Urteil des BVerfG vom 13.04.1999

BVerfG: dienstliche tätigkeit, ddr, verfassungsbeschwerde, rückwirkungsverbot, menschenrechte, winter, wissentlich, verfassungsrecht, verfolgungsverjährung, presse

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 562/99 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der Frau J...
-
gegen a)
den Beschluß des Bundesgerichtshofs
vom 18. Februar 1999 - 5 StR 236/98 -,
b)
das Urteil des Landgerichts Leipzig
vom 28. November 1997 - 1 Ks 825 Js 21999/94 -
u n d Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 13. April 1999 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
Gründe:
1
Die Auffassung der Fachgerichte, die Verfolgungsverjährung für DDR-Alttaten, die entsprechend dem Willen der
Staats- und Parteiführung der DDR aus politischen oder sonst mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen
rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbaren Gründen nicht geahndet worden seien, habe bis zum Wegfall dieses
Verfolgungshindernisses geruht, verletzt kein Verfassungsrecht (vgl. Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats
des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Mai 1998 - 2 BvR 61/96 - und vom 9. Juni 1998 - 2 BvR 102/96 -).
2
Die Verurteilung von Richtern und Staatsanwälten der DDR wegen Rechtsbeugung (§ 244 StGB/DDR) verstößt
jedenfalls dann nicht gegen das Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 2 GG), wenn durch die dienstliche Tätigkeit im
Einzelfall allgemein anerkannte Menschenrechte der Betroffenen in schwerwiegender Weise mißachtet wurden. Der
Schuldgrundsatz (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) ist nicht verletzt, wenn die Strafgerichte bei
rechtskundigen Personen die Feststellung des Rechtsbeugungsvorsatzes auf die Evidenz des Rechtsverstoßes
stützen (vgl. Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 1998 - 2
BvR 2560/95 - und vom 9. Juni 1998 - 2 BvR 1880/97 -). Daß die Beschwerdeführerin wissentlich gehandelt hat, hat
das Landgericht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt.
3
Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs wendet, läßt sich
dem Grundgesetz nicht entnehmen, daß die mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbaren letztinstanzlichen
Entscheidungen generell mit einer Begründung zu versehen sind (vgl. BVerfGE 71, 122 <135 f.>). Besonderheiten, die
gerade im vorliegenden Fall von Verfassungs wegen eine eingehendere Begründung der Revisionsentscheidung
erfordern könnten, hat die Beschwerdeführerin nicht vorgebracht.
4
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Limbach
Winter
Hassemer