Urteil des BVerfG vom 25.03.2010
BVerfG: verfassungsbeschwerde, einkünfte, arbeitskraft, gewerbesteuer, angestellter, wiederholung, einspruch, sanierung, gleichbehandlung, verfassungsrecht
Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 448/09 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
1. der K... GbR
2. des Herrn Dr. K.
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Wirtz & Kraneis,
Sachsenring 83, 50677 Köln -
gegen den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 14. Juli 2008 - VIII B 179/07 -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Kirchhof
und die Richter Eichberger,
Masing
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 25. März 2010 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Gewerbesteuerpflicht einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, die
Insolvenzverwaltungen durchführt.
I.
2
Die Beschwerdeführerin zu 1) - im Folgenden die Beschwerdeführerin - ist eine Rechtsanwaltskanzlei in der
Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Der Beschwerdeführer zu 2) - im Folgenden der
Beschwerdeführer - ist Gesellschafter der Beschwerdeführerin.
3
Die Beschwerdeführerin erzielte im Streitjahr 2004 überwiegend Einnahmen aus Tätigkeiten als Insolvenzverwalter
und Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren. Sie beschäftigte etwa 180 Mitarbeiter, darunter Rechtsanwälte, eine
Diplom-Ökonomin, Steuerberater, Rechtsanwaltsfachangestellte, Assessoren und Buchhalter. Das Finanzamt vertrat
die Auffassung, dass die Beschwerdeführerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb und nicht aus freiberuflicher Tätigkeit
erzielt habe, und erließ entsprechende Gewerbesteuermessbescheide. Die Beschwerdeführerin legte dagegen
erfolglos Einspruch ein.
4
Die von der Beschwerdeführerin erhobene Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht führte
unter anderem aus, eine insolvenzverwaltende Tätigkeit sei vermögensverwaltend im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3
EStG und keine freiberufliche Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die der Art nach selbständige
vermögensverwaltende Tätigkeit der Beschwerdeführerin sei unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ein
Gewerbebetrieb. Es gehöre zu den Wesensmerkmalen der selbständigen Tätigkeit, dass sie in ihrem Kernbereich auf
der eigenen persönlichen Arbeitskraft des Berufsträgers beruhe. Nehme die Tätigkeit einen Umfang an, der die
selbständige Beschäftigung mehrerer Angestellter erfordere und würden diesen Angestellten nicht nur untergeordnete
vorbereitende oder mechanische Arbeiten übertragen, so beruhe die Tätigkeit nicht mehr im Wesentlichen auf der
persönlichen Arbeitskraft des Berufsträgers und sei deshalb als eine gewerbliche einzuordnen.
5
Die von der Beschwerdeführerin gegen die Entscheidung des Finanzgerichts erhobene Nichtzulassungsbeschwerde
wies der Bundesfinanzhof als unbegründet zurück. Der Bundesfinanzhof führte aus, dass den aufgeworfenen
Rechtsfragen keine grundsätzliche Bedeutung zukomme. Sie seien höchstrichterlich geklärt und damit nicht mehr
klärungsbedürftig. Die Tätigkeit von Konkursverwaltern, Zwangsverwaltern oder Insolvenzverwaltern sei nach
ständiger Rechtsprechung eine vermögensverwaltende Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG und keine
freiberufliche Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
II.
6
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG. Zum einen
würden sie zu Unrecht ungleich im Verhältnis zu solchen (Groß-) Kanzleien behandelt, die über mehrere angestellte
Berufsträger verfügten und sich beispielsweise auf das Gebiet der Sanierung spezialisiert hätten. Zum anderen liege
eine nicht gerechtfertigte Gleichbehandlung mit den übrigen Gewerbetreibenden vor. Schließlich folge eine Verletzung
von Art. 3 Abs. 1 GG daraus, dass ihre Gewinne durch den Anfall von Gewerbesteuer reduziert würden, während
beispielsweise Gewinne einer beratenden Großkanzlei aus Rechtsanwälten oder von Steuerberatern und
Wirtschaftsprüfern nicht mit Gewerbesteuer belastet würden. Sie würden daher unter Verstoß gegen das Willkürverbot
mit den Gesellschaftern einer gewerblich tätigen Gesellschaft gleichgestellt.
III.
7
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a
Abs. 2 BVerfG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist bereits unzulässig.
8
Hinsichtlich des Beschwerdeführers ist die Verfassungsbeschwerde mangels Beschwer unzulässig (1). Hinsichtlich
der Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin fehlt es an einer hinreichend substantiierten Auseinandersetzung
(§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG) mit den für die zurückweisende Entscheidung des Bundesfinanzhofs tragenden
Gesichtspunkten (2).
9
1. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers ist mangels Beschwer im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG
unzulässig. Der Beschwerdeführer ist nicht am gerichtlichen Ausgangsverfahren beteiligt gewesen. Die angegriffene
Entscheidung des Bundesfinanzhofs, die gemäß § 110 FGO grundsätzlich nur die Beteiligten bindet, beeinträchtigt ihn
auch nicht mittelbar, da der Gewerbesteuermessbescheid für die Einkünftequalifikation des Beschwerdeführers keine
Bindungswirkung entfaltet (vgl. Selder, in: Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 7. Aufl. 2009, § 35b Rn. 2).
10
2. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin ist nicht hinreichend substantiiert begründet (§ 23 Abs. 1
Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Bundesfinanzhof hat die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wegen
grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO vor allem mangels Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen
Rechtsfragen zurückgewiesen. Über die Frage, ob die Einkünfte der Beschwerdeführerin als Insolvenzverwalter
aufgrund der Beschäftigung einer Vielzahl von fachlichen Mitarbeitern in der Sache als gewerblich oder freiberuflich
einzustufen waren, hat der Bundesfinanzhof nicht entschieden. In seinem Beschluss ging es allein darum, ob diese
Frage noch grundsätzliche Bedeutung hatte oder bereits durch die bisherige Rechtsprechung geklärt war. Dass die
Anwendung des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO und damit die Versagung der Zulassung unter Verkennung der gerügten
Grundrechte erfolgt ist, trägt die Beschwerdeführerin nicht vor. Sie behauptet gerade nicht, dass der Bundesfinanzhof
unter Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes und in willkürlicher Weise die Klärungsbedürftigkeit
und damit die grundsätzliche Bedeutung der Sache verneint habe. Stattdessen beschränkt sich der Vortrag der
Beschwerdeführerin - im Wesentlichen unter teils wörtlicher Wiederholung ihres Vortrags aus ihrer
Nichtzulassungsbeschwerdeschrift - darauf, die Entscheidung in der Sache, also die Einstufung ihrer Einkünfte als
gewerblich, als verfassungswidrig zu bezeichnen und daraus den Grundrechtsverstoß herzuleiten.
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Im Übrigen betrifft die Frage, ob die Tätigkeit der Beschwerdeführerin im Einzelnen als Gewerbebetrieb oder als
freiberufliche Tätigkeit einzuordnen ist, in erster Linie die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts sowie die
Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall. Diese sind aber allein Sache der dafür
allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Nur bei einer
Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht durch die Gerichte kann das Bundesverfassungsgericht auf die
Verfassungsbeschwerde hin eingreifen (stRspr, vgl. bereits BVerfGE 1, 418 <420> und 18, 85 <92 f.>). Solche
Verfassungsrechtsverstöße lässt das in erster Linie auf Verletzungen des allgemeinen Gleichheitssatzes zielende
Vorbringen der Beschwerdeführer auf der Grundlage der Feststellungen des Finanzgerichts auch nicht erkennen.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
13
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Kirchhof
Eichberger
Masing