
Mellinghoff