Urteil des BVerfG vom 13.09.2005

BVerfG: händler, unternehmen, apotheker, rechtsverordnung, hersteller, krankenversicherung, abschlag, krankenkasse, ermächtigung, verwaltungsverfahren

Entscheidungen
L e i t s ä t z e
zum Beschluss des Zweiten Senats vom 13. September 2005
- 2 BvF 2/03 -
1. Verfahrensbestimmungen lösen die Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 84 Abs. 1 GG nicht aus, wenn sie
keinen neuen Einbruch in die Verwaltungszuständigkeit der Länder darstellen.
2. Ändert das Parlament bestehende Rechtsverordnungen oder fügt in diese neue Regelungen ein, so ist das
dadurch entstandene Normgebilde aus Gründen der Normenklarheit insgesamt als Rechtsverordnung zu
qualifizieren.
3. Bei der Änderung von Verordnungsrecht ist der Gesetzgeber an das Verfahren nach Art. 76 ff. GG und an die
Grenzen der Ermächtigungsgrundlage (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) gebunden. Die Zustimmungsbedürftigkeit
richtet sich nicht nach Art. 80 Abs. 2 GG.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvF 2/03 -
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Anträge
festzustellen, dass das Gesetz zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der
gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzsicherungsgesetz – BSSichG) vom 23. Dezember 2002 (BGBl I
S. 4637) mit Art. 80 Abs. 2, Art. 84 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig sei,
Antragsteller: die Baden-Württembergische Landesregierung,
diese vertreten durch den Ministerpräsidenten,
dieser vertreten durch den Sozialminister,
Schellingstraße 15, 70174 Stuttgart,
die Saarländische Landesregierung,
diese vertreten durch den Ministerpräsidenten,
dieser vertreten durch die Ministerin für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales,
Franz-Josef-Röder-Straße 23, 66119 Saarbrücken,
- Bevollmächtigter:
Professor Dr. Armin Dittmann,
Universität Hohenheim, Schloß Osthof-Nord, 70599 Stuttgart -
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat – unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Vizepräsident Hassemer,
Jentsch,
Broß,
Osterloh,
Di Fabio,
Mellinghoff,
Lübbe-Wolff,
Gerhardt
Gerhardt
am 13. September 2005 beschlossen:
Das Gesetz zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen
Rentenversicherung (Beitragssatzsicherungsgesetz – BSSichG) vom 23. Dezember 2002 (Bundesgesetzblatt I
Seite 4637) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Gründe:
1
Das Verfahren betrifft die Überprüfung des Beitragssatzsicherungsgesetzes, das die Antragstellerinnen für
verfassungswidrig halten, weil der Bundesrat dem Gesetz hätte zustimmen müssen und weil es pharmazeutische
Großhändler und Apotheker in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG verletze.
A.
I.
2
1. Das Beitragssatzsicherungsgesetz beruht auf einem Entwurf, den die Fraktionen der SPD und von BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN am 5. November 2002 in den Deutschen Bundestag einbrachten (BTDrucks 15/28). Gemeinsam mit
dem Zwölften SGB V–Änderungsgesetz (BTDrucks 15/27) sollte es als so genanntes Vorschaltgesetz vor einer
umfassenden Reform dem schnellen Ausgleich konjunktureller Belastungseffekte in der gesetzlichen Kranken- und
Rentenversicherung dienen und deren Beitragssätze für das Jahr 2003 stabil halten. Beide Gesetze sollten das
Beitragssatzniveau stabilisieren und finanzielle Spielräume für notwendige Reformen schaffen.
3
Im
Gesetzgebungsverfahren
wurden
folgende
Maßnahmen
vorgeschlagen:
Anhebung
der
Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung mit entsprechender Anhebung der
Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung; Absenkung der Schwankungsreserve in der
Rentenversicherung; Festschreibung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung; Halbierung des
Sterbegeldes; Staffelung des Rabatts, den die Apotheken den Krankenkassen gewähren; Abführen der Rabatte der
pharmazeutischen Unternehmen und des pharmazeutischen Großhandels an die Krankenkassen; Nullrunden bei den
Vergütungsvereinbarungen für die Krankenhausversorgung und die ambulante ärztliche und zahnärztliche Versorgung;
Senkung der Preise für zahntechnische Leistungen um fünf Prozent, verbunden mit einer Nullrunde für das Jahr 2003.
Die finanzielle Entlastung der Krankenkassen durch das Gesetz sollte bei knapp drei Milliarden Euro liegen.
4
Die Zustimmung des Bundesrates hielten die Entwurfsverfasser nicht für erforderlich.
5
2. Nach dem Gesetzesbeschluss des Bundestages rief der Bundesrat den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel der
Aufhebung des Gesetzesbeschlusses an, und er stellte fest, dass das Gesetz gemäß Art. 84 Abs. 1 GG seiner
Zustimmung bedürfe. Es werde in das Verwaltungsverfahren der Krankenkassen eingegriffen; die rentenrechtlichen
Regelungen würden üblicherweise durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates getroffen (BRatPlPr
783, S. 536 A ff.; BRDrucks 833/02 [Beschluss]).
6
3. Der Vermittlungsausschuss bestätigte das Gesetz. Der Bundesrat stimmte dem Gesetz nicht zu und legte
zugleich vorsorglich Einspruch ein (BRatPlPr 784, S. 570 A; BRDrucks 894/1/02; 894/02 [Beschluss]; BTDrucks
15/258). Am selben Tage wies der Bundestag den Einspruch zurück (BTDrucks 15/261; BTPlPr 15/17, S. 1360 D ff.;
BRDrucks zu 894/02 [Beschluss]).
7
4. Das Gesetz wurde am 30. Dezember 2002 verkündet (BGBl I S. 4637) und trat gemäß seinem Art. 13 größtenteils
am 1. Januar 2003 in Kraft. Es wurde später durch Art. 1c des Zwölften SGB V–Änderungsgesetzes vom 12. Juni
2003 (BGBl I S. 844) und durch Art. 26 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) vom 14. November 2003 (BGBl I S. 2190 <2255>) geändert.
II.
8
Gegen das Gesetz haben Inhaber zahntechnischer Labore (1 BvR 24/03), Apotheker, Arzneimittelgroßhändler
(1 BvR 2415/02, 2 BvR 1060, 1114/03) und pharmazeutische Unternehmen (1 BvR 112/03) Verfassungsbeschwerden
erhoben. Anträge, durch einstweilige Anordnung das Inkrafttreten von Art. 1 Nr. 7 und 8, Art. 6 und Art. 11 BSSichG
einstweilen aufzuschieben, hilfsweise, diese Regelungen außer Vollzug zu setzen, lehnte der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts ab (vgl. BVerfGE 106, 351; 106, 359; 106, 369; 108, 45).
III.
9
Die
Antragstellerinnen
begehren
vor
allem
eine
Prüfung
derjenigen
Vorschriften
des
Beitragssatzsicherungsgesetzes, aus denen sich eine Zustimmungspflicht des Bundesrates ergeben kann oder die
geeignet sind, in das Grundrecht aus Art. 12 GG einzugreifen.
10
1. Das Beitragssatzsicherungsgesetz ändert mit seinem Art. 1 das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Der
Änderung des § 130 Abs. 1 SGB V wird entgegengehalten, sie belaste die Apotheker übermäßig. Die gleiche Wirkung
auf pharmazeutische Unternehmen habe der neu eingefügte § 130 a Abs. 1 SGB V, während § 130 a Abs. 8 SGB V
die Zustimmungsbedürftigkeit durch den Bundesrat auslöse.
11
a) Die Krankenkassen sind ihren Versicherten zur Versorgung mit Arzneimitteln verpflichtet (§ 31 Abs. 1 SGB V).
Wird ein Arzneimittel von einer Apotheke zur Erfüllung dieser Pflicht an einen gesetzlich Krankenversicherten
abgegeben, so hatte die Apotheke auch schon vor Inkrafttreten des Beitragssatzsicherungsgesetzes der
Krankenkasse einen Rabatt (auch Apothekenabschlag genannt) von sieben, dann fünf Prozent, ab 2002 von sechs
Prozent auf den aus Herstellerpreis und Handelsspannen zusammengesetzten Arzneimittelabgabepreis
(Verbraucherpreis) zu gewähren. Diese Rabattverpflichtung wurde aus § 376 RVO in § 130 SGB V übernommen. Sie
wird als sozialrechtliche Verpflichtung der Apotheken bei der Versorgung gesetzlich Krankenversicherter und als
skontoähnlicher Ausgleich für prompte Zahlung (§ 130 Abs. 3 SGB V) angesehen (vgl. Henninger, in: Schulin [Hg.],
Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, 1994, § 44 Rn. 32).
12
Die zur Ausgabenbegrenzung bei den Krankenkassen seit dem Ende der 1980er Jahre angestellten
Reformbemühungen griffen neben einer Begrenzung der verschreibungsfähigen Arzneimittel (§§ 33a, 34 SGB V), der
Einführung von Zuzahlungen der Versicherten (§ 31 Abs. 3, §§ 61, 62 SGB V) und der Arzneimittelbudgetierung (§ 84
SGB V) auch in die Preisgestaltung für Arzneimittel ein. Mit dem Gesundheits-Reformgesetz von 1988 wurde das
Festbetragskonzept eingeführt. Für Gruppen wirkstoffgleicher Arzneimittel wurden Beträge festgelegt (§§ 35, 35a
SGB V) und der Leistungsanspruch der Versicherten gegenüber den Krankenkassen auf diese Festbeträge begrenzt
(§ 31 Abs. 2 SGB V): Bis zum Festbetrag übernimmt die Krankenkasse die Arzneimittelkosten - zunächst ohne,
inzwischen mit Zuzahlung -, darüber hinaus muss sie der Versicherte selbst tragen (vgl. § 73 Abs. 5 Satz 3 SGB V).
Die Preisbildung wurde dadurch rechtlich nicht weiter beschränkt als sie es durch die Begrenzung der
Handelsspannen bereits war (§§ 2 ff. AMPreisV). Die Arzneimittelhersteller können weiterhin jeden Preis verlangen,
den sie für angemessen halten; der Abgabepreis wird durch Hinzurechnen der Handelsspannen bestimmt. Die
Nachfragemacht der Krankenkassen verleiht den Festbeträgen faktisch aber preisregulierende Wirkung (Mrozynski, in:
Wannagat [Hg.], SGB, Losebl. [August 2002], § 35 SGB V Rn. 5 f.). Die Hersteller begrenzen ihre Preise auf die
Festbeträge, weil die die Festbeträge übersteigenden Mehrkosten von den Versicherten am Markt nicht zu erlangen
sind. Die Festbetragsbildung ist durch das Gesundheitsstrukturgesetz von 1992 ausgeweitet worden, um bis zu 80
Prozent der auf Kosten der Krankenkassen abgegebenen Arzneimittel zu erfassen (Schneider, in: Schulin [Hg.],
a.a.O., § 22 Rn. 180).
13
Zugleich mit der Einführung des Festbetragskonzepts wurden die Apotheken verpflichtet, an der bis dahin allein dem
Arzt obliegenden Auswahl preisgünstiger Arzneimittel teilzunehmen (§ 129 Abs. 1 SGB V). Die Spitzenverbände der
Krankenkassen und die Spitzenorganisation der Apotheker haben hierzu Einzelheiten in einem Rahmenvertrag zu
regeln, der auch Sanktionen vorsehen muss (§ 129 Abs. 2 bis 4 SGB V). Kommt ein solcher Vertrag nicht zustande,
so wird der Vertragsinhalt durch eine Schiedsstelle festgesetzt (§ 129 Abs. 7 und Abs. 8 SGB V). Für die
Landesebene können ergänzende Verträge geschlossen werden (§ 129 Abs. 5 SGB V).
14
Als diese seit 1989 geltenden Instrumentarien einen weiteren Anstieg der Arzneimittelausgaben nicht verhinderten,
wurde mit Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung
(Gesundheitsstrukturgesetz) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2266) eine Budgetierung unter anderem der
Arzneimittelkosten eingeführt. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen hatten mit
der Kassenärztlichen Vereinigung jährlich Arzneimittelvereinbarungen zu treffen, durch die die von den Vertragsärzten
insgesamt veranlassten Ausgaben für Arzneimittel begrenzt werden (§ 84 SGB V). Diese globale Begrenzung des
Ausgabevolumens sollte - nach der zuletzt geltenden Rechtslage - dadurch gesichert werden, dass die
Kassenärztliche Vereinigung bei Überschreitungen einen finanziellen Ausgleich an die Krankenkassen leistet; dies ist
in den Vereinbarungen zu regeln (§ 84 Abs. 3 SGB V).
15
Art. 30 Abs. 1 des Gesundheitsstrukturgesetzes reglementierte außerdem die Herstellerabgabepreise derjenigen
Arzneimittel, für die kein Festbetrag (§ 35 SGB V) galt. Für 1993 und 1994 wurden die Preise bei
verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auf 95 % und bei nicht verschreibungspflichtigen auf 98 % der am 1. Mai 1992
geltenden Preise gesenkt.
16
Das Beitragssatzsicherungsgesetz lässt das Festbetragssystem und die Budgetierung unberührt, erhöht aber den
von den Apotheken zu gewährenden Rabatt und führt Rabattverpflichtungen der Großhändler und Hersteller zugunsten
der Krankenkassen ein (siehe unten 4.). Für den Apothekenabschlag wird eine Staffelung mit Rabattsätzen zwischen
sechs und zehn Prozent vorgesehen (Art. 1 Nr. 7 BSSichG, § 130 Abs. 1 SGB V). Die Apotheken haben außerdem
bei Abgabe nicht festbetragsgebundener Arzneimittel den Krankenkassen einen Rabatt in Höhe von sechs Prozent
des Herstellerabgabepreises zu gewähren, den die Hersteller den Apotheken zu erstatten haben (§ 130 a Abs. 1 bis 7
SGB V, Art. 1 Nr. 8 BSSichG).
17
§ 130 a Abs. 8 SGB V, für den geltend gemacht wird, dass er das Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates
auslöse, regelt, dass Krankenkassen oder ihre Verbände mit pharmazeutischen Unternehmen weitere Rabatte für die
zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel vereinbaren können.
18
b) Art. 1 BSSichG hat folgenden Wortlaut:
19
Artikel 1
20
Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch
21
Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des
Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), zuletzt geändert durch Artikel 3
des Gesetzes vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4621), wird wie folgt geändert:
22
1. bis 6. ...
23
7. § 130 Abs. 1 wird wie folgt gefasst:
24
„(1) Die Krankenkassen erhalten von den Apotheken auf den für den Versicherten
maßgeblichen Arzneimittelabgabepreis einen Abschlag. Der Abschlag beträgt bei einem
Arzneimittelabgabepreis
25
von bis zu 52,46 Euro 6 vom Hundert,
26
von 54,81 Euro bis 820,22 Euro 10,0 vom Hundert,
27
von über 820,22 Euro 82,02 Euro plus 6 vom Hundert des Differenzbetrages zwischen 820,22
Euro und dem für den Versicherten maßgeblichen Arzneimittelabgabepreis.
28
Der mit der Krankenkasse abzurechnende Betrag beträgt bei einem Arzneimittelabgabepreis
29
von 52,47 Euro bis 54,80 Euro 49,32 Euro.“
30
8. Nach § 130 wird folgender § 130 a eingefügt:
31
„§130 a
32
Rabatte der pharmazeutischen Unternehmen
33
(1) Die Krankenkassen erhalten von Apotheken für ab dem 1. Januar 2003 zu ihren Lasten
abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 6 vom Hundert des
Herstellerabgabepreises. Pharmazeutische Unternehmen sind verpflichtet, den Apotheken den
Abschlag zu erstatten. Soweit pharmazeutische Großhändler nach Absatz 5 bestimmt sind,
sind pharmazeutische Unternehmen verpflichtet, den Abschlag den pharmazeutischen
Großhändlern zu erstatten. Der Abschlag ist den Apotheken und pharmazeutischen
Großhändlern innerhalb von zehn Tagen nach Geltendmachung des Anspruches zu erstatten.
34
(2) Ab dem 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2004 erhöht sich der Abschlag um den
Betrag einer Erhöhung des Herstellerabgabepreises gegenüber dem Preisstand vom
1. Oktober 2002. Für Arzneimittel, die nach dem 1. Oktober 2002 erstmals in den Markt
eingeführt werden, gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass der Preisstand der Markteinführung
Anwendung findet.
35
(3) bis (7) ...
36
(8) Die Krankenkassen oder ihre Verbände können mit pharmazeutischen Unternehmen
zusätzlich zu den Abschlägen nach den Absätzen 1 und 2 Rabatte für die zu ihren Lasten
abgegebenen Arzneimittel vereinbaren. Dabei kann auch ein jährliches Umsatzvolumen sowie
eine Abstaffelung von Mehrerlösen gegenüber dem vereinbarten Umsatzvolumen vereinbart
werden. Rabatte nach Satz 1 sind von den pharmazeutischen Unternehmen an die
Krankenkassen zu vergüten. Eine Vereinbarung nach Satz 1 berührt Abschläge nach den
Absätzen 1 und 2 nicht.
37
(9) ...“
38
c) Nach Inkrafttreten des Beitragssatzsicherungsgesetzes ist mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) vom 14. November 2003 (BGBl I S. 2190) erneut in die
Regelung der Arzneimittelpreise eingegriffen worden: Die Staffelung des Apothekenabschlages (§ 130 Abs. 1 SGB V)
ist durch feste Abschlagsbeträge für verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ersetzt
worden (Art. 1 Nr. 94 GMG). Der von den Herstellern zu erstattende Apothekenabschlag (§ 130 a Abs. 1 SGB V) ist
für verschreibungspflichtige Arzneimittel im Jahre 2004 auf 16 % erhöht worden (§ 130 a Abs. 1a SGB V, Art. 1 Nr. 95
GMG). Die von den Lieferanten (pharmazeutische Großhändler oder Hersteller) den Apotheken zu gewährenden und
von diesen an die Krankenkassen weiterzugebenden Abschläge sind wieder gestrichen (Art. 26 GMG) und durch eine
Herabsetzung der Höchstzuschläge ersetzt worden, die die Preisbildung der Großhändler reglementieren (§ 2 Abs. 1
bis 3 AMPreisV, Art. 24 Nr. 2 GMG).
39
2. Auch für Art. 7 Abs. 1 Satz 3 BSSichG wird vertreten, die Norm sei zustimmungsbedürftig gewesen. Sie hat die
Anwendung des § 220 Abs. 2 SGB V bis zum 31. Dezember 2003 ausgeschlossen.
40
a) Die Höhe der Krankenkassenbeiträge ist nach dem Finanzierungsbedarf der Krankenkassen zu bemessen. Von
den voraussichtlichen Ausgaben eines Haushaltsjahres werden die erwarteten sonstigen Einnahmen
(Säumniszuschläge,
Vermögenserträge,
Ersatz-
und
Erstattungsleistungen)
und
ein
etwaiger
Betriebsmittelüberschuss abgezogen und zur Auffüllung des Betriebsmittel- und des Rücklagesolls (§ 260 Abs. 2,
§ 261 Abs. 2 SGB V) eventuell benötigte Beträge hinzugerechnet (§ 220 Abs. 1 SGB V). Der sich ergebende Betrag
ist durch Beiträge aufzubringen. Er ist der Prozentwert, der durch die Summe der voraussichtlichen beitragspflichtigen
Einnahmen der Mitglieder (§§ 226 ff. SGB V) als Grundwert geteilt und mit 100 multipliziert wird, so dass sich als
Prozentsatz der Beitragssatz ergibt (§ 241 SGB V). Die Beitragshöhe wird durch die Satzung festgelegt (§ 241, § 194
Abs. 1 Nr. 4 SGB V), und zwar, wie § 220 Abs. 1 und § 261 Abs. 3 SGB V zu entnehmen ist, vor Beginn eines
Haushaltsjahres für das Haushaltsjahr, das dem Kalenderjahr entspricht (§ 67 Abs. 1 SGB IV). Erweisen sich die der
Bemessung der Beitragssatzhöhe zu Grunde liegenden Prognosen in der Weise als unzutreffend, dass die Einnahmen
geringer oder die Ausgaben höher ausfallen oder dass beides eintritt, dann sind die Betriebsmittel zunächst aus der
Rücklage und aus der Gesamtrücklage des Landesverbandes aufzufüllen (§ 220 Abs. 2 Satz 1, § 261 Abs. 3, § 262
SGB V).
41
Reicht dies nicht aus, dann sind während des Haushaltsjahres die Beiträge zu erhöhen, und zwar durch
Satzungsänderung, bei Eilbedürftigkeit durch Vorstandsbeschluss oder, wenn ein Vorstandsbeschluss nicht zustande
kommt, durch Anordnung der Aufsichtsbehörde (§ 220 Abs. 2 SGB V).
42
Art. 7 Abs. 1 BSSichG greift in dieses Regelungsprogramm in zweifacher Weise ein: Reguläre, vor Beginn des
Haushaltsjahres beschlossene Beitragssatzanhebungen werden ausgeschlossen, wenn ein entsprechender Beschluss
nicht vor der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag aufsichtsbehördlich genehmigt wurde (Satz 1).
Beitragssatzerhöhungen während des Haushaltsjahres werden ausgeschlossen, indem die Anwendung des § 220
Abs. 2 SGB V ausgesetzt wird (Satz 3). Beide Maßnahmen sind bis zum 31. Dezember 2003 befristet und mit
Ausnahmen versehen, die Deckungslücken durch den Risikostrukturausgleich (§ 266 SGB V) und durch extreme
wirtschaftliche Notlagen berücksichtigen (Art. 7 Abs. 3 BSSichG).
43
b) Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut:
44
Artikel 7
45
Gesetz zur Stabilisierung der Beitragssätze
in der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahre 2003
46
(1) Bis zum 31. Dezember 2003 sind Beitragssatzanhebungen der Krankenkassen (§ 4 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch) nur zulässig, wenn die dafür erforderlichen
Satzungsänderungen vor dem 7. November 2002 genehmigt worden sind. Eine hiervon
abweichende Satzungsänderung ist unwirksam. § 220 Abs. 2 des Fünften Buches
Sozialgesetzbuch ist in dem in Satz 1 genannten Zeitraum nicht anzuwenden.
47
(2) Absatz 1 gilt für Beiträge, die in Beitragsklassen festgesetzt werden, entsprechend.
48
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, soweit allein durch Veränderungen der Verpflichtungen
oder Ansprüche im Risikostrukturausgleich Beitragssatzanhebungen zwingend erforderlich
sind. Die Absätze 1 und 2 gelten ferner nicht für Krankenkassen, deren Mittel so weit
erschöpft sind, dass eine Beitragssatzanhebung zwingend erforderlich ist, um die
Leistungsfähigkeit der Krankenkasse zu sichern. Dies ist nur dann der Fall, wenn der
Krankenkasse auch nach Ausschöpfen sämtlicher Wirtschaftlichkeitsreserven und nach
Aufbrauchen von Betriebsmitteln und Rücklagen nicht mehr die finanziellen Mittel zur
Verfügung stehen, die unabweisbar notwendig sind, um die medizinisch notwendige
Versorgung der Versicherten zu gewährleisten und ansonsten eine Kreditfinanzierung droht.
49
3. Art. 4 BSSichG wird ebenfalls eine Umgehung der Zustimmungsbedürftigkeit durch den Bundesrat
entgegengehalten.
50
a) Auf der 1969 in das Grundgesetz eingefügten Kompetenzgrundlage des Art. 74 Nr. 19a GG hat der Bund das
Krankenhausfinanzierungsgesetz erlassen. Das damit eingeführte dualistische System weist im Grundsatz (vgl. §§ 3,
4 AbgrV, 7 ff. BPflV) die Investitionskosten (§ 2 Nr. 2 KHG) der öffentlichen Hand zu und die Deckung der laufenden
Betriebs- und Behandlungskosten den Pflegesätzen (§ 4 KHG); das sind die Entgelte der Benutzer oder ihrer
Kostenträger (§ 2 Nr. 4 KHG). Ausgehend von diesem Grundsatz haben mehrfache Kostendämpfungsbemühungen zu
einer Aufgliederung der Entgelte in Fallpauschalen, Sonderentgelte, ein Budget für davon nicht erfasste Leistungen
und tagesgleiche Pflegesätze geführt (§§ 10 ff. BPflV). Höhe und Abgeltungsbereich aller Entgeltbestandteile werden
in Vereinbarungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen oder deren Verbänden geregelt (§§ 18 f. KHG,
§§ 15 ff. BPflV). Dabei haben die Vertragsparteien als ein Instrument der Kostendämpfung den Grundsatz der
Beitragssatzstabilität zu beachten, der sich als allgemeiner Grundsatz für alle Leistungserbringer aus § 71 Abs. 1
SGB V ergibt und für den Bereich der Krankenhausfinanzierung durch § 17 Abs. 1 Satz 3 KHG wiederholt und durch
§ 6 BPflV konkretisiert wird: Beitragssatzerhöhungen sollen dadurch ausgeschlossen werden, dass der Gesamtbetrag
der vereinbarten Vergütungen nicht stärker steigt als die beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der
Krankenkassen. Der Grundsatz erfährt Durchbrechungen, die eine Gefährdung der medizinischen Leistungen
ausschließen und Verbesserungen ermöglichen sollen.
51
§ 6 Abs. 1 Satz 4 BPflV regelt solche Durchbrechungen. Art. 4 BSSichG führt eine weitere Ausnahme vom
Grundsatz der Beitragssatzstabilität ein. Der aus der Einnahmesteigerung der Mitglieder der Krankenkassen
errechnete neue Gesamtbetrag der Vergütungen darf nach der neuen Nr. 6 des § 6 Abs. 1 Satz 4 BPflV auch dann
überschritten werden, wenn aus dem Gesamtbudget so genannte Disease-Management-Programme vergütet werden.
Der neue Satz 6 (Art. 4 Nr. 3 BSSichG) stellt klar, dass auch dies in den Pflegesatzverhandlungen zu beraten ist.
52
b) Art. 4 BSSichG und der mit ihm im Zusammenhang stehende Art. 12 BSSichG lauten:
53
Artikel 4
54
Änderung der Bundespflegesatzverordnung
55
§ 6 Abs. 1 der Bundespflegesatzverordnung vom 26. September 1994 (BGBl. I S. 2750), die
zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 23. April 2002 (BGBl. I S. 1412) geändert worden
ist, wird wie folgt geändert:
56
1. Satz 4 wird wie folgt geändert:
57
a) In Nummer 4 wird das Wort „oder“ gestrichen.
58
b) In Nummer 5 werden das Semikolon durch die Angabe „, oder“ ersetzt und folgende neue
Nummer 6 angefügt:
59
„6. zusätzliche Leistungen aufgrund des Abschlusses eines Vertrages zur Durchführung eines
strukturierten Behandlungsprogramms nach § 137 g Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches
Sozialgesetzbuch oder des Beitritts zu einem solchen Vertrag, soweit diese Leistungen
erforderlich sind, um die Anforderungen des Sechsten Abschnitts der Risikostruktur-
Ausgleichs-verordnung zu erfüllen;“.
60
2. Der bisherige Satz 4 zweiter Halbsatz und Satz 5 folgen im Anschluss an die neue Nummer
6.
61
3. Folgender Satz wird angefügt:
62
„Auch die Tatbestände nach Absatz 1 Satz 4, Absatz 3 und 5 sind Gegenstand der
Pflegesatzverhandlungen.“
63
Artikel 12
64
Rückkehr zum einheitlichen Verordnungsrang
65
Die auf Artikel 4 des Gesetzes beruhenden Teile der Bundespflegesatzverordnung können
aufgrund des § 16 Satz 1 Nr. 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes in Verbindung mit
diesem Artikel durch Rechtsverordnung geändert werden.
66
c) Inzwischen ist dieses System abermals grundlegend verändert worden. Die Bundespflegesatzverordnung ist -
außer für die Psychiatrie und die Psychosomatik - durch das Krankenhausentgeltgesetz ersetzt worden. Damit wird
die Vergütung der Krankenhausleistungen auf das DRG-System (Diagnosis-Related-Groups, vgl. § 17 b Abs. 2 KHG)
umgestellt. Dieses neue Vergütungssystem konnte für das Jahr 2003 freiwillig vereinbart werden; seit 2004 müssen
alle Krankenhäuser danach abrechnen. Die Abstimmung des neuen DRG-Systems mit den Krankenhausbudgets soll
in mehreren Übergangsphasen bis 2007 geschehen (vgl. Haaf, DRV 2003, 620 <622>). Der Anwendungsbereich des
§ 6 BPflV ist also wesentlich eingeengt worden, aber nicht gänzlich entfallen.
67
4. Übermäßige Belastung bewirkt nach Auffassung der Antragstellerinnen das mit Art. 11 BSSichG eingeführte
Gesetz für die pharmazeutischen Großhändler. Auch dieses Gesetz umgehe zudem in unzulässiger Weise das
Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates.
68
a) Das durch Art. 11 BSSichG eingeführte Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen
Großhändler verpflichtet die Lieferanten der Apotheken (Großhändler oder Hersteller), einen Rabatt in Höhe von drei
Prozent des Arzneimittelabgabepreises, also des Endverbraucherpreises, zu gewähren, soweit es sich um
verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt, die dem Versorgungsanspruch gesetzlich Krankenversicherter (§ 23
Abs. 1, §§ 27, 31, 34 SGB V) unterliegen. Den Abschlag haben die Apotheken an die Krankenkassen weiterzureichen.
Damit ist eine Preissenkung zu Gunsten der Krankenkassen erreicht, die die Großhändler zu tragen haben.
69
b) Art. 11 BSSichG lautet:
70
Artikel 11
71
Gesetz zur Einführung von Abschlägen
der pharmazeutischen Großhändler
72
§ 1
73
Abschläge der pharmazeutischen Großhändler
74
Die pharmazeutischen Großhändler gewähren den Apotheken für Fertigarzneimittel, die der
Verschreibungspflicht auf Grund von § 48 oder § 49 des Arzneimittelgesetzes und dem
Versorgungsanspruch nach § 23 Abs. 1, §§ 27 und 31 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch
unterliegen, einen Abschlag in Höhe von 3 vom Hundert des Arzneimittelabgabepreises.
75
§ 2
76
Abschläge bei unmittelbarem Bezug
77
Für Arzneimittel, die Apotheken unmittelbar von pharmazeutischen Unternehmen bezogen
haben, gewähren die pharmazeutischen Unternehmen den Abschlag nach § 1.
78
§ 3
79
Weiterleitung der Abschläge
80
Für Arzneimittel nach den §§ 1 und 2 erhalten die Krankenkassen von den Apotheken einen
Abschlag in Höhe von 3 vom Hundert des Arzneimittelabgabepreises.
81
Das Gesetz hat nur im Jahre 2003 gegolten. Es ist durch Art. 26 GMG aufgehoben worden. Die
Preisreglementierung ist nun durch eine Änderung der Großhändlerspanne vorgenommen worden (§ 2 AMPreisV,
Art. 24 GMG).
82
5. Schließlich sollen auch Art. 2 Nr. 4 und Nr. 5 und Art. 8 und Art. 9 BSSichG der Zustimmung durch den
Bundesrat bedurft haben. Diese Vorschriften setzen für das Jahr 2003 die Beitragssätze,
Beitragsbemessungsgrenzen, Beiträge und Beitragszuschüsse für die Rentenversicherung fest.
83
a) Der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung wird durch die Multiplikation der beitragspflichtigen Einnahmen
mit dem Beitragssatz errechnet (§ 157 SGB VI).
84
Die beitragspflichtigen Einnahmen (§§ 162 ff. SGB VI) werden für die Beitragsberechnung nur bis zu einem
Höchstbetrag, der Beitragsbemessungsgrenze, berücksichtigt (§ 157 SGB VI); der darüber hinausgehende Teil der
Einnahmen bleibt für die Beitragsberechnung unberücksichtigt, so dass er in der gesetzlichen Rentenversicherung
nicht versicherbar ist. Die Beitragsbemessungsgrenze verändert sich jährlich entsprechend der Veränderung der
Bruttolohn- und -gehaltssumme (§ 159 SGB VI). Die Höhe der Beitragsbemessungsgrenzen für die einzelnen Jahre
ergibt sich aus der Anlage 2 zum SGB VI. Durch § 160 Nr. 2 SGB VI wird die Bundesregierung ermächtigt, durch
Verordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Beitragsbemessungsgrenze festzusetzen, also die Anlage 2 unter
Anwendung der durch § 159 SGB VI vorgegebenen Berechnungsmethode fortzuführen.
85
Für das Beitrittsgebiet gilt eine niedrigere Beitragsbemessungsgrenze (§ 275 a SGB VI), für deren Festsetzung
ebenfalls eine Verordnungsermächtigung zu Gunsten der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates besteht
(§ 275 b SGB VI). Der durch Art. 2 Nr. 4 BSSichG eingefügte § 275 c SGB VI setzt die Beitragsbemessungsgrenzen
selbst fest, und zwar abweichend von der Berechnungsmethode des § 159 SGB VI. Während die bisherige
Berechnung nach § 159 SGB VI eine Beitragsbemessungsgrenze von ungefähr dem 1,8-fachen des
Durchschnittsverdienstes ergab, soll nun ungefähr das Doppelte des Durchschnittsverdienstes erreicht werden
(BTDrucks 15/28, S. 12, 13, 17). Damit werden bislang beitragsfreie Anteile der Einnahmen von der Beitragspflicht
erfasst, nämlich diejenigen, die zwischen der nur nach § 159 SGB VI erhöhten Beitragsbemessungsgrenze und der
durch § 275 c Abs. 1 und 2 SGB VI neuen höheren Beitragsbemessungsgrenze liegen. Dies führt zu Mehreinnahmen,
die gemeinsam mit der Herabsetzung der Schwankungsreserve (Art. 2 Nr. 2 BSSichG) ermöglichen sollen, die
Beitragssätze nicht so sehr zu erhöhen, wie es ohne diese Maßnahmen erforderlich geworden wäre (BTDrucks 15/28,
S. 12).
86
Die Beitragssätze werden für jedes Jahr auf Grund einer Prognose der Einnahmen und Ausgaben festgesetzt. Ob
ein Bedarf besteht, die Beitragssätze zu verändern, hängt nach § 158 SGB VI davon ab, wie sich unter
Berücksichtigung dieser Prognose die zur Liquiditätssicherung zu haltende Schwankungsreserve (§ 216 SGB VI)
voraussichtlich entwickelt. Wird sie einen gewissen Anteil einer Monatsausgabe voraussichtlich unterschreiten, so
sind die Beitragssätze zu erhöhen; wird sie einen gewissen Anteil überschreiten, so sind sie zu senken. Diese
Prognose und die Festsetzung der Beitragssätze obliegen nach § 160 Nr. 1 SGB VI der Bundesregierung im Wege der
Verordnung mit Zustimmung des Bundesrates; bleibt der Beitragssatz unverändert, wird dies bekannt gemacht (§ 158
Abs. 4 SGB VI).
87
Anstelle einer solchen Beitragssatzverordnung sind in den vergangenen Jahren die Beitragssätze wiederholt durch
förmliches Gesetz festgesetzt worden, nämlich für die Jahre 1993, 1999, 2000 und 2002. Durch das
Beitragssatzsicherungsgesetz ist zum einen der die Berechnung bestimmende Rahmen der Höchst- und
Mindestschwankungsreserve nach unten verschoben worden (Art. 2 Nr. 2 BSSichG), um auf diese Weise die
Beitragssätze in geringerem Umfang zu erhöhen als es nach dem bislang geltenden Rahmen erforderlich gewesen
wäre. Die auf der neuen Grundlage berechneten Beitragssätze werden sodann durch ein mit Art. 8 BSSichG
erlassenes förmliches Gesetz festgesetzt (§ 1 BSG 2003).
88
Von dem Grundsatz, dass die Rentenhöhe eine Abbildung der von dem Berechtigten in der Erwerbszeit gezahlten
Beiträge ist, gelten zahlreiche Ausnahmen. So werden Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI) behandelt, als habe der
Rentenversicherte Beiträge gezahlt (§ 70 Abs. 2 SGB VI). Diese Beiträge zahlt der Bund, und zwar durch einen
jährlich neu zu berechnenden pauschalen Abgeltungsbetrag (§ 177 SGB VI). Die Festsetzung erfolgt nach § 178
Abs. 3 SGB VI durch eine Verordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates. Davon weicht Art. 8
BSSichG ab, indem der durch ihn erlassene § 2 BSG 2003 den Abgeltungsbetrag festsetzt.
89
Für Landwirte und deren mitarbeitende Familienangehörige besteht ein besonderes, von der gesetzlichen
Rentenversicherung getrenntes soziales Sicherungssystem. Die Beiträge werden hier nicht anhand eines
Beitragssatzes und der jeweiligen Einnahmen der Versicherten berechnet. Vielmehr zahlen alle Versicherten einen
einheitlichen Beitrag, der auf der Grundlage des Beitragssatzes und des Durchschnittsentgelts der gesetzlichen
Rentenversicherung berechnet wird (§ 68 ALG). Zudem erhält jeder Versicherte einen nach dem Einkommen
gestaffelten Zuschuss (§§ 32 f. ALG). Für die Festsetzung der Höhe der Beiträge und der Beitragszuschüsse
enthalten die § 35 Abs. 1, §§ 69, 120 ALG Verordnungsermächtigungen für die Bundesregierung mit Zustimmung des
Bundesrates. Davon weicht Art. 9 BSSichG ab, indem er mit dem durch ihn erlassenen förmlichen Gesetz die
Beiträge und Beitragszuschüsse für das Jahr 2003 festsetzt (§§ 1, 2 BGL 2003).
90
b) Die hier angegriffenen Vorschriften lauten:
91
Artikel 2
92
Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch
93
Das Sechste Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – in der Fassung der
Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 (BGBl. I S. 754, 1404, 3384), zuletzt geändert durch
Artikel 4 des Gesetzes vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4621), wird wie folgt geändert:
94
1. bis 3. ...
95
4. Nach § 275 b wird folgender § 275 c eingefügt:
96
㤠275 c
97
Beitragsbemessungsgrenzen für das Jahr 2003
98
(1) Die Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2003 beträgt in der Rentenversicherung der
Arbeiter und der Angestellten 61 200 Euro jährlich und 5 100 Euro monatlich und in der
knappschaftlichen Rentenversicherung 75 000 Euro jährlich und 6 250 Euro monatlich.
99
(2) Die Beitragsbemessungsgrenze (Ost) für das Jahr 2003 beträgt in der Rentenversicherung
der Arbeiter und der Angestellten 51 000 Euro jährlich und 4 250 Euro monatlich und in der
knappschaftlichen Rentenversicherung 63 000 Euro jährlich und 5 250 Euro monatlich.
100
(3) Der Ausgangswert zur Bestimmung der Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2004
beträgt in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten 60 792,06 Euro und in der
knappschaftlichen Rentenversicherung 74 816,79 Euro.“
101
5. § 287 wird wie folgt geändert:
102
a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:
103
㤠287
104
Weitergeltung der Beitragssätze des Jahres 2003“.
105
b) Absatz 1 wird aufgehoben.
106
c) Die Absatzbezeichnung „(2)“ wird gestrichen.
107
6. ...
108
Artikel 8
109
Gesetz zur Bestimmung der Beitragssätze in
der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beitragszahlung des Bundes für
Kindererziehungszeiten für das Jahr 2003
(Beitragssatzgesetz 2003 – BSG 2003)
110
§ 1
111
Beitragssätze in der Rentenversicherung
112
Der Beitragssatz für das Jahr 2003 beträgt in der Rentenversicherung der Arbeiter und der
Angestellten 19,5 Prozent und in der knappschaftlichen Rentenversicherung 25,9 Prozent.
113
§ 2
114
Zahlungen für Kindererziehungszeiten
115
Zur pauschalen Abgeltung für die Beitragszahlung für Kindererziehungszeiten zahlt der Bund
an die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten für das Jahr 2003 einen Betrag in
Höhe von 11 874 710 850 Euro.
116
Artikel 9
117
Gesetz zur Bestimmung der Beiträge und Beitragszuschüsse in der Alterssicherung der
Landwirte für 2003
(Beitragsgesetz-Landwirtschaft 2003 – BGL 2003)
118
§ 1
119
Beitrag in der Alterssicherung der Landwirte
120
(1) Der Beitrag in der Alterssicherung der Landwirte beträgt für das Kalenderjahr 2003
monatlich 198 Euro.
121
(2) Der Beitrag in der Alterssicherung der Landwirte beträgt für das Beitrittsgebiet für das
Kalenderjahr 2003 monatlich 166 Euro.
122
§ 2
123
Beitragszuschuss in der Alterssicherung der Landwirte
124
(1) In Anlage 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte wird der monatliche
Zuschussbetrag für das Kalenderjahr 2003 wie folgt festgesetzt: (...)
125
(2) In Anlage 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte wird der monatliche
Zuschussbetrag für das Beitrittsgebiet für das Kalenderjahr 2003 wie folgt festgesetzt: (...)
IV.
126
Die Antragstellerinnen halten in ihrer gemeinsamen Antragsbegründung das Beitragssatzsicherungsgesetz
insgesamt für formell und einzelne Vorschriften zudem für materiell verfassungswidrig. Dazu tragen sie im
Wesentlichen vor:
127
1. Das Beitragssatzsicherungsgesetz sei nicht verfassungsgemäß zustande gekommen, weil der Bundesrat nicht
zugestimmt habe. Einzelne Vorschriften erfüllten die Tatbestände verschiedener Zustimmungserfordernisse:
128
§ 130 a Abs. 8 SGB V (Art. 1 Nr. 8 BSSichG) enthalte eine verfahrensrechtliche Regelung, die die
Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 84 Abs. 1 GG auslöse, weil die Krankenkassen zum Erreichen zusätzlicher
Rabatte auf die Handlungsform der Vereinbarung festgelegt würden. Dadurch werde von der grundsätzlich geltenden
Formenwahlfreiheit der Verwaltung abgewichen. Die administrativen Handlungsmöglichkeiten der Krankenkassen
würden eingeschränkt, weil sie keine Verwaltungsakte erlassen dürften und dadurch auch das Privileg der
Selbstvollstreckung nicht nutzen könnten, das der Durchsetzung von Verwaltungsakten vorbehalten sei. Da ein
Großteil der Krankenkassen zur mittelbaren Landesverwaltung gehöre, bedeute die Vorschrift einen Einbruch des
Bundes in die verfassungsrechtlich geschützte Verwaltungshoheit der Länder auf breiter Front. Die
Grundentscheidung für die Selbstverwaltung der Krankenkassen werde durch den Eingriff in die eigenverantwortliche
Aufgabenwahrnehmung empfindlich berührt. Das wiege deshalb besonders schwer, weil solche Beschränkungen der
Tendenz zur Föderalisierung der Sozialversicherung (Art. 87 Abs. 2 Satz 2 GG) widersprächen.
129
Art. 4 BSSichG löse die Zustimmungsbedürftigkeit ebenfalls aus. Diese Regelung habe Verordnungsrang, weil sie
die Bundespflegesatzverordnung ändere; dazu hätte es nach Art. 80 Abs. 2 GG der Zustimmung des Bundesrates
bedurft. Auch wenn der parlamentarische Gesetzgeber selbst die Verordnung geändert habe, sei den auf dieser
Änderung beruhenden Teilen einer Verordnung der Rang einer Verordnung, nicht eines förmlichen Gesetzes
einzuräumen. Andernfalls komme es zu normativen Mischgebilden, für die Transparenz, Rechtsschutzmöglichkeiten
und die Verwerfungskompetenz als problematisch zu beurteilen seien. Die Anordnung der Rückkehr zum einheitlichen
Verordnungsrang, die so genannte Entsteinerungsklausel, lasse den Willen des Gesetzgebers erkennen, eine Norm
zu setzen, die nicht volle Gesetzeskraft haben solle, sondern durch Verordnung wieder geändert werden dürfe. Die
Bundespflegesatzverordnung beruhe auf § 16 KHG, einem zustimmungsbedürftigen Gesetz. Das Ziel des Art. 80
Abs. 2 GG, auch bei der Ausführung und Ausfüllung eines zustimmungsbedürftigen Gesetzes die Beteiligungsrechte
des Bundesrates zu wahren, dürfe nicht umgangen werden.
130
Mit Art. 11 BSSichG habe der Gesetzgeber einen Formenmissbrauch zur Umgehung des Bundesrates begangen.
Die Regelung greife in die Preisgestaltung der pharmazeutischen Großhändler ein, die durch § 2 AMPreisV
reglementiert sei. Wäre jene Verordnung geändert worden, hätte es dazu nach Art. 80 Abs. 2 GG der Zustimmung des
Bundesrates bedurft; denn die Verordnung beruhe auf § 78 AMG, einem zustimmungsbedürftigen Gesetz. Dass das
bestehende Regelungssystem nicht geändert, sondern ein neues Gesetz daneben gestellt worden sei, habe allein der
Umgehung der Zustimmungsbedürftigkeit gedient. Bei sinnorientierter, die Schutzfunktion des Art. 80 Abs. 2 GG
mitbedenkender Auslegung des Zustimmungserfordernisses müssten nicht nur formelle Verordnungsänderungen
erfasst werden, sondern auch die materielle Änderung der Rechtslage durch ein neben die Verordnung gestelltes
formelles Gesetz.
131
Andere Bedenken gegen die formelle Verfassungsgemäßheit des Gesetzes bestünden nicht. Die
Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergebe sich für alle Vorschriften aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG
(Sozialversicherung) und für Art. 4 BSSichG zudem aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG. Sowohl die Gesetzesänderungen
als auch die Neuregelung von Rabattvorschriften hielten der Erforderlichkeitsprüfung nach Art. 72 Abs. 2 GG stand.
Zweifelhaft sei allerdings, ob der Gesetzgeber eine ausreichende Prüfung der Erforderlichkeit angestellt habe. Die
besondere Eile des Gesetzgebungsverfahrens spreche gegen eine detaillierte Tatsachenermittlung und
Prognoseerstellung.
132
2. Auch materiell seien einzelne Vorschriften des Gesetzes verfassungswidrig. Der Apothekenabschlag (§ 130
Abs. 1 SGB V, Art. 1 Nr. 7 BSSichG), der Herstellerrabatt (§ 130 a Abs. 1 SGB V, Art. 1 Nr. 8 BSSichG) und der
Großhandelsabschlag (Art. 11 BSSichG) verletzten die Grundrechte der Apotheker, Hersteller und Großhändler aus
Art. 12 Abs. 1 GG. Die Preisreglementierung sei eine Berufsausübungsregelung, die nicht nur mangels Zustimmung
des Bundesrates formell verfassungswidrig sei, sondern in Bezug auf die Hersteller zudem gegen Art. 28 EGV
verstoße.
133
Die unentgeltliche Indienstnahme der Apotheker zur Abrechnung auch der Rabatte und Abschläge, die nicht sie,
sondern die Hersteller und Großhändler wirtschaftlich treffen sollten, verstoße ebenfalls gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Für
sich allein betrachtet, sei die Regelung zwar durch eine vernünftige Erwägung des Gemeinwohls gerechtfertigt und
schränke die Berufsausübungsfreiheit nicht übermäßig ein. Die Verpflichtungen hätten die Gesamtbelastung der
Apotheker in der Gesamtschau mit schon bestehenden Verpflichtungen zur Kostendämpfung aber in ein
unverhältnismäßiges Ausmaß gesteigert. Aus der Addition ergebe sich eine neue Qualität der Freiheitsbeschränkung.
Seit 1989 seien die Anteile der Apotheker an den Arzneimittelausgaben der Krankenkassen durch wiederholte
Eingriffe des Gesetzgebers immer wieder deutlich abgesenkt worden. Die Belastung durch die jetzt getroffenen
Regelungen sei falsch eingeschätzt worden. Die Apotheker würden nicht nur durch den selbst zu gewährenden Rabatt
und die Verpflichtung zur Abwicklung des Großhändlerrabatts belastet, sie hätten außerdem die Überwälzung der
Hersteller- und Großhändlerrabatte zu befürchten.
134
Die materielle Verfassungsgemäßheit einer Verordnungsänderung durch förmliches Gesetz (Art. 4, Art. 12 BSSichG)
begegne nur dann Bedenken, wenn dem geänderten Teil der Verordnung Gesetzesrang zuzumessen wäre. Die
Antragstellerinnen seien aber der Ansicht, dass ihm Verordnungsrang zukomme, so dass sich daraus die
Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 80 Abs. 2 GG ergebe. Hätten die betreffenden Teile einer Verordnung den Rang
eines förmlichen Gesetzes, dann entstehe aus den ursprünglichen und den geänderten Teilen der Verordnung
allerdings ein hybrides Normgebilde, das in mehrfacher Hinsicht gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstoße. Die
Anwendung der Norm sei unsicher, weil nur die Bestandteile mit Verordnungsrang einer gesetzeskonformen
Auslegung zugänglich seien. Die Verwerfungskompetenz sei fraglich, denn nur für die Bestandteile im Range eines
förmlichen Gesetzes bestehe das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts. Das führe zu unzumutbarer
Erschwerung der Wahl des richtigen Rechtsschutzes, der sich nur für die Teile im Verordnungsrang nach § 47 VwGO
richte.
V.
135
1. Für die Bundesregierung hat das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung Stellung genommen.
Es hält das Beitragssatzsicherungsgesetz für verfassungsgemäß.
136
Art. 1 Nr. 8 BSSichG (§ 130 a Abs. 8 SGB V) erfordere die Zustimmung des Bundesrates nicht, weil die Norm der
Verwaltung keine Handlungsanweisung erteile. In welchem Verfahren sich die Krankenkassen mit ihren
Vertragspartnern verständigten, bleibe in ihr Ermessen gestellt. Art. 4 BSSichG löse die Zustimmungsbedürftigkeit
nicht aus, weil die Änderung einer Verordnung durch ein Gesetz Gesetzesrang habe und daher nicht nach Art. 80
Abs. 2 GG zu beurteilen sei. Auch Art. 11 BSSichG begründe die Zustimmungsbedürftigkeit nicht. Mit dieser Norm
habe der Gesetzgeber keinen Formenmissbrauch begangen, sondern eine finanzwirksame Entlastung der
Krankenkassen aus einem Guss vorgelegt.
137
Die Antragstellerinnen hätten nicht darlegen können, dass einer der Betroffenen in der Handelskette der Arzneimittel
durch die Rabattvorschriften und die Erstattungsregelungen übermäßig belastet worden sei. Die Apotheken rechneten
durch die Übermittlung von ohnehin zu erhebenden Daten ab. Das Abschlagssystem sei zudem zum 1. Januar 2004
durch umfassende Neuregelungen in der Arzneimittelpreisverordnung abgelöst worden.
138
Der Bevollmächtigte der Bundesregierung hat zur Frage der Verfassungsgemäßheit einer Verordnungsänderung
durch förmliches Gesetz ergänzend Stellung genommen: Da die Verordnung im Wege des formellen
Gesetzgebungsverfahrens geändert werde, habe die abgeänderte oder neu eingefügte Norm die Qualität eines
formellen Gesetzes. Die strenge Unterscheidung zwischen Gesetz und Verordnung könne der Gesetzgeber nicht
aufheben. Auch die so genannte Entsteinerungsklausel bewirke nicht eine Rangänderung, sondern eröffne die
Möglichkeit, die durch Gesetz geänderten Regelungen danach erneut durch eine Rechtsverordnung zu ändern.
139
Dies sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Vorrang des formellen Gesetzes bleibe unangetastet. Auch durch
die Entsteinerungsklausel werde der Verordnungsgeber nur unter dem stillschweigenden Vorbehalt ermächtigt, dass
das Parlament seine Zuständigkeit zur Rechtssetzung jederzeit wieder selbst ausüben könne. Rechtsklarheit,
Rechtssicherheit und auch die rechtsstaatlich gebotene Formenstrenge seien nicht in verfassungsrechtlich
bedenklicher Weise beeinträchtigt. Ein mixtum compositum verschiedenrangiger Rechtsnormen sei ohnehin
notwendige Folge eines jeden Nebeneinanders von ermächtigendem Gesetz und darauf beruhender Verordnung. Bei
der Verordnungsänderung durch förmliches Gesetz handele es sich um eine besonders pointierte Form des
Ineinandergreifens von Gesetz und Rechtsverordnung. Das Publizitätsgebot erfüllten die Verordnung ebenso wie das
förmliche Gesetz und daher auch die Verbindung aus beidem. Der Rechtsschutz sei zwar etwas zweifelhaft, aber auf
die Frage, ob die durch Gesetz geänderte Verordnung der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle unterliege, seien
beide Antworten verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auf den Schutz vor einer Aufhebung seiner Normen
durch die Fachgerichte habe der parlamentarische Gesetzgeber mit dem verordnungsändernden Gesetz explizit
verzichtet.
140
2. Die Bayerische Staatsregierung führt aus, das Beitragssatzsicherungsgesetz habe nach Art. 84 Abs. 1 GG der
Zustimmung des Bundesrates bedurft. Art. 1 Nr. 8 BSSichG regele mit der Einführung des § 130 a Abs. 8 SGB V das
Verfahren der der Landesaufsicht unterstehenden Krankenkassen. Diese Vorschrift stelle ein neues
Handlungsinstrumentarium in den Beziehungen zwischen den Krankenkassen und den pharmazeutischen
Unternehmen zur Verfügung, bestimme also die Handlungsform bei der Ausführung des Gesetzes.
141
3. Die Landesregierung Sachsen-Anhalts ist der Auffassung, der neue § 130 a Abs. 8 SGB V ermögliche direkte
vertragliche Vereinbarungen zwischen den Krankenkassen und pharmazeutischen Unternehmen. Dadurch werde eine
hinreichend konkrete Festlegung des Verwaltungshandelns bewirkt, so dass das Beitragssatzsicherungsgesetz ohne
die Zustimmung des Bundesrates nicht wirksam habe zustande kommen können.
142
4. Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen hat zugleich im Namen des Bundesverbandes der
landwirtschaftlichen Krankenkassen, des IKK-Bundesverbandes, der Bundesknappschaft, des Verbandes der
Angestellten-Krankenkassen e.V., des Arbeiter-Ersatzkassen-Verbandes e.V. und des Bundesverbandes der
Ortskrankenkassen Stellung genommen. Er meint, das Beitragssatzsicherungsgesetz habe nicht der Zustimmung des
Bundesrates bedurft, und verweist dazu auf die Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale
Sicherung.
143
Im Übrigen verweist der Bundesverband auf die außerordentliche Bedeutung des Beitragssatzsicherungsgesetzes
für die Krankenhausfinanzierung und für die Arzneimittelversorgung. Die Nullrunde im Krankenhausbereich (Art. 5
BSSichG) habe die Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung kalkulatorisch um 340 Mio. Euro vermindert.
Die Eingriffe in die Wertschöpfungskette des Arzneimittelhandels (§ 130, § 130 a SGB V, Art. 11 BSSichG) hätten zur
Einsparung von 1,8 Milliarden Euro geführt. Dennoch ergebe sich für das Jahr 2003 im Arzneimittelbereich ein
Ausgabenanstieg von drei Prozent, der auf Vorzieheffekte des GKV-Modernisierungsgesetzes zurückzuführen sei. Da
die autonome Preisgestaltung der pharmazeutischen Hersteller in Verbindung mit den reglementierten Zuschlägen für
Großhandel und Apotheken zu ungebrochenem Ausgabenanstieg geführt habe, sei eine Einbeziehung aller
Handelsstufen notwendig, geeignet und wirksam. Einbußen bei der Arzneimittelversorgung seien nicht eingetreten und
wegen der Überversorgung mit 22.000 Apotheken auch nicht zu befürchten.
144
5. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. sieht die Hersteller von Nichtfestbetrags-Arzneimitteln
durch die Rabattverpflichtung des § 130 a Abs. 1 und 2 SGB V in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 und
Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Die Rabattverpflichtung sei eine Preisregelung mit berufsregelnder Tendenz. Erforderlich sei
diese Regelung nicht, denn Einsparmöglichkeiten könnten in weitaus höherem Ausmaß bei den Verwaltungskosten
der Krankenkassen verwirklicht werden. Entlastungen der Krankenkassen könnten auch aus dem Staatshaushalt
bestritten werden, etwa durch Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Arzneimittel. Die Höhe des Zwangsrabatts sei
zudem unverhältnismäßig. Die Gewinnmarge der pharmazeutischen Industrie werde so stark zurückgehen, dass
Forschungsinvestitionen gefährdet würden. Art. 14 Abs. 1 GG sei verletzt, weil die Rabattverpflichtung auf
patentgeschützte, nämlich von der Festbetragsregelung nicht erfasste Arzneimittel ziele, so dass die wirtschaftliche
Ausnutzbarkeit der Patente beeinträchtigt werde. Der Abschlag komme zudem einer Sonderabgabe gleich, die wegen
Verletzung der Finanzverfassung unzulässig sei.
145
Gleichheitswidrig sei die Sonderbelastung der Hersteller von Nichtfestbetrags-Arzneimitteln, weil eine
gruppennützige Verwendung der Rabatte oder eine besondere Finanzierungsverantwortung der pharmazeutischen
Industrie für die gesetzliche Krankenversicherung nicht bestehe. Schließlich bestünden gegenüber der Vereinbarkeit
der Rabattverpflichtung mit Art. 28 EGV Bedenken, so dass der Europäische Gerichtshof anzurufen sei.
146
6.
Der
Bundesverband
des
pharmazeutischen
Großhandels
e.V.
ist
der
Auffassung,
das
Beitragssatzsicherungsgesetz habe wegen seines Art. 11 der Zustimmung des Bundesrates bedurft. Die eingeführte
Rabattverpflichtung der Großhändler gegenüber den Apotheken sei dem materiellen Inhalt nach eine Kürzung der
Großhandelsspanne, die § 2 AMPreisV regele. Eine Änderung des § 2 AMPreisV hätte der Zustimmung des
Bundesrates bedurft. Nur um die Zustimmungsbedürftigkeit zu umgehen, sei neben die Regelung der
Großhandelsspanne ein Sondergesetz mit einer Abschlagsverpflichtung gestellt worden. Der Gesetzgeber sei zwar
grundsätzlich frei, die Art und Weise einer Rechtsänderung zu wählen. Dies finde aber dort eine Grenze, wo der
gewählte Weg ausschließlich dazu diene, die Zustimmungsbedürftigkeit zu umgehen. Dass allein dieser
Umgehungszweck Anlass zur Regelung des Art. 11 BSSichG gewesen sei, zeige dessen Aufhebung durch Art. 26
GMG und die entsprechende Änderung der Großhandelsspanne durch Art. 24 GMG: nachdem zwischen Bundestags-
und Bundesratsmehrheit Einigkeit hergestellt worden sei, habe die Rabattverpflichtung der Großhändler durch
Änderungen des § 2 AMPreisV ersetzt werden können.
147
Der durch Art. 11 BSSichG eingeführte Großhandelsabschlag verletze zudem Art. 12 Abs. 1 GG. Die
Rabattverpflichtung sei eine Berufsausübungsregelung, die in Bezug auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßig sei.
Zwischen den Großhändlern und den Krankenkassen bestünden keine vertraglichen oder sonstigen Beziehungen. Ihr
Wettbewerbserfolg wirke sich auf die Ausgaben der Krankenkassen nicht aus. Es fehle deshalb ein sachlicher
Anknüpfungspunkt für die Heranziehung der Großhändler zur Entlastung der Krankenkassen und damit eine
vernünftige Erwägung des Allgemeinwohls, die einen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen
könnte. Jedenfalls sei die Rabattverpflichtung unverhältnismäßig; denn ihr Umfang, der im Gesetzgebungsverfahren
mit 600 Mio. Euro angegeben worden sei, übersteige den Gewinn vor Steuern der Großhändler, der sich auf insgesamt
nur 237 Mio. Euro belaufe (2002).
148
Die Inkassoverpflichtung der Großhändler (§ 130 a Abs. 5 SGB V) stelle ebenfalls eine verfassungswidrige
Berufsausübungsregelung dar. Ohne sachlichen Grund würden den Großhändlern Abwicklungskosten und das
finanzielle Risiko des Inkassos aufgebürdet.
B.
149
Die Anträge sind im Wesentlichen zulässig. Unzulässig sind sie, soweit die Antragstellerinnen beanstanden, Art. 1
Nr. 8 BSSichG (§ 130 a Abs. 1 Satz 3 SGB V) sei unvereinbar mit Art. 28 EGV. Das Bundesverfassungsgericht ist
zur Entscheidung der Frage, ob eine innerstaatliche Norm des einfachen Rechts mit einer vorrangigen Bestimmung
des europäischen Gemeinschaftsrechts oder eines völkerrechtlichen Vertrages vereinbar ist, nicht zuständig (vgl.
BVerfGE 31, 145 <174>; 82, 159 <191>; 92, 365 <392>). Die Lösung eines solchen Normenkonflikts ist der insoweit
nicht durch Art. 100 GG beschränkten Prüfungs- und Verwerfungskompetenz der zuständigen Fachgerichte
überlassen (vgl. BVerfGE 31, 145 <174 f.>; 82, 159 <191>).
C.
150
Soweit die Anträge zulässig sind, sind sie unbegründet. Das Beitragssatzsicherungsgesetz ist mit dem Grundgesetz
vereinbar.
I.
151
Das Gesetz ist formell verfassungsgemäß. Es ist nach den Regelungen des Grundgesetzes zustande gekommen.
152
1.
a)
Für
sämtliche
Regelungen
des
Beitragssatzsicherungsgesetzes
ist
die
konkurrierende
Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gegeben.
153
Sozialversicherung im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG ist als weit gefasster Gattungsbegriff zu verstehen. Er
erfasst Systeme, die das soziale Bedürfnis nach Ausgleich besonderer Lasten erfüllen und dazu selbständige
Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts als Träger vorsehen, die ihre Mittel im Wesentlichen durch
Beiträge aufbringen. Dazu gehören jedenfalls die schon bei Entstehen des Grundgesetzes bekannten
Versicherungszweige zum Ausgleich der Lasten infolge von Krankheit, Alter, Invalidität und Unfall (vgl. BVerfGE 11,
105 <111 ff.>), also auch die heute im V. und VI. Buch des Sozialgesetzbuches geregelte gesetzliche Kranken- und
Rentenversicherung. Neue Lebenssachverhalte wie die Pflegeversicherung (XI. Buch des Sozialgesetzbuches)
gehören in das Gesamtsystem "Sozialversicherung", wenn sie ihm nach dem Zweck des Lastenausgleichs und der
Art und Weise der Aufgabenerledigung durch beitragserhebende selbständige Sozialversicherungsträger zuzuordnen
sind (vgl. BVerfGE 75, 108 <146>; 87, 1 <34>; 88, 203 <313>; 103, 197 <215>).
154
Da Beitrags- und Leistungsaspekte für den Begriff der Sozialversicherung bestimmend sind, erfasst der
Kompetenztitel die Regelung der Finanzierung der zu erledigenden Aufgaben (Degenhart, in: Sachs, GG, 3. Aufl.,
2003, Art. 74 Rn. 53a). Dazu gehören nicht nur das Aufbringen der Beiträge im engeren Sinne, sondern auch
Regelungen zur finanziellen Entlastung der Sozialversicherungssysteme. Beides dient gleichermaßen dem Erhalt ihrer
Leistungsfähigkeit.
155
b) Regelungen über Rabattverpflichtungen und über die Art und Weise ihrer Abwicklung in der Handelskette vom
Arzneimittelhersteller über den Großhändler und die Apotheke bis zum Verbraucher (Art. 1 Nr. 7, 8, Art. 11 BSSichG)
sind auch von der Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG gedeckt. Diese bezieht sich auf den
Verkehr mit Arzneimitteln im weitesten Sinne (vgl. BVerfGE 102, 26 <36 ff.>). Gemeint sind der gesamte Umsatz und
Vertrieb von der Herstellung über den Handel bis zum Verbraucher und damit auch die Preisbildung; denn die
Entgeltlichkeit der Veräußerung von Arzneimitteln ist ein bestimmendes Element des Handels.
156
c) Die die Krankenhäuser betreffenden Entgeltregelungen (Art. 4, Art. 5 BSSichG) sind auch von der
Kompetenzzuweisung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG gedeckt, der die Finanzhilfen und die Entgelte für teilstationäre
und stationäre Krankenbehandlung umfasst.
157
2. Es kann offen bleiben, ob der Erlass des Beitragssatzsicherungsgesetzes den Bindungen des Art. 72 Abs. 2 GG
in seiner seit 1994 geltenden Fassung unterlag oder ob Art. 125 a Abs. 2 Satz 1 GG von diesen Bindungen freistellt,
weil das Gesetz fortgeltendes Bundesrecht nur modifiziert und dabei die wesentlichen Elemente bestehender
Regelungen beibehält, ohne eine grundlegende Neukonzeption vorzunehmen (vgl. BVerfGE 111, 10 <31>; 111, 226
<269>). Das Beitragssatzsicherungsgesetz hält jedenfalls einer Prüfung am Maßstab des Art. 72 Abs. 2 n.F. GG
stand.
158
Die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit gebietet es, das System der gesetzlichen Renten- und
Krankenversicherung für ganz Deutschland einheitlich zu regeln. Erforderlich sind nicht bundeseinheitliche
Beitragssätze - wie die unterschiedlich hohen Krankenkassenbeiträge zeigen -, wohl aber eine einheitliche
Berechnungsmethode und daher auch eine einheitliche Regelung der Berechnungsgrundlagen und, wenn auf diese
Berechnungsgrundlagen durch Gesetz Einfluss genommen werden soll, eine einheitliche Reglementierung. Wollte man
die Reglementierung der Kosten für Waren und Dienstleistungen im Gesundheitswesen und damit das wesentliche
Instrument zur Begrenzung der Beitragssätze der Regelung durch die Landesgesetzgeber überlassen, so müsste ein
Wettbewerb hingenommen werden, der aus unterschiedlichen Preisreglementierungen entstünde. Anbieter mit
ausreichender Wirtschaftskraft könnten die Märkte meiden, die durch strenge Preisbeschränkungen gekennzeichnet
sind. Hier würden nur noch Anbieter auftreten, die den stark reglementierten Preis halten können, dies aber mit
Qualitätsabstrichen erreichen. Eine Versorgung der Versicherten auf gleichmäßig hohem Niveau könnte nicht mehr
gewährleistet werden.
159
3. Das Beitragssatzsicherungsgesetz bedurfte nicht der Zustimmung des Bundesrates.
160
a) Art. 1 Nr. 8 BSSichG löst nicht die Notwendigkeit der Zustimmung des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1 GG aus.
Eine Regelung des Verfahrens der Landeseigenverwaltung enthält der in § 130 a SGB V eingefügte Abs. 8 nicht; denn
er nimmt lediglich eine bestehende und von den Ländern schon zu beachtende Verfahrensregelung auf. § 130 a
Abs. 8 SGB V bewirkt auch keinen Ausschluss von Mitteln des Verwaltungshandelns, die ohne Geltung der fraglichen
Bestimmung zur Verfügung stünden.
161
aa) Die Tätigkeit der Krankenkassen gehört zur Landeseigenverwaltung, soweit es sich um nicht länderübergreifend
zuständige Krankenkassen handelt.
162
Nach dem durch Art. 83 GG angeordneten Regel-Ausnahme-Verhältnis handelt es sich um landeseigene Verwaltung,
wenn sich aus dem Grundgesetz keine Zuweisung zur Bundesauftragsverwaltung oder zur bundeseigenen Verwaltung
ergibt. Eine solche Zuweisung zur bundeseigenen Verwaltung sieht Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG für
Sozialversicherungsträger vor, deren Zuständigkeitsbereich über das Gebiet eines Landes hinausreicht. Darunter
fallen auch Krankenversicherungsträger; denn der Begriff der Sozialversicherung ist derselbe wie der von Art. 74
Abs. 1 Nr. 12 GG verwendete (vgl. BVerfGE 63, 1 <35>). Da Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG eine Ausnahme zu der Regel
der Landeseigenverwaltung nach Art. 83 GG enthält, ist die Zuweisung zur bundeseigenen Verwaltung auf die
landesübergreifenden Versicherungsträger beschränkt (vgl. BVerfGE 63, 1 <36>; Lerche, in: Maunz/Dürig, GG,
Losebl. [Februar 2004], Art. 87 Rn. 155).
163
Die Krankenkassen gehören zur mittelbaren Staatsverwaltung; sie sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen
Rechts mit Selbstverwaltung (§ 4 Abs. 1 SGB V). Das hindert die Anwendung des Art. 84 Abs. 1 GG nicht. Der
Anwendungsbereich der Norm ist nicht auf die unmittelbare Landesverwaltung beschränkt. So wie dem Bund bei der
Einrichtung der Behörden der Zugriff auch auf die mittelbare Landesverwaltung offen steht (vgl. BVerfGE 22, 180
<209 f.>; 39, 96 <109>; 75, 108 <150 f.>; 77, 288 <299>), gilt dies auch für das Verwaltungsverfahren, das die
Körperschaften der mittelbaren Landesverwaltung anzuwenden haben (vgl. BVerfGE 75, 108 <152 f.>). Auch insoweit
greift demgemäß bei bundesgesetzlichen Organisations- und Verfahrensregelungen das in Art. 84 Abs. 1 GG
vorgesehene Zustimmungserfordernis.
164
bb) § 130 a Abs. 8 SGB V betrifft das Verwaltungsverfahren. Dazu gehören das "Wie" des Verwaltungshandelns, die
Einzelheiten des Verwaltungsablaufs, nämlich die Art und Weise der Ausführung eines Gesetzes einschließlich der
dabei zur Verfügung stehenden Handlungsformen, die Form der behördlichen Willensbildung, die Art der Prüfung und
Vorbereitung der Entscheidung, deren Zustandekommen und Durchsetzung sowie verwaltungsinterne Mitwirkungs-
und Kontrollvorgänge (vgl. BVerfGE 37, 363 <385, 390>; 55, 274 <319, 320 f.>; 75, 108 <150, 152>; 105, 313
<331>). § 130 a Abs. 8 SGB V beschreibt den Weg, auf dem die Krankenkassen gegenüber den pharmazeutischen
Unternehmen zu zusätzlichen Abschlägen gelangen können, die über den in Abs. 1 angeordneten Sechs-Prozent-
Rabatt hinausreichen. Solche zusätzlichen Rabatte sollen durch die Handlungsform der Vereinbarung erreicht werden
können.
165
cc) Der Verweis auf eine Vereinbarung als Handlungsform der Krankenkassen zur Herbeiführung eines weiteren
Preisabschlages enthält indes keine nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftige Regelung.
166
Verfahrensbestimmungen haben keinen die Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 84 Abs. 1 GG auslösenden
Regelungscharakter, wenn sie keinen neuen Einbruch in die Verwaltungszuständigkeit der Länder darstellen (vgl.
BVerfGE 37, 363 <380, 388>; 55, 274 <323 f.>; Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 4. Aufl., 2001, Art. 84
Rn. 17), sondern eine bestehende und von den Ländern schon zu beachtende Verfahrensregelung nur konkretisieren
(vgl. BVerfGE 10, 20 <49>; kritisch: Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 50) oder sogar nur wiederholen (vgl.
BVerfGE 55, 274 <323 f.>; Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 50, 57).
167
Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob es sich bei § 130 a Abs. 8 SGB V um eine Rechtsnorm mit
eigenständigem Regelungsgehalt handelt oder nur um eine Wiederholung, einen Hinweis auf das schon Geltende. Eine
bloß wiederholende Bestimmung bewirkt keine Veränderung im Bestand der Rechte und Pflichten, Zuständigkeiten
und Befugnisse (vgl. Hans Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl., 2002, Rn. 408 ff., 633).
168
dd) § 130 a Abs. 8 SGB V ist entgegengehalten worden, ihm komme ein eigenständiger Regelungsgehalt zu. Den
Krankenkassen werde eine neue Handlungsform zur Verfügung gestellt (Sodan, NJW 2003, S. 1761 <1762 f.>). An
sie richte sich - so die Antragstellerinnen in diesem Verfahren - ein optionales Vertragsgebot, und mit dieser
einseitigen Verpflichtung auf die Handlungsform der Vereinbarung werde die Freiheit der Handlungsformenwahl
eingeschränkt, vor allem der Erlass eines Verwaltungsaktes ausgeschlossen.
169
Eine neue Handlungsform stellt § 130 a Abs. 8 SGB V indes nicht zur Verfügung. Ein zusätzliches Instrument der
Aufgabenerfüllung, dessen sich die Kassen bislang nicht bedienen durften, sieht § 130 a Abs. 8 SGB V nicht vor.
170
Nach § 130 a Abs. 8 Satz 1 SGB V können die Krankenkassen oder deren Verbände den zusätzlichen Rabatt mit
den pharmazeutischen Unternehmen "vereinbaren". Rechtlich handelt es sich um einen Vertrag, der durch
übereinstimmende Willenserklärungen der Beteiligten zustande kommt. Die Gleichsetzung der Begriffe der
Vereinbarung und des Vertrages findet sich zudem im § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Zum Abschluss eines Vertrages
bedarf es einer Ermächtigung durch § 130 a Abs. 8 SGB V nicht.
171
Die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den pharmazeutischen Unternehmen sind öffentlich-
rechtlicher Natur (§ 69 SGB V) (Krauskopf, in: Krauskopf [Hg.], SozKrV/PflV, Losebl. [Januar 2003], § 69 SGB V
Rn. 2, 4; von Wulffen, SGB X, 4. Aufl., 2001, § 53 Rn. 4a; Henninger, in: Schulin [Hg.], a.a.O., § 44 Rn. 21). Die
Zulässigkeit eines Verwaltungsvertrages ist deshalb nach § 53 Abs. 1 SGB X zu beurteilen. Zur Durchsetzung des
allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots können sich die Krankenkassen aller Mittel des Verwaltungshandelns bedienen.
Dazu zählt auch der Abschluss eines Verwaltungsvertrages, der einer besonderen Ermächtigungsnorm nicht bedarf.
§ 130 a Abs. 8 SGB V fügt dem nichts hinzu (ebenso für § 131 Abs. 1 SGB V: Knittel, in: Krauskopf [Hg.], a.a.O.,
§ 131 SGB V Rn. 3).
172
Die Preisbildung der pharmazeutischen Unternehmen, also der Arzneimittelhersteller, war schon bislang frei; §§ 1 ff.
AMPreisV betreffen die Herstellerpreise nicht. Die Krankenkassen durften sich schon bislang Preisnachlässe
versprechen und vergüten lassen: der Sache nach waren sie durch das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 70 Abs. 1 Satz 2
SGB V) gehalten, solche Gelegenheiten wahrzunehmen, und ein Vertrag mit entsprechendem Inhalt fand in § 53
Abs. 1 SGB X eine ausreichende Grundlage. § 131 SGB V ist nichts anderes zu entnehmen. Diese Norm behandelt
Rahmenverträge zwischen den Verbänden der Krankenkassen und der pharmazeutischen Unternehmen. Wenn dazu
vertreten wird, die Regelungsgegenstände seien abschließend genannt (Henninger, in: Schulin [Hg.], a.a.O., § 45
Rn. 3; § 130 a SGB V galt noch nicht, als diese Ansicht formuliert wurde), dann ist damit nicht gesagt, dass Verträge
anderen Inhalts nicht geschlossen werden dürften. § 131 Abs. 2 SGB V betrifft vielmehr Gegenstände, die gesetzlich
normiert sind, nämlich die Packungsgröße und -ausstattung durch die auf § 31 Abs. 4 SGB V beruhende
Zuzahlungsverordnung sowie die Sammlung und der Austausch der Arzneimitteldaten durch § 35 a Abs. 4 und Abs. 5
SGB V. § 131 Abs. 2 SGB V hat nur insoweit eine begrenzende Funktion, als die Vorschrift die Abdingbarkeit der
gesetzlichen Regelungen beschränkt: vom Gesetz Abweichendes darf nur im Rahmen des § 131 Abs. 2 SGB V
vereinbart werden. Darum geht es aber im § 130 a Abs. 8 SGB V nicht; denn freiwillig gewährten Preisnachlässen ist
im Sozialversicherungsrecht keine gesetzliche Grenze gesetzt.
173
ee) Für § 131 Abs. 1 SGB V wird außerdem vertreten, sein Regelungsgehalt beziehe sich auf die Bindungswirkung
der von den Spitzenverbänden geschlossenen Verträge für deren Mitglieder (Knittel, in: Krauskopf [Hg.], a.a.O., § 131
SGB V Rn. 3). Auch dies findet in § 130 a Abs. 8 SGB V keine Entsprechung: Der vertraglich Verpflichtete, der den
Preisnachlass gewährt, nämlich das pharmazeutische Unternehmen, ist selbst Vertragspartei. Schließt er mit einem
Krankenkassenverband ab, so bedarf es keiner gesetzlichen Regelung, um die günstige Rechtsfolge des
Preisnachlasses und des entsprechenden Zahlungsanspruches den Krankenkassen zuzuweisen; es kann ein Vertrag
zu Gunsten Dritter geschlossen werden (§ 61 SGB X, § 328 Abs. 1 BGB).
174
Ein Vertrag, in dem ein pharmazeutisches Unternehmen freiwillig einen Preisnachlass in der Weise gewährt, dass
der Rabatt nicht seinem Vertragspartner - dem Großhändler -, sondern der Krankenkasse vergütet wird, war also auch
vor Inkrafttreten des § 130 a Abs. 8 SGB zulässig. Auch wenn man diese Norm neben der neuen Rabattverpflichtung
(§ 130 a Abs. 1 SGB V) hinwegdächte, blieben solche Vereinbarungen angesichts des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 70
Abs. 1 Satz 2 SGB V) zulässig.
175
ff) § 130 a Abs. 8 SGB V beschränkt die Krankenkassen zum Erreichen eines von den pharmazeutischen
Unternehmen freiwillig gewährten Preisabschlages auch nicht auf das Mittel des Verwaltungsvertrages. Nur ein
Ausschluss von Mitteln des Verwaltungshandelns, die ohne Geltung der fraglichen Bestimmung zur Verfügung
stünden, würde die Art und Weise der Gesetzesausführung berühren.
176
Schließt eine Vorschrift ein für die Erreichung einer bestimmten Rechtsfolge geeignetes Mittel aus, dann regelt sie
das Verwaltungsverfahren. Nennt eine Vorschrift hingegen lediglich die Mittel, die ohnehin (allein) in Betracht
kommen, dann wiederholt sie nur, was das allgemeine Verwaltungsrecht bereits vorgibt, so dass eine
Regelungsqualität fehlt.
177
Die Mittel, mit denen die Verwaltungsbehörden die ihnen durch das materielle Recht vorgegebenen Aufgaben
erledigen, sind insbesondere die Norm (Verordnung und Satzung), der Verwaltungsakt, der Verwaltungsvertrag, der
privatrechtliche Vertrag und das schlichte Verwaltungshandeln oder der Realakt. § 130 a Abs. 8 SGB V gibt als Ziel
des Verwaltungshandelns eine Vereinbarung mit einem privatrechtlichen Unternehmen über einen Preisabschlag vor,
der über die Rabattverpflichtung (§ 130 a Abs. 1 SGB V) hinausreicht. Auf den zusätzlichen Rabatt hat die
Krankenkasse keinen Anspruch. Er kann nur im Einvernehmen mit dem pharmazeutischen Unternehmen gewährt
werden. Ein für einen Verwaltungsakt kennzeichnendes Unterordnungsverhältnis, in dem die Krankenkasse die
zusätzliche Rabattgewährung anordnen könnte oder müsste, wird durch § 130 a Abs. 8 SGB V nicht begründet.
Danach jedoch liegt es fern, die Handlungsform des Verwaltungsaktes (§ 31 Satz 1 SGB X) in Erwägung zu ziehen.
Vielmehr ist für das Bewirken einer einvernehmlichen, von beiden Seiten gewollten Rechtsfolge, deren nähere
Ausformung - Rabatthöhe - ebenfalls nicht vom Gesetz vorgegeben ist, sondern der Einigung unterliegen soll, der
Vertrag die sich aufdrängende Handlungsform. Die von den Antragstellerinnen vermisste "Freiheit der
Handlungsformen" für das Erreichen eines zusätzlichen Rabatts von den pharmazeutischen Unternehmen hatte schon
deshalb keine Bedeutung, weil es vor der Einfügung des Abs. 8 in § 130 a SGB V an der gesetzlichen Ermächtigung
fehlte, einen zusätzlichen Preisabschlag gegenüber pharmazeutischen Herstellern anzuordnen.
178
b) Art. 7 Abs. 1 BSSichG, der die Anwendung des § 220 Abs. 2 SGB V bis zum 31. Dezember 2003
ausgeschlossen hat, bedurfte ebenfalls nicht der Zustimmung des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1 GG; denn diese
Norm regelt nicht das Verwaltungsverfahren.
179
§ 220 Abs. 2 SGB V betrifft das Verwaltungsverfahren zur Erhöhung des Beitragssatzes während des
Haushaltsjahres. Die Vorschrift regelt die Art und Weise der Ausführung eines Gesetzes, indem sie die Form der
behördlichen Willensbildung (Satzungsänderung, Vorstandsbeschluss, Anordnung der Aufsichtsbehörde) sowie die
Vorbereitung und das Zustandekommen der Entscheidung (Eileintritt des Vorstandes, Noteintritt der
Aufsichtsbehörde) vorgibt. Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Regelung, die den
zeitlichen Anwendungsbereich des § 220 Abs. 2 SGB V betrifft, ebenfalls das Verwaltungsverfahren regele. Eine - hier
zeitlich begrenzte - Beendigung des Verwaltungshandelns der Länder auf einem bestimmten Gebiet löst die
Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 84 Abs. 1 GG nicht aus; denn nicht die Aufgabenzuweisung oder der
Aufgabenentzug, sondern nur die Regelung der Behördenorganisation und des verfahrensmäßigen Verhaltens der
Verwaltung berührt die durch Art. 84 Abs. 1 GG geschützte Organisationsgewalt der Länder und ihre Kompetenz zur
Verfahrensgestaltung (vgl. BVerfGE 10, 20 <49>; 14, 197 <219 f.>; 55, 274 <319>; 75, 108 <150, 152>; 105, 313
<331>).
180
Nur eine Vorschrift, die das bislang geltende Verfahren änderte, beträfe danach das Verwaltungsverfahren.
181
Art. 7 Abs. 1 BSSichG schreibt aber nicht ein anderes Vorgehen der Krankenkasse und der Aufsichtsbehörde zum
Erreichen einer Beitragssatzerhöhung vor, sondern schließt Beitragssatzerhöhungen grundsätzlich - Ausnahmen in
Absatz 3 - aus.
182
c) Das Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler (Art. 11 BSSichG) hat die
Zustimmungsbedürftigkeit
des
Beitragssatzsicherungsgesetzes
ebenfalls
nicht
ausgelöst.
Ein
Zustimmungserfordernis für das Gesetz als solches ist dem Grundgesetz nicht zu entnehmen. Die Regelungen des
Art. 80 Abs. 2 GG, die für Verordnungen zur Preisregelung auf Grund von § 78 Abs. 1 AMG gelten, sind nicht
entsprechend anwendbar.
183
Art. 11 BSSichG löst ein Zustimmungserfordernis nicht deshalb aus, weil eine Regelung mit gleicher Rechtsfolge,
nämlich eine Änderung der bestehenden Handelsspannenreglementierung durch eine Verordnung, nach Art. 80 Abs. 2
GG zustimmungsbedürftig gewesen wäre.
184
Art. 11 BSSichG bewirkt eine Senkung des von den Krankenkassen zu tragenden Arzneimittelabgabepreises durch
eine Verminderung der Handelsspanne der Großhändler, die die Apotheken weiterzureichen haben, also nicht etwa
durch entsprechende Erhöhung ihrer Handelsspanne vereinnahmen dürfen. Da beide Handelsspannen - der
Großhandelszuschlag (§ 2 AMPreisV) und der Apothekenzuschlag (§ 3 AMPreisV) - bereits Gegenstand gesetzlicher
Reglementierung waren, hätte das Ziel einer Preissenkung zu Lasten der Großhändler im bestehenden
Regelungssystem erfolgen können, nämlich durch eine Änderung der Arzneimittelpreisverordnung. Jene Verordnung
beruht auf § 78 AMG. Das Arzneimittelgesetz bedurfte der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 84 Abs. 1 GG
(vgl. §§ 64 ff. AMG). Die auf ihm beruhende Verordnung bedurfte deshalb der Zustimmung des Bundesrates gemäß
Art. 80 Abs. 2 GG (vgl. auch § 78 Abs. 1 AMG).
185
Die Ergänzung der Handelsspannenreglementierung durch förmliches Gesetz vermied jedoch die
Zustimmungsbedürftigkeit, weil für dieses förmliche Gesetz eine die Zustimmungsbedürftigkeit auslösende
Verfassungsnorm nicht ersichtlich ist. In der Wahl dieser Regelungsform kann eine von den Antragstellerinnen als
Formenmissbrauch beanstandete Umgehung der Bundesratszustimmung, die durch die Zustimmungsbedürftigkeit des
Gesetzes verhindert werden müsste, nicht gesehen werden.
186
Gesetzgebungsvorhaben so zu gestalten, dass die Zustimmung des Bundesrates ganz oder teilweise entbehrlich
wird, ist in der Staatspraxis üblich und zulässig. Geläufig ist die Aufteilung eines Vorhabens in einen Gesetzentwurf,
der alle nicht zustimmungsbedürftigen Regelungen enthält, und einen weiteren, der der Zustimmung des Bundesrates
bedarf. Auch das Beitragssatzsicherungsgesetz ist Bestandteil eines auf diese Weise geteilten Vorhabens: es enthält
die nach Ansicht der Initianten nicht zustimmungsbedürftigen Teile, während im Entwurf eines Zwölften SGB V-
Änderungsgesetzes die Regelungen zusammengefasst wurden, für die auch nach Meinung der Entwurfsverfasser die
Zustimmung des Bundesrates erforderlich war.
187
Eine solche Teilung eines Gesetzgebungsvorhabens verbietet das Grundgesetz nicht (vgl. BVerfGE 37, 363 <382>;
105, 313 <338 ff.>; Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., 2003, Art. 77 Rn. 23; Dittmann, in: Sachs, GG, 3. Aufl.,
2003, Art. 84 Rn. 15; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl., 2004, Art. 77 Rn. 4). Allenfalls das Willkürverbot könnte
entgegenstehen (vgl. BVerfGE 77, 84 <103>).
188
Art. 11 BSSichG gibt keine Veranlassung, von dieser Ansicht abzuweichen. Der Zweck des
Zustimmungserfordernisses nach Art. 84 Abs. 1 GG liegt im Schutz der grundsätzlichen Verwaltungszuständigkeit der
Länder. Eine Einwirkung des Bundes, die zu Verschiebungen in dem durch Art. 83, Art. 84 Abs. 1 GG vorgegebenen
Gefüge führen kann, soll unter dem schützenden Vorbehalt der Bundesratszustimmung stehen (vgl. BVerfGE 1, 76
<79>; 37, 363 <381>; 48, 127 <178>; 55, 274 <319>; 105, 313 <339>; Hermes, in: Dreier, GG, Art. 84 Rn. 47 f.).
189
Alle Regelungskonstellationen, die keinen Einbruch oder weiteren Einbruch des Bundes in die
Verwaltungszuständigkeiten der Länder bewirken, sind von der Zustimmungsbedürftigkeit ausgenommen, weil sie vom
Zweck des Art. 84 Abs. 1 GG nicht erfasst werden. Aus demselben Grund braucht der Bundesrat weder der
Aufhebung einer bei Erlass zustimmungsbedürftigen Verfahrensregelung zuzustimmen (vgl. BVerfGE 14, 197
<219 f.>) noch der Änderung eines Gesetzes, von der nur materielle, nicht aber Verfahrensregelungen betroffen sind
(vgl. BVerfGE 37, 363 <382>).
190
Nach dem Zweck der Zustimmungsbedürftigkeit ist auch das Zustimmungserfordernis nach Art. 80 Abs. 2 GG zu
beurteilen. Dieses Zustimmungserfordernis soll den Einbruch des Bundes in die Organisations- und
Verfahrensautonomie der Länder mit einem schützenden Vorbehalt versehen. Es beruht auf der Erwägung, dass die
Zustimmungsrechte des Bundesrates nicht durch die Delegation der Rechtssetzung auf die Exekutive erlöschen
sollen, zumal gerade die Verordnungsregelungen häufig Ausführungs- und Durchführungs-, also Verfahrensregelungen
enthalten (Bryde, in: von Münch/Kunig, a.a.O., Art. 80 Rn. 26). Allerdings ist die Delegation der Rechtssetzung
gemäß Art. 80 Abs. 1 GG keinesfalls auf Organisations- oder Verfahrensregelungen beschränkt. Eine
Verordnungsermächtigung kann sich auch auf materielle Detailregelungen richten. Für solche Verordnungen enthält
Art. 80 Abs. 2 GG ein gewissermaßen überschießendes, den Schutzzweck verlassendes Zustimmungserfordernis,
das schon deshalb nicht über den Wortlaut der Norm hinaus ausgedehnt werden kann, jedenfalls aber nicht
entsprechend auf Regelungen des Parlaments, also außerhalb der Fälle einer Rechtssetzungsdelegation, anwendbar
ist. Daher ist ein förmliches Gesetz, dessen Inhalt auch auf Grund einer bestehenden Ermächtigungsgrundlage als
Verordnung hätte ergehen können, allein nach den Regeln zu beurteilen, die die Zustimmungsbedürftigkeit förmlicher
Gesetze enthalten.
191
d) Art. 2 Nr. 4 und 5, Art. 8 und Art. 9 BSSichG lösen die Zustimmungsbedürftigkeit nicht aus. Sie enthalten
förmliche Gesetze, für die keine der zustimmungsauslösenden Normen des Grundgesetzes in Betracht kommt.
192
Gesetzliche Regelungen bedürfen nicht deshalb der Zustimmung des Bundesrates, weil ihr Gegenstand bislang
verordnungsrechtlich geregelt war. Für seine entgegenstehende Ansicht hat der Bundesrat eine Norm als Grundlage
der Zustimmungsbedürftigkeit nicht benannt. Er meint, die Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 80 Abs. 2 GG werde
umgangen (BRDrucks 833/02 [Beschluss], S. 5). Das trifft nicht zu. Der Gesetzgeber hat mit den Art. 2 Nr. 4 und
Nr. 5, Art. 8 und Art. 9 BSSichG förmliche Gesetze erlassen, auf die Art. 80 Abs. 2 GG nicht entsprechend
anwendbar ist. Er hat eine gesetzliche Regelung getroffen, obwohl auf Grund der vorhandenen Ermächtigung auch
eine Regelung im Verordnungswege möglich gewesen wäre.
193
Das begegnet am Maßstab des Art. 80 Abs. 1 GG keinen Bedenken; denn die der Exekutive erteilte
Verordnungsermächtigung wirkt nur zuweisend, nicht auch abschiebend (Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG,
Art. 80 Rn. 25; Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 80 Rn. 5; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 80 Rn. 14). Der
parlamentarische Gesetzgeber begibt sich durch die Verordnungsermächtigung nicht seiner Regelungskompetenz; er
bleibt weiter regelungsbefugt und behält sein Zugriffsrecht auf die von der Verordnungsermächtigung umfasste Materie
(Bauer, in: Dreier, GG, Art. 80 Rn. 39; Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 80 Rn. 25; Lücke, in: Sachs,
GG, Art. 80 Rn. 7; Kirchhof, Rechtsquellen und Grundgesetz, in: Starck, Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz,
Bd. II, 1976, S. 50 <83>; Jekewitz, NVwZ 1994, S. 956 <957>; Lepa, AöR 105 [1980], 337 <350 f.>; Lippold, ZRP
1991, S. 254 <255>; Studenroth, DÖV 1995, S. 525 <527>). Regelt er selbst, so nimmt er eine eigene Kompetenz
wahr, nicht die Kompetenz der Exekutive. Die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes bestimmt sich nicht nach dem
nur für Verordnungen geltenden Art. 80 Abs. 2 GG, sondern nach den für förmliche Gesetze geltenden Normen, die
hier nicht einschlägig sind.
194
Selbst wenn man der Regelung durch förmliches Gesetz entnehmen wollte, der parlamentarische Gesetzgeber habe
dadurch die Verordnungsermächtigung aufgehoben, so führte dies nicht zur Zustimmungsbedürftigkeit. Die Aufhebung
einer Ermächtigungsgrundlage bedarf ebenso wie ihr Erlass von sich aus nicht der Zustimmung des Bundesrates,
sondern nur dann, wenn sich dies aus einer der für förmliche Gesetze geltenden Normen ergibt.
II.
195
Auch Art. 4 BSSichG löst die Zustimmungsbedürftigkeit nicht aus. § 6 Abs. 1 BPflV ist, soweit er auf der Änderung
durch Art. 4 BSSichG beruht, als im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren geschaffenes Verordnungsrecht zu
beurteilen. Ob der Bundesrat der gesetzlichen Regelung, die die Verordnungsänderung bewirkte, zuzustimmen hatte,
richtet sich nach Art. 84 Abs. 1 GG. Danach bestand kein Zustimmungserfordernis, denn eine Regelung des
Verfahrens der Landeseigenverwaltung enthält die Änderung des § 6 Abs. 1 BPflV nicht. Darüber hinaus genügt Art. 4
BSSichG den rechtsstaatlichen Anforderungen, die an die Änderung einer Verordnung durch den Gesetzgeber zu
stellen sind.
196
1. Die Bundespflegesatzverordnung ist als Art. 1 der Verordnung zur Neuordnung des Pflegesatzrechts vom
26. September 1994 (BGBl I S. 2750) erlassen worden. Ihr § 6 wurde seither mehrfach, zumeist durch den
parlamentarischen Gesetzgeber, geändert. Auch die Änderung von § 6 BPflV im Rahmen des
Beitragssatzsicherungsgesetzes beruht auf einem förmlichen Gesetz.
197
Die Antragstellerinnen berufen sich für die Zustimmungspflichtigkeit von Art. 4 BSSichG auf Art. 80 Abs. 2 GG.
Ermächtigungsgrundlage für Regelungen über die Höhe des Gesamtbetrages der Vergütungen für
Krankenhausleistungen - die Begrenzung dieses Gesamtbetrages und die Durchbrechung der Begrenzung gehören
dazu - ist § 16 Satz 1 Nr. 1 KHG. Das Krankenhausfinanzierungsgesetz bedurfte gemäß Art. 84 Abs. 1 GG der
Zustimmung des Bundesrates (vgl. nur § 18, § 18a, § 28 Abs. 1 KHG). Eine anderweitige, die
Zustimmungsbedürftigkeit der Verordnung ausschließende Regelung (Art. 80 Abs. 2 GG) enthält das
Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht. Vielmehr wiederholt § 16 Satz 1 KHG das Zustimmungserfordernis.
198
2. Eine über fünfzigjährige Staatspraxis zeigt, dass ein Bedürfnis für die Änderung einer Verordnung durch den
parlamentarischen Gesetzgeber besteht (a). Eine verfassungskonforme Lösung erfordert allerdings, der geänderten
Verordnung einen einheitlichen Rang zuzuweisen, damit nicht ein der Rechtssicherheit und dem Rechtsstaatsprinzip
widersprechendes Mischgebilde entsteht (b). Die Verordnungsänderung durch förmliches Gesetz ist nur unter
bestimmten Voraussetzungen und Maßgaben mit dem Grundgesetz vereinbar (c).
199
a) Der ändernde Eingriff in eine geltende Verordnung durch ein Parlamentsgesetz ist eine Erscheinungsform bereits
der frühen Gesetzgebung unter der Geltung des Grundgesetzes (erstmals: § 2 Abs. 2 des Gesetzes vom 21. Januar
1950 [BGBl S. 7]). Diese Art der Verordnungsänderung hat in jüngerer Zeit an Bedeutung gewonnen. Vor allem in den
großen, umfassenden Regelungsprogrammen des Steuer- und Sozialrechts, die besonders häufiger Änderung im Zuge
kleinerer und größerer Reformen unterworfen sind, ist das Verordnungsrecht einer gleichen Änderungsintensität
ausgesetzt wie die förmlichen Gesetze, auf denen es beruht. Dabei werden im Zuge einer umfassenden
Änderungsgesetzgebung häufig auch die mit den Gesetzen verbundenen Verordnungen durch den parlamentarischen
Gesetzgeber geändert. Das kann bei Verordnungen von zentraler Bedeutung dazu führen, dass sie häufiger durch
Parlamentsgesetze als durch Verordnungen geändert werden. Die Einkommensteuer-Durchführungsverordnung, die
über Jahre hindurch nur durch Parlamentsgesetze geändert wurde, ist dafür ein ebenso treffendes Beispiel (Kirchhof,
EStG-Kompaktkommentar, 5. Aufl., 2004, § 51 Rn. 14; Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Loseblatt
[November 2003], § 51 Rn. B 131; ders., ZG 2001, S. 50 <51 f.>) wie die Bundespflegesatzverordnung.
200
Die seit über fünfzig Jahren bestehende Staatspraxis zeigt, dass ein Bedürfnis für den parlamentarischen
Gesetzgeber besteht, bei der Änderung komplexer Regelungsgefüge, in denen förmliches Gesetzesrecht und auf ihm
beruhendes Verordnungsrecht ineinander verschränkt sind, auch das Verordnungsrecht anzupassen. Die Veränderung
eines Regelungsprogramms und erst recht die grundlegende Reform eines ganzen Rechtsgebiets kann in vielen
detailliert normierten Bereichen sinnvoll nur bewerkstelligt werden, wenn sowohl förmliche Gesetze als auch auf ihm
beruhende Verordnungen in einem einheitlichen Vorgang geändert und aufeinander abgestimmt werden.
201
Es gehört zudem zur Gestaltungsfreiheit des Parlaments, sein Änderungsvorhaben umfassend selbst zu
verwirklichen. Wäre es darauf beschränkt, nur förmliche Gesetze zu ändern, so müsste das Änderungsvorhaben
entweder zerteilt werden, um den Gesetzesänderungen die von der Exekutive zu erledigenden
Verordnungsänderungen nachfolgen zu lassen; oder der parlamentarische Gesetzgeber müsste die bislang durch
Verordnung geregelten Gegenstände wieder in förmliches Gesetzesrecht übernehmen. Die Aufteilung in ein
Änderungsgesetz und eine Änderungsverordnung kann zu erheblichen Verzögerungen führen (vgl. Sendler, DVBl
2005, S. 423 <425>). Außerdem besteht für das Parlament die Schwierigkeit, dass es ein differenziert ausgestaltetes
und oft finanziell abgestimmtes Reformvorhaben nur teilweise selbst festlegen kann. Die Alternative der Rückholung
des Verordnungsrechts hat den Nachteil gegen sich, dass künftige Änderungen durch die Exekutive und damit die für
die Zukunft notwendige Flexibilität ausgeschlossen sind.
202
b) Das Rechtsstaatsprinzip und das hieraus folgende Prinzip der Rechtssicherheit erlauben nur eine Lösung, die der
geänderten Verordnung einen einheitlichen Rang zuweist.
203
aa) Das Grundgesetz unterscheidet zwischen der Rechtssetzung in der Form des Gesetzes und der Rechtssetzung
in der Form der Rechtsverordnung; Voraussetzung und Folgen der Rechtssetzung in der einen und der anderen Form
sind nach dem Grundgesetz verschieden (vgl. BVerfGE 8, 274 <323>; 24, 184 <199>). Die damit getroffene
Unterscheidung steht nicht zur beliebigen Disposition (vgl. BVerfGE 1, 372 <390>; 6, 273 <277>; 18, 389 <391>; 22,
330 <346>; 24, 184 <199>). Das hindert den Gesetzgeber aber nicht, die der Exekutive übertragenen
Regelungsbefugnisse wieder zu übernehmen und bislang als Verordnung geltende Regelungen nun als Gesetz zu
erlassen (vgl. BVerfGE 22, 330 <346>). Ebenso wenig ist der Gesetzgeber prinzipiell gehindert, den Inhalt einer
geltenden Verordnung unmittelbar kraft Gesetzes zu ändern. Dabei dürfen jedoch die Grenzen zwischen Gesetz und
Verordnung nicht in einer Weise überschritten oder verwischt werden, die der grundsätzlichen Unterscheidung
zwischen beiden Regelungsformen und der rechtsstaatlichen Klarheit in Bezug auf Geltungsvoraussetzungen, Rang,
Rechtsschutzmöglichkeiten und Verwerfungskompetenzen, die für beide Normtypen unterschiedlich geregelt sind,
zuwiderliefe.
204
Durch die Änderung darf keine missverständliche, irreführende Norm entstehen, deren Bezeichnung (Verordnung)
und Kennzeichnung als Normsetzung auf Grund einer Ermächtigung (Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG) zu ihrem
tatsächlichen Rang (förmliches Gesetz) und den davon abhängigen Rechtsfolgen im Widerspruch steht.
205
Eine Aneinanderreihung der ursprünglichen Fassung und der oftmals zahlreichen Änderungsanordnungen, die
mitunter nur Satzteile oder einzelne Worte betreffen, kann vor allem bei häufig geänderten Verordnungen einen
sicheren Überblick über den aktuellen Normbestand nicht verschaffen. Dazu bedarf es einer redaktionell bearbeiteten
Fassung, die den Normtext so wiedergibt, dass alle in Kraft getretenen Änderungen berücksichtigt und an die Stelle
der nicht mehr geltenden Teile gesetzt sind. Gälte der Inhalt einer durch förmliches Gesetz veränderten Verordnung,
soweit die entsprechenden Änderungen reichen, im Gesetzesrang, so wäre allerdings aus einem solchen bereinigten
Normtext nicht mehr zu erkennen, welche Teile davon Verordnungsrecht geblieben und welche durch
Änderungsgesetze vom Gesetzgeber erlassen worden sind.
206
Der Rechtscharakter der einzelnen Normteile wäre nur noch mit Rückgriff auf die Gesetzgebungsmaterialien oder auf
die verkündeten Fassungen von Änderungsnormen erkennbar. Auf die Auskünfte in der Überschrift und den
einleitenden Worten, die auf eine genau bezeichnete Ermächtigungsgrundlage Bezug nehmen (Art. 80 Abs. 1 Satz 3
GG) wäre kein Verlass mehr; der wirkliche Status der einzelnen Bestimmungen könnte nur mit erheblichem Aufwand
ermittelt werden.
207
Ein solcher Rechtszustand wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Dass zur Normenklarheit auch
Normenwahrheit gehört (vgl. BVerfGE 108, 1 <20>), wirkt sich hier denkbar einfach aus: Überschrift und Einleitung
eines Regelungswerkes müssen auch nach zahlreichen Änderungen noch halten, was sie versprechen.
208
bb) Durch die Unklarheit über den Rang der im Verordnungstext enthaltenen Normen würde insbesondere auch das
Postulat der Rechtsmittelklarheit verletzt, das als Bestandteil des Grundsatzes der Rechtssicherheit an der
Verfassungsgarantie des Rechtsstaatsprinzips teilnimmt (vgl. BVerfGE 49, 148 <164>). Eine Norm darf die von ihr
Betroffenen nicht im Unklaren darüber lassen, welchen Rang sie hat und wie gegen sie effektiver Rechtsschutz zu
suchen ist - sei es auf einem direkt auf die Kontrolle der Norm gerichteten Rechtsweg oder durch eine indirekte
Anfechtung im Zusammenhang mit einem Rechtsmittel gegen einen Vollzugsakt. Die grundlegende Verschiedenheit
der Kontroll- und Verwerfungskompetenzen von förmlichen Gesetzen und Verordnungen im behördlichen und
gerichtlichen Verfahren (vgl. BayVGH, NJW 2001, S. 2905 <2906 f.> einerseits und die aufhebende
Revisionsentscheidung BVerwGE 117, 313 <317 ff.> andererseits) verbietet es, bei der parlamentarischen und
exekutiven Rechtssetzung beide Rechtsformen so zu vermischen, dass eine klare Zuordnung nicht mehr möglich ist
(vgl. Lücke, in: Sachs, GG, Art. 80 Rn. 7; Kirchhof, EStG-KK, § 51 Rn. 14 f., 54; Ossenbühl, JZ 2003, S. 1066
<1067>; Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 51 Rn. B 131, B 133, B 135; ders., ZG 2001, S. 50 <57 f.>;
Studenroth, DÖV 1995, S. 525 <529>; vgl. auch Konzak, DVBl 1994, S. 1107 <1111>). Das Parlament kann nach der
bisherigen Praxis beliebig mit förmlichem Gesetz ändernd in einen Verordnungstext eingreifen und dabei nicht nur
Regelungen ändern, die mit dem Anliegen des Änderungsgesetzes im Zusammenhang stehen, sondern die
Gelegenheit auch zu Änderungen wahrnehmen, die es aus anderen Gründen für zweckmäßig hält. Eine derartige
Abgrenzung mit der Folge, dass gegen Regelungen in ein und derselben Norm der Rechtsschutz gegen bestimmte
Regelungen einfach und schnell eröffnet ist, gegen andere hingegen von der Aussetzung und Vorlage nach Art. 100
Abs. 1 GG abhängt, erweist sich als im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG nicht sachgerecht (vgl. BVerfGE 70, 35 <56 f.>).
209
Die praktischen Probleme werden in der Äußerung der Bundesregierung im vorliegenden Verfahren offenkundig, die
den Rechtsschutz als "etwas zweifelhaft" ansieht und sowohl die verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle als auch
die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht als verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Möglichkeiten
anbietet.
210
cc) Die aufgezeigten Schwierigkeiten vermeidet nur eine Lösung, die einerseits der geänderten Verordnung einen
einheitlichen Rang zuweist und andererseits sicherstellt, dass der Gesetzgeber von dieser Praxis nur in den
generellen Grenzen einer Verordnungsermächtigung Gebrauch macht. Ändert das Parlament wegen des sachlichen
Zusammenhangs eines Reformvorhabens bestehende Verordnungen oder fügt in diese neue Regelungen ein, so ist
das dadurch entstandene Normgebilde aus Gründen der Normenklarheit insgesamt als Verordnung zu qualifizieren.
211
c) Im Hinblick auf den Grundsatz der Formenstrenge der Rechtssetzung und auf das Prinzip der Rechtssicherheit ist
eine Änderung der Verordnung durch den Gesetzgeber nur unter folgenden Voraussetzungen möglich:
212
aa) Dem parlamentarischen Gesetzgeber steht bei der Rechtsetzung eine freie Formenwahl nicht zu. Die Einordnung
der Normen als förmliche Gesetze oder als Verordnungen allein nach ihrem Rang sichert eine klare Zuordnung von
Kompetenzen und Verantwortung und bezieht ihre Notwendigkeit daher sowohl aus dem Rechtsstaats- als auch aus
dem Demokratieprinzip. Die Durchbrechung dieses Grundsatzes durch die Bestimmung einer vom Parlament
erlassenen Norm zur Verordnung kann nur hingenommen werden, wenn es sich um eine Anpassung im Rahmen einer
Änderung eines Sachbereichs durch den Gesetzgeber handelt (vgl. Hans Schneider, Gesetzgebung, Rn. 664 a.E.).
Die Änderung einer Verordnung durch den parlamentarischen Gesetzgeber unabhängig von sonstigen
gesetzgeberischen Maßnahmen ist unzulässig.
213
bb) Auch wenn der parlamentarische Gesetzgeber Verordnungsrecht ändert, ist er an das Verfahren nach Art. 76 ff.
GG gebunden. Der Umstand, dass die Verordnung in ihrer durch Gesetz geänderten Fassung insgesamt als
Verordnungsrecht zu qualifizieren ist, ändert nichts daran, dass für das Zustandekommen des ändernden Gesetzes
die grundgesetzlichen Regeln über die Gesetzgebung anzuwenden sind. Eine Verordnungsänderung in einem anderen
Verfahren, etwa durch schlichten Parlamentsbeschluss, kommt nicht in Betracht. Das folgt schon aus dem
sachlichen Zusammenhang zwischen der Gesetzes- und der Verordnungsänderung, der Voraussetzung für die
Zulässigkeit der parlamentarischen Verordnungsänderung ist. Befasst sich der parlamentarische Gesetzgeber mit
einem Änderungsvorhaben, das sowohl Gesetzes- als auch Verordnungsänderungen umfasst, dann müssen
Beratung, Beschlussfassung und Beteiligungsrechte der verschiedenen Organe einheitlich beurteilt werden können.
Eine Aufteilung in verschiedene Verfahrensarten spräche gerade gegen die Notwendigkeit einer gleichzeitigen
Änderung des Gesetzes- und des Verordnungsrechts.
214
cc) Der parlamentarische Gesetzgeber ist bei der Änderung einer Verordnung an die Grenzen der
Ermächtigungsgrundlage (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) gebunden (vgl. auch Hans Schneider, a.a.O., Rn. 664). Das ist
zwingende Folge des Ziels, rechtsstaatswidrige Mischgebilde aus förmlichem Gesetzes- und Verordnungsrecht zu
vermeiden. Die einheitliche Einordnung des Normengefüges als Verordnung auch nach ändernden Eingriffen des
parlamentarischen Gesetzgebers dient der Rechtsmittelklarheit und der Effizienz des Rechtsschutzes gegen jede
einzelne Norm. Gleichviel, ob die Verordnung als Ganzes oder einzelne ihrer Teile angegriffen werden und ob ihre
Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht im Verfahren der Normenkontrolle oder als Vorfrage der Prüfung einer
Normanwendung zu beurteilen ist, dürfen weder die Wahl des zutreffenden Rechtsweges noch die Prüfungskompetenz
des angerufenen Gerichts oder der anzuwendende Prüfungsmaßstab davon abhängen, ob Änderungen im
parlamentarischen Verfahren vorgenommen wurden. Die Verordnung und alle ihre Teile stehen zur Überprüfung durch
jedes damit befasste Gericht, gegebenenfalls auch im Verfahren nach § 47 VwGO. Die Prüfung ist umfassend und
erstreckt sich nicht nur auf die Einhaltung der Ermächtigungsgrundlage; sie kann zur Beanstandung der Verordnung
durch das befasste Gericht selbst führen. Art. 100 Abs. 1 GG ist nicht anwendbar; eine Vorlage an das
Bundesverfassungsgericht ist unzulässig.
215
dd) Wird im Gesetzgebungsverfahren eine Verordnung geändert, so ist die Zustimmungsbedürftigkeit des
betreffenden Gesetzes auch insoweit am Maßstab der für förmliche Gesetze geltenden Normen zu beurteilen, nicht
nach Art. 80 Abs. 2 GG. Es gilt auch hier (vgl. bereits oben unter I. 3. c), dass Art. 80 Abs. 2 GG angesichts seines
den Schutzzweck der Norm überschießenden Zustimmungserfordernisses nicht über seinen Wortlaut hinaus
ausgedehnt werden kann.
216
Die von Art. 80 Abs. 2 GG bezweckte Fortsetzung des Schutzes der grundsätzlichen Verwaltungszuständigkeit der
Länder kann im Verfahren der förmlichen Gesetzgebung unabhängig von Art. 80 Abs. 2 GG anhand der Einzelheiten
des jeweiligen Regelungsvorhabens am Maßstab des Art. 84 Abs. 1 GG geprüft werden. Nur wenn die im
Gesetzgebungsverfahren bewirkte Verordnungsänderung einen der zustimmungsauslösenden Tatbestände des Art. 84
Abs. 1 GG erfüllt, ist die Mitwirkungsbefugnis des Bundesrates gerechtfertigt.
217
ee) Die im Verfahren förmlicher Gesetzgebung in eine Verordnung eingefügten Teile stehen der abermaligen
Änderung durch die Exekutive offen, die dabei allein an die Ermächtigungsgrundlage gebunden ist. Dies folgt daraus,
dass es sich bei diesem Recht im Ergebnis um Recht im Range einer Verordnung handelt. Die Ermächtigung der
Exekutive, den betreffenden Gegenstand selbst zu regeln, wird durch den Gesetzgeber nicht aufgehoben oder
ausgesetzt. Es bedarf deshalb weder einer Herabstufung der durch die Änderung eingefügten Verordnungsteile (so
Hans Schneider, a.a.O., Rn. 663 f.; Conradi, NVwZ 1994, S. 977; Külpmann, NJW 2002, S. 3436 <3438 f.>; Sendler,
NJW 2001, S. 2859 <2860>; DVBl 2005, S. 423) noch einer besonderen, weiteren Ermächtigung der Exekutive, diese
Teile erneut zu ändern (so BayVGH, NJW 2001, S. 2905 <2906>; BMJ, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 2. Aufl.,
1999, Rn. 705; Uhle, DVBl 2004, S. 1272 <1275>). Die so genannte Entsteinerungsklausel hat insoweit nur
klarstellende Bedeutung.
218
3. Nach diesen Maßstäben ist Art. 4 BSSichG verfassungsgemäß.
219
a) Art. 4 BSSichG bedurfte nach Art. 84 Abs. 1 GG nicht der Zustimmung des Bundesrates.
220
Art. 4 Nr. 1 BSSichG betrifft nicht das Verwaltungsverfahren, sondern die Vorgabe eines bestimmten Ziels des
Verwaltungshandelns, nämlich eine Bedingung, unter der trotz des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität eine
Gesamtbetragsüberschreitung erlaubt sein soll. Dem Art. 4 Nr. 2 BSSichG ist eine Regelungsqualität nicht zu
entnehmen.
221
Art. 4 Nr. 3 BSSichG betrifft das Verwaltungsverfahren. Die Vorschrift verweist die Fragen der
Gesamtbetragsüberschreitung wegen der Finanzierung von Disease-Management-Programmen, wegen
Tariferhöhungen und wegen Verbesserungen der Arbeitszeitbedingungen in die Pflegesatzverhandlungen. Dies ist
allerdings keine konstitutive Regelung, sondern eine bloß klarstellende Wiederholung dessen, was ohnehin schon galt
(so auch die Entwurfsverfasser: BTDrucks 15/28, S. 18), und löst daher kein Zustimmungserfordernis aus (s.o. C I. 3.
a) cc)). Nach den § 18 KHG, §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1, 13 Abs. 1, 17 BPflV unterliegen alle Bestandteile der
Vergütung der Krankenhausleistungen den Pflegesatzvereinbarungen, die bei Scheitern der Verhandlungen durch eine
Entscheidung der Schiedsstelle (§ 18 a KHG, § 19 BPflV) ersetzt werden, soweit dies nicht durch § 19 Abs. 3 BPflV
ausgeschlossen ist. Diese Regelung des Verfahrens der Krankenkassen wird durch den neuen § 6 Abs. 1 Satz 6
BPflV weder ergänzend noch einschränkend berührt.
222
b) Die Bundespflegesatzverordnung ist im Zusammenhang mit anderen gesetzgeberischen Maßnahmen geändert
worden.
223
Das Beitragssatzsicherungsgesetz beinhaltet nicht nur die Änderung der Bundespflegesatzverordnung, sondern
enthält weitere Gesetze, die der Stabilisierung der Beitragssätze in den gesetzlichen Sozialversicherungssystemen
dienen. Die Bundespflegesatzverordnung wird im Zusammenhang mit weiteren gesetzgeberischen Maßnahmen
geändert, die zu Einnahmesteigerungen und Ausgabenbegrenzungen oder Ausgabenkürzungen im Gesundheitswesen
führen sollen.
224
c) Die Änderungen der Bundespflegesatzverordnung in Art. 4 BSSichG halten sich auch in den Grenzen der
Ermächtigungsgrundlage (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG).
225
Die Verordnungsermächtigung zur Regelung der Pflegesätze (§ 16 Satz 1 Nr. 1 KHG) umfasst auch Maßnahmen zur
Sicherung der Beitragssatzstabilität. § 17 Abs. 1 Satz 3 KHG wiederholt diese Verpflichtung gegenüber dem
Verordnungsgeber ausdrücklich. Regelungen über die Höhe des Gesamtbetrages der Vergütungen für
Krankenhausleistungen, über die Begrenzung dieses Gesamtbetrages und über die Durchbrechung der Begrenzung im
Interesse der Erhaltung und Fortentwicklung des Versorgungsstandards erlässt der Verordnungsgeber im Rahmen des
durch den Grundsatz der Beitragssatzstabilität näher beschriebenen Rechtssetzungsauftrages.
226
Dass sich das dazu in § 3 und § 6 BPflV entwickelte Instrumentarium einer Gesamtbetragsbegrenzung und
ausnahmsweise zugelassener Überschreitungen des Gesamtbetrages innerhalb des Rahmens der Ermächtigung und
der mit ihr verbundenen Inhalts-, Zweck- und Ausmaßbestimmung hält, ist für frühere Fassungen des § 6 BPflV nicht
bezweifelt worden. Auch das Hinzufügen der weiteren Ausnahme durch Art. 4 BSSichG (§ 6 Abs. 1 Satz 4 Nr. 6
BPflV) begegnet keinen Bedenken.
III.
227
Das Gesetz ist auch im Übrigen materiell verfassungsgemäß.
228
1. Durch die Bestimmungen des Beitragssatzsicherungsgesetzes werden Grundrechte nicht verletzt. Die
Rabattvorschriften, Preissenkungen und Nullrunden (Art. 1 Nrn. 7 und 8, Art. 5, Art. 6, Art. 11 BSSichG) sind mit
Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Die Antragstellerinnen selbst gehen von der Verfassungsmäßigkeit der einzelnen
Regelungen aus; ihre Annahme, diese führten insgesamt zu einer "additiven" Grundrechtsbeeinträchtigung, kann nicht
bestätigt werden.
bestätigt werden.
229
a) Durch die genannten Regelungen werden die Preise für die künftigen (vgl. daher zu Art. 14 GG: BVerfGE 68, 193
<222 f.>) Leistungen und Lieferungen der betroffenen Unternehmen weiteren Reglementierungen unterworfen. Für
keine
der
bezeichneten
Unternehmergruppen
war
die
Preisbildung
vor
Inkrafttreten
des
Beitragssatzsicherungsgesetzes frei. Für den Arzneimittelhandel ist das bereits ausgeführt worden (vgl. A. III. 1. a).
Für die Vergütungen der Ärzte und der Zahntechniker ist auf § 85 Abs. 2 und 4 sowie auf § 88 Abs. 2 SGB V zu
verweisen. Dem System aus gesetzlicher Reglementierung und Vereinbarungen der Unternehmerverbände und
Krankenkassen über die Verteilung des reglementierten Gesamtbetrages hat das Beitragssatzsicherungsgesetz
Regelungen hinzugefügt, nach denen die sich aus den geltenden Vorschriften ergebenden Gesamtbeträge oder Preise
teilweise nicht erhöht, sondern teilweise gesenkt werden.
230
Art. 1 Nr. 7 BSSichG, § 130 SGB V ordnet die unbefristete Geltung eines Preisabschlages von mindestens 6 v.H.
auf Apothekenabgabepreise an, den die Apotheken den Krankenkassen gewähren müssen. Pharmazeutische
Hersteller haben einen Abschlag von 6 v.H. auf den Herstellerabgabepreis für nicht festbetragsgeregelte Arzneimittel
und für nicht der aut-idem-Regelung unterliegende Arzneimittel (Art. 1 Nr. 8 BSSichG, § 130 a SGB V), Großhändler
einen Abschlag von 3 v.H. auf den Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel (Art. 11 BSSichG)
an die Krankenkassen zu leisten. Den Hersteller- und Großhandelsabschlag erhalten die Krankenkassen von den
Apotheken, die gegenüber Herstellern und Großhändlern eine entsprechende Rückerstattung geltend machen.
231
Art. 5 BSSichG begrenzt die Ausgaben der Krankenkassen für vertragsärztliche und vertragszahnärztliche
Leistungen sowie stationäre Krankenhausleistungen für das Jahr 2003, indem die Veränderungsrate bei den
Vergütungsvereinbarungen auf Null gesetzt wird. Mit Art. 6 BSSichG werden die zwischen den Landesverbänden der
Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen mit den Innungsverbänden der Zahntechniker vereinbarten
Vergütungen (Höchstpreise) für die nach dem bundeseinheitlichen Verzeichnis abrechnungsfähigen zahntechnischen
Leistungen mit Wirkung vom 1. Januar 2003 um 5 v.H. abgesenkt.
232
Vor allem Inhaber zahntechnischer Labore, Apotheker, Arzneimittelgroßhändler und pharmazeutische Unternehmen
wenden sich gegen die gesetzlichen Regelungen des Beitragssatzsicherungsgesetzes. Sie machen im Wesentlichen
einschneidende wirtschaftliche Folgen dieses Gesetzes geltend und sehen Art. 12 GG und Art. 14 GG als verletzt an.
233
Die Antragstellerinnen beschränken sich darauf, die materielle Verfassungsgemäßheit der Regelungen für
Apotheker, pharmazeutische Großhändler und pharmazeutische Unternehmen zu erörtern. Sie lassen die Regelungen
des Beitragssatzsicherungsgesetzes außer Betracht, die zwar verfassungsrechtliche Fragen aufwürfen, bei denen
aber die spezifische Regelung im Beitragssatzsicherungsgesetz keine Erfolg versprechende Veranlassung biete, die
bisherige verfassungsrechtliche Akzeptanz dieser Regelungen nunmehr in Zweifel zu ziehen. Die Nullrunden für
ärztliche Leistungen und die Absenkung der Höchstpreise für abrechnungsfähige zahntechnische Leistungen werden
von den Antragstellerinnen nicht angegriffen.
234
b) Art. 12 Abs. 1 GG schützt die Erwerbszwecken dienende Tätigkeit und ist insoweit nach Art. 19 Abs. 3 GG auch
auf inländische juristische Personen oder andere privatrechtliche Vereinigungen anwendbar (vgl. BVerfGE 105, 252
<265>; 106, 275 <298>). Jede Preisreglementierung berührt die berufliche Betätigung, enthält also eine
Berufsausübungsregelung (vgl. BVerfGE 68, 193 <216>; 106, 275 <298>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten
Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. September 1999 - 1 BvR 264/95 u. a. -, NJW 2000, S. 1781).
235
Auch die Inanspruchnahme Privater zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe ist ein Eingriff in die freie wirtschaftliche
Betätigung im Sinne einer Berufsausübungsregel (vgl. BVerfGE 68, 155 <170 f.>; 95, 173 <187>). An diesem
Maßstab ist daher die Verpflichtung der pharmazeutischen Großhändler und der Apotheker zu messen, den
Preisabschlag zu berechnen, den die Hersteller zu gewähren haben und der den Krankenkassen zu Gute kommen soll
(Art. 1 Nr. 8 BSSichG, § 130 a Abs. 1 und 5 SGB V).
236
c) Berufsausübungsregelungen müssen durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein. Dazu gehört
die Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. BVerfGE 68, 193 <218>). Diesen
Zweck verfolgt das Beitragssatzsicherungsgesetz, das unter anderem mit den Preissenkungen zur Kostenbegrenzung
der Krankenkassen beitragen will.
237
Die Eingriffe sind geeignet und erforderlich. Die Senkung der Arzneimittelpreise und der Vergütungen ärztlicher und
zahntechnischer Leistungen können zur Ausgabenbegrenzung der Krankenkassen beitragen. Mildere Maßnahmen
sind weder von den Antragstellerinnen aufgezeigt worden noch ersichtlich. Mit dem Beitragssatzsicherungsgesetz
sind neben den hier erörterten auch noch weitere Maßnahmen zur Ausgabenbegrenzung (Kürzung des Sterbegeldes,
Begrenzung der Krankenhauskosten) ebenso ergriffen worden wie Maßnahmen zur Einnahmeverbesserung (Anhebung
der Versicherungspflichtgrenze). Nachdem der Gesetzgeber wiederum (vgl. bereits BVerfGE 68, 193 <219>)
überproportionale Ausgabensteigerungen in der Arzneimittelversorgung (BTDrucks 15/28, S. 12) und damit die
Unzulänglichkeit früherer Kostendämpfungsmaßnahmen in diesem Bereich zur Kenntnis nehmen musste, durfte er
eine weitere Begrenzung der Arzneimittelausgaben für notwendig halten. Es entsprach seinem weiten wirtschafts- und
sozialpolitischen Gestaltungsspielraum, dass er Beitragssatzsteigerungen, mit denen Einnahmeverbesserungen
hätten erreicht werden können, unbedingt vermeiden wollte, um einen damit verbundenen Anstieg der
Lohnnebenkosten zu verhindern.
238
Auch die Beteiligung der Apotheker und Großhändler an der Abrechnung des Herstellerrabatts (§ 130 a Abs. 1 und
Abs. 5 SGB V) ist erforderlich. Ein bloßer Eingriff in die Preisgestaltung hätte nicht die gleiche Wirkung haben
können, sondern hätte die Hersteller empfindlicher getroffen. Ein bloßer Abschlag auf den vom Großhändler an den
Hersteller gezahlten Preis mit der gleichzeitigen Verpflichtung, einen gleich hohen Rabatt auf die dem Apotheker und
der Krankenkasse abverlangten Preise zu gewähren, hätte in der Handelsstufe zwischen Hersteller und Großhändler
nicht unterscheiden können zwischen Medikamenten, die auf Kosten der Krankenkassen und solchen, die ohne
Kostenübernahme der Krankenkassen, etwa an privat Krankenversicherte, verkauft werden (vgl. zur Unzumutbarkeit
einer solchen generalisierenden Regelung: Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des
Bundesverfassungsgerichts vom 1. September 1999 - 1 BvR 264/95 u. a. -, NJW 2000, S. 1781 f.).
239
Die Preisregulierungen und ihre Ausgestaltung sind den Betroffenen schließlich auch zuzumuten. Die von den
Betroffenen vorgetragenen Prognosen, das Zahntechnikerhandwerk werde nicht mehr gewinnbringend ausgeübt
werden können, der Berufsstand werde zerschlagen (vgl. BVerfGE 106, 351 <354>), mehrere tausend Apotheken
müssten wegen Unwirtschaftlichkeit geschlossen werden, so dass die Versorgungsstruktur zerschlagen werde (vgl.
BVerfGE 106, 359 <362>), und das System der Arzneimitteldistribution werde irreversible Nachteile erleiden (vgl.
BVerfGE 106, 369 <372>), haben sich nach inzwischen mehr als zweijähriger Geltung des
Beitragssatzsicherungsgesetzes, soweit ersichtlich, nicht bewahrheitet.
240
Die Abwicklungsregelungen sind auch nicht unzumutbar. Sie nutzen ein bestehendes System (§ 300 SGB V), so
dass bei der Datenerfassung, -verarbeitung und -übermittlung nur Veränderungen oder geringfügige Erweiterungen
erforderlich waren, nicht hingegen der belastendere Neuaufbau eines solchen Systems. Die Pflicht zur Beteiligung der
Großhändler und Apotheker, die von den Abschlägen auf den Herstellerabgabepreis nicht profitieren sollen, ihn aber
abzuwickeln haben, kann mit der Sach- und Verantwortungsnähe (vgl. BVerfGE 95, 173 <187>) auch der Großhändler
und Apotheker zur unverzichtbaren Aufgabe der Arzneimittelversorgung ebenso gerechtfertigt werden wie mit dem
Nutzen, den auch sie aus der Einbindung in das System der gesetzlichen Krankenversicherung erfahren (vgl.
Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. September 1999 - 1 BvR
264/95 u. a. -, NJW 2000, S. 1781 <1782>).
241
Die Antragstellerinnen selbst wenden sich nicht grundsätzlich gegen die gesetzlichen Regelungen für Apotheker,
pharmazeutische Großhändler und pharmazeutische Unternehmen. Die Erstattungs- und Abschlagspflichten der
pharmazeutischen Unternehmen (sog. Herstellerrabatte), die Abschlagspflicht der pharmazeutischen Großhändler
(sog. Großhändlerrabatte) und die Abschlagspflicht der Apotheken (sog. Apothekenrabatte) seien zwar keine materiell
verfassungswidrigen Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung. Die Unvereinbarkeit der jeweiligen Maßnahme mit
Art. 12 GG ergebe sich aber aus der formellen Verfassungswidrigkeit. Lediglich im Hinblick auf die Apotheken wird
geltend gemacht, dass durch die "additive" Gesamtbelastung der Apotheken durch alle derzeit wirkenden
Grundrechtseingriffe das Maß der rechtsstaatlich hinnehmbaren Eingriffsintensität überschritten sei. Insoweit wird
geltend gemacht, der Gesetzgeber sei bei der notwendigen Abwägung zwischen dem Gemeinwohlbelang der
finanziellen
Stabilität
der
gesetzlichen
Krankenversicherung
und
der
Eingriffsintensität
des
Beitragssatzsicherungsgesetzes in die Grundrechte der Apotheken offenbar von falschen Voraussetzungen
hinsichtlich der tatsächlichen Belastung der Apotheken ausgegangen; daher liege ein erhebliches Abwägungsdefizit
vor. Auch in materieller Hinsicht erreiche die (einseitige) Gesamtbelastung der Apotheken mit den neuen Pflichten des
Beitragssatzsicherungsgesetzes ein Ausmaß, das auch durch den Gemeinwohlbelang der finanziellen Stabilität der
gesetzlichen Krankenversicherung nicht hinreichend gerechtfertigt werden könne. Eine einseitige Belastung der
Apotheker sehen die Antragstellerinnen vor allem darin, dass die den Herstellern und Großhändlern gesetzlich
auferlegten Rabatte zu einem Großteil bei den Apotheken "abgelastet" würden; denn der Erstattungsanspruch der
Apotheken sei insoweit nicht oder nur unzureichend durchsetzbar.
242
Diese recht allgemein gehaltenen Ausführungen der Antragstellerinnen begründen nicht die Verfassungswidrigkeit
eines "additiven" Grundrechtseingriffs. Dies gilt schon im Hinblick darauf, dass die Antragstellerinnen nicht
hinreichend deutlich machen, inwieweit die gesetzlichen Regelungen der sog. Herstellerrabatte und der sog.
Großhändlerrabatte die Apotheken unmittelbar in ihrem Grundrecht aus Art. 12 GG betreffen. Soweit in diesem
Zusammenhang darauf hingewiesen wird, dass bisher freiwillig gewährte Rabatte von Herstellern oder Großhändlern
mit dem neuen Erstattungsanspruch nach dem Beitragssatzsicherungsgesetz verrechnet würden, dürfte es sich
lediglich um mittelbare Auswirkungen auf die Rechtsposition der Apotheker handeln.
243
Darüber hinaus sind die Ausführungen der Antragstellerinnen zum "additiven" Grundrechtseingriff bei den Apothekern
überwiegend nicht näher belegte Vermutungen. In ihrer Stellungnahme setzt sich die Bundesregierung ausführlich
hiermit auseinander und legt dar, dass die von den Antragstellerinnen aufgestellten Behauptungen nicht zuträfen. Die
finanziellen Auswirkungen des Beitragssatzsicherungsgesetzes könnten allenfalls geschätzt werden; Angaben zu den
Auswirkungen des finanziellen Beitrags der Handelsstufen auf das Einkommen der Apothekerinnen und Apotheker
lägen nicht vor.
244
Die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung ist in einem Sozialstaat ein überragend wichtiges
Gemeinschaftsgut. Hierzu gehört auch die Beitragsstabilität, die unabdingbare Voraussetzung für ein Fortbestehen
des gegenwärtigen Systems ist (Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, 4. Aufl., 1999, Art. 12
Rn. 180 m.w.N.). Der Gesetzgeber hat vor allem im Gesundheitswesen bei der Festlegung und Ausgestaltung
sozialpolitischer Ziele einen weiten Gestaltungsspielraum. Soweit er die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung
durch die gesetzliche Krankenversicherung zu gewährleisten sucht, muss er hierbei unterschiedliche
Gemeinwohlbelange und - zum Teil gegenläufige - Grundrechtspositionen vieler Personengruppen miteinander zum
Ausgleich bringen (vgl. BVerfGE 103, 172 <185 f.>). Wenn eine Verletzung von Art. 12 GG allein durch wirtschaftliche
Belastungen einzelner Berufsgruppen im Zusammenhang mit Maßnahmen der Kostendämpfung zur Sicherung der
Beitragsstabilität geltend gemacht wird, lässt sich auch eine Überschreitung des gesetzgeberischen
Gestaltungsspielraums erst dann feststellen, wenn die Beeinträchtigung der Berufsfreiheit hinreichend substantiiert ist
und belegt werden kann. Solange die Prognosen des Gesetzgebers lediglich durch Vermutungen und Behauptungen
der wirtschaftlich Betroffenen in Frage gestellt werden, kann das Bundesverfassungsgericht nicht eingreifen.
245
2. Die Erhöhungen der Beitragsbemessungs- und Jahresarbeitsentgeltgrenzen (Art. 1 Nr. 1, Art. 2 Nr. 4 BSSichG)
haben bislang nicht-versicherungspflichtige Arbeitnehmer mit der Folge der Beitragspflicht in die gesetzliche Kranken-
oder Rentenversicherung einbezogen und deren Arbeitgeber mit der Zahlung des Arbeitgeberanteils an den Beiträgen
belastet.
246
Diese Festlegung auf eine bestimmte Form der Kranken- oder Altersvorsorge ist an Art. 2 Abs. 1 GG zu messen;
sie ist mit diesem Grundrecht vereinbar. Die Einbeziehung bislang Nicht-Versicherungspflichtiger in die sozialen
Sicherungssysteme hat in vergleichbaren Konstellationen der Prüfung am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GG
standgehalten (vgl. BVerfGE 29, 221 <235 f.>; 29, 245 <254>; 29, 260 <267 f.>; 103, 197 <221 ff.>; 103, 271
<286 ff.>; vgl. auch BVerfGE 102, 68 <89 f.>). Durchgreifende Bedenken gegen die jetzt normierte Abgrenzung
zwischen der Pflichtmitgliedschaft in den sozialen Sicherungssystemen und der Möglichkeit zu selbst gewählter
Vorsorge nach Maßgabe der sozialen Schutzbedürftigkeit und des Ziels, die Leistungsfähigkeit der sozialen
Sicherungssysteme zu erhalten, sind in Bezug auf die Erforderlichkeit der Regelungen nach den durch die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten Maßstäben nicht ersichtlich.
247
3. § 130 a Abs. 1 und Abs. 2 SGB V (Art. 1 Nr. 8 BSSichG) ist mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar.
248
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie rügt insoweit eine Grundrechtsverletzung, weil der geregelte
Abschlag im Ergebnis einer Sonderabgabe gleichkomme, ohne dass die für solche außersteuerlichen
Geldleistungspflichten erforderlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen sämtlich erfüllt wären (vgl. Kube/Palm/Seiler,
NJW 2003, S. 927 ff.). Entscheidend für die Prüfung an den finanzverfassungsrechtlichen Maßstäben seien die
abgabenähnliche Wirkung der Quersubventionierung und deren staatlich veranlasste Finanzierungswirkung. Der
zentrale Grundtatbestand der staatlichen Einnahme erfordere sowohl eine private Belastungswirkung als auch eine
hoheitlich zurechenbare, öffentliche Aufkommenswirkung. Diese Voraussetzungen seien bei Quersubventionierungen
gegeben, die zielgerichtet und zwangsweise durchsetzbar auf private Mittel zugreifen, um sie privaten Dritten
zuzuwenden. Die Mittelabschöpfung und -vergabe zur Verfolgung von Gemeinwohlzwecken umgehe allein technisch
den finanzverfassungsrechtlich angelegten Weg über die haushaltsrechtliche Verbuchung; die Haushaltsflüchtigkeit
erreiche mit ihnen eine neue Dimension (Kube/Palm/Seiler, NJW 2003, S. 929 f.).
249
Die Maßstäbe, die das Bundesverfassungsgericht für die Auferlegung nichtsteuerlicher Abgaben entwickelt hat, sind
nicht auf staatliche Preisreglementierungen wie Mindestvergütungen oder Zwangsrabatte anwendbar. Sinn und Zweck
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Sonderabgaben ist es, eine Umgehung der
Finanzverfassung in den Fällen zu verhindern, in denen der Gesetzgeber unter Rückgriff auf seine Kompetenzen aus
Art. 70 ff. GG den Bürger jenseits der finanzverfassungsrechtlichen Verteilungsregeln mit nichtsteuerlichen Abgaben
belegt (vgl. BVerfGE 110, 370 <387 f.> m.w.N.). Die Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen und der
Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans (Art. 110 Abs. 1 GG) sollen gewährleistet bleiben.
Preisinterventionen des Staates wirken sich demgegenüber nur im Bereich privatautonom vereinbarter
Leistungsbeziehungen aus; der Schutzzweck der Rechtsprechung zu den Sonderabgaben greift hier nicht ein. In den
Fällen, in denen der Gesetzgeber auf eine Abgabepflicht und entsprechende Finanzierungsinstrumente verzichtet, ist
nicht die Finanzverfassung der entscheidende Prüfungsmaßstab. Es genügt vielmehr, wenn die entsprechenden
Preisinterventionen den übrigen formellen und materiellen Voraussetzungen des Grundgesetzes entsprechen. Der
Bürger ist insoweit hinreichend durch die Grundrechte aus Art. 14, aus Art. 12 und gegebenenfalls aus Art. 2 GG
geschützt.
Hassemer
Jentsch
Broß
Osterloh
Di Fabio
Mellinghoff
Lübbe-Wolff
Gerhardt
Abweichende Meinung
der Richterin Osterloh und des Richters Gerhardt
zum Beschluss des Zweiten Senats vom 13. September 2005
- 2 BvF 2/03 -
250
Der Entscheidung stimmen wir im Ergebnis zu, halten jedoch die Auffassung für verfehlt, dass Gesetze als "im
parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren geschaffenes Verordnungsrecht" zu beurteilen sind, soweit sie
Rechtsverordnungen ändern (C. II. der Gründe).
251
1. Staats- und Gerichtspraxis haben sich bei der Beurteilung von Rechtsverordnungen, die durch das Parlament im
Gesetzgebungsverfahren beschlossen oder geändert werden, bislang - von vereinzelten problematischen, aber auf
Besonderheiten der Regelungsmaterie zurückführbaren Ausnahmen abgesehen (vgl. BVerfGE 70, 35 mit
abweichender Meinung Steinberger; BVerwGE 117, 313) - von dem Grundsatz leiten lassen, dass die vom
Gesetzgeber erlassenen Normen Gesetze sind und es ihm verwehrt ist, Verordnungen zu erlassen (BVerfGE 22, 330
<346>). Der Rang der einzelnen Regelungen und ihre Qualifikation als Gesetz im Sinne von Art. 100 Abs. 1 GG
bestimmen sich ausschließlich und in strikt formeller Betrachtungsweise nach ihrem Urheber. Gleiches gilt für die
verfahrensrechtlichen Voraussetzungen ihres Zustandekommens. Demnach liegt ein Gesetz auch dann vor, wenn der
Gesetzgeber eine Rechtsverordnung ändert. In diesem Fall sind die Regeln über das Gesetzgebungsverfahren
einzuhalten; die Voraussetzungen für den Erlass von Rechtsverordnungen spielen keine Rolle. Der Gesetzgeber
handelt kraft seiner originären Rechtsetzungsmacht.
252
Ermächtigt der Gesetzgeber den Verordnungsgeber, die durch das Gesetz geänderten Teile der Rechtsverordnung -
inhaltlich oder auch lediglich im Rang - zu ändern ("Rückkehr zum einheitlichen Verordnungsrang"
BSSichG>; sog. Entsteinerungsklausel), wird dadurch die Geltung des Gesetzes auf den Zeitraum bis zu einer
Regelung durch Rechtsverordnung beschränkt (zur entsprechenden Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers vgl.
BVerfGE 8, 155 <170>). Abweichende rechtliche Konstruktionen sind nicht veranlasst und finden keinen Rückhalt in
der Verfassung, einem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers oder anerkannten Auslegungsmethoden. Weder wird
das Gesetz eine "logische Sekunde" nach seinem In-Kraft-Treten zur Rechtsverordnung noch erlaubt das
Grundgesetz dem Gesetzgeber, seinem Normsetzungsakt einen anderen Rang als den des Gesetzes zuzuweisen;
insoweit begrenzt namentlich Art. 100 Abs. 1 GG die legislative Gestaltungsmacht.
253
Allerdings bewirkt die in Rede stehende Gesetzgebungstechnik, dass sich unter der Bezeichnung
"Rechtsverordnung" auch, unter Umständen sogar überwiegend Regelungen mit Gesetzesrang finden. Dies mag das
rechtsästhetische Empfinden verletzen, für die Rechtsanwendung ist es unschädlich. Soweit es auf den Rang
einzelner Bestimmungen ankommt, kann er in aller Regel ohne Weiteres den Verkündungsblättern entnommen
werden. Etwaige Zweifel sind durch Auslegung zu klären. Werden durch das Gesetz lediglich Satzteile oder
Einzelbegriffe einer Verordnungsbestimmung inhaltlich überformt, ist in der Regel davon auszugehen, dass der
Gesetzgeber den Sachzusammenhang der betroffenen Vorschrift im Auge hatte und regeln wollte, so dass die zur
Sachregelung gehörigen, abgrenzbaren Bestandteile des Verordnungstextes Gesetzesqualität haben. Der
Rechtsanwender steht hier vor keiner anderen Aufgabe als etwa bei der Qualifikation einer Norm als vor- oder
nachkonstitutionell, als Bundes- oder Landesrecht, als für einen Zeitabschnitt gültig oder nicht. Aus der mehr als 50
Jahre andauernden Praxis ist kein Fall belegt, in dem diese Aufgabe nicht bewältigt worden wäre. Sollte das
Nebeneinander von Gesetzes- und Verordnungsrecht in einem Text jemals unbehebbare und entscheidungserhebliche
Zweifel am Gehalt oder Rang einer Bestimmung auslösen, ist das Gesetz, auf das diese Unklarheit zurückzuführen
ist, unbestimmt und verfassungswidrig.
254
2. Die Gesichtspunkte, derentwegen die Senatsmehrheit von diesem Konzept abweicht, überzeugen nicht.
255
a) Aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Normenklarheit folgen nach bisheriger Rechtsprechung Anforderungen
an den Inhalt einer Norm, der hinreichend bestimmt und widerspruchsfrei sein muss (vgl. etwa BVerfGE 14, 13 <16>;
17, 306 <314>; 21, 73 <79>; 38, 61 <82>; 52, 1 <41>; 52, 283 <302>; 59, 104 <114>; 62, 169 <183>; 108, 52
<74 f.>; 108, 169 <181 f.>). Die Notwendigkeit der Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift nimmt ihr nicht die
hinreichende Bestimmtheit (BVerfGE 45, 400 <420>; 63, 312 <323 f.>; 83, 130 <145>; 86, 288 <311>; 93, 213
<238>; 102, 254 <337>; 108, 1 <20 f.>; 110, 33 <56 f.>).
256
Der Senat erstreckt den Grundsatz der Normenklarheit auf die Kennzeichnung und den Rang einer Norm. In
Konkretisierung dieses Grundsatzes nimmt er an, der Rechtscharakter der einzelnen Normteile müsse ohne
erheblichen Aufwand ermittelbar sein und dies sei bei durch Gesetz geänderten Rechtsverordnungen wegen der
irreführenden Bezeichnung des Normbestandes als Rechtsverordnung und des notwendigen Rückgriffs auf die
Verkündungsblätter zur Ermittlung des Rangs der einzelnen Bestimmungen generell nicht der Fall. Damit erfährt der
Grundsatz der Normenklarheit eine nicht mehr an seinem Zweck und an greifbaren Rechtstatsachen orientierte
Verabsolutierung, die für die Rechtsentwicklung kaum absehbare Folgen haben kann.
257
Die Normunterworfenen sind in gleicher Weise an Gesetzes- wie an Verordnungsrecht gebunden (vgl. BVerfGE 18,
52 <59>; 19, 17 <29>). Für sie sind - anders als der Norminhalt und eine voraussehbare Normanwendung (vgl.
BVerfGE 108, 52 <75>; 110, 33 <61 ff.>) - Bezeichnung und Rang einer Rechtsvorschrift in aller Regel ohne
Bedeutung. Die Normenhierarchie spielt erst bei Zweifeln an der Gültigkeit der Norm eine Rolle. Dass in diesem
Stadium ein gewisser Aufwand - einschließlich professioneller Unterstützung - zu betreiben ist, um die Rechtslage
präzise zu ermitteln, genügt nicht, die von der Senatsmehrheit festgestellte Rechtsstaatswidrigkeit zu begründen.
Dies gilt umso mehr, als der von der Senatsmehrheit angestrebte, namentlich im schillernden Begriff der
Normenwahrheit angelegte Purismus bereits in ihrem eigenen Ansatz verfehlt wird, hält doch das eine
Rechtsverordnung ändernde Gesetz nicht, was es nach Überschrift und Einleitung verspricht, nämlich (ausschließlich)
Regelungen mit Gesetzesrang zu enthalten.
258
b) Rechtsstaatliche Bedenken gegen ein Nebeneinander von Regelungen mit Gesetzes- und solchen mit
Verordnungsrang in einer Rechtsverordnung lassen sich nicht daraus ableiten, dass Rechtsverordnungen durch jedes
Gericht als ungültig verworfen werden können, während dies in Bezug auf Gesetze dem Bundesverfassungsgericht
vorbehalten ist (Art. 100 Abs. 1 GG).
259
Zweifelhaft erscheint bereits, inwiefern, wie die Senatsmehrheit meint, das Postulat der Rechtsmittelklarheit
betroffen ist. Dieses verpflichtet den Gesetzgeber, dem Rechtssuchenden in klarer Abgrenzung den Weg zur
Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen zu weisen (vgl. BVerfGE 49, 148 <164>; 87, 48 <65>). Diese Pflicht wird
durch die Verteilung der Normverwerfungskompetenzen, also eine innerprozessuale Zuständigkeitsfrage, erkennbar
nicht berührt. Ferner besteht, was das Prozessrecht anbelangt, keine Unklarheit. Wenn die Senatsmehrheit gleichwohl
die Rechtsmittelklarheit für gefährdet hält, so kann sie sich nur auf mögliche Schwierigkeiten der Rechtsanwendung
beziehen. Damit allerdings droht, dass das genannte Postulat jegliche Kontur verliert. Dieser grundsätzlichen Frage ist
indes nicht weiter nachzugehen, weil das Postulat der Rechtsmittelklarheit auch in dem von der Senatsmehrheit
verwendeten weiten Sinne nicht verletzt wird.
260
Die Prämisse des Senats, dass ein und dieselbe Norm nicht verschiedenen, von ihrem Rang abhängigen
Verwerfungskompetenzen unterliegen kann, trifft zwar zu, führt aber nicht weiter. Gegenstand der inzidenten
Normenkontrolle ist nicht die normtechnische Einheit, also der gesamte Verordnungstext, sondern die konkret
erhebliche Regelung. Deren Rang lässt sich, wie dargelegt, den Verkündungsblättern entnehmen und, wenn nötig,
durch Auslegung ermitteln. Handelt es sich um Verordnungsrecht, hat der Richter zu prüfen, ob die für ungültig
gehaltenen Bestimmungen sachlich untrennbar mit Normen im Gesetzesrang verbunden sind. Ist dies der Fall, ist für
den gesamten Regelungskomplex das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG durchzuführen. Gleiches gilt, wenn
Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen zwar nicht untrennbar verbunden sind, gegen sie aber ein gemeinsamer
Angriffspunkt vorgetragen wird, der eine einheitliche Überprüfung gebietet; dies wird der Fall sein, wenn die
Ermächtigungsgrundlage mit dem Ziel einer bestimmten Änderung der Rechtsverordnung geändert wird (unten 3.b).
Ein etwaiges Problem liegt also nicht im Nebeneinander von Bestimmungen unterschiedlichen Rangs in einem
Textkörper, sondern in der allgemeinen Frage des notwendigen (sachlichen) Zusammenhangs bzw. der Teilbarkeit von
Regelungen, zu deren Beantwortung auf reichlich vorhandene Judikatur zurückgegriffen werden kann (vgl. zum
Ganzen BVerfGE 75, 166 <176 f.>; 87, 114 <134 f.>). Aus diesem Grunde gehen auch die von der Senatsmehrheit im
Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG geäußerten Bedenken fehl.
261
Die von der Senatsmehrheit gefundene Lösung trägt zudem zur Rechtssicherheit praktisch nicht bei, eher ist das
Gegenteil zu erwarten.
262
Die Senatsmehrheit geht davon aus, dass das Parlament bestehende Rechtsverordnungen "wegen des sachlichen
Zusammenhangs eines Reformvorhabens" ändert. In einem solchen Fall kommt indes die isolierte Verwerfung des
Verordnungsrechts durch die Fachgerichte, soll das "Reformvorhaben" nicht zum Torso werden, regelmäßig nicht in
Betracht, denn der Gesetzgeber schnürt in den fraglichen Fällen (etwa bei der Umsetzung von EU-Richtlinien) häufig
ein Gesamtpaket, das - jedenfalls nach seiner Vorstellung - sachlich untrennbar ist (vgl. zur Gesamtnichtigkeit, wenn
Vorschriften im Rahmen einer Gesamtregelung untrennbar miteinander verbunden sind: BVerfGE 8, 274 <301>; 26,
246 <258>; 48, 127 <177>; 61, 149 <206 f.>). Ungeachtet des Rangs des geänderten Verordnungsrechts wird die
vom Senat erstrebte einheitliche Verwerfungskompetenz in Bezug auf die Rechtsverordnung mithin in vielen Fällen
nicht erreicht.
263
Überdies können Gerichte nicht nur die Gültigkeit von Normen, sondern auch ihre Trennbarkeit von einem
Regelungskomplex unterschiedlich beurteilen. Handelte es sich bei den durch Gesetz geänderten
Verordnungsbestimmungen um Gesetze, blieben divergierende Auffassungen in dieser Frage ohne Belang, da in
jedem Fall die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen ist. Die Vorlage
eines Gerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG eröffnet zudem anderen Rechtsanwendern die Möglichkeit zu
verfahrensökonomischer, die Entscheidung im Einzelfall offen haltender Vorgehensweise. Nach dem Konzept der
Senatsmehrheit ist dies anders. Die dadurch ermöglichte Verwerfung von Verordnungsteilen des "Reformvorhabens"
durch Fachgerichte hat - ungeachtet der grundsätzlich auf die Parteien beschränkten Reichweite gerichtlicher
Entscheidungen - höheres Gewicht als eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG. Die Fachgerichte treffen abschließende
Sachentscheidungen und haben insbesondere keine Alternativen zur inzidenten Nichtigerklärung der Norm, wie sie
dem Bundesverfassungsgericht - etwa in Gestalt der Unvereinbarerklärung - zur Verfügung stehen. Der entstehenden
Rechtsunsicherheit, die bereits durch eine bloß temporäre Rechtszersplitterung eintritt, könnte zwar mit dem
Instrument des Normbestätigungsverfahrens (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG) begegnet werden.
Indes ist nicht zu erkennen, weshalb dieser - wohl voraussetzungsbedingt nur selten benutzte - Weg zu einer
verfassungsgerichtlichen Klärung der prinzipiellen Eröffnung der konkreten Normenkontrolle vorzuziehen sein sollte.
264
3. Die Senatsmehrheit setzt an die Stelle des von ihr für rechtsstaatswidrig erachteten allein quantitativen
Mischgebildes - Nebeneinander von Gesetzes- und Verordnungsrecht in einem Textkörper - ein qualitatives
Mischgebilde, nämlich einen im Gesetzgebungsverfahren unter zusätzlicher Beachtung des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG
zustande gekommenen Rechtssatz, der in seinen Wirkungen als Rechtsverordnung behandelt wird. Ob diese
Neuschöpfung zur Rechtsklarheit, die auf eine konsistente und verständliche Rechtsquellenlehre angewiesen ist,
beiträgt, muss bezweifelt werden. Dies kann indes auf sich beruhen, weil bereits die vom Senat formulierten
Voraussetzungen für den Erlass von parlamentarisch verabschiedetem Verordnungsrecht gegen seine Konstruktion
sprechen.
265
a) Die Voraussetzung, es müsse sich um eine Anpassung im Rahmen einer Änderung eines Sachbereichs handeln,
so dass die Änderung einer Verordnung durch den parlamentarischen Gesetzgeber unabhängig von sonstigen
gesetzgeberischen Maßnahmen unzulässig sei, mag wenig anspruchsvoll sein. Sie birgt angesichts der
Vielgestaltigkeit der Aufgaben der Normgebung gleichwohl beachtliches Konfliktpotential und ist der Rechtssicherheit
abträglich. Die bereits anderweit zu beobachtende und zu missbilligende Tendenz, die Kompetenzen des
Gesetzgebers anhand materieller Kriterien zu begrenzen (vgl. BVerfGE 111, 226 <274, 278 f. - abw. M.>), setzt sich
hier fort.
266
b) Die Bindung des Gesetzgebers an Inhalt, Zweck und Ausmaß der gesetzlichen Verordnungsermächtigung (Art. 80
Abs. 1 Satz 2 GG) begründet die Senatsmehrheit ausschließlich mit der Notwendigkeit, den Gerichten einen
einheitlichen Prüfungsmaßstab für die Kontrolle der geänderten Rechtsverordnung zur Verfügung zu stellen. Sinn und
Zweck des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG bleiben - anders als bei Art. 80 Abs. 2 GG - außer Betracht. Die Erwägung, der
Gesetzgeber habe sich, indem er auf Verordnungsebene agiere, seiner originären Gestaltungsfreiheit begeben, kann
nicht überzeugen. Diese besteht selbstverständlich fort, und die Ansicht der Senatsmehrheit zwingt dem Gesetzgeber
lediglich formalistischen Leerlauf auf. Besteht beim Gesetzgeber Unsicherheit, ob eine beabsichtigte
Verordnungsänderung von der bestehenden Ermächtigung gedeckt ist, hat er diese nunmehr in einem ersten Schritt
neu zu fassen und in einem zweiten die Rechtsverordnung entsprechend zu ändern. Vorsichtige Entwurfsverfasser
werden diesen Weg nicht selten beschreiten, auch um für den Fall inzidenter Normenkontrollen die Weichen in
Richtung auf eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG zu stellen. Will der Gesetzgeber eine Verordnungsbestimmung
über die bisherige Ermächtigung hinaus in einem Punkt so regeln, dass der Verordnungsgeber diesen nicht rückgängig
machen kann, hat er zusätzlich zu den genannten zwei Maßnahmen noch zu bestimmen, dass die - ausschließlich an
ihn selbst gerichtete - Ermächtigung mit ihrer Wahrnehmung endet. Ein rechtsstaatlicher Gewinn - auch für die
gerichtliche Normenkontrolle - im Vergleich zu einem schlichten, die Ermächtigungsgrundlage unverändert lassenden
Gesetzesbefehl ist nicht zu erkennen. Insgesamt trägt der Senat dazu bei, dass das Recht noch unübersichtlicher
wird.
267
Dass der Senat den Gesetzgeber nicht auch dem Zitiergebot (Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG) unterworfen hat, ist
inkonsequent.
268
4. Wir stimmen der Entscheidung auch insoweit nicht zu, als die Änderung der Bundespflegesatzverordnung durch
Art. 4 BSSichG vorbehaltlos an den vom Senat neu entwickelten Maßstäben gemessen wird. Aus Gründen der
Rechtssicherheit kann die Nichtbeachtung der nunmehr aufgestellten Anforderungen an die Änderung von
Rechtsverordnungen durch den Gesetzgeber nur bei Gesetzen zur Nichtigkeit führen, die nach dem Zeitpunkt dieser
Entscheidung beschlossen werden (vgl. Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2005 -
1 BvR 668/04 - NJW 2005, S. 2603 <2604 f.>).
Osterloh
Gerhardt