Urteil des BVerfG vom 12.03.1991

BVerfG: verfassungskonforme auslegung, gutachter, wiederbeschaffungswert, sammlung, grundstück, verkehrswert, ertragswert, belastung, erwerbspreis, betrug

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Gericht:
FG Berlin 3. Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
1997
Aktenzeichen:
3 K 3078/00
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 146 Abs 6 BewG 1991, § 9
BewG 1991, § 148 Abs 1 S 2
BewG 1991, § 12 Abs 3 ErbStG
1997, Art 3 Abs 1 GG
Grundstückswert für Erbbaurechtsgrundstücke ehemaliger
Reichsheimstätten
Tatbestand
Der Klägerin wurde von ihrer Großmutter A.... das aufgrund des Erbbau-
Heimstättenvertrages vom 5. Dezember 1940 in Verbindung mit dem Erbbau-
Heimstättenänderungsvertrag vom 12. März 1991 (wegen des Inhalts wird auf Bl. 93 ff.
der Streitakte Bezug genommen) an dem Grundstück L....-weg .. in 1.... Berlin bestellte
Erbbaurecht mit notariellem Schenkungsvertrag zum 14.10.1997 übertragen. Das
Grundstück ist 1.231 m² groß.
Vorliegend ist die Höhe des Grundstückswertes dieses Erbbaurechts streitig.
Der Beklagte erließ als Grundlage für die Schenkungsteuerfestsetzung am 23.
Dezember 1998 einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des
Grundstückswertes zum 14. Oktober 1997. Darin stellte er einen Grundstückswert von
496.000 DM fest, wobei er den Mindestwert gemäß § 146 Abs. 6 Bewertungsgesetz –
BewG- zugrundelegte. Dieser betrug 541.640 DM (1.231 m² x 550 DM/m² abzügl. 20 v.
H.). Außerdem berücksichtigte er das Erbbaurecht in Form eines Abzugs von 45.198 DM
(2.430 DM x 18,6), sodass ein Grundstückswert in Höhe von 496.442 DM, abgerundet
496.000 DM verblieb.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin fristgemäß Einspruch ein. Diesen begründete
sie damit, dass die Festsetzung der Steuer auf der Grundlage von § 148 Abs. 1 BewG
verfassungswidrig sei, da der steuerliche Zugriff auf das vorhandene Vermögen mehr als
50 v. H. betrage. Die Anwendung des § 148 BewG habe vorliegend zur Folge, dass sie als
Enkelkind mit 44.000 DM eine Erbschaftsteuer zu zahlen habe, welche den
Wiederbeschaffungswert des Erbbaurechts in Höhe von 48.000 DM nahezu erreiche.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssten kleinere Vermögen
insoweit völlig steuerfrei bleiben. Der grundgesetzlich geschützte Bereich des Erbrechtes
werde daher ausgehöhlt. Weiter führte sie aus, bei den durchweg mit kleinen
Doppelhaushälften bebauten Grundstücken sei als Mindestwert der Bodenwert zu
veranschlagen, also 80 v. H. des Bodenrichtwertes. Dieser liege per 1. Januar 1996 bei
den meisten Siedlungen bei 650 DM/m². Bei einer Parzelle in einer Größe von z. B. 850
m² betrage somit der Bodenwert 442.000 DM, bei größeren Parzellen von z. B. 1.200 m²
sogar 624.000 DM. Der jährliche Erbbauzins betrage bei den bereits verlängerten
Erbbaurechtsverträgen für die ersten 330 m² 4 v. H. von 150 DM/m² und für die
Restfläche 1 v. H. von 50 DM/m². Bei einer Parzelle von 850 m² ergebe sich ein jährlicher
Erbbauzins von 2.240 DM und bei einer Größe von 1.200 m² ein solcher von 2.415 DM.
Bei den Altverträgen betrage der jährliche Erbbauzins sogar nur ca. 350 bis 500 DM.
Damit ergebe der 18,6fache Betrag bei verlängerten Verträgen ca. 41.664 DM bis
44.919 DM, bei Altverträgen nur 5.580 DM bis 9.300 DM. Der Bodenrichtwert als
Bemessungsgrundlage werde daher bei der Ermittlung gemäß § 148 Abs. 1 BewG kaum
reduziert. Die vom Land Berlin als Grundstückseigentümer vorgegebenen vertraglichen
Bestimmungen sähen vor, dass der Erbbauberechtigte das Erbbaurecht nur an sozial
minderbemittelte Bevölkerungsschichten veräußern dürfe. Dabei dürfe der Siedler das
Erbbaurecht nur zum sog. Wiederbeschaffungswert veräußern, andernfalls mache das
Land Berlin als Grundstückseigentümer von seinem vertraglich eingeräumten
Vorkaufsrecht Gebrauch. Der Wiederbeschaffungswert werde regelmäßig mit ca. 80.000
bis 130.000 DM ermittelt. Einfachere Gebäude würden üblicherweise mit ca. 40.000 bis
50.000 DM bewertet. Die Anwendung von § 148 BewG habe demnach immer noch zur
Folge, dass ein Enkelkind ohne weiteres eine Erbschaftsteuer zu zahlen habe. Bei
Geschwistern oder Eltern werde bereits bei normaler durchschnittlicher Größe und
Ausstattung eine Erbschaft- oder Schenkungsteuer von mehr als der Hälfte des
Wiederbeschaffungswertes erreicht und die Steuer übersteige bei einfacheren Gebäuden
teilweise den Wiederbeschaffungswert. Bei der Auslegung gemäß Gesetzeswortlaut führe
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teilweise den Wiederbeschaffungswert. Bei der Auslegung gemäß Gesetzeswortlaut führe
die Anwendung von § 148 Abs. 1 BewG dazu, dass kleinere Vermögen bei
Steuerpflichtigen der Steuerklasse I der Erbschaftsteuer unterworfen würden. Dies sei
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unzulässig. Dieses habe
ferner klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass selbst bei größten Vermögen der
steuerliche Zugriff bei höchstens 50 v. H. liegen dürfe. Da bei Heimstätten, also wahrlich
kleineren Vermögen, der Zugriff meist bei mehr als 50 v. H., teilweise immer noch bei
über 100 v. H. liege, sei die Verfassungswidrigkeit offensichtlich.
Im Rahmen der im Übrigen zurückweisenden Einspruchsentscheidung änderte der
Beklagte den Grundstückswert auf 136.000 DM, da der Mindestwert bei der Bewertung
der Erbbaugrundstücke ehemaliger Reichsheimstätten auf Grund einer besonderen
Regelung der Oberfinanzdirektion Berlin nunmehr anders zu ermitteln sei. Für die ersten
330 m² der Fläche des Grundstücks (Bauland) werde der maßgebliche Bodenrichtwert
aus dem Richtwertatlas des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in Berlin zum
31. Dezember 1995 angesetzt, die restliche Fläche (Gartenland) werde mit 50 DM/m²
bewertet. Dementsprechend ergebe sich unter Berücksichtigung eines Abschlags von 20
v. H. ein Mindestwert in Höhe von 181.240 DM. Nach Berücksichtigung des Erbbaurechts
in Form eines Abzugs von 45.198 DM verbleibe ein Grundstückswert in Höhe von
136.042 DM, abgerundet 136.000 DM. Im übrigen führte der Beklagte aus, zur Frage der
behaupteten Verfassungswidrigkeit der bestehenden gesetzlichen Regelungen keine
Entscheidung fällen zu können, da dies letztendlich dem Bundesverfassungsgericht
obliege. Der über die Änderung des Mindestwerts hinausgehende Einspruch könne daher
keinen Erfolg haben.
Im nachfolgenden Klageverfahren rügt die Klägerin weiterhin die Verfassungswidrigkeit
der genannten bewertungsrechtlichen Regelungen. Auch durch die nunmehrige
Berechnungsmethode, bei der für die ersten 330 m² der Bodenrichtwert per 1. Januar
1996 und für die darüber hinausgehende Fläche ein Betrag von 50 DM/m² zu Grunde
gelegt werde, werde das grundgesetzlich geschützte Erbrecht nicht gewährleistet. Das
Bundesverfassungsgericht habe bereits in seiner Grundsatzentscheidung vom 22. Juni
1995 (2 BvR 552/91) ausgeführt, dass für sog. „kleinere Vermögen“ gemäß Art. 14 Abs.
1 S. 1 des Grundgesetzes –GG- keine Erbschaftsteuer anfallen dürfe. Vorliegend seien
vor allem die besonderen Bedingungen des betroffenen Erbbaurechts zu
berücksichtigen. Es unterliege der Sozialbindung gemäß dem Zweiten
Wohnungsbaugesetz -II. WoBauG- und sei nur an einkommensschwache und nicht
vermögende Personen ausgegeben worden. Das Land Berlin habe den Erbbauzins aus
sozialen Gründen sehr niedrig gehalten. Die Veräußerung des Erbbaurechts sei an
bestimmte Bedingungen gebunden wie die Zustimmung des Landes Berlin als
Grundstückseigentümer. Sie sei zudem nur an Familienangehörige oder Personen mit
niedrigem Einkommen möglich. Es handele sich hier um eine kleine Doppelhaushälfte,
die in den dreißiger Jahren in einfachster Ausführung erbaut worden sei. Der Wert liege
bei 48.000 DM.
Zur Begründung dieses Wertes beruft sie sich auf die „Wertfeststellung“ des
Sachverständigen für bebaute und unbebaute Grundstücke Dipl. Betriebswirt B..... vom
4. August 1997, der den Verkaufs-/Erwerbspreis der Erbbauheimstätte zum
Wertermittlungsstichtag 29. Juli 1997 in dieser Höhe geschätzt hatte. Das Gutachten war
zum damaligen Zeitpunkt von der Großmutter der Klägerin in Auftrag gegeben worden.
Der Gutachter wendet das Sachwertverfahren an und ermittelt danach einen Wert des
Siedlungshauses (Doppelhaushälfte) von 49.805,40 DM. Nach Berücksichtigung eines
Marktanpassungsfaktors von 0,970 eines Wertes für Erschließung von 2.350 DM, eines
Wertes für Aufwuchs von 514 DM, eines Wertes für sonstige Außenanlagen von 3.650 DM
sowie einer Wertminderung wegen sonstiger wertbeeinflussender Umstände von 1.500
DM errechnet er nach Abzug von 10 v. H. für die Bindung als Kleinsiedlung wegen
eingeschränkter Verwertbarkeit einen Verkaufs-/Erwerbspreis von 47.992,50 DM, also
rund 48.000 DM. Einen Bodenwertanteil des Erbbaurechtes setzt er bei dieser
Berechnung nicht an. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gutachtens
(Blatt 40 bis 56 der Streitakte) Bezug genommen. Die Klägerin hat ferner eine
ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen B..... vom 21. April
2006 eingereicht. In dieser errechnet er einen Bodenwertanteil von 47.000 €. Dabei legt
er eine Restlaufzeit des Erbbaurechts von 76 Jahren, einen vorläufigen Bodenwert von
185.000 €, einen vereinbarten Erbbauzins am Stichtag von 1.242,69 €, einen
angemessenen Zinssatz i. H. v. 5 v. H. und einen Wertfaktor von 0,3 zugrunde. Zum
Wertfaktor führt er aus, dieser sei abhängig von der Gewichtung der vertraglichen
Bindungen des Erbbauberechtigten. Er liege üblicherweise zwischen 0,3 und 0,8 und sei
umso kleiner, je größer die Einschränkungen für den Erbbauberechtigten seien. Zum
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umso kleiner, je größer die Einschränkungen für den Erbbauberechtigten seien. Zum
errechneten Bodenwert führt der Gutachter aus, dieser lasse sich seiner Meinung nach
wegen der vertraglichen Bindungen im Erbbaurechtsvertrag nicht realisieren. Wegen der
Einzelheiten wird auf die genannte Stellungnahme (s. Heftung) Bezug genommen.
Damit stelle der Gutachter - so die Klägerin - in seinem Gutachten erneut fest, dass der
Bodenwert rein virtuell sei und sich vom Erbbauberechtigten in keinem Falle realisieren
lasse; demnach sei er nicht zu bewerten.
Sie trägt außerdem vor, der Bundesfinanzhof –BFH- (II R 45/01, 5. Mai 2004) habe in
zutreffender Weise entschieden, dass § 148 BewG nicht unumstößliches Gesetz sei,
sondern verfassungsgemäß auszulegen sei. Demnach dürfe eine Überbewertung in
ausschließlicher Abhängigkeit von der Höhe des Erbbauzinses nicht erfolgen, weil § 148
BewG keine Korrekturmöglichkeit vorsehe. Das Übermaßverbot sei in
verfassungswidriger Weise verletzt, wenn die Folgen einer schematisierenden Belastung
extrem über das normale Maß hinausgingen, das der Schematisierung zugrunde liege.
Demnach sei eine verfassungskonforme Auslegung nach § 148 BewG dahin möglich und
auch geboten, entsprechend §§ 145, 146, 147 BewG den Nachweis des niedrigeren
gemeinen Werts zuzulassen. Vorliegend liege der typisierende Wert um ein Vielfaches
höher als der reale Wert, sodass der angegriffene Steuerbescheid rechtsfehlerhaft sei
und daher aufgehoben werden müsse.
Die Klägerin vertritt ferner die Auffassung, dass eine Gleichbehandlung der
Erbbauberechtigten mit den Realeigentümern erforderlich sei, sodass die gesetzlichen
Vorschriften, die letzteren den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes
ermöglichten, analog angewandt werden müssten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, abweichend von dem Bescheid vom 23. Dezember
1998 über die gesonderte Feststellung des Grundstückswertes in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2000 den Grundstückswert zum 14. Oktober
1997 auf 48.000 DM festzustellen, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf die Ungleichbehandlung
von Realberechtigten und Erbbauberechtigten und wegen Verstoßes gegen Art. 14 GG
einzuholen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes (Verkehrswertes) sei zwar
für das Erbbaurecht nicht vorgesehen, dies schließe jedoch bei der Ermittlung des
Gesamtwertes nicht aus, dass für diesen ein niedrigerer Verkehrswert nachgewiesen
werden könne. Eine Änderung des Feststellungsbescheides aufgrund des vorgelegten
Wertgutachtens werde jedoch abgelehnt, weil dieses bezüglich eines Bodenwertanteils
am Erbbaurecht nicht den rechtlichen Vorgaben der Wertermittlungsverordnung (WertV)
und den Wertermittlungsrichtlinien (WertR) genüge. Danach sei stets zu prüfen, ob bei
einer Verkehrswertermittlung eines Erbbaurechts auch ein Bodenwertanteil anzusetzen
sei. Dies sei immer dann der Fall, wenn der vertragliche Erbbauzins niedriger sei als der
angemessene. Die Klägerin habe selbst vorgetragen, das Land Berlin berechne derzeit
für die ersten 330 m² 4 v. H. von 150 DM/qm und für die Restfläche 1 v. H. von 50 DM.
Selbst wenn man dieser Aufteilung folge, sei für die Prüfung des üblichen Erbbauzinses
zumindest für die ersten 330 m² der zum 31. Dezember 1997 ausgewiesene
Bodenrichtwert von 480 DM/m² heranzuziehen. Aber auch bei Berücksichtigung des
Bodenrichtwertes vom 31. Dezember 1998 von 350 DM/m² ergebe sich ein
Bodenwertanteil für das Erbbaurecht, da der vom Land berechnete Erbbauzins nicht
dem üblichen Erbbauzins, der sich am Bodenrichtwert orientieren müsse, entspreche.
Dem Gericht haben die vom Beklagten für die Klägerin unter der Steuernummer
740/6061 geführte Einheitswert- und Grundsteuerakte sowie die Beiakte - Bedarfswert -
vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Beklagte hat den Grundstückswert zum 14. Oktober 1997 zu Recht unter
Berücksichtigung des Mindestwertes festgestellt, wobei allerdings der angesetzte
vereinbarte Erbbauzins vom vertraglich vereinbarten Zins abweicht.
Der Wert eines Erbbaurechtes ergibt sich gemäß § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG aus dem
Unterschied zwischen dem nach den §§ 146 bis 149 BewG ermittelten Steuerwert des
gesamten Grundstücks und dem 18,6fachen des im Besteuerungszeitpunkt zu
zahlenden Erbbauzinses (Wert des belasteten Grund und Bodens). Bei einem bebauten
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zahlenden Erbbauzinses (Wert des belasteten Grund und Bodens). Bei einem bebauten
Grundstück - wie hier - richtet sich die Ermittlung des Gesamtwertes nach §§ 146 bzw.
147 BewG (vgl. auch R 183 Abs. 1 Erbschaftsteuer-Richtlinien –ErbStR-).
Der Beklagte hat auf der Grundlage einer üblichen Miete von 18.350 DM und einer
Alterswertminderung von 25 v. H. (Maximalwert) unter Beachtung der Regelung des §
146 Abs. 2 bis 5 BewG einen Ertragswert in Höhe von 68.804 DM ermittelt. Diesem hat
er den gemäß § 145 Abs. 3 BewG ermittelten Mindestwert in Höhe von 181.240 DM
gegenübergestellt. Der angesetzte Wert von 550 DM/m² entspricht dabei dem vom
Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Berlin auf den 31.12.1995 festgestellten
Bodenrichtwert. Da dieser Mindestwert den Ertragswert übersteigt, ist er gemäß § 146
Abs. 6 BewG maßgeblich. Von diesem Wert ist gemäß § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG das
18,6fache des vereinbarten jährlichen Erbbauzinses abzuziehen, wobei gemäß § 148
Abs. 1 BewG der Zins zum Besteuerungszeitpunkt maßgeblich ist. Gemäß Vertrag
betrug der Erbbauzins bis 31. März 1998, also auch zum Besteuerungszeitpunkt,
1.890,39 DM/Jahr. (Der vom Beklagten angesetzte Wert galt ab 1. Januar 1999.) Von
dem Mindestwert in Höhe von 181.240 DM ist also der Betrag von 35.161 DM (1.890,39
DM x 18,6) abzuziehen, so dass sich ein Grundstückswert in Höhe von 146.079 DM,
abgerundet 146.000 DM ergibt. Im Hinblick auf das Verböserungsverbot ergeben sich
hierdurch jedoch keine Auswirkungen zu Lasten der Klägerin, es verbleibt bei dem
festgestellten Mindestwert von 136.000 DM.
Nach der Festsetzung dieses Betrages hat die Klägerin die „Wertschätzung“ des Dipl.-
Betriebswirts B..... nebst Ergänzung eingereicht. Diese führt jedoch nicht zur Festsetzung
eines niedrigeren Grundstückswertes. Nur dann wäre es in verfassungskonformer
Auslegung der einschlägigen Vorschriften zulässig, abweichend von der Regelung in §
148 Abs. 1 S. 2 BewG den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes für das
Erbbaurecht zuzulassen, wenn die Belastungsfolgen einer schematisierenden Bewertung
eines Erbbaurechts gemäß § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG gegen das Übermaßverbot
verstießen oder - anders ausgedrückt - die Folgen auch unter Berücksichtigung der
gesetzgeberischen Planvorstellungen durch den gebotenen Anlass nicht mehr
gerechtfertigt wären (vgl. BFH-Urteil vom 29. September 2004 II R 57/02,
Bundessteuerblatt –BStBl- II 2004, 1041; BFH- Urteil vom 5. Mai 2004 II R 45/01, BStBl II
2004, 1036, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFHE- 204, 570).
Eine derartige Verletzung des Übermaßverbots hat der BFH angenommen, wenn der
ermittelte Wert mehr als das Dreifache des gemeinen Wertes ausmacht (Urteil vom 5.
Mai 2004, a.a.O.). Einen solchen oder vergleichbar großen Unterschied zwischen
Verkehrswert und festgestelltem Wert hat die Klägerin nicht nachgewiesen. Dem
festgestellten Wert von 136.000 DM steht ein gemeiner Wert des Erbbaurechts von
139.924 DM gegenüber; er ist damit sogar höher.
Im Streitfall setzt sich der Wert des Erbbaurechts aus dem Gebäudewert und dem
Bodenwertanteil zusammen (48.000 DM + 91.924 DM). Hinsichtlich der Ermittlung der
Ausgangsgrößen Gebäudewert und Bodenwert folgt das Gericht dem Gutachten, da es
den rechtlichen Vorgaben der Wertermittlungsverordnung (WertV) und der
Wertermittlungs-Richtlinien (WertR) entspricht und grundsätzlich inhaltlich schlüssig ist
(vgl. hierzu Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, Stand 15. Dezember 2005, § 145 Rd. 24).
Lediglich hinsichtlich des vereinbarten Erbbauzinses zum Stichtag legt der Gutachter
einen zu hohen Wert, nämlich 2.430,50 DM (1.242,69 €) statt 1.890,39 DM zugrunde.
Dies kann jedoch angesichts des Gesamtergebnisses dahinstehen, da der Ansatz des
korrekten Erbbauzinses zu einer noch größeren Differenz zwischen vereinbartem und
angemessenem Jahreszins und damit zu einem noch höheren Bodenwert führt. Der
Beklagte hat die festgestellten Werte ebenfalls nicht beanstandet.
Entgegen der Auffassung der Klägerin muss der Bodenwertanteil in Ansatz gebracht
werden. Der Bodenwert ist bei der Bewertung eines Erbbaurechtes dann unbeachtlich,
wenn der Erbbauberechtigte einen angemessenen Erbbauzins zahlt, der der ortsüblichen
Bodenwertverzinsung entspricht. In diesem Falle entspricht der Kapitalwert des
Erbbauzinses der Belastung des Grundstücks mit dem Erbbaurecht. Der Bodenwert wird
deshalb voll dem Erbbauverpflichteten (Grundstückseigentümer) zugerechnet. Zahlt der
Erbbauberechtigte jedoch einen geringeren Zins, so hat er einen Vorteil, der bei der
Wertermittlung des Rechts berücksichtigt werden muss (vgl. hierzu
Kleiber/Simon/Weyers, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 4. Aufl. 2002, VII Rd.
131 ff., 173; 5.2.1.5 WertR 76/96, Beispiel 4 zu Nr. 5.2.3.1 WertR 76/96, Anl. 14 WertR
76/96).
Vorliegend ist der gezahlte Erbbauzins geringer als der ortsübliche; dem vereinbarten
Betrag laut Ergänzungsgutachten von 1.242,69 € (2.430,50 DM) steht nämlich ein
angemessener Jahreszins von 9.250 € (18.091 DM; 5 v. H. von 185.000 € bzw. 361.900
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angemessener Jahreszins von 9.250 € (18.091 DM; 5 v. H. von 185.000 € bzw. 361.900
DM) gegenüber. Dies ergibt sich auch aus den Berechnungen des
Ergänzungsgutachtens. Bei der Wertermittlung ist folglich ein Bodenwertanteil
anzusetzen.
Dem steht auch nicht die Bindung durch die Erbbaurechtsvereinbarung entgegen, denn
die diesbezüglichen Einschränkungen werden durch die Höhe des Wertfaktors, der hier
vom Gutachter mit dem kleinstmöglichen Wert von 0,3 angesetzt wurde, angemessen
berücksichtigt.
Da die Klägerin keinen Verstoß gegen das Übermaßverbot nachgewiesen hat, der
ermittelte gemeine Wert vielmehr den vom Beklagten festgesetzten Betrag sogar
übersteigt, kommen die von ihr vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht
zum Tragen. Mit der Rechtsprechung des BFH, wonach zur Vermeidung eines Verstoßes
gegen das Übermaßverbot bei der Bewertung eines erbbaurechtsbelasteten
Grundstücks oder eines Erbbaurechts gemäß § 148 Abs. 1 Satz 1 bzw. 2 BewG im Wege
verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift der Nachweis eines niedrigeren
gemeinen Werts zuzulassen ist, ist dem Einwand, die Vorschrift sei wegen möglicher
Überbewertungen verfassungswidrig, der Boden entzogen. Überbewertungen, die nicht
so erheblich sind, dass sie gegen das Übermaßverbot verstoßen, sind hinzunehmen (vgl.
BFH-Urteil vom 8. Juni 2005 II R 8/03 (NV), Sammlung amtlich nicht veröffentlichter
Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2005, 2170).
Soweit sich die Klägerin darauf beruft, die Rechtslage habe zur Folge, dass auch nahe
Familienangehörige für kleinere Vermögen Erbschaftsteuer zahlen müssten, wird dem
auch durch die Regelungen des Erbschaftsteuergesetzes wie die Steuerklasseneinteilung
und die Berücksichtigung von Freibeträgen Rechnung getragen. Auf das vorliegende
Verfahren bezogen ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin als Enkelin einen Freibetrag
von 100.000,- DM hat (als Kind verstorbener Kinder sogar von 400.000,- DM, sodass bei
dem festgesetzten Grundstückswert von 136.000 DM keine Steuer anfiele). Der
Steuersatz beträgt bis 100.000,- DM 7 v. H. und bis 500.000,- DM 11 v. H.. Bei einem
Wert von 136.000,- DM ergäbe sich also allenfalls eine Steuer von 2.520,- DM, sofern
kein weiteres Vermögen vorhanden ist.
Der Senat setzt das Verfahren nicht nach Art. 100 Abs. 1 GG aus. Zum einen kommt es
für die vorliegende Entscheidung nicht darauf an, ob auch einem Erbbauberechtigten
stets die Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Wertes eingeräumt
werden müsste, da dieser Wert hier den festgesetzten Grundstückswert
übersteigt. Zum anderen ist der Senat nicht davon überzeugt, dass § 148 Abs. 1 BewG
verfassungswidrig ist. Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG hat ein Gericht ein Verfahren
auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG-
einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung
ankommt, aufgrund einer Verletzung des GG für verfassungswidrig hält. Dabei muss das
Gericht nicht nur Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der entscheidungserheblichen
Norm haben, sondern von ihrer Verfassungswidrigkeit überzeugt sein (BVerfG-Beschluss
vom 7. April 1992 1 BvL 19/91, Sammlung der Entscheidungen des BVerfG –BVerfGE-
86, 52; Kammerbeschluss vom 9. Juli 2003 2 BvL 2/03, 2 BvL 4/03, Neue Juristische
Wochenschrift –NJW- 2003, 3264). Dies ist hier nicht der Fall. Der Senat hat keine
Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der genannten Vorschrift. Der im
Gesetz vorgesehenen unterschiedlichen Behandlung von Realeigentümern und
Erbbauberechtigten wird durch die von der Rechtsprechung vorgegebene
verfassungskonforme Auslegung, nach der – wie oben dargelegt – zur Vermeidung von
Verstößen gegen das Übermaßverbot unter bestimmten Voraussetzungen der Nachweis
eines niedrigeren gemeinen Wertes zuzulassen ist, ausreichend Rechnung getragen.
Auch ein Verstoß gegen Art. 14 GG ist nicht ersichtlich.
Die Revision hat das Gericht nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs.
2 Finanzgerichtsordnung –FGO- nicht vorliegen. Zu der vorliegenden Problematik sind
bereits Entscheidungen des BFH ergangen (vgl. u.a. die oben zitierten Urteile).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 -FGO-.
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