Urteil des BVerfG vom 07.12.1999
BVerfG: anspruch auf rechtliches gehör, verlängerung der frist, zessionar, verfassungsbeschwerde, öffentliche gewalt, klagebefugnis, papier, verfügung, mietvertrag, abtretung
Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1281/95 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn Dr. M...
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Bernhard Murawo und Partner,
Kurfürstendamm 52, Berlin -
gegen a) das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. April 1995 - BVerwG 7 C 10.94 -,
b)
das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 10. November 1993 - 3 K 1179/92 -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den
Vizepräsidenten Papier
und die Richter Grimm,
Hömig
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I
S. 1473) am 7. Dezember 1999 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Entscheidungen in einem Verwaltungsstreitverfahren, in dem die
Klage des Beschwerdeführers gegen einen zu seinen Lasten ergangenen Investitionsvorrangbescheid gemäß § 4 Abs.
5 des Gesetzes über den Vorrang für Investitionen bei Rückübertragungsansprüchen nach dem Vermögensgesetz
(Investitionsvorranggesetz - InVorG) vom 14. Juli 1992 (BGBl I S. 1257, 1268) wegen fehlender Klagebefugnis als
unzulässig abgewiesen worden ist.
I.
2
Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens war ein im Beitrittsgebiet belegenes Grundstück, das seit 1988 im
Grundbuch als Eigentum des Volkes ausgewiesen war. Die vorherigen Eigentümer meldeten im September 1990
einen Anspruch auf Rückübertragung an. Bevor darüber entschieden wurde, schloß die damalige
Verfügungsberechtigte im Mai 1991 mit Dritten einen Mietvertrag über gewerblich genutzte Räume, die sich auf dem
Grundstück befinden. Dies erlaubte ihr eine Investitionsbescheinigung, die auf der Grundlage des
Investitionsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. April 1991 (BGBl I S. 994) erlassen worden war.
Die Anmelder erhoben gegen die Bescheinigung Widerspruch. Während des Widerspruchsverfahrens veräußerten sie
im September 1992 den angemeldeten Rückübertragungsanspruch an den Beschwerdeführer, der dies unter dem 6.
Oktober 1992 dem zuständigen Amt zur Regelung offener Vermögensfragen anzeigte. Das Regierungspräsidium hatte
zu diesem Zeitpunkt den Widerspruch der Antragsteller gegen die Investitionsbescheinigung bereits zurückgewiesen.
Nach der Anzeige übersandte es den Widerspruchsbescheid auch an den Beschwerdeführer, der daraufhin
Anfechtungsklage erhob.
3
Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil dem Beschwerdeführer die Klagebefugnis
fehle. Die Revision des Beschwerdeführers gegen diese Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht
zurückgewiesen (vgl. VIZ 1995, S. 412):
4
Das Verwaltungsgericht habe zu Recht die Klagebefugnis des Beschwerdeführers verneint. Aus § 4 Abs. 5 InVorG
ergebe sich, daß der Beschwerdeführer nicht im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen könne, durch die
Investitionsbescheinigung in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Vorschrift enthalte einen materiellen
Einwendungsausschluß und bewirke, daß der Zessionar eines vermögensrechtlichen Rückübertragungsanspruchs
weder am Verwaltungsverfahren beteiligt noch zur Anfechtung des Investitionsvorrangbescheids berechtigt sei.
5
Das verstoße nicht gegen das Grundgesetz. § 4 Abs. 5 InVorG sei nicht am Eigentumsgrundrecht zu messen. Zwar
könne der Erlaß eines Investitionsvorrangbescheids dazu führen, daß der Anspruch auf Rückübertragung des für die
Investition benötigten Vermögenswerts entfalle; der Rückübertragungsanspruch werde jedoch nicht durch Art. 14 Abs.
1 GG geschützt. Der Gesetzgeber sei beim Erlaß des Investitionsvorranggesetzes allerdings an den allgemeinen
Gleichheitssatz und - weil er die Ansprüche nach dem Vermögensgesetz aus Gemeinwohlgründen eingeschränkt habe
- an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden gewesen. Diesen Anforderungen werde der
Einwendungsausschluß zu Lasten des Zessionars in § 4 Abs. 5 InVorG aber gerecht. Der Abtretung des
Rückübertragungsanspruchs an einen Erwerber, der nicht Angehöriger des Anmelders sei, lägen regelmäßig auf seiten
sowohl des Anmelders als auch des Erwerbers wirtschaftliche Motive zugrunde. Die Wiedergutmachung geschehenen
Unrechts als Ziel des Anspruchs setze sich mithin in der Person des Zessionars nicht fort, sondern entfalle mit der
Abtretung. Soweit der Zessionar mit dem Erwerb des Anspruchs das Ziel verfolge, nach der Rückgabe des
Vermögensgegenstandes selbst Investitionen vorzunehmen, unterscheide sich sein Interesse nicht wesentlich vom
Interesse jedes anderen Investors, der den Gegenstand zu Investitionszwecken nutzen wolle. Dies rechtfertige es,
den Zessionar wegen seines Vorhabens auf den allgemeinen Wettbewerb der Investoren und damit auf die Möglichkeit
zu verweisen, einen Investitionsvorrangbescheid zu seinen Gunsten zu erwirken.
6
Der wirtschaftliche Hintergrund der Abtretung biete zugleich die Rechtfertigung dafür, daß dem Zessionar jede
Einwendung gegen den Investitionsvorrangbescheid versagt sei. Solche Einwendungen führten mindestens zur
Verzögerung des Vorhabens, was dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck der Förderung von Investitionen im
Beitrittsgebiet zuwiderliefe. Die wirtschaftlichen Interessen des Zessionars seien durch die in § 16 Abs. 1 und 2
InVorG gewährten Ansprüche auf Herausgabe des Verkaufserlöses, auf Zahlung des Verkehrswerts oder - bei
Vermietung oder Verpachtung - auf Herausgabe des an die Marktverhältnisse anzupassenden Miet- oder Pachtzinses
angemessen gewahrt. Deshalb sei die getroffene Regelung nicht nur, gemessen am Ziel des
Investitionsvorranggesetzes, geeignet und erforderlich, sondern dem Zessionar auch zumutbar.
7
Art. 19 Abs. 4 GG werde durch § 4 Abs. 5 InVorG ebenfalls nicht verletzt. Der Investitionsvorrangbescheid regele
nicht die Rechtsstellung des Rückübertragungsberechtigten, sondern ermächtige den Verfügungsberechtigten, den
Vermögensgegenstand abweichend von § 3 Abs. 3 VermG dem Investor für den festgestellten Investitionszweck zur
Verfügung zu stellen. Der Berechtigte sei mithin durch den Bescheid nur als Dritter, nämlich insofern betroffen, als
das zu seinem Schutz erlassene Verbot des § 3 Abs. 3 VermG entfalle. In solchen Fällen sei der Gesetzgeber nach
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch in Anbetracht des Art. 19 Abs. 4 GG nicht gehindert,
schon an den Erlaß des Verwaltungsakts unabhängig von dessen Rechtmäßigkeit nachteilige Rechtsfolgen für den
Dritten zu knüpfen, sofern dies - wie im Fall des § 4 Abs. 5 InVorG - aus sachgerechten Gründen geschehe.
8
Eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG scheide schon deswegen aus, weil dieser nicht davor schütze, daß der
Sachvortrag eines Betroffenen aus Gründen des materiellen Rechts außer Betracht bleibe.
II.
9
Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Urteile des Verwaltungs- und des
Bundesverwaltungsgerichts. Er rügt eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG.
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§ 4 Abs. 5 InVorG hätte von den Ausgangsgerichten wegen Art. 14 und Art. 19 Abs. 4 GG so ausgelegt werden
müssen, daß auch der Zessionar gerichtlich gegen einen Investitionsvorrangbescheid vorgehen könne. Die
Auffassung, der Rückübertragungsanspruch sei nicht durch die Eigentumsgarantie geschützt, sei nicht haltbar.
Nachdem dem Zedenten ein gesetzlicher Anspruch mit einem bestimmten Inhalt, insbesondere mit der Möglichkeit
der Veräußerung, eingeräumt worden sei, habe der Gesetzgeber den Anspruch nicht nachträglich durch den
Beteiligungsausschluß einschränken dürfen.
11
Auch Art. 19 Abs. 4 GG sei verletzt. So wie das Bundesverwaltungsgericht § 4 Abs. 5 InVorG auslege, könne der
Investitionsvorrangbescheid nicht mehr gerichtlich angefochten werden. Der ursprüngliche Inhaber des
Rückübertragungsanspruchs könne in das Investitionsvorrangverfahren nicht mehr eingreifen, weil er sich seines
Anspruchs durch Zession begeben habe. Der Zessionar werde durch die genannte Vorschrift von allen Einwendungen
ausgeschlossen. Der Restitutionsberechtigte werde durch den Investitionsvorrangbescheid auch in eigenen Rechten
verletzt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei es zwar dem Gesetzgeber nicht generell
verwehrt, Verwaltungsakten zu Lasten Dritter Tatbestandswirkung zu verleihen. Auf diese Weise dürfe der
Rechtsschutz aber nicht willkürlich eingeschränkt werden. Es müßten vielmehr gewichtige Gründe für die Versagung
des Rechtsschutzes sprechen. Daran fehle es hier.
III.
12
Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Bundesministerium der Justiz für die Bundesregierung, das Sächsische
Staatsministerium der Justiz für die Sächsische Staatsregierung und die Stadt Leipzig als Beklagte des
Ausgangsverfahrens Stellung genommen. Sie vertreten übereinstimmend die Auffassung, daß die Auslegung des § 4
Abs. 5 InVorG in den angegriffenen Entscheidungen zutreffend sei und weder gegen Art. 14 GG noch gegen Art. 19
Abs. 4 GG verstoße.
IV.
13
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2
BVerfGG nicht vorliegen.
14
1. Das ergibt sich, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, schon
daraus, daß die insoweit erhobene Rüge unzulässig ist. Der Beschwerdeführer führt mit keinem Wort aus, weshalb
sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sein soll. Sein Vortrag genügt deshalb insoweit nicht den
Mindestanforderungen, die nach § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 und § 92 BVerfGG an die Begründung einer
Verfassungsbeschwerde zu stellen sind.
15
2. Im übrigen sind die Annahmevoraussetzungen von der Sache her nicht erfüllt.
16
a) Die Verfassungsbeschwerde hat weder im Hinblick auf den geltend gemachten Verstoß gegen Art. 14 GG noch
hinsichtlich der Rüge einer Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung
(vgl. näher zu diesem Erfordernis BVerfGE 90, 22 <24 f.>).
17
Abgesehen davon, daß die Auslegung des § 4 Abs. 5 InVorG durch das Bundesverwaltungsgericht auslaufendes
Recht betrifft, weil nach § 27 Satz 1 InVorG in Verbindung mit § 1 der Verordnung zur Verlängerung der Frist in § 27
des Investitionsvorranggesetzes vom 18. Dezember 1998 (BGBl I S. 3818) Investitionsvorrangverfahren nur noch bis
zum Ablauf des 31. Dezember 2000 eingeleitet werden können, sind die für die Beurteilung der
Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits
entschieden.
18
So sind Bedeutung und Reichweite des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG für verwaltungsgerichtliche Streitigkeiten durch
das Bundesverfassungsgericht hinreichend geklärt (vgl. etwa BVerfGE 83, 182 <194 f.> m.w.N.). Das gleiche gilt für
die Frage, in- wieweit die verfassungsrechtliche Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes es ausschließt,
Verwaltungsakten Tatbestandswirkung für Drittbetroffene beizulegen (vgl. BVerfGE 83, 182 <196 ff.>).
19
Vom Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden ist allerdings, ob Rückübertragungsansprüche nach dem
Vermögensgesetz dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG unterfallen, was das Bundesverwaltungsgericht im
angegriffenen Revisionsurteil verneint hat. Das Bundesverfassungsgericht ist in seiner bisherigen Rechtsprechung
vom gegenteiligen Standpunkt ausgegangen, hat insoweit aber noch keine endgültige Entscheidung getroffen (vgl.
insbesondere BVerfGE 95, 48 <58>). Auch im vorliegenden Verfahren kommt es auf die Beantwortung der genannten
Frage nicht an. Es geht in ihm darum, ob § 4 Abs. 5 InVorG den Rechtsweg des Zessionars vermögensrechtlicher
Ansprüche ausschließt, und damit in erster Linie um die Auslegung und Anwendung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.
Daneben hat, wie sich ohne weiteres dem Grundgesetz entnehmen läßt, Art. 14 GG hier keine eigenständige
Bedeutung, weil er als die insoweit allgemeinere Grundrechtsverbürgung im Bereich der Rechtsverletzung durch die
Exekutive keine umfassendere Rechtsweggewährleistung als die spezielle Norm des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG enthält
(vgl. Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 46 ). Ob vermögensrechtliche Ansprüche
auf Restitution den Schutz der Eigentumsgarantie genießen, kann deshalb weiterhin offenbleiben.
20
b) Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der vom Beschwerdeführer als
verletzt gerügten Grundrechte aus Art. 14 und Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt.
21
aa) Die geltend gemachten Grundrechtsverletzungen haben kein besonderes Gewicht (vgl. dazu BVerfGE 90, 22
<25>). Die angegriffenen Entscheidungen deuten weder auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hin
noch beruhen sie auf einer groben Verkennung des durch ein Grundrecht gewährten Schutzes oder einem geradezu
leichtfertigen Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen. Auch für eine krasse Verletzung rechtsstaatlicher
Grundsätze ist nichts ersichtlich.
22
Die angegriffenen Entscheidungen sprechen dem Beschwerdeführer in Auslegung und Anwendung des § 4 Abs. 5
InVorG das Recht ab, sich gerichtlich gegen den Erlaß eines Investitionsvorrangbescheids zu wehren.
Prüfungsmaßstab hierfür ist Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, der gerichtlichen Rechtsschutz garantiert, wenn jemand
behauptet, durch die öffentliche Gewalt in seinen eigenen Rechten verletzt zu sein (vgl. BVerfGE 83, 182 <194>), und
der insoweit, wie schon ausgeführt, als speziellere Norm Art. 14 Abs. 1 GG verdrängt.
23
Das Bundesverwaltungsgericht versteht in seinem Urteil § 4 Abs. 5 InVorG als materiellen Einwendungsausschluß
zu Lasten des Erwerbers eines Rückübertragunganspruchs. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG sei nicht verletzt, weil der
Investitionsvorrangbescheid nicht die Rechtsstellung des Rückübertragungsberechtigten regele, sondern nur den
Verfügungsberechtigten ermächtige, den Vermögensgegenstand abweichend von dem Verbot des § 3 Abs. 3 VermG
dem Investor für den festgestellten Investitionszweck zur Verfügung zu stellen. Der Berechtigte sei deshalb durch den
Bescheid nur als Dritter, nämlich insofern betroffen, als das zu seinem Schutz erlassene Verbot des § 3 Abs. 3
VermG entfalle. Das Bundesverwaltungsgericht beruft sich dabei auf einen Beschluß des Bundesverfassungsgerichts,
in dem es um das sogenannte Pensionistenprivileg im Recht des Versorgungsausgleichs ging und in dem ausgeführt
ist, daß der Gesetzgeber auch in Anbetracht der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht gehindert ist,
bereits an den Erlaß des Verwaltungsakts unabhängig von dessen Rechtmäßigkeit nachteilige Rechtsfolgen für Dritte
zu knüpfen, sofern dies aus sachgerechten Gründen geschieht, und dann entsprechend die Klagebefugnis zu
verneinen (vgl. BVerfGE 83, 182 <194 ff.>).
24
Ob sich der Ausschluß des Zessionars vermögensrechtlicher Ansprüche vom gerichtlichen Verfahren mit dieser
Begründung verfassungsrechtlich rechtfertigen läßt, ist im vermögensrechtlichen Schrifttum umstritten. Fraglich kann
in der Tat sein, ob die Sachverhalte, die das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsurteil miteinander verglichen hat,
sich derart ähneln, daß die Erkenntnisse des Bundesverfassungsgerichts im Fall des Pensionistenprivilegs auf den
Fall des § 4 Abs. 5 InVorG übertragen werden können. Das wird von denen verneint, die dem
Bundesverwaltungsgericht entgegenhalten, daß § 4 Abs. 5 InVorG dem Zessionar nur die auf den Vorhabenplan des
Anmelders bezogenen Rechte nehme. Der Zessionar verliere das Recht, nach § 5 Abs. 2 InVorG einen eigenen
Vorhabenplan einzureichen, und den Anmeldervorzug nach § 7 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Satz 2 InVorG wegen
eines ebenso guten oder besseren eigenen Vorhabenplans. Alle übrigen Rechte, insbesondere auch die
Klagebefugnis, blieben dem Zessionar aber erhalten (vgl. etwa Wolfers, Das Investitionsvorrangverfahren, 1996, Rn.
341 ff. m.w.N. in Fußn. 221). Demgegenüber haben die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene
Gesetzesauslegung und die Bezugnahme auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zum
Pensionistenprivileg in der Literatur aber auch Zustimmung gefunden (vgl. Frantzen, in: Kimme, Offene
Vermögensfragen, § 4 InVorG Rn. 23 b ; Scheidmann, VIZ 1997, S. 516 <518>).
25
Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, diesen Meinungsstreit zu Bedeutung und Reichweite der
einfachrechtlichen Regelung des § 4 Abs. 5 InVorG zu entscheiden. Die Auslegung und Anwendung
nichtverfassungsrechtlicher Vorschriften ist Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung
durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen. Korrigierend eingreifen könnte dieses hier deshalb, vom
Fall der willkürlichen Rechtsanwendung abgesehen (vgl. dazu BVerfGE 18, 85 <96>; 89, 1 <13 f.>), nur dann, wenn
die Auslegung des § 4 Abs. 5 InVorG durch das Bundesverwaltungsgericht Auslegungsfehler erkennen ließe, die auf
einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1
GG, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den
konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 89, 1 <9 f.>). Das ist jedenfalls nicht
mit der für eine Annahme nach § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG erforderlichen Eindeutigkeit der Fall.
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Stellt man für die Frage, ob die Auslegung des § 4 Abs. 5 InVorG gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verstößt, darauf
ab, daß die investitionsvorrangrechtliche Regelung nach dem Verständnis des Bundesverwaltungsgerichts einen
materiellen Einwendungsausschluß darstellt, der die Rechtsstellung des Zessionars eines vermögensrechtlichen
Restitutionsanspruchs von vornherein auf die Ansprüche nach § 16 Abs. 1 und 2 InVorG beschränkt, ist die
Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG überhaupt nicht berührt. Denn ein Verstoß gegen dieses
Verfahrensgrundrecht setzt eine im Interesse des Einzelnen gewährte Rechtsposition voraus (vgl. BVerfGE 27, 297
<305>), gewährleistet also nicht selbst den sachlichen Bestand oder den Inhalt einer als verletzt behaupteten
Rechtsstellung; diese richtet sich vielmehr nach der Rechtsordnung im übrigen (vgl. BVerfGE 61, 82 <110>; 83, 182
<194 f.>).
27
Aber auch wenn man, wie es das Bundesverwaltungsgericht außerdem noch getan hat, darauf abhebt, daß der
Investitionsvorrangbescheid nicht die Rechtsstellung des Rückübertragungsberechtigten regele, sondern nur den
Verfügungsberechtigten ermächtige, den Vermögensgegenstand abweichend von dem Verbot des § 3 Abs. 3 VermG
dem Investor für den festgestellten Investitionszweck zur Verfügung zu stellen, beruht die Gesetzesauslegung im
angegriffenen Revisionsurteil nicht auf einer grundlegenden Verkennung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Zwar ist der
Restitutionsberechtigte auch als Zessionar vom Investitionsvorrangbescheid - anders als der Pensionär in dem vom
Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall durch den Rentenbescheid - nicht nur mittelbar, sondern insoweit auch
unmittelbar betroffen, als die Aufhebung der Verfügungssperre in § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG als Rechtsfolge jenes
Bescheids direkt den Anspruch des Restitutionsberechtigten gegen den Verfügungsberechtigten auf Beachtung dieser
Sperre erfaßt und zum Erlöschen bringt. Doch ist auf der anderen Seite unbestreitbar, daß dies zu dem einzigen
Zweck geschieht, es dem Verfügungsberechtigten zu ermöglichen, den fraglichen Vermögenswert dem Investor für
den festgestellten Investitionszweck zu überlassen. Insofern berührt der Investitionsvorrangbescheid allein die
Rechtsbeziehung zwischen dem Verfügungsberechtigten und dem Investor und ist der Restitutionsberechtigte,
vergleichbar dem Pensionär im Pensionistenfall, lediglich Dritter. Dem entspricht es, daß der
Investitionsvorrangbescheid nur an den Verfügungsberechtigten und nicht an den Rückübertragungsberechtigten
adressiert ist, dem der Bescheid allerdings ebenfalls zugestellt wird (vgl. § 9 InVorG).
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Ist es vor diesem Hintergrund verfassungsrechtlich zumindest nicht unvertretbar, daß sich das
Bundesverwaltungsgericht im angegriffenen Revisionsurteil an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum
Pensionistenprivileg orientiert hat, so kann schließlich entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch
angenommen werden, daß die in dieser Entscheidung geforderten sachlichen Gründe für Regelungen der in Rede
stehenden Art hier vorliegen. Mit der Vorschrift des § 4 Abs. 5 InVorG verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, Zessionare,
die anders als viele Alteigentümer typischerweise kein ideelles, sondern nur ein materiellwirtschaftliches Interesse an
dem Restitutionsobjekt haben, daran zu hindern, Investitionsverfahren und damit auch die Investitionstätigkeit in den
neuen Bundesländern zu verzögern. Außerdem sollen Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden, die entstünden,
wenn sich mögliche Investoren Rückübertragungsansprüche abtreten lassen, um in der Konkurrenz mit anderen
Investoren das Anmelderprivileg des § 7 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Satz 2 InVorG für sich reklamieren zu
können und ein Klagerecht zu erhalten, das andere Investoren gegenüber Bescheiden zugunsten eines
Mitkonkurrenten nicht haben (vgl. Mauer, in: Rodenbach/Söfker/Lochen, Investitionsvorranggesetz, § 12 Rn. 58
angenommene materielle Regelung mit ihren Konsequenzen für die Klagebefugnis der Zessionare zu rechtfertigen
vermögen.
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bb) Die geltend gemachten Grundrechtsverletzungen betreffen den Beschwerdeführer auch nicht in existentieller
Weise (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Der von ihm im Ausgangsverfahren angefochtene Investitionsvorrangbescheid
hat der früheren Verfügungsberechtigten gestattet, einen Mietvertrag über Räume abzuschließen, die sich in dem
Restitutionsobjekt befinden. Diesen Mietvertrag, der am 30. Juni 2001 endet, mußte der Beschwerdeführer im Zuge
der Rückübertragung des fraglichen Grundstücks an ihn nach § 16 Abs. 2 Satz 1 und § 17 VermG übernehmen. Als
Gegenleistung erhält er den Mietzins, der gemäß § 16 Abs. 2 Satz 3 InVorG an die örtliche Vergleichsmiete
anzupassen ist. Wirtschaftlich entstehen dem Beschwerdeführer danach keine Verluste. Daß er die vermieteten
Räume selbst anderweitig benötigt, hat er nicht vorgetragen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Papier
Grimm
Hömig