Urteil des BVerfG vom 16.12.2002

BVerfG: firma, beweismittel, eingriff, unternehmen, aufzählung, vertreter, verdacht, abgabe, zahl, ordnungswidrigkeit

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1697/02 bis
2 BvR 1705/02 -
In den Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerden
1. der Firma S.,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Achim Westermann und Koll.,
Eisenbahnstraße 13, 48143 Münster -
gegen a) den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 17. September 2002 - 37 Qs 56/02 -,
b)
den Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 3. Juni 2002 - 51 Gs 580/02 -
- 2 BvR 1697/02 -,
2. der Firma S.,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Achim Westermann und Koll.,
Eisenbahnstraße 13, 48143 Münster -
gegen a) den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 17. September 2002 - 37 Qs 50/02 -,
b)
den Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 3. Juni 2002 - 51 Gs 580/02 -
- 2 BvR 1698/02 -,
3. der Firma H.,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Achim Westermann und Koll.,
Eisenbahnstraße 13, 48143 Münster -
gegen a) den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 17. September 2002 - 37 Qs 55/02 -,
b)
den Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 3. Juni 2002 - 51 Gs 580/02 -
- 2 BvR 1699/02 -,
4. der Firma F.,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Achim Westermann und Koll.,
Eisenbahnstraße 13, 48143 Münster -
gegen a) den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 17. September 2002 - 37 Qs 49/02 -,
b)
den Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 3. Juni 2002 - 51 Gs 580/02 -
- 2 BvR 1700/02 -,
5. der Firma C.,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Achim Westermann und Koll.,
Eisenbahnstraße 13, 48143 Münster -
gegen a) den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 17. September 2002 - 37 Qs 53/02 -,
b)
den Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 3. Juni 2002 - 51 Gs 580/02 -
- 2 BvR 1701/02 -,
6. der Firma H.,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Achim Westermann und Koll.,
Eisenbahnstraße 13, 48143 Münster -
gegen a) den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 17. September 2002 - 37 Qs 61/02 -,
b)
den Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 3. Juni 2002 - 51 Gs 580/02 -
- 2 BvR 1702/02 -,
7. der Firma F.,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Achim Westermann und Koll.,
Eisenbahnstraße 13, 48143 Münster -
gegen a) den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 23. August 2002 - 37 Qs 48/02 -,
b)
den Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 3. Juni 2002 - 51 Gs 580/02 -
- 2 BvR 1703/02 -,
8. der Firma H.,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Achim Westermann und Koll.,
Eisenbahnstraße 13, 48143 Münster -
gegen a) den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 17. September 2002 - 37 Qs 57/02 -,
b)
den Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 3. Juni 2002 - 51 Gs 580/02 -
- 2 BvR 1704/02 -,
9. der Firma S.,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Achim Westermann und Koll.,
Eisenbahnstraße 13, 48143 Münster -
gegen a) den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 17. September 2002 - 37 Qs 52/02 -,
b)
den Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 3. Juni 2002 - 51 Gs 580/02 -
- 2 BvR 1705/02 -
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Hassemer,
die Richterin Osterloh
und den Richter Mellinghoff
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I
S. 1473) am 16. Dezember 2002 einstimmig beschlossen:
1. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nach § 93a
Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>). Sie haben keine Aussicht auf Erfolg.
2
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss der Richter bei der Gestattung der
Durchsuchung gemäß §§ 102, 105 Abs. 1 StPO den nachfolgenden Eingriff der Exekutive in das Recht aus Art. 13
Abs. 1 GG nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend genau umgrenzen; nur so bleibt der Eingriff messbar und
kontrollierbar (vgl. BVerfGE 42, 212 <220>; 96, 44 <51 f.>; 103, 142 <151>). Dem würde ein Ausspruch nicht
genügen, dass bestimmte Personen und Räume durchsucht werden dürfen, wobei das Ziel und Ausmaß der
Durchsuchung dem Ermessen der Beamten überlassen wird (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>). Um die Durchsuchung
rechtsstaatlich zu begrenzen, muss der Richter die aufzuklärende Straftat grundsätzlich, wenn auch kurz, doch so
genau umschreiben, wie es nach den Umständen des Einzelfalles möglich ist (BVerfGE a.a.O.). Sonst bleibt offen,
welcher Tatsachenbereich durch die Durchsuchung geklärt werden soll. Deshalb reicht die bloße Bezeichnung des
Wortlauts des Straftatbestands oder eine schlagwortartige Tatbezeichnung im Allgemeinen nicht aus (vgl. BVerfGE
42, 212 <220 f.>). Der Richter muss grundsätzlich auch die Art und den vorgestellten Inhalt der Beweismittel, nach
denen gesucht werden soll, so genau umschreiben, wie es nach den Umständen des Falles möglich ist. Hierzu kann -
je nach Erkenntnisstand des Ermittlungsverfahrens - eine Umschreibung mit beispielhaften Angaben ausreichend
sein (vgl. BVerfGE 42, 212 <221>). Ein Durchsuchungsbefehl, der weder tatsächliche Angaben zum Inhalt des
Tatvorwurfs enthält noch die Art und den denkbaren Inhalt der gesuchten Beweismittel bezeichnet, genügt den
rechtsstaatlichen Anforderungen jedenfalls dann nicht, wenn solche Mitteilungen nach dem Ergebnis der Ermittlungen
ohne Weiteres möglich und den Zwecken der Strafverfolgung nicht abträglich sind (vgl. BVerfGE 42, 212 <220>; 44,
353 <371>; 45, 82; 50, 48 <49>; 71, 64 <65>).
3
b) Der angegriffene Beschluss des Amtsgerichts genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Er hat den
Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 GWB in Verbindung mit § 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB nicht nur mit dem Wortlaut
des Gesetzes, sondern auch hinsichtlich seines tatsächlichen Bezugspunktes genannt. Es ging danach um Preis-
und Submissionsabsprachen bei Fahrbahnmarkierungsarbeiten; Vertreter der durchsuchten Unternehmen standen im
Verdacht, wettbewerbsbeschränkende Absprachen mit Vertretern anderer Firmen dieser Branche über die Abgabe von
Angeboten bei Ausschreibungen von Fahrbahnmarkierungsarbeiten getroffen und dieser Absprache gemäße Angebote
abgegeben zu haben. Eine weitere Tatkonkretisierung als sie im Durchsuchungsbeschluss genannt wurde ist bei
einem Anfangsverdacht von Preis- und Submissionsabsprachen im Frühstadium der Ermittlungen weder möglich noch
geboten. Die Zahl der gegebenenfalls begangenen Tathandlungen, die Personen der daran Beteiligten und der
Tatzeitraum sollten durch die Durchsuchung erst noch geklärt werden.
4
Die aufzufindenden Beweisgegenstände waren hinreichend konkret bezeichnet durch die beispielhafte Aufzählung
der in Betracht kommenden Unterlagen sowie die Einschränkung, dass sich aus ihnen Anhaltspunkte für
wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen
oder Preis- und Submissionsabsprachen ergeben müssen. Damit wurde für die Vollziehungsbeamten und für die
Verteidigung die Zielrichtung der Aufklärungsbemühungen klargestellt. Eine weitere Konkretisierung der gesuchten
Sachbeweise war nicht erforderlich (vgl. BVerfGE 20, 162 <224, 227 f.>).
5
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen müssen Beweisgründe, aus denen sich ein Anfangsverdacht
ergibt, im Beschluss nicht notwendig mitgeteilt werden. Dies ist deshalb gerechtfertigt, weil eine entsprechende
Darlegung weitere Ermittlungsmaßnahmen gefährden kann und aus diesem Grund auch eine Akteneinsicht der
Verteidigung nach § 147 Abs. 2 StPO vor Abschluss der Ermittlungen versagt werden darf. Dafür, dass es an einer
auf Tatsachen gestützten Verdachtsannahme völlig fehlt, ist nichts ersichtlich und von den Beschwerdeführerinnen
auch nichts substantiiert vorgetragen worden.
6
Schließlich hält sich auch die Wertung des Amtsgerichts, die Durchsuchung sei angesichts der zu erwartenden
hohen Geldbuße verhältnismäßig, im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen und Gebotenen. § 81 Abs. 1 Nr. 1,
Abs. 2 GWB sieht einen Bußgeldrahmen bis 500.000 EUR und über diesen Betrag hinaus bis zur dreifachen Höhe des
durch die Zuwiderhandlung erlangten Mehrerlöses vor. Stehen Preis- und Submissionsabsprachen im Sinne des § 1
GWB im Raum, so ist in erster Linie die Durchsuchung nach Unterlagen dazu geeignet, den sich hierauf beziehenden
Vorwurf zu klären. Angesichts dieser Umstände waren umfangreiche Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit im
Durchsuchungsbeschluss entbehrlich.
7
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
8
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Hassemer
Osterloh
Mellinghoff