Urteil des BVerfG vom 20.03.2007

BVerfG: verfassungsbeschwerde, papier, berufsfreiheit, grundrecht, erfahrung, gerichtsverfahren, qualifikation, eigenschaft, gerichtsverhandlung, arbeitgeberverband

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 142/07 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Rechtsanwalts P...
gegen
a)
den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25. Oktober 2006 - AnwZ (B) 80/05 -,
b)
den Beschluss des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs vom 15. Juli 2005 -
AGH 6/05 -
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Papier
und die Richter Steiner,
Gaier
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I
S. 1473) am 20. März 2007 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind berufsgerichtliche Entscheidungen.
I.
2
1. Der Beschwerdeführer ist bei einem Versicherungsunternehmen angestellt und leitet dort seit 1996 die H.
Schaden- und Rechtsabteilung. Seit 1997 ist er zudem als Rechtsanwalt zugelassen.
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Im März 2004 beantragte der Beschwerdeführer bei der Rechtsanwaltskammer, ihm die Führung der
Fachanwaltsbezeichnung für Versicherungsrecht zu gestatten. Mit dem Antrag legte er eine Liste von 80 Fällen vor,
die er sämtlich im Rahmen seiner Tätigkeit bei dem Versicherungsunternehmen bearbeitet hatte.
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Die Rechtsanwaltskammer lehnte den Antrag ab. Der daraufhin von dem Beschwerdeführer gestellte Antrag auf
gerichtliche Entscheidung wurde durch den Anwaltsgerichtshof mit Beschluss zurückgewiesen. Die hiergegen
gerichtete sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers blieb beim Bundesgerichtshof ebenfalls ohne Erfolg. Die von
dem Beschwerdeführer nachgewiesenen Fälle könnten nicht berücksichtigt werden, weil es an der notwendigen
persönlichen und weisungsfreien Bearbeitung fehle. Der Beschwerdeführer habe nämlich – wie bereits vom
Anwaltsgerichtshof aufgezeigt - mit einer Ausnahme keine eigenen Schriftsätze angefertigt und auch nicht an einer
Gerichtsverhandlung teilgenommen. Seine Tätigkeit habe sich auf die Unterstützung der jeweils von seinem
Arbeitgeber mandatierten Rechtsanwälte beschränkt. Ein solches Wirken im Hintergrund möge zwar auch zur
anwaltlichen Fallbearbeitung gehören, könne aber die geforderte praktische Erfahrung in der unmittelbaren
Wahrnehmung der Interessen des Mandanten gegenüber Kontrahenten, Behörden oder Gerichten nicht vermitteln.
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2. Gegen die Entscheidungen des Anwaltsgerichtshofs und des Bundesgerichtshofs richtet sich die
Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers, mit der er eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG
rügt.
II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2
BVerfGG nicht vorliegen (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
Die angegriffenen Entscheidungen halten einer verfassungsrechtlichen Prüfung stand.
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1. Das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ist nicht verletzt.
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Die Bezeichnung „Fachanwalt“ erweckt bei den Rechtsuchenden die Erwartung besonderer, in einem formalisierten
Verfahren nachgewiesener theoretischer und praktischer Kenntnisse. Der Schutz dieser Erwartung vermag die
Versagung der Fachanwaltsbezeichnung bei einem Bewerber zu rechtfertigen, der nur wenige Gerichtsverfahren
geführt hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Januar 1992 – 1 BvR 957/89 -, NJW
1992, S. 816). Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Fachgerichte vorliegend die von dem Beschwerdeführer
als Beleg angeführten, aber in seiner Eigenschaft als Syndikusanwalt betreuten Fälle als nicht ausreichend bewertet
haben, weil bei ihnen die Einreichung von Schriftsätzen und insbesondere die Wahrnehmung von Gerichtsterminen
durch beauftragte Rechtsanwälte erfolgte und der Beschwerdeführer lediglich zu deren Unterstützung tätig wurde.
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2. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG liegt ebenfalls nicht vor.
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Zwar beanstandet der Beschwerdeführer, ein in der Assekuranz tätiger Syndikusanwalt sei wegen § 46 BRAO daran
gehindert, seinen Arbeitgeber auch gerichtlich zu vertreten, während beispielsweise der Verbandssyndikus beim
Arbeitgeberverband die Mitglieder vor den Arbeitsgerichten vertreten und hierdurch die für die Verleihung einer
Fachanwaltsbezeichnung erforderlichen Fälle nachweisen könne. Jedoch kann nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts die bloße Tatsache, dass für bestimmte Gruppen von Anwälten der Nachweis praktischer
Erfahrungen auf einem Fachgebiet leichter zu erbringen ist als für andere, nicht zu einer Verringerung der
Anforderungen an die Qualifikation der Bewerber aus den benachteiligten Gruppen führen (vgl. BVerfG, Beschluss der
2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Januar 1992, a.a.O.).
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier
Steiner
Gaier