Urteil des BVerfG vom 12.05.2009
BVerfG: kritik, meinungsfreiheit, form, grundrecht, persönlichkeitsrecht, begriff, ermittlungsverfahren, offenkundig, gehalt, presse
Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2272/04 -
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn Dr. N…
- Bevollmächtigte:
1. 1. Rechtsanwalt Johann Schwenn,
in Sozietät Schwenn & Krüger
Große Elbstraße 14, 22767 Hamburg,
2. Rechtsanwalt Nicolas Becker,
Meinekestraße 3, 10719 Berlin -
gegen
a)
den Beschluss des Kammergerichts vom 3. September 2004 - (4) 1 Ss 226/04
(86/04) -,
b)
das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 28. Januar 2004 - 263a Cs 1097/03 -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Papier
und die Richter Eichberger,
Masing
am 12. Mai 2009 einstimmig beschlossen:
Das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 28. Januar 2004 - 263a Cs 1097/03 - und der Beschluss des
Kammergerichts vom 3. September 2004 - (4) 1 Ss 226/04 (86/04) - verletzen den Beschwerdeführer in seinem
Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an
das Amtsgericht zurückverwiesen.
Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe:
I.
1
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine strafrechtliche Verurteilung wegen Beleidigung.
2
1. Der Beschwerdeführer ist Journalist, Verleger und Publizist und Mitherausgeber der Wochenzeitschrift „Die Zeit“.
3
Am 22. Juni 2003 strahlte der Fernsehsender „n-tv“ die von B. moderierte Sendung „Talk in Berlin“ aus, an der sich
der Beschwerdeführer als Diskussionsteilnehmer neben dem Journalisten J. und dem Bischof Prof. Dr. H. beteiligte.
4
Die Sendung mit dem Thema „F. - die Öffentlichkeit und die Moral“ befasste sich mit dem seinerzeit in den Medien
viel beachteten Ermittlungsverfahren gegen den damaligen Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, Rechtsanwalt
und Moderator Dr. F., der in den Verdacht des unerlaubten Umgangs mit Betäubungsmitteln geraten war. Nachdem
mehrere Zeuginnen, die im Zuge eines gegen andere Beschuldigte geführten Ermittlungsverfahrens vernommen
worden waren, Dr. F. belastet hatten, durchsuchte die Staatsanwaltschaft Berlin am 11. Juni 2003 die in F. belegenen
Kanzleiräume und Wohnung des Beschuldigten. Noch am selben Tag bestätigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft
gegenüber einem Journalisten der Zeitung „Die Welt“ auf Nachfrage, dass ein Ermittlungsverfahren gegen Dr. F.
geführt werde. Außerdem gab er den zu Grunde liegenden Vorwurf und die vorläufigen Ergebnisse der
Durchsuchungen bekannt, wonach szenetypische Verpackungen mit Anhaftungen aufgefunden worden seien, die
vorbehaltlich der Ergebnisse einer Laboruntersuchung aus Kokain bestehen könnten. Der Staatsanwaltschaft brachte
diese frühe Information der Öffentlichkeit teilweise harsche Kritik in den Medien ein.
5
In der Fernsehsendung äußerte der Beschwerdeführer hierzu:
6
N.:
„[…] Der wirkliche Skandal ist eine führungslose Staatsanwaltschaft in Deutschland, die bei
diesen Ermittlungen ganz offenkundig ‚Die Welt’, ‚Bild’ und ‚Focus’ vorinformiert hat,
privilegiert hat, wenn Sie so wollen, über einen Verdacht, den zu beweisen sie sich gerade erst
bemüht. Dieses ist dann nicht das normale Vorgehen von Staatsanwälten in zivilisierten und in
Rechtsstaaten, in zivilisierten Ländern und in Rechtsstaaten. Das ist der erste Punkt. Der
andere Punkt ist: Aus diesen Äußerungen jetzt entnehme ich ja offenkundig immer schon
feststehende Sachverhalte, d.h. Herr F. hat seine eigene Position desavouiert durch sein
moralisches, sittliches Verhalten. Nichts ist bewiesen. Der Mann hat das Recht eines
offenkundig vom Staatsanwalt Verfolgten, so möchte ich das einmal bezeichnen, zu
schweigen und seinen eigenen Anwalt reden zu lassen. Und ich bin ganz sicher, dass dieser
staatsanwaltliche, man muss wirklich sagen: Skandal eines ganz offenkundig, ich sag`s ganz
offen, durchgeknallten Staatsanwaltes, der hier in B. einen außerordentlich schlechten Ruf hat,
der vor einem Jahr vom Dienst suspendiert worden ist, der zum ersten Mal überhaupt wieder
tätig wird. Dieser Skandal wird zweifellos dazu führen, dass sich die hiesige Justizbehörde und
die ihr zugeordnete Staatsanwaltschaft fragen muss, ob man auf diese Art und Weise gegen
Privatpersonen vorgehen kann.“
7
J.:
„Herr N., Sie brechen den Stab über eine Staatsanwaltschaft in einer Art und Weise. Der
Oberstaatsanwalt, der Generalstaatsanwalt, den Sie meinen, führt die Ermittlungen gar nicht.
Das ist ein ganz anderer. Was Sie hier tun, ist eine Verdächtigungskampagne, der Sie
angehören, in der Sie, bei der Sie eine öffentliche Rolle spielen, die sich gegen die
Staatsanwaltschaft richtet. Der Fakt ist der, dass bei der Ermittlung gegen Menschenhändler
und Schleuser von Prostituierten aus Osteuropa nach Deutschland, bei diesen Ermittlungen ist
vom Bundesgrenzschutz in Telefongesprächen der Schleuser abgehört worden. Dabei ist eine
Telefonnummer und ist ein Name aufgefallen, der zurückverfolgt worden ist. Der jetzt
Beschuldigte F. wäre gar nicht ins Fadenkreuz der Staatsanwaltschaft geraten, wenn bei der
Befragung von drei Prostituierten nicht die Beschuldigung erhoben worden wäre und
möglicherweise noch, sie wissen es von drei, möglicherweise von noch mehr, dass er ihnen
Kokain angeboten hat. Dann ist es nicht mehr die Frage des persönlichen Konsums, sondern
auch die Frage des Besitzes, was strafbar ist, und dann muss eine Staatsanwaltschaft
handeln. Und sozusagen als sei hier ein, so schlank wie Sie das sagen, den Vorwurf zu
erheben, eine Staatsanwaltschaft vernichte einen Menschen aus politischen Gründen, das
finde ich sehr gewagt.“
8
N.:
„Aus politischen Gründen, das habe ich nicht gesagt.“
9
J.:
„Aber Sie insinuieren es. Ein durchgeknallter Staatsanwalt“
10
N.:
„Ja, natürlich ist er durchgeknallt, weil er ganz offenkundig in der Lage ist, ein
Ermittlungsverfahren zu beginnen und gleichzeitig die Presse zu informieren. Dieses ist
ungewöhnlich.“
11
J.:
„Aber Herr N., der Richter hat den Durchsuchungsbefehl erlassen. Das ist nicht der
Generalstaatsanwalt gewesen.“
12
N.:
„Aber wer hat denn die Presse informiert? Der Richter gewiss nicht.“
13
2. Mit angegriffenem Urteil vom 28. Januar 2004 - 263a Cs 1097/03 - verurteilte das Amtsgericht Tiergarten den
Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 300,00 €.
14
Das Wort „durchgeknallt“ bedeute umgangssprachlich „verrückt“ oder „durchgedreht“ und werde gemeinhin so
verstanden. Vom Standpunkt eines verständigen Dritten aus sei diese Bezeichnung als herabwürdigend und
ehrverletzend anzusehen. Dessen sei sich der Beschwerdeführer, der es als Journalist gewohnt sei, mit Worten
umzugehen, auch bewusst gewesen.
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In diesem Wortsinne stelle der Begriff „durchgeknallt“ eine Ehrverletzung dar, die auch durch das Grundrecht der
freien Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht gerechtfertigt werden könne. Dem Beschwerdeführer
habe es freigestanden, die Arbeit der Staatsanwaltschaft oder den Generalstaatsanwalt selbst zu kritisieren. Hier liege
jedoch ein Fall unzulässiger Schmähkritik vor, die durch eine Diffamierung der Person gekennzeichnet sei, bei der die
Auseinandersetzung in der Sache in den Hintergrund trete.
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Auch der Umstand, dass der Geschädigte sich selbst in der Vergangenheit öffentlich als „groben Klotz“ oder
„Kapitän eines Panzerkreuzers“ bezeichnet habe, führe nicht dazu, dass er durch die Bezeichnung als „durchgeknallt“
nicht habe beleidigt werden können. Auch wenn der Geschädigte durch seine früheren Äußerungen Kritik auf sich
gezogen habe, berechtige dies nicht zu ehrverletzenden Äußerungen über seine Person.
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3. Die hiergegen gerichtete Revision verwarf das Kammergericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft mit
angegriffenem Beschluss vom 3. September 2004 - (4) 1 Ss 226/04 (86/04) - ohne weitere Begründung.
18
Ihren Antrag vom 28. Juni 2004 auf Verwerfung der Revision als offensichtlich unbegründet stützte die
Generalstaatsanwaltschaft insbesondere darauf, dass das Amtsgericht die beanstandete Äußerung zutreffend als
Schmähung angesehen und deshalb dem Ehrenschutz den Vorrang gegenüber dem Recht zur freien
Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG eingeräumt habe. Merkmal der Schmähung sei die das sachliche Anliegen in
den Hintergrund drängende persönliche Kränkung. Diese Grenze sei auch im Meinungskampf überschritten, wenn der
Äußernde nicht auf einen vorangehend vom Betroffenen gesetzten Anlass im „hin und her“ gegenseitiger Kritik und
Meinungsäußerungen reagiere, sondern seine Äußerung außerhalb eigener Betroffenheit darauf abziele, den
Betroffenen über die Auseinandersetzung in der Sache hinaus persönlich zu diffamieren. Zu berücksichtigen sei zwar
auch, in welchem Umfang der Betroffene seinerseits am durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Meinungskampf
teilgenommen habe, so dass sein eigener Anspruch auf Ehrenschutz insoweit eingeschränkt sei, als er
entsprechende Gegenäußerungen hinnehmen müsse. Ein solcher „Gegenschlag“ setze aber einen Sachbezug voraus
und müsse eine adäquate Reaktion auf einen vorangehend vom Betroffenen gesetzten Anlass sein. Dem
Beschwerdeführer sei es unbenommen gewesen, die diskussions- und kritikträchtige Verfahrensweise der
Staatsanwaltschaft zu kritisieren und den Geschädigten ungeachtet dessen tatsächlichen eigenen Beitrags hierzu
zumindest als Gesamtverantwortlichen in diese Kritik einzubeziehen. Die gebrauchte Wortwahl bewege sich aber nicht
mehr im Rahmen einer wenn auch harten, aber sachlichen Auseinandersetzung, sondern setze den Behördenleiter
persönlich und unabhängig vom Inhalt der geführten Diskussion in ein schlechtes Licht und ziele daher allein auf
dessen Diffamierung.
19
4. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts sowie des Kammergerichts und
rügt eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
20
a) Bereits die Deutung des Begriffs „durchgeknallt“ durch das Amtsgericht werde den verfassungsrechtlichen
Vorgaben nicht gerecht. Der Begriff werde ausweislich des Dudens umgangssprachlich für „überspannt, exaltiert“
verwendet. Jedenfalls aber habe es das Amtsgericht unterlassen, einen naheliegenden weiteren Sinngehalt des
inkriminierten Begriffs in Betracht zu ziehen und diesen mit nachvollziehbaren Gründen auszuschließen. Es handele
sich um eine in der Umgangssprache durchaus übliche Metapher aus dem Bereich der Elektrizität für eine
durchgebrannte Sicherung. Aus dem Kontext der Äußerung, der bei der Ermittlung ihres Sinngehalts hätte
berücksichtigt werden müssen, ergebe sich, dass der Beschwerdeführer durch Verwendung eben dieser Metapher
habe zum Ausdruck bringen wollen, dass die dem ersten Beamten der Staatsanwaltschaft obliegende Sicherung der
Persönlichkeitsrechte von Beschuldigten in einem Ermittlungsverfahren versagt habe. Der Beschwerdeführer habe
den Generalstaatsanwalt erkennbar deshalb als „durchgeknallt“ bezeichnet, weil dieser als Behördenleiter für einen
Skandal verantwortlich sei, der darin liege, dass verschiedene Zeitungen über das anhängige Ermittlungsverfahren
gegen Dr. F. vorinformiert gewesen seien. Die Äußerung habe nicht der psychischen Verfassung des
Generalstaatsanwalts, sondern vielmehr dem vermeintlichen Versagen des Generalstaatsanwalts bei der
Wahrnehmung seiner Funktionen zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte des Beschuldigten Dr. F. gegolten.
21
Selbst wenn man die Deutung des Amtsgerichts zu Grunde lege, sei die Einordnung der Äußerung als Schmähkritik
mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG unvereinbar. Soweit das Amtsgericht ohne nähere Begründung davon ausgehe, dass die
Diffamierung der Person des Generalstaatsanwalts im Vordergrund gestanden habe, lasse dies den Kontext
unberücksichtigt, in dem der Begriff verwandt worden sei. Der Beschwerdeführer habe den Begriff im Zuge der Kritik
an einem rücksichtslosen Umgang der Staatsanwaltschaft mit den Persönlichkeitsrechten eines Beschuldigten und
damit in der Diskussion um eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage verwendet. Selbst wenn man in der
Bezeichnung als „durchgeknallt“ eine überzogene und ausfällige Kritik sehen wollte, rechtfertige dies noch nicht die
Annahme einer Schmähung. Die darin zum Ausdruck kommende Kritik an der Art des Umgangs mit einem
Beschuldigten habe der Auseinandersetzung in der Sache gedient und nicht etwa allein der Diffamierung der Person
des Generalstaatsanwalts Dr. K. Dieser sei auch namentlich gar nicht benannt worden, vielmehr habe die Kritik der
Staatsanwaltschaft Berlin und deren Behördenleiter gegolten. Im Übrigen streite bei einer die Öffentlichkeit wesentlich
berührenden Frage eine Vermutung für die freie Rede, die insbesondere dann greife, wenn der Äußernde sich - wie es
das Amtsgericht selbst im Rahmen der Strafzumessungserwägungen annimmt - allenfalls bei der Wortwahl im Ton
vergriffen habe.
22
Die fälschliche Annahme der Schmähkritik habe das Amtsgericht auch dazu bewogen, von der erforderlichen
Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht abzusehen. Hier überwiege jedoch angesichts
der vom Beschwerdeführer geäußerten Kritik an staatlicher Machtausübung sein grundrechtlich geschütztes Interesse
auf freie Meinungsäußerung. Im Rahmen der Abwägung müsse auch Berücksichtigung finden, dass die
Meinungsäußerung einer Behörde galt und dieser kein Persönlichkeitsrecht zukomme. Außerdem habe der Betroffene
durch seine polarisierenden Äußerungen zu seinem Amtsverständnis überspitzte und polemische Kritik an seiner
Person selbst herausgefordert.
23
b) Die Entscheidung des Kammergerichts, mit der die Revision des Beschwerdeführers ohne Begründung verworfen
worden ist, mache sich die Grundrechtsverletzung des Amtsgerichts zu Eigen. Ferner teile das Kammergericht
offenbar die Rechtsauffassungen der Generalstaatsanwaltschaft Berlin. Diese setze sich aber in der Begründung ihres
Antrags auf Verwerfung der Revision in offenen Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
wenn sie betone, dass die von der Revision angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in der
strafrechtlichen Literatur teilweise scharfe Kritik erfahren habe.
24
5. Die Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin und der Präsident des Bundesgerichtshofs hatten Gelegenheit
zur Stellungnahme.
25
6. Die Akten des Ausgangsverfahrens vor dem Amtsgericht Tiergarten
- 263a Cs 1097/03 - lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.
II.
26
Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil
dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Sie ist zulässig und offensichtlich
begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1
Satz 1 GG.
27
1. Die inkriminierte Äußerung des Beschwerdeführers fällt in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Das
Grundrecht der Meinungsfreiheit gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu
verbreiten. Meinungen sind durch die subjektive Einstellung des sich Äußernden gekennzeichnet. Sie enthalten sein
Urteil über Sachverhalte, Ideen oder auch Personen (vgl. BVerfGE 33, 1 <14>; 93, 266 <289>). Für sie ist das
Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens kennzeichnend (vgl. BVerfGE 7, 198 <210>; 61, 1 <8>; 85, 1 <14>;
90, 241 <247>). Die inkriminierte Äußerung stellt, ungeachtet ihres möglichen ehrverletzenden Gehalts, ein solches
Werturteil dar. Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht schon dem
Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 54, 129 <138 f.>; 61, 1 <7 f.>; 93, 266
<289>; BVerfGK 8, 89 <96>).
28
2. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit gilt allerdings nicht vorbehaltlos. Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet es seine
Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Dazu gehört auch § 185 StGB, auf den sich die
angegriffenen Entscheidungen stützen. Die Auslegung der Strafgesetze und ihre Anwendung auf den Einzelfall sind
Sache der Strafgerichte und grundsätzlich einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Handelt
es sich aber um Gesetze, die die Meinungsfreiheit beschränken, ist dabei das eingeschränkte Grundrecht zu
beachten, damit dessen wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE
7, 198 <208 f.>; 82, 43 <50>; 272 <280>; 93, 266 <292>; 94, 1 <8>; stRspr). Dies erfordert regelmäßig eine
Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen
Seite drohen (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>; 85, 1 <16>; 93, 266 <293>). Das Ergebnis dieser Abwägung ist
verfassungsrechtlich nicht vorgegeben, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Doch ist in der
Rechtsprechung eine Reihe von Gesichtspunkten entwickelt worden, die Kriterien für die konkrete Abwägung
vorgegeben. Wegen der fundamentalen Bedeutung der Meinungsfreiheit für die demokratische Ordnung spricht eine
Vermutung für die freie Rede, wenn es um Beiträge zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit
wesentlich berührenden Frage geht (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>; 93, 266 <294>). Wird von dem Grundrecht nicht zum
Zwecke privater Auseinandersetzung Gebrauch gemacht, sondern will der Äußernde in erster Linie zur Bildung der
öffentlichen Meinung beitragen, dann sind Auswirkungen seiner Äußerungen auf den Rechtskreis Dritter zwar
unvermeidliche Folge, nicht aber eigentliches Ziel der Äußerung. Der Schutz des betroffenen Rechtsguts tritt umso
mehr zurück, je weniger es sich um eine unmittelbar gegen dieses Rechtsgut gerichtete Äußerung im privaten Bereich
in Verfolgung eigennütziger Ziele handelt, sondern um einen Beitrag zu einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden
Frage (vgl. BVerfGE 61, 1 <11>). In der öffentlichen Auseinandersetzung, insbesondere im politischen
Meinungskampf, muss daher auch Kritik hingenommen werden, die in überspitzter und polemischer Form geäußert
wird, weil andernfalls die Gefahr einer Lähmung oder Verengung des Meinungsbildungsprozesses drohte (vgl.
BVerfGE 54, 129 <137 f.>; 60, 234 <241>; 66, 116 <139>; 82, 272 <281 f.>). Bei herabsetzenden Äußerungen
allerdings, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung erweisen, tritt die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den
Ehrenschutz zurück (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>; 85, 1 <16>; 90, 241 <248>; 93, 266 <294>; 99, 185 <196>; BVerfGK
8, 89 <102>). Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts hat das Bundesverfassungsgericht den in
der Fachgerichtsbarkeit entwickelten Begriff der Schmähkritik aber eng definiert. Danach macht auch eine überzogene
oder gar ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen
Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern - jenseits auch polemischer
und überspitzter Kritik - die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1
<16>; 93, 266 <294>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 1993 - 1 BvR 151/93 -,
NJW 1993, S. 1462; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 23. August 2005 - 1 BvR 1917/04 -, NJW
2005, S. 3274; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. Dezember 2008 - 1 BvR 1318/07 -, NJW 2009,
S. 749 f.).
29
3. Diesen Vorgaben wird die angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts nicht gerecht.
30
a) Allerdings ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht der Bezeichnung als
„durchgeknallt“ ehrverletzenden Gehalt zugemessen hat.
31
aa) Bei Äußerungsdelikten können schon die tatsächlichen Feststellungen des erkennenden Gerichts eine
Verletzung spezifischen Verfassungsrechts enthalten, wenn der Sinn der Äußerung nicht zutreffend erfasst worden ist
(vgl. BVerfGE 43, 130 <136 f.>; 93, 266 <295 f.>; 94, 1 <9>). Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen bei der
Deutung einer Äußerung gehört, dass sie unter Einbeziehung ihres Kontextes ausgelegt und ihr kein Sinn
zugemessen wird, den sie objektiv nicht haben kann. Bei mehrdeutigen Äußerungen darf die zur Verurteilung führende
Bedeutung nicht zu Grunde gelegt werden, ohne vorher mit schlüssigen Gründen Deutungen ausgeschlossen zu
haben, welche die Sanktion nicht zu rechtfertigen vermögen (vgl. BVerfGE 85, 1 <13 f.>; 82, 43 <52 f.>; 272
<280 f.>; 94, 1 <9>; 114, 339 <349>; BVerfGK 4, 54 <56>). Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die
Ermittlung ihres objektiven Sinns aus Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Dabei ist stets
vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch
von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht und von den erkennbaren Begleitumständen,
unter denen sie fällt, bestimmt. Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird den Anforderungen
an eine tragfähige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (vgl. BVerfGE 54, 129 <137>; 93, 266 <295>; 94, 1 <9>).
32
bb) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers decken der Wortlaut und der Sprachgebrauch des Begriffes
„durchgeknallt“ die Deutung des Amtsgerichts, dass hiermit zum Ausdruck gebracht werde, eine als solche
bezeichnete Person sei „verrückt“ oder „durchgedreht“. Im modernen Sprachgebrauch wird das Adjektiv
„durchgeknallt“ umgangssprachlich in dem Sinne von „absonderlich, bizarr, extravagant, skurril, schrill, überspannt,
wunderlich, exzentrisch, schrullig, überdreht“, aber auch für „verrückt“ verwendet (Duden, Das Synonymwörterbuch,
4. Aufl., Mannheim u.a. 2007, S. 272). Dass der Begriff in einer neutralen bis positiven Bedeutung etwa im Sinne von
absonderlich oder extravagant gebraucht worden sei, liegt angesichts des Kontextes fern und bedurfte keiner
Erörterung.
33
Bezieht man den sprachlichen Kontext der Äußerung in die Betrachtung mit ein, kommen allerdings weitere
Deutungsalternativen in Betracht, die das Amtsgericht unberücksichtigt ließ. Offen bleibt, ob die Äußerung aus Sicht
des unbefangenen und unvoreingenommenen Publikums dahingehend verstanden wird, dass die geistige Gesundheit
des Betroffenen in genereller Form in Abrede gestellt wird oder ob sie sich nicht vielmehr auf die Diensthandlungen
des Betroffenen bezog und zum Ausdruck bringen sollte, dass dieser - im umgangssprachlichen Sinne einer
durchgebrannten Sicherung - bei den Ermittlungen gegen einen prominenten Beschuldigten jegliche distanzwahrende
Selbstkontrolle verloren habe, mithin die ihm gebotene Zurückhaltung habe vermissen lassen. In beiden
Deutungsvarianten ist die Äußerung aber ehrverletzend, so dass die Würdigung des Amtsgerichts insoweit zumindest
im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Die vom Beschwerdeführer angeführte Deutung, die Äußerung habe sich
allenfalls auf die Behörde der Staatsanwaltschaft am Landgericht Berlin und nicht auf den Geschädigten persönlich
bezogen, findet im Wortlaut seiner Äußerung und ihrem Sinnzusammenhang keine Stütze und bedurfte daher keiner
näheren Erörterung.
34
b) Dagegen ist es verfassungsrechtlich nicht tragfähig, dass das Amtsgericht von einer Abwägung zwischen dem
Persönlichkeitsrecht des Geschädigten und der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers mit der Begründung
abgesehen hat, in der Bezeichnung als „durchgeknallt“ liege eine Schmähung des Geschädigten. Unabhängig davon,
welchen der in Betracht kommenden Bedeutungsgehalte man hier zu Grunde legt, trägt weder dieser für sich
genommen noch der vom Amtsgericht festgestellte Kontext die Annahme einer der Abwägung entzogenen
Schmähung.
35
Zwar ist der Begriff „durchgeknallt“ von einer gewissen Schärfe und auch von einer Personalisierung gekennzeichnet
und hat unabhängig von seiner Deutung ehrverletzenden Charakter. Eine Meinungsäußerung wird aber nicht schon
wegen ihrer herabsetzenden Wirkung für Dritte zur Schmähung. Hinzukommen muss vielmehr, dass die persönliche
Kränkung das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängt. Die Beurteilung dieser Frage erfordert regelmäßig,
den Anlass und den Kontext der Äußerung zu beachten (vgl. BVerfGE 93, 266 <303>; BVerfG, NJW 2005, S.
3274 f.). Eine isolierte Betrachtung eines einzelnen Begriffs kann allenfalls ausnahmsweise dann die Annahme einer
der Abwägung entzogenen Schmähung tragen, wenn dessen diffamierender Gehalt so erheblich ist, dass der
Ausdruck in jedem denkbaren Sachzusammenhang als bloße Herabsetzung des Betroffenen erscheint und daher
unabhängig von seinem konkreten Kontext stets als persönlich diffamierende Schmähung aufgefasst werden muss,
wie dies möglicherweise bei Verwendung besonders schwerwiegender Schimpfwörter - etwa aus der Fäkalsprache -
der Fall sein kann (vgl. BVerfG, NJW 2009, S. 749 <750>).
36
Die bisherigen Feststellungen des Amtsgerichts tragen eine solche Beurteilung nicht. Bei der beanstandeten
Wortwahl handelt es sich nicht um eine Ehrverletzung, die ihrem Bedeutungsgehalt nach unabhängig von ihrem
Verwendungskontext die mit ihm bezeichnete Person stets als ganze herabsetzt und der Abwägung von vornherein
entzogen wäre. Vielmehr kann die Äußerung, der Betreffende sei angesichts der von ihm zu verantwortenden Art und
Weise der Führung eines Ermittlungsverfahrens „verrückt geworden“, „durchgedreht“ beziehungsweise ihm seien „die
Sicherungen durchgebrannt“, an ein Verhalten des Betroffenen anknüpfen und in polemischer Form zum Ausdruck
bringen, dass die von ihm gerügte Verletzung rechtlicher oder ethischer Grenzen so schwer wiege, dass sie aus
sachlichen und rationalen Gründen nicht erklärbar sei. In diesem Fall hängt die Beurteilung der schmähenden Wirkung
aber gerade vom Kontext ab, so dass ungeachtet ihrer ehrverletzenden Wirkung die Bezeichnung als „durchgeknallt“
in keiner in der in Betracht kommenden Deutungen eine solche Schmähung darstellt, die in jedem denkbaren
Äußerungszusammenhang bar jeden Sachbezugs allein der Diffamierung des Betroffenen diente.
37
Bei der gebotenen Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem die Äußerung fiel, ist die Annahme einer
Schmähkritik aber nicht tragfähig. Gegenstand der Fernsehdiskussion war das Ermittlungsverfahren gegen Dr. F. In
diesem Zusammenhang äußerte der Beschwerdeführer Kritik an der Informationspolitik der zuständigen
Staatsanwaltschaft und bedachte deren Behördenleiter mit der beanstandeten Bezeichnung. Dieser Kontext spricht
gegen die Annahme, dass der Beschwerdeführer dem Betroffenen pauschal die geistige Gesundheit habe absprechen
und ihn damit ungeachtet seines Sachanliegens habe diffamieren wollen. Vielmehr liegt es aus Sicht des
unvoreingenommenen Publikums nahe, dass er auch durch diese Begriffswahl Kritik an dem Umgang des als
verantwortlich betrachteten Generalstaatsanwalts mit den Persönlichkeitsrechten eines Beschuldigten üben wollte,
dessen - nach Auffassung des Beschwerdeführers - skandalöser Gehalt darin liege, dass die Staatsanwaltschaft die
gebotene Rücksichtnahme auf das Persönlichkeitsrecht eines Beschuldigten missachtet habe, indem sie in einem
frühen Stadium des Ermittlungsverfahrens die Öffentlichkeit über die Vorwürfe informiert und auf diese Weise den
Betroffenen ungeachtet der seinerzeit noch fehlenden Schuldfeststellung bloßgestellt habe. Die Herauslösung des
Begriffs „durchgeknallt“ aus diesem Kontext verstellt den Blick darauf, dass die umstrittene Äußerung im
Zusammenhang mit einer Sachauseinandersetzung um die Ausübung staatlicher Strafverfolgungsbefugnisse fiel. In
diesem Kontext kann der verwendeten Begriffswahl aber nicht jeglicher Sachbezug abgesprochen werden, da sie -
wenn auch in polemischer und in herabsetzender Form - durchaus die Sachaussage transportieren kann, dass ein als
verantwortlich angesehener Staatsanwalt im Zuge der Strafverfolgungstätigkeit die gebotene Zurückhaltung und
Rücksichtnahme auf das Persönlichkeitsrecht eines Beschuldigten in unsachgemäßer und übertriebener Weise habe
vermissen lassen.
38
In diesem zu berücksichtigenden Kontext erlangt die Vermutung für die freie Rede umso schwereres Gewicht, als
die geübte Kritik die Ausübung staatlicher Gewalt zum Inhalt hatte; die Meinungsfreiheit ist aber gerade aus dem
besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen und findet darin unverändert ihre Bedeutung (vgl. BVerfGE 93,
266 <293>). Teil der von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfassten Freiheit, seine Meinung in selbstbestimmter Form zum
Ausdruck zu bringen (vgl. BVerfGE 54, 129 <138 f.>; 60, 234 <241>), ist auch, dass der Äußernde von ihm als
verantwortlich angesehene Amtsträger in anklagender und personalisierter Weise für die zu kritisierende Art der
Machtausübung angreifen kann, ohne befürchten zu müssen, dass die personenbezogenen Elemente seiner
Äußerung aus diesem Kontext herausgelöst betrachtet werden und als solche die Grundlage für eine einschneidende
gerichtliche Sanktion bilden. Die Personalisierung eines Sachanliegens in anklagender Form ist in solch
unterschiedlicher Form und Intensität möglich, dass es nicht gerechtfertigt wäre, die Meinungsfreiheit in diesen Fällen
wie bei Schmähungen stets und ungeachtet der weiteren Umstände zurücktreten zu lassen. Vielmehr ist es
erforderlich, in die gebotene Abwägung einzustellen, ob der Betreffende als private Person oder sein öffentliches
Wirken mit seinen weitreichenden gesellschaftlichen Folgen Gegenstand der Äußerung ist und welche Rückwirkungen
auf die persönliche Integrität des Betroffenen von der Äußerung ausgehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer
des Ersten Senats vom 8. April 1999 - 1 BvR 2126/93 -, NJW 1999, S. 2358 <2359>).
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c) Infolge dessen durfte das Amtsgericht den Beschwerdeführer nicht wegen Beleidigung verurteilen, ohne eine
Abwägung zwischen seiner Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht des Geschädigten vorzunehmen. Hält ein
Gericht eine Äußerung fälschlicherweise für eine Schmähung, so liegt darin ein auch verfassungsrechtlich erheblicher
Fehler, der zur Aufhebung der Entscheidung führt, wenn diese darauf beruht (vgl. BVerfGE 82, 272 <281>; 93, 266
<294>), insbesondere wenn - wie hier - das Gericht aus diesem Grunde eine Abwägung unterlässt (vgl. BVerfGK 4, 54
<59>; 8, 89 <98>).
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4. Auch die Entscheidung des Kammergerichts verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1
Satz 1 GG. Mit Erhebung der Sachrüge hat der Beschwerdeführer die erstinstanzliche Entscheidung auch mit Blick
auf die gerügte Grundrechtsverletzung zur Überprüfung durch das Revisionsgericht gestellt. Mangels eigener
Begründung kann nicht beurteilt werden, ob das Kammergericht die erforderliche Abwägung vorgenommen und mit
tragfähigen Gründen ein Überwiegen des Persönlichkeitsschutzes angenommen hat. Soweit in Betracht kommt, dass
das Kammergericht sich die Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft zu Eigen gemacht hat (vgl. hierzu BVerfGK 5,
269 <285 f.>), ergibt sich kein anderes Ergebnis. Die Generalstaatsanwaltschaft blendet ebenso wie das Amtsgericht
bei Beurteilung der Frage, ob es sich bei der beanstandeten Äußerung um eine Schmähung handelt, den
Sachzusammenhang der Äußerung in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise aus, indem sie allein auf deren
personalisierenden Gehalt abstellt und hervorhebt, dass eine Kritik an der Tätigkeit der Staatsanwaltschaft für sich
genommen unbedenklich sei, nicht aber in der personalisierten, auf den Betroffenen zugespitzten und diesen
herabsetzenden Form. Auch die weiteren von der Generalstaatsanwaltschaft aufgeworfenen Umstände vermögen die
Annahme der Schmähkritik nicht zu rechtfertigen. Sie lassen auch nicht diejenigen Erwägungen erkennen, die für eine
Abwägung maßgeblich wären. Die Generalstaatsanwaltschaft reduziert das Recht zur Meinungsäußerung im
politischen Meinungskampf zumindest mit Blick auf personalisierte Kritik in ehrverletzender Form im Wesentlichen auf
ein Recht zum Gegenschlag und verneint dieses im vorliegenden Fall. Ungewichtet bleibt demgegenüber die
besondere Bedeutung der Meinungsfreiheit für die Kritik an staatlicher Machtausübung und der erkennbare Sachbezug
der Äußerung zur kritisierten Art und Weise der Führung eines konkreten Ermittlungsverfahrens, welche die
Generalstaatsanwaltschaft im Übrigen selbst als kritikwürdig einstuft.
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5. Die Entscheidungen beruhen auch auf dem aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehler. Es ist nicht
auszuschließen, dass die Gerichte bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen
werden. Soweit keine weitergehenden Umstände festgestellt werden, welche die Annahme einer Schmähkritik
rechtfertigen können, werden die Gerichte in die erforderliche Abwägung den Sachzusammenhang, in dem die
Äußerung fiel, einzustellen und zu gewichten haben, ob die Äußerung mit den von ihr ausgehenden
Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen durch die Meinungsfreiheit mit Blick auf das vom
Beschwerdeführer verfolgte Anliegen gerechtfertigt ist. Hierbei kann unter anderem von Bedeutung sein, ob der
vermeintliche Anlass für die Kritik auch insoweit vorgelegen hat, als sie auf den Geschädigten persönlich zugespitzt
worden ist. Berücksichtigung kann im diesem Zusammenhang auch finden, ob der Beschwerdeführer zugleich auf die
eigenen Äußerungen des Betroffenen zur Art und Weise seiner Amtsführung angespielt hat. Zu Recht hat das
Amtsgericht zwar angenommen, dass der behauptete Umstand, der Geschädigte habe seinerseits zuvor öffentlich in
polarisierender Form ein hartes Durchgreifen der Ermittlungsbehörden propagiert und dabei dezidiert für sich in
Anspruch genommen, nicht zimperlich zu sein, nicht dazu führt, dass der Geschädigte sich seines
Persönlichkeitsrechts begeben habe. Ungeachtet dessen können solcherart polarisierende Äußerungen
möglicherweise dann einen Anlass für scharfe Kritik gerade in personalisierter Form gegen den Behördenleiter geben,
wenn ein Fall in Rede steht, bei dem - nach Auffassung des Kritikers - eine Strafverfolgungsbehörde in Umsetzung
eben jener Haltung ihres Behördenleiters auf das Persönlichkeitsrecht eines Beschuldigten keine Rücksicht
genommen habe.
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6. Die Entscheidungen über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers beruht auf § 34a Abs.
2 BVerfGG.
Papier
Eichberger
Masing