Urteil des BVerfG vom 01.12.2010

BVerfG: betriebliche einrichtung, verfassungsbeschwerde, berufsfreiheit, präsident, rechtspflege, verfügung, ausstattung, genehmigung, presse, willkürverbot

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1747/10 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Rechtsanwalts Dr. R...
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Weißleder & Ewer,
Walkerdamm 4 - 6, 24103 Kiel -
gegen
a)
den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 25. Mai 2010 - Not 19/09 -,
b)
die Verfügung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 20. November
2009 - I R 249 - SH 1 -,
c)
die Disziplinarverfügung des Präsidenten des Landgerichts Aurich vom 8. September
2009 - 7 R 12 SH 1 -
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Hohmann-Dennhardt
und die Richter Gaier,
Paulus
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 1. Dezember 2010 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I.
1
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine Disziplinarverfügung der Notaraufsicht und die hierüber
ergangenen Entscheidungen.
2
1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und Notar. Seine Tätigkeit übt der Beschwerdeführer in einer überörtlichen
Sozietät von Rechtsanwälten und Notaren aus, die Kanzleisitze in L. und in R. unterhält; beide Orte liegen im
Amtsgerichtsbezirk L. Für sein Notaramt ist dem Beschwerdeführer als Amtssitz R. zugewiesen; dort hat er seine
Geschäftsstelle und seine Anwaltskanzlei eingerichtet. Daneben bietet der Beschwerdeführer feste anwaltliche
Sprechstunden an dem weiteren Sitz der Sozietät in L. an.
3
In den Jahren 2006 und 2007 nahm der Beschwerdeführer - stets auf eigene Anregung, teilweise auch nachdem er
den Urkundsbeteiligten die Möglichkeit aufgezeigt und ihnen die Wahl überlassen hatte - jeweils etwa 15 % seiner
Beurkundungen am Sitz der Sozietät in L. vor. Zusatzgebühren gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 der Kostenordnung (KostO)
erhob der Beschwerdeführer für die auf seine Anregung in L. vorgenommenen Auswärtsbeurkundungen nicht.
4
Wegen schuldhafter Verletzung der notariellen Amtspflichten verhängte der Präsident des Landgerichts gegen den
Beschwerdeführer eine Geldbuße in Höhe von 5.000 €. Zur Begründung führte der Präsident des Landgerichts aus, der
Beschwerdeführer habe entgegen § 10 Abs. 4 Satz 1 der Bundesnotarordnung (BNotO) eine ungenehmigte zweite
Geschäftsstelle unterhalten und die Urkundsbeteiligten pflichtwidrig nicht darauf hingewiesen, dass es sich bei den in
L. vorgenommenen Beurkundungen um Auswärtsbeurkundungen handele, für die eine Auswärtsgebühr anfalle;
hierdurch habe der Beschwerdeführer den Anschein erweckt, als Notar berechtigt zu sein, zwei Geschäftsstellen zu
unterhalten. Gleichzeitig habe der Beschwerdeführer mittelbar gegen § 17 Abs. 1 BNotO, § 58 Abs. 1 KostO
verstoßen, weil er das Entstehen von Auswärtsgebühren pflichtwidrig verhindert und hierdurch seine
Gebührenerhebungspflicht umgangen habe. Durch das Anbieten auswärtiger Beurkundungen ohne Hinweis auf die
möglicherweise anfallenden Zusatzgebühren habe der Beschwerdeführer die Entstehung von Auswärtsgebühren nach
§ 58 Abs. 1 KostO verhindert. Durch sein Verhalten habe der Beschwerdeführer auch gegen § 29 Abs. 1 BNotO
verstoßen, weil er durch seine Beurkundungstätigkeit in L. in einer dem öffentlichen Amt widersprechenden Art und
Weise geworben habe. Mit den - letztlich wahllosen - Beurkundungen
außerhalb der eigenen Geschäftsstelle habe der Beschwerdeführer nach außen hin den Eindruck erweckt, anders als
andere Notare über zwei Geschäftsstellen zu verfügen und problemlos und ohne Mehrkosten an zwei Orten
Beurkundungen vornehmen zu können. Das Verhalten des Beschwerdeführers verstoße schließlich auch gegen die
allgemeinen notariellen Amtspflichten aus § 14 Abs. 1, 3 Satz 2 BNotO, weil sich der Beschwerdeführer durch seine
Beurkundungspraxis amtspflichtwidrig Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Notaren verschafft habe, die
grundsätzlich an ihrem Amtssitz beurkundeten und für Auswärtsbeurkundungen pflichtgemäß Zusatzgebühren nach
§ 58 Abs. 1 Satz 1 KostO in Rechnung stellten.
5
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers wies der Präsident des Oberlandesgerichts mit
weitgehend gleicher Begründung zurück. Ergänzend führte er dabei aus, ein Verstoß gegen § 10 Abs. 4 BNotO liege
schon dann vor, wenn der Notar in den Räumen seiner überörtlich mit ihm verbundenen Sozien ständig oder zu
bestimmten Zeiten Amtsgeschäfte vornehme und dabei zumindest in gewissem Umfang deren sachliche und
personelle Ausstattung nutze. Dies sei vorliegend der Fall gewesen.
6
Der hierauf vom Beschwerdeführer beim Notarsenat des zuständigen Oberlandesgerichts gestellte Antrag auf
gerichtliche Entscheidung blieb ohne Erfolg.
7
2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1
und Art. 12 Abs. 1 GG.
8
Zur Begründung führt er aus, die durch §§ 10, 10a, 11 und 17 BNotO gesetzten Grenzen der Zulässigkeit von
Auswärtsbeurkundungen seien unzutreffend ausgelegt und in einer nicht mehr mit Art. 12 Abs. 1 GG zu
vereinbarenden Weise zur Anwendung gebracht worden. Ein Verbot von Auswärtsbeurkundungen innerhalb des
notariellen Amtsbereichs sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weder den gesetzlichen
Regelungen zu entnehmen noch durch Gemeinwohlbelange zu rechtfertigen. In den angegriffenen Entscheidungen
werde ein Verstoß gegen das Verbot der Gebührenunterhebung konstruiert, obwohl die Voraussetzungen für eine
Gebührenerhebung überhaupt nicht vorgelegen hätten; weiter werde ihm ein Verstoß gegen das Verbot zur Last
gelegt, eine zweite Geschäftsstelle zu errichten, obwohl das Oberlandesgericht in seinem Beschluss vom 25. Mai
2010 ausdrücklich festgestellt habe, dass er an dem Sitz seiner Sozietät in L. nicht die betriebliche Ausstattung eines
notariellen Amtssitzes vorhalte. Die Tragweite seines Grundrechts auf freie Berufsausübung werde hierdurch
verkannt. Schon die Grundannahme des Oberlandesgerichts, er habe den Anschein einer zweiten Geschäftsstelle
erweckt, indem er - überhaupt nicht entstandene - Gebühren für Auswärtsbeurkundungen nicht erhoben habe, zeige,
dass das Oberlandesgericht versuche, vermeintliche, tatsächlich aber nicht bestehende Lücken der
Bundesnotarordnung in einer seine Berufsfreiheit verletzenden Weise zu schließen. Das Oberlandesgericht verstoße
nicht nur gegen das Verbot der grundrechtsbeschränkenden richterlichen Rechtsfortbildung, sondern treffe auch eine
Berufsausübungsregelung, die nicht durch Gemeinwohlbelange gedeckt sei. Auch der Wettbewerb zwischen den
Notaren seines Amtsbereichs werde durch seine Beurkundungspraxis nicht verzerrt, weil er mit den Notaren in seinem
Amtsbereich ohnehin in Konkurrenz stehe. Das Oberlandesgericht wende zudem das Kostenrecht contra legem an,
wenn es davon ausgehe, dass sich der Anschein einer weiteren Geschäftsstelle daraus ergebe, dass er keine
Auswärtsgebühren erhoben habe, die - wie das Oberlandesgericht selbst anerkenne - nach einfachem Recht nicht
hätten erhoben werden dürfen. § 17 Abs. 1 BNotO verpflichte die Notare lediglich, entstandene Gebühren zu erheben.
Dagegen seien die Notare nicht verpflichtet, Beurkundungen so zu gestalten, dass eine Auswärtsgebühr gemäß § 58
Abs. 1 Satz 1 KostO in jedem Falle entstehe. § 14 Abs. 1, 3 Satz 2 BNotO greife ebenfalls nicht ein. Seine Tätigkeit
begründe keinen Anschein der Parteilichkeit oder Abhängigkeit. Einen Anschein verbotenen Verhaltens könne seine
Tätigkeit schon deshalb nicht erwecken, weil sein Verhalten nach den gesetzlichen Voraussetzungen des § 58 Abs. 1
KostO rechtmäßig gewesen sei. Auch wettbewerbswidriges Verhalten könne ihm nicht vorgeworfen werden, weil er
sich ausschließlich im Wettbewerb mit den Notaren in seinem Amtsbereich betätigt habe und der mit §§ 10 ff. BNotO
verfolgte Gemeinwohlbelang keine Beschränkung des Wettbewerbs der Notare innerhalb des eigenen Amtsbereichs
rechtfertige.
9
Seine allgemeine Handlungsfreiheit sei aus den genannten Gründen ebenfalls verletzt. Schließlich verstießen die
angegriffenen Hoheitsakte gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG. Sie entbehrten jeder sachlichen Grundlage,
nachdem von einer faktischen zweiten Geschäftsstelle ausgegangen worden sei, obwohl auch nach Auffassung des
Oberlandesgerichts die hierfür erforderliche organisatorische, technische und betriebliche Einrichtung nicht vorgelegen
habe, und weil die Voraussetzungen für die Erhebung einer Auswärtsgebühr gemäß § 58 Abs. 1 KostO nicht erfüllt
gewesen seien. Willkürlich seien die angegriffenen Entscheidungen im Übrigen auch deshalb, weil die der
Bundesnotarordnung zugrunde liegenden Gemeinwohlerwägungen keine weiteren Einschränkungen der
Beurkundungstätigkeit innerhalb des dem Notar zugewiesenen Amtsbereichs rechtfertigen könnten.
II.
10
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a
Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist
ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine
Aussicht auf Erfolg. Für eine Verletzung von Grundrechten ist nichts ersichtlich.
11
1. Der Beschwerdeführer ist durch die gegen ihn ergangene Disziplinarverfügung und die sie bestätigenden
Entscheidungen nicht in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit verletzt. Die angegriffenen
Hoheitsakte sind angesichts der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen zumindest vertretbar und beruhen nicht auf
einer Verkennung von Bedeutung und Tragweite des Grundrechts der Berufsfreiheit.
12
a) Die Annahme, der Beschwerdeführer habe ohne Genehmigung eine zweite notarielle Geschäftsstelle in L.
unterhalten und daher gegen § 10 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz BNotO verstoßen, begegnet keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken. Nachdem der Beschwerdeführer in den Jahren 2006 und 2007 jeweils etwa 15 %
seiner Beurkundungen an dem Kanzleisitz in L. zu den Konditionen einer Beurkundung an seinem Amtssitz
vorgenommen hat, sprechen nachvollziehbare Gründe dafür, von der Einrichtung einer weiteren - ungenehmigten -
notariellen Geschäftsstelle des Beschwerdeführers in L. auszugehen. Dass eine weitere Geschäftsstelle im Sinne des
§ 10 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz BNotO nur dann unterhalten wird, wenn eine eigene organisatorische Struktur mit
Personal und sächlichen Mitteln geschaffen ist, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Weder nach dem Wortlaut
noch nach dem Zweck des Gesetzes kommt es hierauf maßgeblich an; entscheidend ist vielmehr, dass durch das
Verbot der Errichtung einer weiteren Geschäftstelle im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege sichergestellt
werden soll, dass Notare an ihren Geschäftsstellen am Amtssitz soweit wie möglich für die Rechtsuchenden
gleichmäßig zur Verfügung stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 1986 - NotZ 6/85 -, DNotZ 1987, S. 49
<51>). Hiernach kann sich das Unterhalten einer weiteren notariellen Geschäftsstelle ohne Weiteres auch aus anderen
Umständen ergeben.
13
Dass die Dienstaufsichtsbehörden und das Fachgericht im vorliegenden Fall von solchen Umständen ausgegangen
sind, ist ohne Weiteres nachvollziehbar und mithin auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Der
Beschwerdeführer hat für seine notarielle Amtstätigkeit nicht nur die Räumlichkeiten einer nicht mit seinem Amtssitz
identischen Rechtsanwalts- und Notarkanzlei wiederholt genutzt, sondern insbesondere den Rechtsuchenden solche
Auswärtsbeurkundungen auch regelmäßig angeboten. Er hat darüber hinaus diese Beurkundungen zu den Konditionen
eines Amtsgeschäfts an der Geschäftstelle vorgenommen, indem er keine Zusatzgebühren für eine notarielle Tätigkeit
außerhalb seiner Geschäftstelle gemäß § 58 Abs. 1 KostO erhoben und vereinnahmt hat. Dabei kommt es nicht
maßgeblich darauf an, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer für die außerhalb seiner notariellen
Geschäftsstelle vorgenommenen Beurkundungen keine Auswärtsgebühren verlangt hat, ob er also auf die Berechnung
entstandener Zusatzgebühren lediglich verzichtete, oder ob diese schon nicht angefallen sind, weil es an der
Voraussetzung einer Auswärtsbeurkundung „auf Verlangen“ der Rechtsuchenden (§ 58 Abs. 1 Satz 1 KostO) fehlt,
nachdem der Beschwerdeführer die Amtstätigkeit außerhalb seiner Geschäftsstelle von sich aus angeboten hatte. Es
genügt vielmehr, dass der Beschwerdeführer regelmäßig selbst in gebührenrechtlicher Hinsicht eine Situation
geschaffen hat, die der einer Amtstätigkeit in einer Geschäftsstelle entspricht.
14
Durch die angegriffenen Entscheidungen wird die Vornahme von Auswärtsbeurkundungen nicht zu Lasten des
Beschwerdeführers entgegen den gesetzlichen Regelungen in §§ 10 ff. BNotO und der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. August 2000 - 1 BvR 647/98 -,
NJW 2000, S. 3486 ff.) erschwert. Der gegenüber dem Beschwerdeführer ausgesprochenen Disziplinarmaßnahme
liegt nicht die Annahme zugrunde, dass Beurkundungen nur in der notariellen Geschäftsstelle vorgenommen werden
dürften. Vielmehr haben die Dienstaufsichtsbehörden und das Fachgericht Auswärtsbeurkundungen in den vom
Gesetz und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gesetzten Grenzen als zulässig erachtet und
lediglich mit Blick auf die Regelung in § 10 Abs. 1 Satz 4 BNotO als Dienstvergehen geahndet, dass der
Beschwerdeführer die als solche nicht beanstandeten Auswärtsbeurkundungen in einer Weise vornimmt, die dazu
führt, dass die Voraussetzungen für das Unterhalten einer weiteren - ungenehmigten - Geschäftsstelle erfüllt sind.
15
Der - zur Rechtfertigung seiner Beurkundungspraxis vorgebrachte - Einwand des Beschwerdeführers, der vom
Gesetz ermöglichte Wettbewerb zwischen den im selben Amtsbereich tätigen Notaren werde durch
Auswärtsbeurkundungen nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des
Ersten Senats vom 9. August 2000 - 1 BvR 647/98 -, NJW 2000, S. 3486 ff.), trifft nur dann zu, wenn die
konkurrierenden Notare eine Amtstätigkeit außerhalb ihrer Geschäftstellen zu den gleichen Konditionen und
Rahmenbedingungen vornehmen können. Dies ist insbesondere nicht der Fall, wenn einer der konkurrierenden Notare
sich - wie hier der Beschwerdeführer - kostenrechtliche Vorteile durch die Nichterhebung von Auswärtsgebühren
verschafft und zudem noch die organisatorischen Vorteile eines auswärtigen Kanzleisitzes nutzt.
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b) Die gegenüber dem Beschwerdeführer angeordnete Disziplinarmaßnahme begegnet auch insoweit keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken, als von einem Verstoß des Beschwerdeführers gegen die in § 17 Abs. 1 BNotO
geregelte Pflicht zur Gebührenerhebung ausgegangen worden ist. Insbesondere wurde hierbei nicht verkannt, dass
den Beschwerdeführer tatsächlich keine Pflicht zur Erhebung von Auswärtsgebühren getroffen haben mag und ihm
daher kein unmittelbarer Verstoß gegen § 17 Abs. 1 BNotO vorgeworfen werden kann. Die Hoheitsträger haben das
Verhalten des Beschwerdeführers vielmehr als nur „mittelbaren“ Verstoß gegen § 17 Abs. 1 BNotO und nur deshalb
als pflichtwidriges Verhalten angesehen, weil von ihm durch die regelmäßigen Angebote zu Beurkundungen außerhalb
seiner Geschäftstelle das Entstehen des Gebührentatbestandes des § 58 Abs. 1 KostO systematisch vereitelt
worden ist. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
17
Insbesondere werden mit dem geschilderten Verständnis der Gebührenerhebungspflicht des Notars (§ 17 Abs. 1
Satz 1 BNotO) Bedeutung und Tragweite der durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit nicht verkannt. Durch
die Verpflichtung zur Erhebung der gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren soll namentlich verhindert werden, dass es
zu einem Verdrängungswettbewerb unter den Notaren kommt. Die Vorschrift bezweckt somit die Sicherung einer
funktionsfähigen Rechtspflege, indem leistungsfähige Notariate und die Versorgung der Bevölkerung mit notariellen
Dienstleistungen gesichert werden sollen. Sie dient damit einem wichtigen Gemeinwohlbelang (vgl. BVerfGE 117, 163
<182>; 122, 190 <206>). Dieser ist aber auch dann gefährdet, wenn sich ein Notar Wettbewerbsvorteile dadurch
verschafft, dass er das Entstehen von Zusatzgebühren systematisch vereitelt und auf diese Weise den
Rechtsuchenden seine Amtstätigkeit gegen geringere Kosten anbieten kann.
18
c) Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zudem, dass auch die Annahme weiterer
Amtspflichtverletzungen, die dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Beurkundungspraxis zur Last gelegt worden sind,
keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.
19
2. Auch für eine Verletzung des Willkürverbots gemäß Art. 3 Abs. 1 GG und für eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1
GG ist nach alledem nichts ersichtlich.
20
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
21
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Hohmann-Dennhardt
Gaier
Paulus