Urteil des BVerfG vom 18.02.2009

BVerfG: grundsteuer, verfassungsbeschwerde, leistungsfähigkeit, papier, gemeinde, familie, stadt, belastung, gewerbesteuer, steuerrecht

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1334/07 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
1. der Frau L...,
2. des Herrn L...
- Bevollmächtigter zu 1.:
Rechtsanwalt Peter Leuchtenberg,
Alte Rather Straße 89, 47802 Krefeld -
1. unmittelbar gegen
a) den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25.
April 2007 - 14 A 661/06 -,
b) das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 23. Januar 2006 - 25 K 2643/05 -,
c) den Widerspruchsbescheid der Stadt Krefeld vom 25. Mai 2005 - 21/10 ms -
d) den Grundsteuer-Bescheid der Stadt Krefeld vom 24. Januar 2005 - Kassenzeichen:
01113181.6/0100 -,
2. mittelbar gegen
das Grundsteuergesetz 1973 (BGBl I S. 965), zuletzt geändert durch Art. 29 des Gesetzes
vom 21. Juni 2005 (BGBl I S. 1818), insbesondere gegen §§ 27, 25, 1, 2, 33, 34 des
Grundsteuergesetzes
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Papier
und die Richter Eichberger,
Masing
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 18. Februar 2009 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer.
I.
2
Die Beschwerdeführer, Eltern dreier Kinder, werden für ihr selbst genutztes Hausgrundstück zur Zahlung von
Grundsteuer herangezogen. Der von der beklagten Kommune des Ausgangsverfahrens erlassene
Grundsteuerbescheid für das Jahr 2005 beruht auf dem zuvor ergangenen Einheitswertbescheid und dem
Grundsteuermessbescheid des Finanzamts, die von den Beschwerdeführern nicht mit Erfolg angefochten wurden.
Widerspruch und Anfechtungsklage der Beschwerdeführer gegen den Grundsteuerbescheid blieben ohne Erfolg. Den
Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht als unbegründet ab. Es könne dahinstehen, ob
die Verfassungswidrigkeit der Grundsteuer überhaupt im Verfahren gegen den Grundsteuerbescheid geltend gemacht
werden könne oder dieser Einwand nicht vielmehr gegen die Grundlagenbescheide vorzubringen gewesen wäre.
Jedenfalls liege die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht vor. Die Grundsteuer
verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes sei davon
auszugehen, dass aus dem Vermögensteuerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts keine Schlussfolgerungen zur
Verfassungswidrigkeit der Grundsteuer zu ziehen seien.
II.
3
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihres Rechts aus Art. 3 Abs. 1 GG.
4
Im Vermögensteuerbeschluss habe das Bundesverfassungsgericht Art. 3 Abs. 1 GG den Grundsatz entnommen,
dass die Bürger je nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung der Staatsaufgaben herangezogen
würden. Dieser Grundsatz werde durch die Grundsteuer verletzt, weil sie die Bürger unabhängig von ihrer jeweiligen
Leistungsfähigkeit erfasse. Eine fünfköpfige Familie werde genauso wie kinderlose Personen herangezogen. Der
besondere Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) fordere insoweit aber eine Ungleichbehandlung. Im Übrigen
habe das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Gesetzgeber die wirtschaftliche Grundlage persönlicher
Lebensführung von einer Sollertragsteuer ausnehmen müsse. Dieser Grundsatz werde insbesondere bei Mietern
verletzt, auf die die Grundsteuer durch die Vermieter abgewälzt werde. Aus der Abwälzung der Grundsteuer auf die
Mieter folge auch insoweit eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG, als Wohnen zur Miete von der Umsatzsteuer befreit
sei. Es sei gleichheitswidrig, dass diese „Vorgabe" des Umsatzsteuerrechts durch das Grundsteuerrecht nicht
„aufgenommen" werde. Ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss sei zudem darin zu erblicken, dass
bewegliche Vermögenswerte - wie Segelyachten oder Wertpapiere - nicht besteuert würden. Zudem lägen erhebliche
Wertverzerrungen vor. So würden altersbedingte Wertunterschiede von Immobilien nicht berücksichtigt. Ein 1964
errichtetes und seitdem nur notdürftig instand gehaltenes Haus werde mit demselben Vervielfältiger angesetzt wie ein
im Jahr 2002 errichteter Neubau. Die Einheitsbewertung verstoße gegen den Gleichheitssatz, weil das Ausbleiben
turnusmäßiger Anpassungen der Einheitswerte zu erheblichen Wertverzerrungen geführt habe, so dass die
Gleichmäßigkeit der Besteuerung in Frage gestellt sei. Der Gesetzgeber müsse Wertverschiebungen innerhalb des
Grundvermögens berücksichtigen. Aus § 33 GrStG folge zudem, dass das Realsteuerprinzip bei der Grundsteuer
durchbrochen werde, weswegen gegen den Grundsatz der Folgerichtigkeit verstoßen werde, wenn die in § 33 GrStG
gewährte Steuervergünstigung im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG nicht auf Familien erstreckt
werde. Schließlich widerspreche die Grundsteuer mit ihrer Brutto-Bemessungsgrundlage dem steuerlichen Nettoprinzip
und verstoße auch insoweit gegen den Gleichheitssatz, weil Belastungen der Immobilie keine Berücksichtigung
fänden. Die Grundsteuer könne daher auch nicht aufgrund ihrer ausdrücklichen Erwähnung als Verteilungsnorm in
Art. 106 GG als verfassungsgemäß eingestuft werden.
III.
5
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a
Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche
Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung des als verletzt gerügten Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG
angezeigt.
6
Die Erhebung der Grundsteuer entspricht jedenfalls dem Grunde nach und in ihrer wesentlichen Struktur der
Verfassung, wie sich bereits aus der mehrfachen ausdrücklichen Erwähnung der Grundsteuer in den Bestimmungen
des Grundgesetzes über die Ertragshoheit der Finanzmonopole und Steuern in Art. 106 Abs. 6 GG ergibt (vgl. die
entsprechende Argumentation zur Gewerbesteuer in BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 15. Januar 2008 - 1
BvL 2/04 -, NVwZ 2008, S. 1102 <1103 f.>). Das steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts, das sich in der Vergangenheit mehrfach - teils unmittelbar (vgl. BVerfGE 10, 372), teils
inzident (vgl. BVerfGE 3, 407 <437>; 26, 1 <13>; 41, 269 <281, 288 f.>; 46, 224 <237>; 49, 343 <355 ff.>; 65, 325
<353>; 86, 148 <225>) - mit der Grundsteuer befasst hat, ohne dabei verfassungsrechtliche Zweifel an der
Grundsteuer als solcher zu äußern.
7
Soweit sich die Beschwerdeführer gegen bestimmte Modalitäten der Bestimmung und Festsetzung der Grundsteuer
wenden, können sie damit im Rahmen der allein gegen den Grundsteuerbescheid und die ihn bestätigenden
Gerichtsentscheidungen erhobenen Verfassungsbeschwerde in dem Umfang nicht gehört werden, als diese Rügen auf
Feststellungen und Festlegungen zielen, die bereits in den vorangegangenen von ihnen nicht mit Erfolg angegriffenen
Grundlagenbescheiden des Finanzamts erfolgt sind. Dies gilt vor allem für die Angriffe gegen Mängel im System der
Grundstücksbewertung, die nach Auffassung der Beschwerdeführer zu einer gleichheitswidrigen Belastung der
Grundstückseigentümer führt (zur Kritik an den Wertverzerrungen bei der Einheitsbewertung vgl. Drosdzol, DStZ 1999,
S. 831 <832>; ders., in: DStZ, 2001, S. 689 <691>; Dötsch, in: Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, Stand Januar
2007, BewG Einf. Rn. 110; Thöne, in: Lange, Reform der Gemeindesteuern, 2006, S. 173 <175 f.>; Seer, in:
Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Aufl. 2005, § 13 Rn. 210; Kühnold/Stöckel, NWB 2007, S. 3873 ff. <3878 ff.>; Balke,
ZSteu 2005, S. 322 andererseits aber auch Bundesfinanzhof, Urteil vom 2. Februar 2005 - II R 36/03 -, BFHE 209,
138). Denn im Rahmen des Erlasses des Grundsteuerbescheides ist die Gemeinde an den Inhalt der
Grundlagenbescheide gebunden (§ 13 Abs. 1, § 15, § 16 Abs. 1, § 25 Abs. 1 GrStG i. V. m. § 182 Abs. 1, § 184 Abs.
1 AO). Sie hat folglich hinsichtlich des Inhalts des durch das Finanzamt erlassenen Einheitswertbescheides und des
Grundsteuermessbescheides weder eine Prüfungspflicht noch ein Prüfungsrecht. Die Gemeinde errechnet lediglich die
konkrete Steuerschuld durch Anwendung des für das Gemeindegebiet geltenden Steuerhebesatzes auf den im
Steuermessbescheid ausgewiesenen Messbetrag (§ 25 Abs. 1, § 27 Abs. 1 GrStG). Danach kann offen bleiben, ob
die von den Beschwerdeführern vorgebrachten Rügen zur Verfassungsmäßigkeit des Einheitswertverfahrens
Einwendungen gegen den Einheitswertbescheid oder den Grundsteuermessbescheid betreffen. Denn jedenfalls die
Grundstücksbewertung ist durch die Grundlagenbescheide abschließend entschieden.
8
Ob die Einwände der Beschwerdeführer gegen die Nichtberücksichtigung ihrer familiären Verhältnisse und damit ihrer
persönlichen Leistungsfähigkeit ebenso bereits die Grundlagenbescheide berührende Fragen betreffen, bedarf hier
gleichfalls keiner Entscheidung. Es ist dem Charakter der Grundsteuer als Objektsteuer geschuldet und daher als
solches verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass sie grundsätzlich ohne Rücksicht auf die persönlichen
Verhältnisse des Grundbesitzers erhoben wird (vgl. BVerfGE 46, 224 <237>; 65, 325 <353>).
9
Verfehlt ist die Berufung der Beschwerdeführer auf die Umsatzsteuerbefreiung der Grundstücksvermietung (§ 4
Nr. 12 Buchstabe a UStG). Die Grundsteuer soll den Grundbesitz besteuern und ist nicht auf Abwälzung auf den
Wohnungsmieter hin angelegt, unabhängig von der privatrechtlichen Zulässigkeit dieses Vorgangs. Schon deshalb
können aus der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Wohnraummiete keine Rückschlüsse auf die
verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Erhebung von Grundsteuer von mit Wohnraum vermietetem Grundbesitz
gezogen werden.
10
An einer den Anforderungen von § 23 Abs. 2 Satz 1, § 92 BVerfGG genügenden Begründung fehlt es der
Verfassungsbeschwerde bereits, soweit sie die Erhebung der Grundsteuer unter Berufung auf die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1995 zum sogenannten Halbteilungsgrundsatz (vgl. BVerfGE 93, 121
<136 ff.>) angreift. Die Beschwerdeführer erkennen zwar, dass der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts
zwischenzeitlich festgestellt hat, dass sich den Ausführungen jenes Beschlusses vom 22. Juni 1995 keine
Belastungsobergrenze entnehmen lässt, die unabhängig von der dort streitgegenständlichen Steuerart der
Vermögensteuer Geltung beanspruchen könnte (vgl. BVerfGE 115, 97 <108>). Sie lassen jedoch jegliche
substantiierte Ausführung dazu vermissen, weshalb insoweit anderes für die Grundsteuer gelten sollte und
insbesondere dass die in jenem Beschluss umschriebene Belastungsobergrenze bei der Grundsteuer im
Zusammentreffen mit anderen Ertragsteuern strukturell oder jedenfalls in ihrem Fall generell überschritten würde.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
12
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier
Eichberger
Masing