Urteil des BVerfG vom 28.02.2008
BVerfG: ohne aussicht auf erfolg, körperliche unversehrtheit, medikamentöse behandlung, verfassungsbeschwerde, krankenversicherung, beihilfe, privatversicherung, verfügung, gesundheitswesen, erhaltung
Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1778/05 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn N…
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwältin Heidemarie Mitterbauer,
Wunstorfer Straße 27, 30453 Hannover -
1. unmittelbar gegen
das Urteil des Bundessozialgerichts vom 10. Mai 2005 - B 1 KR 25/03 R -
2. >mittelbar gegen
§ 34 Abs. 1 Satz 7 bis 9 SGB V, eingefügt durch Art. 1 Nr. 22 GMG vom 14. November
2003
und Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe
und Beiordnung von Rechtsanwältin M.
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Hohmann-Dennhardt
und die Richter Gaier,
Kirchhof
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 28. Februar 2008 einstimmig beschlossen:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin M. wird abgelehnt, weil die
beabsichtigte Rechtsverfolgung ohne Aussicht auf Erfolg ist.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2
Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist ohne Aussicht auf
Erfolg, da sie unzulässig ist.
2
Die Verfassungsbeschwerde ist im Sinne von §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG nicht hinreichend begründet. Hierzu
gehört, dass sich die Verfassungsbeschwerde mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen
Sachverhalts auseinandersetzt und hinreichend substantiiert darlegt, dass eine Grundrechtsverletzung möglich
erscheint. Bei Urteilsverfassungsbeschwerden erfordert dies in der Regel eine ins Einzelne gehende, argumentative
Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des
Ersten Senats vom 18. Juni 1998 - 1 BvR 1114/98 -, NVwZ 1998, S. 949; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten
Senats vom 27. April 2000 - 2 BvR 75/94 -, NJW 2000, S. 3557).
3
Soweit der Beschwerdeführer eine Art. 3 Abs. 1 GG verletzende Ungleichbehandlung aus einem Vergleich der
Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung und der beihilfeberechtigten Beamten ableiten will, erschöpft sich
die Beschwerdebegründung in der Feststellung und Missbilligung der Ungleichbehandlung. Es fehlen aber jegliche
Ausführungen zu der nahe liegenden Frage nach sachlichen Gründen für eine Differenzierung zwischen den gebildeten
Vergleichsgruppen. Die gesetzliche Krankenversicherung beruht auf dem Grundkonzept, dass die Versicherten bei
Eintritt von Krankheit unabhängig von der Höhe ihrer Beiträge eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung erhalten
(vgl. BVerfGE 115, 25 <27>). Damit steht die gesetzliche Krankenversicherung im Gegensatz zu der privaten
Eigenvorsorge des Beamten und der ergänzenden, nachrangigen Unterstützung durch den Dienstherrn. Die
beamtenrechtliche Krankenfürsorge ist am Regeltyp des Dienstes im Beamtenverhältnis als Lebensberuf orientiert,
der gerade im Hinblick auf den besonderen beamtenrechtlichen Schutz von der Versicherungspflicht in der
gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen ist (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V); Leistungen im Rahmen der
Beihilfe richten sich nach den dort geltenden Alimentations- und Fürsorgeprinzipien. Die Krankheitsvorsorge aufgrund
von Beihilfe und Privatversicherung unterscheidet sich damit von der gesetzlichen Krankenversicherung sowohl im
Hinblick auf die verfassungsrechtliche Verankerung, die Finanzierung, die Leistungsvoraussetzungen, das
Leistungsspektrum als auch die Leistungsformen (vgl. BVerwGE 125, 21 <32>). Zu diesen wesentlichen
Strukturunterschieden nimmt der Beschwerdeführer nicht ansatzweise Stellung.
4
Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG)
rügt, ist die Verfassungsbeschwerde ebenfalls nicht ausreichend begründet. Der Beschwerdeführer setzt sich weder
mit der angefochtenen Entscheidung des Bundessozialgerichts noch mit der einschlägigen Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts auseinander. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass es
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die gesetzliche Krankenversicherung den Versicherten
Leistungen nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs (§ 11 SGB V) unter Beachtung des
Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung stellt, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung
der Versicherten zugerechnet werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Es steht mit dem Grundgesetz in Einklang, wenn
der Gesetzgeber vorsieht, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und
wirtschaftlich zu sein haben und nicht das Maß des Notwendigen überschreiten dürfen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V).
Der Leistungskatalog darf auch von finanzwirtschaftlichen Erwägungen mitbestimmt sein. Gerade im
Gesundheitswesen hat der Kostenaspekt für gesetzgeberische Entscheidungen erhebliches Gewicht (vgl. BVerfGE
103, 172 <184>). Die gesetzlichen Krankenkassen sind nicht von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was
an Mitteln zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist (vgl. BVerfGE 115, 25 <45 f.>).
Angesichts dieses Befunds hätte für den Beschwerdeführer besonderer Anlass bestanden, sich mit der Frage
auseinanderzusetzen, worin eine Überschreitung des dem Gesetzgeber zuzubilligenden Gestaltungsspielraums zu
sehen ist, wenn er eine medikamentöse Behandlung der Eigenverantwortung der Versicherten zuweist.
5
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
6
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Hohmann-Dennhardt
Gaier
Kirchhof