Urteil des BVerfG vom 20.02.2001

BVerfG: gefahr im verzug, durchsuchung, unverletzlichkeit der wohnung, verfassungsbeschwerde, unbeteiligter dritter, richterliche kontrolle, unbestimmter rechtsbegriff, exekutive, ermittlungsverfahren

Entscheidungen
L e i t s ä t z e
zum Urteil des Zweiten Senats vom 20. Februar 2001
- 2 BvR 1444/00 -
1. a) Der Begriff "Gefahr im Verzug" in Art. 13 Abs. 2 GG ist eng auszulegen; die richterliche Anordnung einer
Durchsuchung ist die Regel, die nichtrichterliche die Ausnahme.
b) "Gefahr im Verzug" muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sind. Reine
Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder lediglich auf kriminalistische Alltagserfahrung gestützte,
fallunabhängige Vermutungen reichen nicht aus.
2. Gerichte und Strafverfolgungsbehörden haben im Rahmen des Möglichen tatsächliche und rechtliche
Vorkehrungen zu treffen, damit die in der Verfassung vorgesehene Regelzuständigkeit des Richters auch in der
Masse der Alltagsfälle gewahrt bleibt.
3. a) Auslegung und Anwendung des Begriffs "Gefahr im Verzug" unterliegen einer unbeschränkten gerichtlichen
Kontrolle. Die Gerichte sind allerdings gehalten, der besonderen Entscheidungssituation der nichtrichterlichen
Organe mit ihren situationsbedingten Grenzen von Erkenntnismöglichkeiten Rechnung zu tragen.
b) Eine wirksame gerichtliche Nachprüfung der Annahme von "Gefahr im Verzug" setzt voraus, dass sowohl
das Ergebnis als auch die Grundlagen der Entscheidung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der
Durchsuchungsmaßnahme in den Ermittlungsakten dargelegt werden.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1444/00 -
Verkündet
am 20. Februar 2001
Seiffge
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn W...
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt Frank-Michael Bindel,
Industriestraße 4, 47495 Rheinberg -
gegen a) den Beschluss des Landgerichts Kleve vom 19. Juli 2000 - 1 Qs 84/00 -,
b)
den Beschluss des Amtsgerichts Rheinberg vom 30. Mai 2000 - 4 Gs 83/2000 -
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Präsidentin Limbach,
Sommer,
Jentsch,
Hassemer,
Broß,
Osterloh,
Di Fabio
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. November 2000 durch
Urteil
für Recht erkannt:
1. Die Beschlüsse des Landgerichts Kleve vom 19. Juli 2000 - 1 Qs 84/00 - und des Amtsgerichts Rheinberg vom
30. Mai 2000 - 4 Gs 83/2000 - verletzen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Artikel 13 Absatz
1, Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes, soweit sie die Rechtmäßigkeit der
Durchsuchung seiner Wohnung feststellen. Insoweit werden sie aufgehoben und wird die Sache an das
Amtsgericht Rheinberg zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung
angenommen.
2. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer drei Viertel seiner notwendigen Auslagen zu
erstatten.
Gründe:
A.
I.
1
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Durchsuchung einer Wohnung wegen Gefahr im Verzug.
2
1. Der Beschwerdeführer ist Polizeibeamter. In einem Ermittlungsverfahren wegen Betäubungsmitteldelikten, das
von der Behörde des Beschwerdeführers geführt wurde, hatte der dort Beschuldigte in einer polizeilichen Vernehmung
ausgesagt, der Beschwerdeführer habe ihm am 6. März 2000 bei einem zufälligen Zusammentreffen in einer
Gaststätte verraten, sein Telefon werde überwacht. Daraufhin wurde gegen den Beschwerdeführer ein
Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Bestechlichkeit und Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses
(§§ 332, 353 b StGB) eingeleitet. In diesem Verfahren wurde der Beschuldigte im Betäubungsmittelverfahren auf
Antrag eines Oberstaatsanwalts, gestellt am 12. April 2000 um 12.15 Uhr, noch am selben Tag von 13.05 Uhr bis
13.15 Uhr vom Ermittlungsrichter am Amtsgericht als Zeuge vernommen.
3
Einen Tag später wurde die Lebensgefährtin des Beschuldigten im Betäubungsmittelverfahren, die nach dessen
Aussage bei dem Gespräch mit dem Beschwerdeführer am 6. März 2000 anwesend war, zwischen 9.20 Uhr und 10.29
Uhr als Zeugin polizeilich vernommen. Im Anschluss daran übernahm gegen 11.00 Uhr "aus Gründen der Objektivität
und Neutralität" eine andere Polizeibehörde die Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens gegen den Beschwerdeführer.
Auf ihre Anregung ordnete der Eildienststaatsanwalt am späten Vormittag telefonisch die Durchsuchung des
Arbeitsplatzes und der Wohnung, des Fahrzeugs und der Person des Beschwerdeführers wegen Gefahr im Verzug an.
Nach dem Vermerk des sachbearbeitenden Polizeibeamten nahm die Behörde an, der Beschwerdeführer sei der
Verletzung des Dienstgeheimnisses dringend verdächtig. Vorteilsannahme oder Bestechlichkeit sei "nicht
auszuschließen", weil gegen den Beschwerdeführer in der Vergangenheit schon einmal ein entsprechender Verdacht
bestanden habe. Das damalige Ermittlungsverfahren sei von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden.
4
Nachdem dem Beschwerdeführer der Vorwurf mündlich mitgeteilt worden war, wurden von 13.00 Uhr bis 13.35 Uhr
sein Dienstzimmer und von 14.00 Uhr bis 14.20 Uhr seine Wohnung durchsucht. Es wurden sechs Disketten, zwei
Terminplaner und ein Hefter Kontoauszüge beschlagnahmt. Der Beschwerdeführer erhob sofort Widerspruch.
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2. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nach Anhörung des Beschwerdeführers, dessen Antrag auf Gewährung
von Akteneinsicht von der Staatsanwaltschaft vor Auswertung der Unterlagen abgelehnt worden war, bestätigte der
Ermittlungsrichter am Amtsgericht mit Beschluss vom 30. Mai 2000 Durchsuchung und Beschlagnahme, "weil die
Maßnahmen nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen gerechtfertigt waren, um Beweismittel sicherzustellen, die
für die weitere Untersuchung von Bedeutung sein können".
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3. a) Dagegen legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein. Er trug im Wesentlichen vor, der amtsgerichtliche
Beschluss enthalte keine ausreichende Begründung und ihm, dem Beschwerdeführer, seien vor Erlass der
Entscheidung des Amtsgerichts weder Tatsachen mitgeteilt worden, auf die sich die Maßnahmen stützten, noch sei
ihm Akteneinsicht gewährt worden.
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b) Daraufhin stellte die Staatsanwaltschaft fest, die Sichtung der beschlagnahmten Unterlagen und Disketten habe
keine beweiserheblichen Hinweise ergeben. Sie gab die Gegenstände zurück und gewährte dem Verteidiger des
Beschwerdeführers Akteneinsicht.
8
c) An das Landgericht stellte die Staatsanwaltschaft den Antrag, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Der im Betäubungsmittelverfahren Beschuldigte sowie dessen Lebensgefährtin hätten ausgesagt, der
Beschwerdeführer habe sie am 6. März 2000 auf die laufende Telefonüberwachung hingewiesen. Nach diesem
Zeitpunkt hätten tatsächlich keine tatrelevanten Gespräche mehr aufgezeichnet werden können. Bei dieser Sachlage
sei die Durchsuchungsanordnung geboten gewesen, weil Gefahr im Verzug bestanden habe. Die richterliche
Bestätigung sei zu Recht ergangen. Ihre Begründung sei ausreichend. Der einfach gelagerte Sachverhalt sei dem
Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Durchsuchungsmaßnahme eröffnet worden.
9
d) Nachdem er Akteneinsicht genommen hatte, trug der Beschwerdeführer ergänzend vor, die Voraussetzungen für
die Annahme von Gefahr im Verzug hätten nicht vorgelegen. Der Akte lasse sich nicht entnehmen, aufgrund welcher
Tatsachen die Staatsanwaltschaft die Durchsuchung angeordnet habe.
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Es sei weder nach dem damaligen noch nach dem jetzigen Kenntnisstand ersichtlich, welche Beweismittel die
Durchsuchung erbringen sollte. Denn die Aussage des Beschuldigten im Betäubungsmittelverfahren - wie auch die
Aussagen der weiteren vernommenen Zeugen - habe keinen Hinweis darauf enthalten, dass er - der Beschwerdeführer
- für "seinen angeblichen Tipp" etwas bekommen habe. Dass es früher ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der
Vorteilsannahme gegen ihn gegeben habe, reiche nicht aus.
11
4. Das Landgericht verwarf die Beschwerde mit Beschluss vom 19. Juli 2000 als unbegründet. Die
Durchsuchungsanordnung sei entsprechend den Ausführungen der Staatsanwaltschaft rechtmäßig und geboten
gewesen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers, der der Sachverhaltsschilderung der Staatsanwaltschaft
nicht entgegengetreten sei, habe es Gefahr im Verzug gegeben. Sie sei anzunehmen, wenn die richterliche Anordnung
nicht eingeholt werden könne, ohne dass der Zweck der Maßnahme gefährdet werde. Ob dies der Fall sei, entscheide
der Beamte nach pflichtgemäßem Ermessen. Danach habe "im maßgebenden Zeitraum der Entscheidung über die
Anordnung der Zwangsmaßnahme (12./13. April 2000)" Anlass zu der Befürchtung bestanden, jede weitere zeitliche
Verzögerung werde zur Vernichtung von Beweismitteln führen. Aus damaliger Sicht habe man nicht ausschließen
können, der Beschwerdeführer werde in Kenntnis der Vorwürfe sensible Daten in seinem Dienst- oder Privatbesitz
schleunigst vernichten, um sie dem Zugriff der Strafverfolgungsorgane zu entziehen. Insbesondere belastende Daten
auf Disketten könnten durch einfachen Tastendruck in Sekundenschnelle gelöscht werden. Da die Einholung einer
richterlichen Anordnung zu zeitlichen Verzögerungen hätte führen können, sei es nicht ermessensfehlerhaft gewesen,
auf eine solche Anordnung zu verzichten. Eine bewusste Ausschaltung des Richters sei das nicht, zumal absehbar
gewesen sei, dass der Beschwerdeführer Widerspruch erheben und somit eine spätere richterliche Entscheidung
herbeiführen werde.
II.
12
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts.
13
Der Beschwerdeführer rügt vor allem eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1
GG. Die Gerichte hätten die verfassungsrechtliche Bedeutung des Ausnahmecharakters von Eilanordnungen
verkannt, die aufgrund von Gefahr im Verzug ergehen.
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Das Amtsgericht habe sich mit der Frage, ob hier eine Eilanordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft bestanden
habe, überhaupt nicht befasst. Auch das Landgericht habe es unterlassen, die besondere Anordnungssituation
nachzuzeichnen und zu würdigen; deshalb lasse sich seine Entscheidung nicht nachvollziehen und sei willkürlich.
Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Ermittlungsrichter seien bereits einen Tag vor der Durchsuchungsanordnung,
nämlich bei der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten im Betäubungsmittelverfahren, mit der Sache befasst
gewesen. Der Ermittlungsrichter hätte daher auf Antrag der Staatsanwaltschaft sofort einen Durchsuchungs- und
Beschlagnahmebeschluss erlassen können. Schon am Tag der Vernehmung hätte daher nicht auf eine richterliche
Anordnung verzichtet werden dürfen, erst recht aber nicht auch noch am folgenden Tag.
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Zudem habe es an einer nachvollziehbaren Darlegung der tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der mündlichen
Durchsuchungsanordnung gefehlt. Wegen seines Rechtsschutzbedürfnisses als Betroffener hätte zumindest alsbald
nach der Durchsuchung ein Aktenvermerk gefertigt werden müssen, der die tragenden Umstände der Anordnung
aufzeigt. Der von der Polizei gefertigte Aktenvermerk sage über die Anordnungssituation nichts aus.
III.
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1. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Es hält die
Verfassungsbeschwerde für unbegründet und bezieht sich dabei auf einen Bericht des Leitenden Oberstaatsanwalts in
Kleve zum zeitlichen und organisatorischen Ablauf des Ermittlungsverfahrens gegen den Beschwerdeführer.
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Zu Unrecht rüge der Beschwerdeführer, die Durchsuchung der Wohnung sei angeordnet worden, obwohl Gefahr im
Verzug nicht vorgelegen habe. Erst nach der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten im
Betäubungsmittelverfahren und nach der polizeilichen Vernehmung von dessen Lebensgefährtin habe sich genügend
Anlass ergeben, den Beschwerdeführer einer Verletzung von Dienstgeheimnissen zu verdächtigen. Zu diesem
Zeitpunkt sei aufgrund der bisherigen Ermittlungshandlungen, die ihren Ursprung in der Polizeibehörde des
Beschwerdeführers genommen hätten, zu befürchten gewesen, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine
kollegiale Nähe vom Tatverdacht Kenntnis erlangen könne. Eine richterliche Entscheidung herbeizuführen, hätte daher
die beabsichtigte Durchsuchung gefährden können. Im Übrigen habe man angesichts des Umstands, dass sich der
Beschwerdeführer und der Beschuldigte im Betäubungsmittelverfahren bereits geraume Zeit gekannt hätten und
weitere Kontakte vor der Preisgabe des Dienstgeheimnisses am 6. März 2000 nicht auszuschliessen gewesen seien,
auch vermuten dürfen, dass die Durchsuchung zu Beweismitteln führen werde.
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2. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat Stellungnahmen der Vorsitzenden des 1. und 3. Strafsenats
übermittelt.
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a) Der 1. Strafsenat unterstreicht die Bedeutung des Richtervorbehalts bei den Ermittlungsmaßnahmen nach §§ 102,
103, 105 StPO. Eine wirksame Handhabung der richterlichen Kontrolle setze hinreichende organisatorische
Vorkehrungen durch die Justizverwaltungen und die Präsidien der Gerichte voraus. Der Richtervorbehalt dürfe nicht
deshalb ins Leere laufen, weil die Ermittlungsrichter wegen anderweitiger richterlicher Aufgaben nicht erreichbar oder
aus sonstigen Gründen an einer wirksamen Kontrolle gehindert seien. "Gefahr im Verzug" sei nach dem Maßstab aus
BVerfGE 51, 97 (111) auszulegen. Für die Frage, ob man eine richterliche Entscheidung rechtzeitig erreichen könne,
komme es auf den Zeitpunkt an, zu dem die Staatsanwaltschaft oder ihre Hilfsbeamten die Durchsuchung für
erforderlich hielten. Nähmen die Strafverfolgungsorgane Gefahr im Verzug an, so sei die nichtrichterliche
Durchsuchungsanordnung - auch wenn sie mündlich ergehen könne - so zu konkretisieren, dass Zielrichtung und
Umfang des Ermittlungseingriffs feststünden. Die Anordnung sei, wenn möglich, vor, jedenfalls unmittelbar im
Anschluss an die Ermittlungsmaßnahme zu dokumentieren. Dies gelte auch für die Gründe, die zur Annahme einer
Gefahr im Verzug geführt hätten, soweit sie nicht auf der Hand lägen, wie zum Beispiel bei der Durchsuchung eines
soeben Festgenommenen. Für die Beantwortung der Frage, ob Gefahr im Verzug sei, bestehe ein gerichtlich
überprüfbarer Beurteilungsspielraum. Eine Überprüfung allein auf am Willkürmaßstab zu messende grobe Fehler sei
nicht ausreichend.
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b) Der 3. Strafsenat führt aus, Gefahr im Verzug liege nur dann vor, wenn die vorherige Einholung der richterlichen
Anordnung wegen der damit verbundenen Verzögerung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde. Der Senat
halte es für geboten, die Annahme von Gefahr im Verzug zumindest im Rahmen von § 105 Abs. 1 StPO einer
umfassenden richterlichen Kontrolle zu unterziehen. Den Ermittlungsbehörden stehe insoweit kein Ermessen zu; das
Merkmal "Gefahr im Verzug" sei ein unbestimmter Rechtsbegriff. Möglicherweise sei der Ermittlungsbehörde bei der
Feststellung der Voraussetzungen von Gefahr im Verzug ein gewisser Beurteilungsspielraum einzuräumen. Eine auf
grobe Fehler oder gar objektive Willkür beschränkte Kontrolle sei mit Art. 19 Abs. 4 GG und der Bedeutung des
Grundrechts aus Art. 13 GG nicht vereinbar.
21
Die gerichtliche Klärung des schwerwiegenden Grundrechtseingriffs würde weitgehend vereitelt, würde man das
Vorliegen von Gefahr im Verzug, also die Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft, nur darauf kontrollieren, ob
der ermittelnde Beamte die Voraussetzungen von Gefahr im Verzug willkürlich angenommen habe. Der
Richtervorbehalt dürfe in seiner vorbeugenden Aufgabe von den Ermittlungsbehörden nicht unterlaufen werden. In
jedem Fall müsse ihre Entscheidung nachvollziehbar sein. In Anbetracht der strengen Anforderungen an die
Begrenzungsfunktion
richterlicher
Durchsuchungsbeschlüsse
müssten
daher
bei
nichtrichterlichen
Durchsuchungsanordnungen vom anordnenden Beamten zumindest der Tatvorwurf, das Vorliegen der tatsächlichen
Voraussetzungen von Gefahr im Verzug und die vermuteten Beweismittel in einem Vermerk zeitnah in den Akten
dokumentiert werden, so dass der Richter später die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung, insbesondere die Frage der
Gefahr im Verzug und die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips, überprüfen könne. Diese Dokumentationspflicht
stelle an die Praxis keine unzumutbaren Anforderungen, da es zu einer ordnungsgemäßen Sachbehandlung gehöre,
Eingriffsakte aktenkundig zu machen.
B.
22
Soweit die angegriffenen Beschlüsse die Durchsuchung des Dienstzimmers und die Bestätigung der
Beschlagnahme betreffen, liegen die Annahmevoraussetzungen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG) nicht vor. Insoweit ist die
Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen aus §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92
BVerfGG genügt.
23
Der Beschwerdeführer hat nicht dargelegt, dass durch die Durchsuchung seines Dienstzimmers der Schutzbereich
seines Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG betroffen sein könnte. Ob die Benutzung von Amtsräumen, die auch unter
den Wohnungsbegriff fallen können (BVerfGE 32, 54 <68 ff.>), den Schutz des Art. 13 Abs. 1 GG genießt, hängt
davon ab, ob diese Räume der "räumlichen Privatsphäre" (BVerfGE 32, 54 <72>) zuzurechnen sind. Hierzu hat der
Beschwerdeführer nichts vorgetragen. In der mündlichen Verhandlung hat er auf Rückfrage nur ausgeführt, es komme
ihm vor allem auf die Durchsuchung seiner Wohnung an.
24
Der Beschwerdeführer hat nichts dazu vorgetragen, inwiefern ihn die amtsgerichtliche Bestätigung der
Beschlagnahme - die nach der Rückgabe der Gegenstände erledigt ist - sowie die landgerichtliche Feststellung,
wonach die insgesamt etwa sechs Wochen andauernde Beschlagnahme rechtmäßig gewesen sei, in Grundrechten
verletzt haben könnten.
C.
25
Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, soweit die angegriffenen Beschlüsse des Amts-
und des Landgerichts die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers zum Gegenstand
haben. Insoweit ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und begründet. Die angegriffenen Beschlüsse des Amts- und
des Landgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 in Verbindung
mit Art. 19 Abs. 4 GG.
I.
26
1. Art. 13 Abs. 1 GG bestimmt die Unverletzlichkeit der Wohnung. Damit wird dem Einzelnen im Hinblick auf seine
Menschenwürde und im Interesse der freien Entfaltung der Persönlichkeit ein elementarer Lebensraum gewährleistet
(BVerfGE 42, 212 <219>). In seinen Wohnräumen hat er das Recht, in Ruhe gelassen zu werden (BVerfGE 51, 97
<107>). In diese grundrechtlich geschützte persönliche Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein
(BVerfGE 51, 97 <107>; 96, 27 <40>). Dem Gewicht dieses Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des
Schutzes der räumlichen Privatsphäre entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2, 1. Halbsatz GG die Anordnung einer
Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält.
27
a) Der Richtervorbehalt zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale
Instanz ab (BVerfGE 57, 346 <355 f.>; 76, 83 <91>). Das Grundgesetz geht davon aus, dass Richter aufgrund ihrer
persönlichen und sachlichen Unabhängigkeit und ihrer strikten Unterwerfung unter das Gesetz (Art. 97 GG) die Rechte
der Betroffenen im Einzelfall am besten und sichersten wahren können (BVerfGE 77, 1 <51>). Im strafrechtlichen
Ermittlungsverfahren, das die Staatsanwaltschaft in eigener Verantwortung führt (§§ 158 ff. StPO), ist der Richter -
entsprechend der Trennung von Anklagebehörde und Gericht im deutschen Strafprozess - unbeteiligter Dritter, der nur
auf Antrag der Staatsanwaltschaft tätig wird (§ 162 StPO). Bei Maßnahmen wie der Durchsuchung oder auch dem
Haftbefehl, die in der Regel ohne vorherige Anhörung des Betroffenen ergehen, soll seine Einschaltung insbesondere
auch für eine gebührende Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten sorgen (BVerfGE 9, 89 <97>).
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Der Richter muss die beabsichtigte Maßnahme eigenverantwortlich prüfen; er muss dafür Sorge tragen, dass die
sich aus der Verfassung und dem einfachen Recht ergebenden Voraussetzungen der Durchsuchung genau beachtet
werden (BVerfGE 9, 89 <97>; 57, 346 <355 f.>). Als Kontrollorgan der Strafverfolgungsbehörden trifft ihn die Pflicht,
durch eine geeignete Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren
sicherzustellen, dass der Eingriff in die Grundrechte messbar und kontrollierbar bleibt. Der Durchsuchungsbeschluss
muss den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die
Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Dies versetzt den Betroffenen zugleich in den Stand, die Durchsuchung
seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten von vornherein
entgegenzutreten (BVerfGE 42, 212 <220 f.>). Insgesamt dient der Richtervorbehalt der verstärkten Sicherung des
Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG (BVerfGE 57, 346 <355>).
29
b) Art. 13 GG verpflichtet alle staatlichen Organe, dafür Sorge zu tragen, dass der Richtervorbehalt als
Grundrechtssicherung praktisch wirksam wird. Defiziten der Wirksamkeit müssen sowohl die Gerichte - die einzelnen
Ermittlungsrichter ebenso wie die für die Bestellung der Ermittlungsrichter und die Geschäftsverteilung zuständigen
Präsidien (§ 21 e Abs. 1 Satz 1 GVG) - als auch die Strafverfolgungsbehörden entgegenwirken. Zudem sind die für die
Organisation der Gerichte und für die Rechtsstellung der dort tätigen Ermittlungsrichter zuständigen Organe der
Länder und des Bundes aus Art. 13 GG gehalten, die Voraussetzungen für eine tatsächlich wirksame präventive
richterliche Kontrolle zu schaffen. In der Literatur werden die Neigung zu exzessiver und zum Teil missbräuchlicher
Anwendung der Eilkompetenz durch die Strafverfolgungsbehörden, insbesondere durch die Polizei beklagt (vgl. etwa
Nelles, Kompetenzen und Ausnahmekompetenzen in der Strafprozessordnung, 1980, S. 247 f.; Schäfer in: Löwe-
Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 98, Rn. 35; Schnäbele in: Gefahr im Verzug, Tagung der Neuen Richtervereinigung,
1989, S. 12; Dubbers, ebenda, S. 36 f.; Werkentin, ebenda, S. 26) und die Mangelhaftigkeit der richterlichen Kontrolle
beanstandet. Die Mängel werden unter anderem darauf zurückgeführt, dass der Ermittlungsrichter, auch aus Gründen
unzureichender personeller Ausstattung der Amtsgerichte, unter zu starkem Zeitdruck stehe, dass er gerade bei
umfangreichen Verfahren keine vollständige Kenntnis des Sachstands erlangen könne und dass ihm oft das
notwendige Fachwissen in Spezialgebieten fehle (vgl. etwa Lilie, ZStW 111 <1999>, S. 808, 817 f.; Asbrock, ZRP
1998, S. 17, 19; Geppert, DRiZ 1992, S. 405, 410; Müller, AnwBl 1992, S. 349, 351; Weber, DRiZ 1991, S. 116, 117).
Diese Mängel können nicht allein durch den jeweils zuständigen Richter behoben werden. Seine verfassungsrechtlich
begründete Pflicht, sich die notwendige Zeit für die Prüfung eines Durchsuchungsantrags zu nehmen und sich
Kenntnis von der Sache sowie das erforderliche Fachwissen zu verschaffen, kann er nur bei einer entsprechenden
Geschäftsverteilung, ausreichender personeller und sächlicher Ausstattung seines Gerichts, durch Aus- und
Fortbildungsmöglichkeiten sowie vollständige Information seitens der Strafverfolgungsbehörden über den Sachstand
erfüllen.
30
2. Art. 13 Abs. 2, 2. Halbsatz GG sieht vor, dass Durchsuchungen bei Gefahr im Verzug auch durch die in den
Gesetzen vorgesehenen anderen Organe - bei der strafprozessualen Durchsuchung gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1, 2.
Halbsatz StPO durch die Staatsanwaltschaft und ihre Hilfsbeamten (§ 152 GVG) - angeordnet werden dürfen.
31
a) Schon Wortlaut und Systematik des Art. 13 Abs. 2 GG belegen, dass die richterliche Durchsuchungsanordnung
die Regel und die nichtrichterliche die Ausnahme sein soll. Auch der Entstehungsgeschichte des Art. 13 GG lässt
sich entnehmen, dass es den Müttern und Vätern des Grundgesetzes darum ging, die Regelzuständigkeit des
Richters verfassungsrechtlich abzusichern. Im Gegensatz zu den offeneren Bestimmungen der Weimarer
Reichsverfassung, die Ausnahmen von der Unverletzlichkeit der Wohnung aufgrund von Gesetzen zuließ (Art. 115
WRV), und des Entwurfs des Herrenchiemseer Verfassungskonvents, nach dem Durchsuchungen in den vom Gesetz
vorgesehenen Fällen und Formen zulässig waren (Art. 5), überließ der Parlamentarische Rat die Regelung der
Anordnungszuständigkeit für Durchsuchungen nicht dem Gesetzgeber, sondern nahm den Richtervorbehalt wie auch
die "Gefahr im Verzug" als Voraussetzung einer nichtrichterlichen Anordnung in die Verfassung auf.
32
aa) Nicht nur wegen des Ausnahmecharakters der nichtrichterlichen Anordnung, sondern vor allem wegen der
grundrechtssichernden Schutzfunktion des Richtervorbehalts ist "Gefahr im Verzug" eng auszulegen. Zu demselben
Ergebnis führt der Grundsatz, dass derjenigen Auslegung einer Grundrechtsnorm der Vorzug zu geben ist, die ihre
Wirkungskraft am stärksten entfaltet (BVerfGE 51, 97 <110>). Die Annahme von Gefahr im Verzug bewirkt nämlich
eine beträchtliche Minderung des Schutzes für das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG.
33
Ordnen die Strafverfolgungsbehörden die Durchsuchung an, so fällt die präventive Kontrolle durch eine unabhängige
und neutrale Instanz weg. Während im Fall der richterlichen Anordnung einer Durchsuchung in der Regel zunächst die
Polizei, die die Durchführung der Durchsuchung bei der Staatsanwaltschaft anregt, dann die Staatsanwaltschaft, die
nach § 162 Abs. 1 Satz 1 StPO ihre Anordnung beim Amtsgericht beantragt, und schließlich der Ermittlungsrichter
prüfen, ob die Voraussetzungen für die Maßnahme vorliegen, beschränkt sich die Kontrolle bei der Annahme von
Gefahr im Verzug auf eine Prüfung durch die Polizei, allenfalls zusätzlich durch die Staatsanwaltschaft. Polizei und
Staatsanwaltschaft genießen aber keine Unabhängigkeit, und von ihnen kann - im Hinblick auf ihre Aufgabe, beim
Verdacht von Straftaten den Sachverhalt zu erforschen (§§ 160 Abs. 1, 2, 163 Abs. 1 StPO) - auch nicht, wie vom
Richter, strikte Neutralität erwartet werden. Außerdem fehlt bei der Durchführung einer Durchsuchung wegen Gefahr
im Verzug die begrenzende Wirkung der - in der Regel schriftlichen (BVerfGE 20, 162 <227>) - richterlichen
Durchsuchungsanordnung. Die Kontrolle durch den unabhängigen und neutralen Richter ist dann auf eine repressive
Funktion beschränkt, die den bereits geschehenen Eingriff nicht mehr rückgängig machen kann.
34
bb) Freilich darf bei der Bestimmung von "Gefahr im Verzug" der Zweck der von der Verfassung vorgesehenen
Eilkompetenz nicht außer Betracht bleiben. Diese Kompetenz eröffnet den nichtrichterlichen Organen die Möglichkeit
eines Eingriffs, wenn Beweismittel ansonsten gefährdet wären. Gefahr im Verzug ist also immer dann anzunehmen,
wenn die vorherige Einholung der richterlichen Anordnung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde (BVerfGE 51,
97 <111>). Bei der strafprozessualen Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln (§§ 102, 2. Alt., 103 Satz 1, 2.
Alt. StPO) soll die Eilkompetenz die Strafverfolgungsbehörden in die Lage versetzen, einen Beweismittelverlust zu
verhindern.
35
Dies entspricht der verfassungsrechtlichen Gewährleistung einer rechtsstaatlich geordneten Rechtspflege, die sich,
bei nachhaltiger Sicherung der Rechte des Beschuldigten, auch auf eine wirksame Strafverfolgung erstreckt (BVerfGE
77, 65 <76 f.>). Daher müssen die Strafverfolgungsbehörden die Entscheidung, ob aufgrund der konkreten Umstände
des Einzelfalls von der Gefahr eines Beweismittelverlusts auszugehen ist, so rechtzeitig treffen können, dass dieser
Gefahr wirksam begegnet werden kann.
36
b) Diese Konzeption der Eilzuständigkeit von Strafverfolgungsbehörden hat zur Folge, dass die Behörden selbst
über die Voraussetzungen ihrer Zuständigkeit zu entscheiden haben. Das ist bei Gefahr im Verzug nach der Natur der
Sache unausweichlich, begründet aber die Notwendigkeit besonderer tatsächlicher und rechtlicher Vorkehrungen, die
sicherstellen, dass die verfassungsrechtlich begründete Zuständigkeit des Richters in der Praxis immer gewährleistet
bleibt.
37
aa) Im Allgemeinen müssen sowohl die Strafverfolgungsbehörden als auch die Ermittlungsrichter und die
Gerichtsorganisation im Rahmen des Möglichen sicherstellen, dass auch in der Masse der Alltagsfälle die in der
Verfassung vorgesehene "Verteilung der Gewichte" (BVerfGE 95, 1 <15>), nämlich die Regelzuständigkeit des
Richters, gewahrt bleibt.
38
bb) Im Konkreten sind reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder lediglich auf kriminalistische
Alltagserfahrung gestützte, fallunabhängige Vermutungen als Grundlage einer Annahme von Gefahr im Verzug nicht
hinreichend. Gefahr im Verzug muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sind. Die bloße
Möglichkeit eines Beweismittelverlusts genügt nicht.
39
Gefahr im Verzug kann im Rechtssinne auch nicht dadurch entstehen, dass die Strafverfolgungsbehörden ihre
tatsächlichen Voraussetzungen selbst herbeiführen. Sie dürfen nicht so lange mit dem Antrag an den
Ermittlungsrichter zuwarten, bis die Gefahr eines Beweismittelverlusts tatsächlich eingetreten ist, und damit die von
Verfassungs wegen vorgesehene Regelzuständigkeit des Richters unterlaufen. An dieser Stelle endet ihr Spielraum,
das Ermittlungsverfahren nach kriminalistischen und taktischen Erwägungen frei zu gestalten (Kleinknecht/Meyer-
Goßner, StPO, 44. Aufl., 1999, § 161, Rn. 7, § 163, Rn. 47).
40
Die Strafverfolgungsbehörden müssen regelmäßig versuchen, eine Anordnung des instanziell und funktionell
zuständigen Richters zu erlangen, bevor sie eine Durchsuchung beginnen. Nur in Ausnahmesituationen, wenn schon
die zeitliche Verzögerung wegen eines solchen Versuchs den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde, dürfen sie
selbst die Anordnung wegen Gefahr im Verzug treffen, ohne sich zuvor um eine richterliche Entscheidung bemüht zu
haben. Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nicht allein mit dem abstrakten Hinweis begründet werden, eine
richterliche Entscheidung sei gewöhnlicherweise zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb einer bestimmten
Zeitspanne nicht zu erlangen. Dem korrespondiert die verfassungsrechtliche Verpflichtung der Gerichte, die
Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichters, auch durch die Einrichtung eines Eil- oder Notdienstes, zu sichern.
II.
41
1. a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet einen möglichst lückenlosen gerichtlichen Schutz gegen die Verletzung der
Rechtssphäre des Einzelnen durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt (BVerfGE 101, 106 <122 f.>; stRspr).
Durchsuchungsanordnungen der Strafverfolgungsbehörden sind Akte der öffentlichen Gewalt im Sinne dieser
Gewährleistung. Das gilt auch für Anordnungen der Staatsanwaltschaft, die trotz ihrer Eingliederung in die Justiz
(BVerfGE 9, 223 <228>) zur Exekutive gehört (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., vor § 141 GVG, Rn. 6).
42
Aus dem Anspruch aus Art. 19 Abs. 4 GG auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle folgt grundsätzlich die Pflicht der
Gerichte, die angefochtenen Akte der öffentlichen Gewalt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig zu
überprüfen; eine Bindung der Gerichte an die von der Exekutive getroffenen Feststellungen und Wertungen ist dem
Grundgesetz fremd.
43
b) Die Pflicht zur vollständigen Überprüfung hat Grenzen. Die gerichtliche Überprüfung kann nicht weiter reichen als
die materiell-rechtliche Bindung der Exekutive (BVerfGE 88, 40 <56>); die geschützten Rechtspositionen selbst
ergeben sich nicht aus Art. 19 Abs. 4 GG, sondern werden darin vorausgesetzt (BVerfGE 84, 34 <49>). Gerichtliche
Kontrolle endet also dort, wo das materielle Recht der Exekutive in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise
Entscheidungen abverlangt, ohne dafür hinreichend bestimmte Entscheidungsprogramme vorzugeben (BVerfGE 88,
40 <61>). Normativ eröffneten Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräumen der Behörden steht Art. 19
Abs. 4 GG daher nicht von vornherein entgegen (BVerfGE 61, 82 <111>; 88, 40 <56>).
44
c) Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 GG eröffnet den nichtrichterlichen Organen solche Spielräume bei der Auslegung und
Anwendung des Begriffs "Gefahr im Verzug" nicht. Das Grundgesetz verlangt gegenüber der Anordnung von
Durchsuchungen vielmehr eine unbeschränkte gerichtliche Kontrolle; bei der Feststellung von Gefahr im Verzug wird
der Exekutive keine Letztentscheidungsbefugnis eingeräumt (Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz,
Kommentar, Januar 1985, Art. 19 Abs. 4, Rn. 188; Schulze-Fielitz in: Dreier, Grundgesetz, Kommentar, 1996, Art. 19
Abs. 4, Rn. 97).
45
(1) Das Merkmal "Gefahr im Verzug" bestimmt in Art. 13 Abs. 2 GG den Tatbestand einer nichtrichterlichen
Durchsuchungsanordnung; insoweit scheidet ein Ermessen der Behörden von vornherein aus. Ihnen kommt aber auch
kein Beurteilungsspielraum zu. Allein die Tatsache, dass das Grundgesetz mit "Gefahr im Verzug" einen
unbestimmten Rechtsbegriff verwendet, trägt den Rückschluss auf eine Beurteilungsermächtigung der Exekutive
nicht. Vielmehr ist auch die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe von Verfassungs wegen grundsätzlich
Sache der Gerichte, die die Rechtsanwendung der Behörden insoweit uneingeschränkt nachzuprüfen haben (BVerfGE
64, 261 <279>; 84, 34 <49 f.>).
46
Auch sonst lässt sich dem Wortlaut von Art. 13 Abs. 2 GG kein Hinweis auf einen Auslegungsspielraum der
nichtrichterlichen Organe entnehmen. Allein die prognostischen Elemente des Gefahrbegriffs geben dafür nichts her.
Sie sind nichts weiter als Elemente der Unbestimmtheit von Rechtsbegriffen (Schmidt-Aßmann in:
Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, Kommentar, Januar 1985, Art. 19 Abs. 4, Rn. 198; Schenke in: Bonner
Kommentar, Dezember 1982, Art. 19 Abs. 4, Rn. 353) und rechtfertigen nicht schon von sich aus eine
Kontrollbeschränkung der Gerichte (Schmidt-Aßmann in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar,
Januar 2000, Einleitung, Rn. 188; vgl. auch BVerfGE 88, 40 <60 f.>).
47
(2) Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 13 GG ergeben sich ebenfalls keine Anhaltspunkte für einen
exekutivischen Spielraum mit nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle.
48
Zwar hat Art. 13 Abs. 2 GG den Regelungsgehalt von § 105 der Strafprozessordnung von 1877 aufgegriffen, und das
Reichsgericht hat - bei der Frage der Rechtmäßigkeit der Amtsausübung nach § 113 StGB - die Auffassung vertreten,
"Gefahr im Verzug" falle nicht in den Bereich richterlicher Prüfung (RGSt 23, 334). Den Materialien zu Art. 13 GG ist
aber nicht zu entnehmen, dass die Mütter und Väter des Grundgesetzes diese reichsgerichtliche Rechtsprechung
übernehmen wollten oder dass sie die richterliche Überprüfbarkeit von "Gefahr im Verzug" überhaupt als Problem
gesehen und erörtert hätten (vgl. Doemming/Füsslein/Matz, Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes,
in: JöR N. F., Bd. 1, 1951, S. 138 ff.; s. auch BVerfGE 88, 40 <56 f.> zu Art. 7 Abs. 5 GG).
49
(3) Allein Recht und Pflicht der Gerichte zu unbeschränkter Kontrolle des Merkmals "Gefahr im Verzug" werden der
Bedeutung des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG für den Schutz der persönlichen Lebenssphäre des Einzelnen und
der grundrechtssichernden Funktion von Art. 13 Abs. 2 GG gerecht. Jeder Spielraum nichtrichterlicher Organe bei der
Feststellung von Gefahr im Verzug würde die Möglichkeiten einer Inanspruchnahme ihrer Eilkompetenz erweitern und
damit den Schutz des Grundrechts schwächen. Zudem hätte ein solcher Spielraum eine Letztentscheidungsbefugnis
der Behörden über die Zuständigkeit des Richters zur Folge, weil sie mit der Annahme von Gefahr im Verzug nicht nur
ihre eigene Zuständigkeit selbständig bejahen, sondern zugleich die Zuständigkeit des Richters verneinen. Eine
derartige Ermächtigung der Exekutive ist aus Art. 13 Abs. 2 GG nicht abzuleiten und mit der Bedeutung des
Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung auch nicht zu vereinbaren.
50
(4) Der Zweck der Eilkompetenz, der Exekutive schnelles und situationsgerechtes Handeln zu ermöglichen, steht
einer unbeschränkten gerichtlichen Kontrolle dieses Handelns nicht entgegen. Die Gerichte müssen hier, wie auch
sonst, der besonderen Anordnungssituation der nichtrichterlichen Organe bei Annahme von Gefahr im Verzug
Rechnung tragen, ohne ihre Pflicht zur Nachprüfung dieser Anordnung zu verletzen und ohne den Zweck der
Anordnung zu gefährden.
51
Die Kontrolle einer Durchsuchungsanordnung der Strafverfolgungsbehörden wegen Gefahr im Verzug muss die
faktischen Bedingungen polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Handelns in der Situation, um die es geht, zur
Kenntnis nehmen und verarbeiten. Der Richter darf nicht seine - ohne zeitlichen Druck und unter Berücksichtigung der
weiteren Entwicklung gewonnene - nachträgliche Einschätzung der Lage an die Stelle der Einschätzung der
handelnden Beamten setzen. Vielmehr muss das konkrete Handlungsfeld der Beamten, das der Richter
gegebenenfalls aufzuklären hat, Ausgangspunkt seiner Prüfung sein. Er muss darauf Bedacht nehmen, unter welchen
Bedingungen die Beamten über eine Durchsuchung mit oder ohne richterliche Anordnung entschieden haben und
welcher zeitliche Rahmen ihnen gesteckt war. Er hat zu berücksichtigen, wie groß der Beurteilungs- und
Handlungsdruck war oder ob ausreichend Zeit für Rücksprachen mit Kollegen und Vorgesetzten sowie zwischen
Polizei und Staatsanwaltschaft bestand. Er muss ferner die situationsbedingten Grenzen von Erkenntnismöglichkeiten
in Rechnung stellen, deren mögliche Unvollständigkeit und vorläufige Natur.
52
Auf dieser Grundlage hat der Richter die von den Strafverfolgungsbehörden getroffene Einschätzung der konkreten
Situation nachzuvollziehen. Beruht diese Einschätzung auf den einschlägigen Tatsachen und ist sie nach der
Sachlage, wie sie sich den handelnden Amtsträgern darstellte, nahe liegend oder jedenfalls plausibel, so darf der
Richter sie bei seiner Entscheidung als zutreffend zu Grunde legen, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte dafür
ersichtlich sind, dass die getroffene Einschätzung mit der eines sachkundigen und pflichtgemäß handelnden
Strafverfolgungsbeamten nicht in Einklang zu bringen ist.
53
2. Die verfassungsrechtlich gebotene volle gerichtliche Kontrolle der Annahme von "Gefahr im Verzug" ist in der
Praxis nur möglich, wenn nicht nur das Ergebnis, sondern auch die Grundlagen der Entscheidung der Behörden und
ihr Zustandekommen zuverlässig erkennbar werden. Aus Art. 19 Abs. 4 GG ergeben sich daher für die
Strafverfolgungsbehörden Dokumentations- und Begründungspflichten, die den wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz
erst möglich machen (vgl. schon BVerfGE 61, 82 <110>; 69, 1 <49>).
54
a) Eine wirksame gerichtliche Nachprüfung einer nichtrichterlichen Durchsuchungsanordnung wegen Gefahr im
Verzug setzt voraus, dass der handelnde Beamte vor oder jedenfalls unmittelbar nach der Durchsuchung seine für
den Eingriff bedeutsamen Erkenntnisse und Annahmen in den Ermittlungsakten dokumentiert. Insbesondere muss er,
unter Bezeichnung des Tatverdachts und der gesuchten Beweismittel, die Umstände darlegen, auf die er die Gefahr
des Beweismittelverlusts stützt. Allgemeine Formulierungen, die etwa bloß die juristische Definition von "Gefahr im
Verzug" wiedergeben, reichen nicht aus. Das Gericht muss über die konkrete Sachlage zum Zeitpunkt der
Entscheidung des handelnden Beamten informiert sein. Insbesondere muss erkennbar sein, ob der Beamte den
Versuch unternommen hat, den Ermittlungsrichter zu erreichen. Eine verspätete Dokumentation des zeitlichen
Ablaufs birgt die Gefahr von Ungenauigkeiten oder gar Umgehungen mit der Folge, dass eine Behauptung der
Strafverfolgungsbehörden, die Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung erfolglos versucht zu haben, nicht mehr
nachzuprüfen ist. Zudem führt die Pflicht zur Dokumentation vor oder jedenfalls unmittelbar nach dem Eingriff dazu,
dass sich der anordnende Beamte in besonderem Maße der Rechtmäßigkeit seines Handelns vergewissert und dass
er überdies im Falle der Nachprüfung dieses Handelns auf dokumentierte Tatsachen wird verweisen können, die sein
Handeln erklären.
55
b) Auf der Grundlage dieser Dokumentation haben die Strafverfolgungsbehörden ihre Durchsuchungsanordnung in
einem späteren gerichtlichen Verfahren zu begründen (vgl. BVerfGE 6, 32 <44 f.>; 49, 24 <66 f.>). Ihre Ausführungen
müssen sich auf die gesetzlichen Voraussetzungen der Durchsuchung (§§ 102 ff. StPO) erstrecken. Außerdem
müssen sie darlegen, warum eine richterliche Anordnung zu spät gekommen wäre, und gegebenenfalls, warum von
dem Versuch abgesehen wurde, eine richterliche Entscheidung zu erlangen. Nur eine vollständige Begründung
ermöglicht dem von der Durchsuchung Betroffenen eine sachgerechte Verteidigung seines Grundrechts aus Art. 13
Abs. 1 GG und dem Gericht die von Verfassungs wegen gebotene effektive Kontrolle der Anordnung (vgl. BVerfGE 6,
32 <44>; 50, 287 <289 f.>).
III.
56
Nach diesen Maßstäben verletzen die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten
aus Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG.
57
1. Das Amtsgericht hat die Frage der Gefahr im Verzug entgegen den Vorgaben aus Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 i. V. m.
Art. 19 Abs. 4 GG nicht geprüft.
58
2. a) Das Landgericht hat diesen Verfassungsverstoß fortgesetzt. Es hat sich zwar mit der Frage der Gefahr im
Verzug befasst, ist aber davon ausgegangen, die Feststellung habe im Ermessen der anordnenden
Staatsanwaltschaft gestanden. Dementsprechend hat es die Annahme von Gefahr im Verzug nicht, wie geboten, in
vollem Umfang kontrolliert, sondern nur ausgeführt, der Verzicht auf die richterliche Anordnung sei nicht
ermessensfehlerhaft gewesen. Schon diese Begrenzung des Prüfungsmaßstabs verletzt den Beschwerdeführer in
seinen Grundrechten. Der Hinweis des Gerichts, eine Vernichtung sensibler Daten durch den Beschwerdeführer
während eines zweitägigen Zeitraums ("12./13.04.00") sei nicht auszuschließen gewesen, vermeidet ein Eingehen auf
die konkreten Umstände und den zeitlichen Ablauf des Geschehens. Das ist nicht die von Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 i. V.
m. Art. 19 Abs. 4 GG verlangte unbeschränkte Prüfung der Annahme von Gefahr im Verzug.
59
b) Darüber hinaus hat das Landgericht bei der Auslegung des Begriffs der "Gefahr im Verzug" die
verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 13 Abs. 1 und 2 GG nicht beachtet.
60
Es hat verkannt, dass Gefahr im Verzug mit Tatsachen begründet werden muss und von den
Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich nur dann angenommen werden darf, wenn sie erfolglos versucht haben, eine
richterliche Entscheidung herbeizuführen, es sei denn, schon die zeitliche Verzögerung infolge des Versuchs würde
zur Gefahr eines Beweismittelverlusts führen.
61
"Gefahr im Verzug" ist Tatbestandsmerkmal der von den Fachgerichten auszulegenden einfach-rechtlichen Norm
des § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO und ist zugleich verfassungsrechtlicher Begriff. Deshalb unterliegt die fachgerichtliche
Auslegung der vollen Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht. Das bedeutet nicht, dass das
Bundesverfassungsgericht die Entscheidung, ob im Einzelfall Gefahr im Verzug vorlag, neu und selbst treffen würde;
sonst würde es zu einer weiteren fachgerichtlichen Instanz. Es hat aber zu prüfen, ob die tatsächliche und die
rechtliche Wertung der Gerichte sowie die Art und der Umfang ihrer Ermittlungen dem betroffenen Grundrecht aus Art.
13 Abs. 1 GG gerecht geworden sind. Dabei ist den Fachgerichten ein gewisser Wertungsrahmen in Bezug auf die
rechtliche Beurteilung des ermittelten Sachverhalts und die Einschätzung von Sachverhaltselementen zuzuerkennen
(vgl. zum Grundrecht auf Asyl BVerfGE 76, 143 <162>).
62
Diesen Rahmen hat das Landgericht mit der Erwägung verlassen, eine bewusste Ausschaltung des Richters liege
nicht vor, weil absehbar gewesen sei, dass der Beschwerdeführer Widerspruch erheben und somit eine spätere
richterliche Entscheidung erforderlich sein werde. Art. 13 Abs. 2 GG verbietet als prozedurale Sicherung des
Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG nicht nur eine bewusste Ausschaltung des Richters überhaupt, sondern gebietet
die vorherige richterliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Durchsuchung im Regelfall. Der vorbeugende
Grundrechtsschutz, den der Richtervorbehalt durch die unabhängige, neutrale, eigenverantwortliche Prüfung unter
besonderer Berücksichtigung der Interessen des nicht angehörten Betroffenen vor einem Eingriff bietet, kann durch
eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle nicht gewährleistet werden.
63
c) Das Landgericht hat schließlich auch versäumt aufzuklären, aus welchen Gründen die Staatsanwaltschaft hier
Gefahr im Verzug angenommen hat. Dies ist entgegen ihrer Pflicht zur Dokumentation und Begründung weder der
Ermittlungsakte noch einer ihrer Stellungnahmen im gerichtlichen Verfahren zu entnehmen. In ihrem Antrag an das
Amtsgericht heißt es nur, Durchsuchung und Beschlagnahme seien wegen Gefahr im Verzug ohne richterlichen
Beschluss erfolgt; auch in ihrer Stellungnahme im Beschwerdeverfahren hat sie nach der Beschreibung des
Tatverdachts lediglich ausgeführt, bei dieser Sachlage habe Gefahr im Verzug bestanden.
64
3. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf der Verletzung von Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 i. V. m. Art. 19 Abs. 4
GG. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Gerichte bei einer dem Verfassungsrecht genügenden Überprüfung der
staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungsanordnung wegen Gefahr im Verzug zu dem Ergebnis gekommen wären, die
Anordnung sei rechtswidrig gewesen.
65
Dies gilt ungeachtet der fehlenden Dokumentation und Begründung durch die Staatsanwaltschaft im
Ausgangsverfahren selbst dann, wenn man den Bericht des Leitenden Oberstaatsanwalts zugrundelegt, auf den das
Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen im Verfahren der Verfassungsbeschwerde Bezug nimmt. Im
Hinblick darauf, dass der Ermittlungsrichter am Vortag der Durchsuchung nur 50 Minuten nach Antragstellung die
zeugenschaftliche Vernehmung des Beschuldigten im Betäubungsmittelverfahren durchgeführt hatte, liegt die
Annahme nicht fern, die Einholung einer richterlichen Entscheidung hätte ebenfalls nur kurze Zeit in Anspruch
genommen, zumal der Richter durch diese Vernehmung schon mit dem Sachverhalt des Ermittlungsverfahrens gegen
den Beschwerdeführer vertraut war. Darüber hinaus hatte die Staatsanwaltschaft hier noch nicht einmal den Versuch
unternommen, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen, so dass ihre Anordnung wegen Gefahr im Verzug nur
dann hätte rechtmäßig sein können, wenn schon die zeitliche Verzögerung in Folge eines solchen Versuchs den
Erfolg der Durchsuchung gefährdet hätte. Schließlich sind, über bloße Vermutungen hinaus, auch keine Tatsachen
ersichtlich, aus denen sich die konkrete Gefahr begründen ließe, in kürzester Zeit wäre es zur
Beweismittelvernichtung durch den Beschwerdeführer gekommen.
D.
66
Die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts verletzen den Beschwerdeführer, soweit sie die
Durchsuchung seiner Wohnung betreffen, in seinen Grundrechten aus Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 i. V. m. Art. 19 Abs. 4
GG. Insoweit sind die Beschlüsse aufzuheben und ist das Verfahren an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§ 95
Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BVerfGG).
67
Entsprechend dem Umfang, in dem der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde erfolgreich ist, hat
gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG das Land Nordrhein-Westfalen dem Beschwerdeführer drei Viertel seiner notwendigen
Auslagen zu erstatten.
Limbach
Sommer
Jentsch
Hassemer
Broß
Osterloh
Di Fabio