Urteil des BVerfG vom 13.12.2007

BVerfG: private krankenversicherung, wechsel, versicherungsnehmer, versicherungsrecht, materielles recht, sachwalter, verdienstausfall, bluthochdruck, gefahr, rücktritt

Gericht:
OLG Frankfurt 12.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 214/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 249 BGB, § 280 Abs 1 BGB, §
652 BGB
Haftung des Versicherungsmaklers wegen fehlerhafter
Beratung in Bezug auf eine private Krankenversicherung;
Falschberatung bezüglich Mitnahme von
Altersrückstellungen beim Versicherungswechsel als
Haftungsgrund; Pflicht zum Abraten von geplantem
Versicherungswechsel bei Risiko bezüglich der Aufnahme
in die neue Versicherung; Verdienstausfall nach
mißlungenem Versicherungswechsel als ersatzfähiger
Schaden; Verwertbarkeit einer Zeugenaussage über
verdeckt mitgehörtes Telefonat zu Gesundheitsfragen
eines Versicherungsnehmers
Leitsatz
1. Der Versicherungsmakler ist als Sachwalter der Interessen des
Versicherungsnehmers verpflichtet, diesen in Versicherungsfragen umfassend und
zutreffend zu beraten. Gegen diese Verpflichtung verstößt ein Versicherungsmakler,
der dem wechselwilligen Mitglied einer privaten Krankenversicherung entgegen
gefestigter Rechtsprechung erklärt, er könne die für ihn gebildeten
Alterungsrückstellungen im Falle eines Wechsels ganz oder teilweise "mitnehmen".
2. Die Beratungspflicht des Versicherungsmaklers erstreckt sich bei einem
beabsichtigten Wechsel der privaten Krankenversicherung auch auf die
gesundheitlichen Voraussetzungen des Versicherungsnehmers für einen erfolgreichen
Wechsel. Dies kann im Einzelfall eine Pflicht zum Abraten begründen.
3. Ein Verdienstausfall des Versicherungsnehmers, den dieser in Kauf nimmt, um sich
nach einem misslungenen Wechsel der privaten Krankenversicherung zumindest
gesetzlich versichern zu können, beruht adäquat ursächlich auf der fehlerhaften
Beratung durch den Versicherungsmakler.
4. Verdecktes Mithören eines Telefonats über Gesundheitsfragen zwischen dem
Versicherungsnehmer und dem Versicherungsmakler durch einen Dritten führt
regelmäßig zur Unverwertbarkeit der Zeugenaussage dieses Dritten über den Inhalt
des Telefonats.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts
Darmstadt vom 26. September 2006 (Az: 10 O 92/06) abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.190,32 € nebst 5 Prozentpunkten
Zinsen über dem Basiszinssatz seit 3.1.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat der Kläger 75 % und der
Beklagte 25 % zu tragen.
Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz hat der Kläger 65 % und der
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Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz hat der Kläger 65 % und der
Beklagte 35 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Jeder der Parteien darf die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei gegen
Sicherheitsleistung von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger nimmt den Beklagten wegen fehlerhafter Beratung beim Wechsel
einer privaten Krankenversicherung in Anspruch.
Der Kläger war seit Januar 1998 bei der X Krankenversicherung AG privat
krankenversichert. Der Tarif enthielt einen Risikozuschlag wegen Bluthochdrucks
und Übergewichts. Wegen gestiegener Tarife von monatlich zuletzt 543,94 € bat
der Kläger den Beklagten, einen selbstständigen Versicherungsmakler, ihm ein
günstiges Alternativangebot zu unterbreiten. Der Beklagte kannte den Kläger
langjährig, weil er für ihn seit 1979 alle Versicherungsangelegenheiten abwickelte.
Der Beklagte hatte auch den X Krankenversicherungsvertrag vermittelt.
Der Beklagte empfahl dem Kläger zunächst den Wechsel zur Y
Krankenversicherung AG. Er füllte mit dem Kläger einen Versicherungsantrag aus
und stellte ihm dabei die Gesundheitsfragen. Dabei gab der Kläger erhebliches
Übergewicht von 120 kg bei einer Körpergröße von 188 cm an. Wie die
Gesundheitsfragen im Übrigen beantwortet wurden, blieb umstritten.
Der schriftliche Krankenversicherungsantrag für die Y beantwortet mehrere
Gesundheitsfragen mit "ja". Dies betrifft Behandlung und Beschwerden beim
Kläger, die erläutert wurden. Der Antrag vom 19. August 2004 (Blatt 41) ist vom
Kläger und vom Beklagten unterschrieben und eingereicht worden. Wegen des
Übergewichts des Klägers war die Y nur bereit, ihn mit einem Risikozuschlag zu
versichern. Deshalb lag die Prämie höher als bei der X. Daraufhin sah der Kläger
von einem Wechsel zur Y ab.
Der Beklagte versuchte, eine andere private Krankenversicherung zu günstigeren
Bedingungen ausfindig zu machen. Dabei stieß er auf ein Angebot der Z
Krankenversicherung AG. Im Rahmen der Beratung des Wechsels zur Z
Versicherung AG erklärte der Beklagte dem Kläger, die für ihn bei der X
Krankenversicherung AG gebildeten Alterungsrückstellungen gingen wegen einer
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für den Kläger nicht verloren;
vielmehr würden 60% bis 65% der gebildeten Rückstellungen auf die neue
Krankenversicherung übertragen (Blatt 52).
Der Kläger entschied sich für einen Wechsel zur Z Krankenversicherung AG. Am 2.
November 2004 stellte er einen darauf gerichteten Versicherungsantrag. Diesen
Antrag unterschrieb der Beklagte mit dem Namen des Klägers ohne
Vertretungszusatz und fügte eine dem Kläger unbekannte Frau A als
Versicherungsmaklerin ein. In diesem Versicherungsantrag waren die
Gesundheitsfragen nicht so beantwortet wie in dem Antrag für die Y. Die Frage
nach Vorerkrankungen wurde verneint (Blatt 131). Die Z Krankenversicherung AG
nahm diesen Antrag an und übersandte dem Kläger am 13. Dezember 2004 den
Versicherungsschein mit einer Laufzeit ab Januar 2005 (Blatt 14, 15). Der
vereinbarte Tarif betrug 507,85 € monatlich.
Anfang des Jahres 2005 wurde der Kläger wegen einer Herzbeutelentzündung
stationär im Krankenhaus behandelt. Im Anschluss daran stellte die Z
Krankenversicherung AG fest, dass der Kläger an Übergewicht, Bluthochdruck und
Diabetes litt. Daraufhin erklärte die Z Krankenversicherung AG mit Schreiben vom
28. April 2005 den Rücktritt vom Versicherungsvertrag (Blatt 16). Nach weiterer
ärztlicher Aufklärung lehnte die Z Versicherung eine Fortsetzung des Vertrages
mit Schreiben vom 8. Juni 2005 ab (Blatt 56).
Im Anschluss daran bemühte sich der Kläger erfolglos um eine andere private
Krankenversicherung. Wegen seiner Vorerkrankungen lehnten zwischen Mai und
Juli 2005 insgesamt 11 private Krankenversicherer entsprechende
Versicherungsanfragen des Klägers ab. Darunter befand sich auch der
Vorversicherer X (Schreiben vom 24. Mai 2005, Blatt 58).
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Ein Wechsel zur gesetzlichen Krankenversicherung blieb dem Kläger zunächst
verwehrt, weil er als leitender Angestellter mit seinem Grundgehalt in Höhe von
4.197 € brutto über der Pflichtversicherungsgrenze des Sozialgesetzbuches lag
(Blatt 21, 22). Daraufhin vereinbarte der Kläger mit seinem Arbeitgeber, der B
GmbH und Co KG, mit Wirkung vom 1. August 2005 eine Reduzierung der
Arbeitszeit bei gleichzeitiger Zurückführung des monatlichen Grundgehalts auf
3.525 € brutto. Der Kläger wurde Mitglied der Betriebskrankenkasse ... (Blatt 23).
Der Kläger hat behauptet, er habe den Beklagten bereits bei dem Ausfüllen des
Antrages für die Y Krankenversicherung AG darauf hingewiesen, dass er jahrelang
Blutdruck senkende Mittel habe nehmen müssen, diese aber seit Mai 2004 habe
absetzen können. Der Antrag für die Z Krankenversicherung sei bei ihm Zuhause
im Beisein seiner Ehefrau ausgefüllt worden. Bis zu seiner Einlieferung ins
Krankenhaus im Januar 2005 habe sich sein Gesundheitszustand wieder
verschlechtert. Der Beklagte habe keine Vollmacht dafür gehabt, den
Versicherungsantrag bei der Z Krankenversicherung eigenhändig zu
unterschreiben und einzureichen. Er gehe davon aus, dass der Beklagte einen
Antrag eingereicht habe, die seinen Hinweis auf die vorangegangene Erkrankung
wegen Bluthochdruck nicht enthalten habe.
Der Kläger macht für die Zeit von August 2005 bis März 2006 die Differenz
zwischen seinem früheren und seinem jetzigen Nettoeinkommen geltend, die er
zunächst auf 19.574,98 € beziffert hat (Blatt 53). Außerdem hat er beanstandet,
infolge fehlerhafter Beratung durch den Beklagten seien ihm die bei der X
Krankenversicherung gebildeten Rückstellungen in Höhe von 613,12 € verloren
gegangen.
Der Beklagte hat behauptet, er habe für den laufenden Vertrag bei der X eine
Bestandsprovision erhalten; dies bestreitet der Kläger mit Nichtwissen. Ferner
behauptet der Beklagte, dem Kläger das Angebot der Z Krankenversicherung
übermittelt zu haben. Daraufhin habe ihn der Kläger im Büro angerufen und ihn
beauftragt, den Antrag für ihn einzureichen und für ihn zu unterschreiben.
Das Landgericht, Einzelrichter der 10. Zivilkammer, hat die Klage mit Urteil vom
26. September 2006 abgewiesen. Auf das Urteil wird wegen der zu Grunde
liegenden tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen. Das Landgericht hat
die Klageabweisung im wesentlichen damit begründet, dass der Kläger wegen
eines non liquet der Aussagen seiner Ehefrau und des Zeugen Z1 nicht bewiesen
habe, dass der Beklagte die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers
kannte, die zum Rücktritt der Z Krankenversicherung geführt haben. Dabei hat das
Landgericht die Aussage des Zeugen Z1 für verwertbar erachtet, obwohl dieser ein
angebliches Telefonat zwischen der Ehefrau des Klägers und dem Beklagten
heimlich mitgehört hat.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er nur noch seinen
Zahlungsantrag weiterverfolgt. Zur Begründung macht der Kläger im Wesentlichen
geltend, das Landgericht habe die Beweislast verkannt, indem es den Kläger für
beweispflichtig gehalten habe. Als Vertreter müsse der Beklagte seine Vollmacht
nachweisen, was ihm mit der Angabe des Zeugen Z1 nicht gelungen sei. Entgegen
den Angaben des Beklagten habe der Zeuge bekundet, das Telefonat mit der
Ehefrau des Klägers geführt zu haben. Hieraus könne sich eine Bevollmächtigung
durch den Kläger nicht ergeben. Zudem sei die Beweiswürdigung fehlerhaft, weil
das Landgericht die Aussage des Zeugen Z1 trotz eines Verwertungsverbotes
gewürdigt habe. Schließlich habe der Beklagte den Versicherungsantrag
abredewidrig und eigenmächtig ausgefüllt und nicht das vom Kläger
unterzeichnete, aufklärungsrichtige Exemplar eingereicht, sondern ein
anderes.Zur Höhe des Verdienstausfalls behauptet der Kläger, ihm sei in der Zeit
von August 2005 bis März 2006 ein durchschnittlicher monatlicher Schaden in
Höhe von 1.449,26 € entstanden. Umgerechnet auf 12 Monate belaufe sich der
Verdienstausfall des Klägers auf 17.391,12 €. Zusätzlich macht der Kläger für
ausgefallene Mehrarbeit und ausgefallene Zuschläge erstmals bezifferte 6.404,21
€ geltend. Erstmals in der Berufungsinstanz trägt der Kläger auch vor, aufgrund
der fehlerhaften Beratung durch den Beklagten sei ihm ein dauerhafter geldwerter
Nachteil von monatlich 260 € entstanden, weil er auf Dauer keiner privaten
Krankenversicherung mehr beitreten könne, die entsprechend bessere Leistungen
als die gesetzliche Versicherung habe. Ergänzend wird auf die
Berufungsbegründung vom 22. November 2006 verwiesen. Auf Hinweis des Senats
vom 24. Oktober 2007 hat der Kläger drei Gehaltsabrechnungen nachgereicht
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vom 24. Oktober 2007 hat der Kläger drei Gehaltsabrechnungen nachgereicht
(Schriftsatz vom 1. November 2007).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 26. September 2006 abzuändern
und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 18.004,24 € nebst Zinsen in Höhe von
fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Januar 2006 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Er bestreitet erstmals, dass der
Beklagte unter Bluthochdruck gelitten habe und dem Kläger deswegen ein
probates Hausmittel gegen Bluthochdruck empfohlen habe. Der Beklagte meint
vorgetragen zu haben, dass er mit der Ehefrau des Klägers telefoniert habe. Die
Beweiswürdigung durch das Landgericht sei fehlerfrei. Zumindest liege wegen
falscher Angaben des Klägers gegenüber der Y ein Mitverschulden vor. Die
Abrechnung des Klägers wird weiterhin bestritten. Auf die Berufungserwiderung
vom 7. Februar 2007 wird ergänzend Bezug genommen.
II. Die Berufung ist unbedenklich zulässig, da sie rechtzeitig erhoben und
hinreichend begründet wurde, §§ 519, 520 Abs. 3 Nr. 2 und 3 ZPO.
Die Berufung ist gemäß § 513 ZPO dem Grunde nach insgesamt und der Höhe
nach teilweise begründet, weil die angefochtene Entscheidung mit einem
Verfahrensfehler behaftet ist und materielles Recht verletzt. Das Landgericht hat
den Begriff der Pflichtverletzung durch den Versicherungsmakler zu eng ausgelegt.
Bei seiner Beweiswürdigung hat es die Angaben des Zeugen Z1 berücksichtigt, die
wegen heimlichen Mithörens nicht verwertbar sind.
Das Rechtsverhältnis der Parteien bestimmt sich nach dem Schuldrecht in der seit
dem 1. Januar 2002 gültigen Fassung, weil die Beratung durch den Beklagten im
August und November 2004 stattgefunden hat.
Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung vertraglicher
Pflichten zu, §§ 280 Abs. 1, 652 BGB.
1. a) Die vertraglichen Beratungspflichten eines Versicherungsmaklers sind sehr
weitgehend. Der Versicherungsmakler ist für den Bereich der
Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten Versicherungsnehmers dessen
Sachwalter (BGH vom 22. Mai 1985, BGHZ 94, 356 f.; NJW 1985, 2595). Er wird
regelmäßig vom Versicherungsnehmer beauftragt und als sein Interessen- oder
sogar Abschlussvertreter angesehen. Weil er anders als der gewöhnliche
Handelsmakler zur Tätigkeit verpflichtet ist, hat er von sich aus das Risiko zu
prüfen und den Versicherungsnehmer ständig, unverzüglich und ungefragt zu
unterrichten. Als treuhänderischer Verwalter schuldet er dem
Versicherungsinteressenten Beratung und Betreuung in Bezug auf den zu
vermittelnden Vertrag (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH vom 14.6.2007, MDR 2007, 1190
f.).Demzufolge haftet der Versicherungsmakler bei Vermittlung eines
ungeeigneten Produkts an den Versicherungsnehmer auf Ersatz des dadurch
entstandenen Schadens (BGH vom 19.Mai 2005, NJW-RR 2005, 1425). Weil der
Versicherungsmakler im Interesse des Versicherungsnehmers das Risiko zu prüfen
hat, muss er den Versicherungsnehmer im Rahmen der Beratung auch zutreffend
auf die relevante Rechtsprechung hinweisen (OLG Hamm vom 11. Mai 1995,
Medizinrecht 1997, 463). Im Falle fehlerhafter Beratung ist es ausreichend, wenn
der Versicherungsnehmer die objektive Pflichtverletzung behauptet und beweist
(OLG Köln vom 7. Mai 2004 Versicherungsrecht 2005, 789). Der Inhalt der
Beratung ist vom Versicherungsmakler eingehend darzulegen. Hinsichtlich
fehlenden Verschuldens hat sich der Versicherungsmakler gemäß § 280 Abs. 1 S.
2 BGB zu exkulpieren.
b) Der Kläger hat mehrere derartige Beratungsfehler durch den Beklagten als
Versicherungsmakler im Einzelnen vorgetragen, die jeder für sich eine
Pflichtverletzung im Rahmen des bestehenden Schuldverhältnisses darstellen.
Schuldhaft pflichtwidrig war die Auskunft des Beklagten über die Übertragbarkeit
von Alterungsrückstellungen im Falle eines Wechsels der privaten
Krankenversicherung und die Beratung über die Bedeutung von
Gesundheitsrisiken bei einem Wechsel.
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c) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH vom 11. Mai
2006, Versicherungsrecht 2006, 1072; zuletzt BGH vom 20. Dezember 2006,
Versicherungsrecht 2007, 196, Juris Randnummer 11) und des erkennenden
Senats (Urteil vom 21. Juli 2005, 12 U 6/05, OLGR 2006, 53) können
Alterungsrückstellungen in der privaten Krankenversicherung nach derzeitiger,
bereits 2004 geltender Rechtslage, bei einem Wechsel der Versicherung nicht
übertragen werden. Der Grund hierfür liegt darin, dass es sich nicht um
Anwartschaften des Versicherungsnehmers, sondern um kalkulatorische
Bestandteile der Versicherungsprämie handelt. Diese Frage ist in der
Rechtsprechung seit der Entscheidung BGHZ 141, 214 vom 21. April 1999
grundlegend geklärt.
Darauf, dass der Kläger beim Wechsel der privaten Krankenversicherungen diese
Alterungsrückstellungen ersatzlos verlieren würde, hätte der Beklagte den Kläger
hinweisen müssen. Die grundlegende BGH-Entscheidung aus dem Jahr 1999 war
hinlänglich bekannt, als der Beklagte den Kläger im Jahr 2004 beriet. Stattdessen
vertrat der Beklagte die unzutreffende Ansicht, der Kläger könne einen Teil seiner
Alterungsrückstellungen "mitnehmen". Dies hat das Landgericht bei seiner
Entscheidung übersehen.
d) Da der Kläger seine private Krankenversicherung wechseln wollte und ein
Neuabschluss wesentlich von den Gesundheitsrisiken des Versicherungsnehmers
abhängt, war der Beklagte als treuhänderischer Sachwalter des Klägers in
Versicherungsangelegenheiten verpflichtet, den Kläger über die gesundheitlichen
Voraussetzungen für einen erfolgreichen Wechsel zutreffend zu beraten. Dieser
Verpflichtung konnte der Beklagte nur nachkommen, wenn er ausreichend über
den Gesundheitszustand des Klägers unterrichtet war. Die für seine Beratung
notwendigen Informationen musste er sich vom Versicherungsnehmer durch
Befragen verschaffen. Soweit sie ihm darüber hinaus aus anderen Quellen
zugänglich waren, hatte er diese auszuwerten und bei seiner Beratung zu
berücksichtigen. Dies trifft vorliegend auf die gesundheitliche Beschreibung im
Rahmen der ebenfalls vom Beklagten vermittelten Vorversicherung bei der X
Versicherung zu. Dass der Kläger dort mit einem Risikozuschlag wegen
Bluthochdrucks versichert war, hätte der Beklagte als Versicherungsmakler
feststellen und dies mit dem Kläger bei einer neuen Beratung erörtern müssen. Je
nach dessen gesundheitlicher Entwicklung hätte er dem Kläger von einem Wechsel
sogar abraten müssen, wenn wegen gesundheitlicher Risiken die Erhebung von
Risikozuschlägen oder die Ablehnung der Versicherung drohte; denn diese Gefahr
konnte nur der Beklagte als Versicherungsmakler einschätzen. Sie abzuwenden
war seine Verpflichtung als treuhänderischer Sachwalter für die Interessen des
Klägers als Versicherungsnehmer. Auch dieser Verpflichtung ist der Beklagte nicht
nachgekommen, weil er die Vorversicherungsunterlagen nicht ausgewertet und
den Kläger hierzu nicht befragt hat. In der Gesamtschau war der Beklagte
verpflichtet, dem Kläger von einem Wechsel der Krankenversicherung abzuraten,
weil der Verlust der Alterungsrückstellungen drohte und angesichts der beim
Kläger angelegten, für den Beklagten bei pflichtgemäßer Beratung erkennbaren
gesundheitlichen Risiken die Gefahr einer Schlechterstellung bestand. Eine
Verpflichtung zum Abraten war auch im Hinblick auf das berechtigte
Erwerbsinteresse des Beklagten nicht unzumutbar, weil der Beklagte nach
eigenem Vortrag für den Versicherungsvertrag bei der X Versicherung eine
Bestandsprovision bezog. Statt dessen empfahl der Beklagte dem Kläger zweimal
einen Wechsel und ist im zweiten Fall des Wechsels zu Z Versicherung bei den von
ihm ausgefüllten und unterzeichneten Gesundheitsangaben ohne erkennbaren
Grund von den mündlichen Angaben des Klägers bei dem beabsichtigen, aber
gescheiterten Wechsel zu Y Versicherung abgewichen, indem er die Frage nach
Vorerkrankungen nunmehr verneint hat (Ziffer 4.3 der Gesundheitsangaben, Blatt
131 GA). Diese Abweichung durch den Beklagten ist auch nicht durch seinen
Vortrag erklärlich, die Ehefrau des Klägers habe telefonisch mitgeteilt, die
Gesundheitsangaben seien unverändert gegenüber den Angaben für die Y
Versicherung.
Einer Wiederholung der Beweisaufnahme bedarf es nicht, weil der Vortrag des
Beklagten zum Inhalt des Telefonats nicht erheblich ist. Die Aussage des Zeugen
Z1 war zudem nicht verwertbar, weil er den Inhalt des Telefonats mitgehört hat,
ohne dass die Ehefrau des Klägers darauf hingewiesen wurde. Das Mithören
verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Ehefrau und des Klägers, weil der
Gesundheitszustand des Klägers erörtert worden sein soll.
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2. Aufgrund der Pflichtverletzung des beklagten Versicherungsmaklers wird dessen
Verschulden daran gesetzlich vermutet; hinreichender Entschuldigungsvortrag im
Sinne von § 280 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht gehalten. Das von dem Landgericht in
seiner Entscheidung eingeführte Argument, der Beklagte könne sich an die
gesundheitlichen Voraussetzungen der Vorversicherung nicht erinnern, hat außer
Betracht zu bleiben, weil die fehlende Aufklärung aus zugänglichen Unterlagen Teil
der Pflichtwidrigkeit ist.
3. a) Zu dem gemäß der §§ 249, 252 BGB ersatzpflichtigen Schaden gehört
zunächst der Verdienstausfall des Klägers. Dieser kann nach der modifizierten
Bruttolohnmethode berechnet werden. Maßgeblich ist bei eingeschränkter
Arbeitsfähigkeit die Differenz zwischen dem ausgefallenen Einkommen und dem
Ersatzeinkommen (BGH vom 28. April 1992 Versicherungsrecht 1992, 886; BGH
NJW-RR 1992, 1050). Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Kläger als privat
Versicherter keine gesetzlichen Abzüge zur Krankenversicherung gehabt hat.
Zudem hat er einen Arbeitgeberzuschuss zur privaten Krankenversicherung von
monatlich 262,99 € erhalten. Solange er gesetzlich versichert war, ist der
Nettobetrag bereits um die Auszahlung an die Krankenversicherung bereinigt.
Insoweit ergeben sich Differenzen, die Klage und Berufung außer Betracht lassen.
b) Ferner hat der Kläger den Verdienstausfallschaden nur für acht Monate von
August 2005 bis März 2006 konkret vorgetragen. Für die Zeit danach fehlt es
sowohl an der Darlegung des erzielten Einkommens, als auch an Nachweisen
hierfür. Eine Darstellung mittels hochgerechneter Durchschnittswerte reicht nicht
aus, weil der Kläger die Differenz zwischen den ausgebliebenen Einkünften und den
Ersatzeinkünften konkret berechnen konnte. Die klägerische Schadensberechnung
hat der Beklagte wiederholt gerügt. Einen Verdienstausfallschaden über den
31.3.2006 hinaus kann der Senat daher nicht feststellen.
c) Der Verdienstausfallschaden des Klägers berechnet sich daher gemäß
Verdienstbescheinigung für 2004 und der Einkommensnachweise für 2005/2006
wie folgt (alle Beträge in EUR):
Zeit Betrag 05 Schnitt DifferenzAug 05 2459,47 Sep 05 2357,05 Okt 05 2423,26
Nov 05 2433,98 Dez 05 2430,11 Jan 06 2433,98 Feb 06 2682,16 Mrz 06 2354,97
Netto 19574,98 2446,78 Betrag 04 Brutto 60955,67 Lohnsteuer 10596 Soli 482,57
KrankenVers 3371,4 RentenVers 5894,15 ArblosVers 1964,73 Netto 38646,82
3220,57 773,79
Es ergibt sich ein monatlicher Schaden des Klägers von 773,79 €, für acht Monate
folglich 6.190,32 €, die dem Kläger zustehen.
Ein gesonderter Anspruch auf Ersatz von Mehrarbeitszulagen besteht darüber
hinaus nicht, weil diese in der Jahresabrechnung für 2004 bereits erfasst sind.
d) Ein Vermögensnachteil von monatlich 260 €, der dem Kläger durch die
Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung angeblich entsteht, wird
erstmals mit der Berufung geltend gemacht. Gründe, warum dies erst mit der
Berufung geschieht, sind weder vorgetragen, noch ersichtlich. Die
Voraussetzungen für eine Zulassung dieses bestrittenen Vortrages nach § 531
Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
4.a) Die Änderung des Anstellungsvertrages des Klägers – Umwandlung in ein
versicherungspflichtiges Angestelltenverhältnis bei gleichzeitiger Verringerung der
Arbeitszeit – ist adäquate Folge der Pflichtverletzung des Beklagten und vom
Schutzzweck der Norm umfasst, soweit sie auf fehlerhafter Beratung über die
gesundheitlichen Bedingungen eines erfolgreichen Versicherungswechsels beruht.
Sie liegt außerhalb des Schutzzwecks der Norm, soweit sie auf dem fehlerhaften
Rat über die Übertragbarkeit der Alterungsrückstellungen beruht. Die eingetretene
Folge ist zwar ungewöhnlich, hat ihre Ursache aber in den besonderen
Bedingungen des privaten und gesetzlichen Krankenversicherungsrechts. Nach
dem Rücktritt der Z Krankenversicherung war dem Kläger eine Rückkehr zur X
Versicherung verwehrt, weil dieses Versicherungsverhältnis zum 31. Dezember
2004 geendet hatte und die Drei-Monats-Frist aus § 5 Abs. 10 S. 5 SGB V
abgelaufen war. Die X Versicherung lehnte eine Fortsetzung des Vertrages ebenso
ab wie eine Neuaufnahme des Klägers. Mit seinem regelmäßigen Bruttogehalt von
4.197 € lag der Kläger oberhalb der Versicherungspflichtgrenze gemäß § 6 Abs. 6
SGB V, die damals 3.525 € monatlich betrug. Der Kläger konnte weder bei der Z
Versicherung bleiben, noch zur X Versicherung zurückkehren oder sich anderweitig
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Versicherung bleiben, noch zur X Versicherung zurückkehren oder sich anderweitig
privat krankenversichern und konnte zu den damaligen Bedingungen seines
Anstellungsverhältnisses auch nicht in die gesetzliche Versicherung eintreten.
b) Bei der Verletzung vertraglicher Pflichten hängt die Ersatzpflicht des Schädigers
davon ab, ob die verletzte Vertragspflicht das Entstehen von Schäden der
eingetretenen Art verhindern sollte (BGH vom 30. Januar 1990, Betriebsberater
1990, 586). Vorliegend ist zwischen den verschiedenen Pflichten des
Versicherungsmaklers zu differenzieren.
Der Schutzzweck der Pflicht zur Beratung über die Gefahr des Verlustes der
Alterungsrückstellungen beschränkt sich nicht auf die Alterungsrückstellungen an
sich, der für sich allein kein vom Versicherungsmakler in Fällen fehlerhafter
Beratung zu ersetzender Schaden ist (BGH vom 11. Mai 2006, Versicherungsrecht
2006, 1072). Die Frage, ob der Versicherungsmakler auf den drohenden Verlust
der Alterungsrückstellungen hinweisen muss, um damit Vermögensnachteile des
Versicherungsnehmers zu verhindern, die außerhalb des
Versicherungsverhältnisses liegen, verneint der Senat. Auch als treuhänderischer
Sachwalter des Versicherungsnehmers ist der Versicherungsmakler nicht
verpflichtet, durch Hinweise auf drohende Verluste der Altersrückstellungen
beliebige andere Vermögensnachteile abzuwenden. Dies würde den Schutzzweck
uferlos ausdehnen.
Anders verhält es sich hingegen mit der Pflicht zur Beratung in Bezug auf die
versicherungsrechtlichen Folgen individueller Gesundheitsrisiken. Kann der
Versicherungsmakler - wie vorliegend - erkennen, dass beim
Versicherungsnehmer ein bestimmtes Gesundheitsrisiko besteht, und
berücksichtigt er dieses Risiko bei der Beratung nicht, empfiehlt einen Wechsel der
Gesellschaft, in dessen Folge der Versicherungsnehmer aufgrund des
gesundheitlichen Risikos jeglichen Versicherungsschutz verliert, so hat der
Versicherungsmakler auch für die über das Versicherungsverhältnis
hinausgehenden Vermögensschäden des Versicherungsnehmers aufzukommen.
Bejaht man darüber hinaus eine Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger in der
konkreten Situation von jeglichem Versicherungswechsel abzuraten, so fällt die
Vermögenseinbuße beim Kläger ohne weiteres in den Kernbereich der geschützten
Norm.
c) Der Umstand, dass eine Willensbetätigung des Klägers in Form der
Vertragsänderung in den Kausalverlaufs eingetreten ist, ändert nichts an der
Adäquanz und Zurechenbarkeit der Schadensfolge zulasten des Beklagten. Diese,
in der Rechtsprechung unter dem Begriff der "Herausforderung" erörterte
Handlung eines Geschädigten (vergleiche Erman/BGB 11. Aufl. vor § 249
Randnummer 64) beseitigt den Zurechnungszusammenhang dann nicht, wenn sie
durch das Verhalten des Schädigers quasi erzwungen wurde. Aufgrund der
besonderen versicherungsrechtlichen Lage stand der Kläger infolge
Falschberatung durch den Beklagten vor der Alternative, entweder den Rest seines
Lebens ohne Krankenversicherung auszukommen oder durch Unterschreiten der
Pflichtversicherungsgrenze in die gesetzliche Krankenversicherung
zurückzukehren. Da der Kläger bei vernünftiger Handlungsweise nach der
Falschberatung durch den Beklagten gar keine Alternative hatte, als in die
gesetzliche Krankenversicherung zurückzukehren, unterbricht seine Entschließung,
dass Gehalt und die Arbeitszeit zu reduzieren, den Zurechnungszusammenhang
nicht.
d) Der Kläger muss sich auf seinen Ersatzanspruch keinen Vorteil anrechnen
lassen, den er daraus zieht, dass er für das vereinbarte geringere Gehalt gemäß
der Bescheinigung seines Arbeitgebers vom 14. September 2005 (Blatt 20) kürzer
arbeiten musste. Die Verpflichtung zum Schadensersatz bezieht sich auf die
Vermögensnachteile, die der Geschädigte durch die Aufhebung oder Minderung
seiner Erwerbsfähigkeit erleidet. Der Schaden besteht nicht im Wegfall der
Arbeitskraft, sondern im Ausfall der Arbeitsleistung (BGH vom 5. Mai 1970, BGHZ
54, 45). Bei Einkünften aus unselbstständiger Arbeit ist die Differenz zwischen der
früheren und der schadensbedingt geringeren Vergütung maßgeblich (vergleiche
BGH vom 28. April 1992, Versicherungsrecht 1992, 886). Muss der Geschädigte
infolge der Schädigungshandlung weniger arbeiten und erzielt deswegen geringere
Einkünfte, so entlastet dies den Schädiger nicht. Dasselbe gilt, wenn der
Geschädigte weniger arbeitet, weil ihn Gründe, die mit der Verletzungshandlung
eng zusammenhängen, ohne sinnvolle Handlungsalternative dazu bestimmt
haben.
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e) Die Darlegung von Handlungsalternativen, die zur Schadensvermeidung
geeignet waren, obliegt dem Versicherungsmakler. Dies betrifft sowohl die
Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens, als auch die hypothetische
Entwicklung des Vermögensschadens. Verletzt er seine Aufklärungs- und
Beratungspflichten so muss er beweisen, dass der Schaden auch bei
Pflichterfüllung eingetreten wäre (BGH vom 22. Mai 1985, BGHZ 94, 356; OLG
Düsseldorf vom 10. November 1995, Versicherungsrecht 1996, 1140). Dazu hat
der Beklagte vorliegend keinen Vortrag gehalten.
f) Ein Mitverschulden des Klägers bei der Schadensentstehung ist nicht zu
berücksichtigen. Die von dem Beklagten behaupteten falschen Angaben des
Klägers beim Ausfüllen des Versicherungsantrages für die Y Versicherung waren
für den Schaden nicht mitursächlich, weil der Beklagte beim Ausfüllung des
Antrages für die Z Versicherung von den Vorgaben durch den Kläger eigenmächtig
abgewichen ist, indem er die Frage nach Vorerkrankungen nunmehr verneint hat
(Ziffer 4.3 der Gesundheitsangaben, Blatt 131 GA), die der Kläger im Antrag an die
Y Versicherung noch bejaht hatte (Ziffer 7, Blatt 41 GA).
III. Der Zinsanspruch des Klägers ist aus den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB begründet.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10,
711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.