Urteil des BVerfG vom 31.01.2008

BVerfG: unternehmen, verfassungsbeschwerde, ausschluss, kostenregelung, versicherungsnehmer, grundrecht, zugang, einspruch, eingriff, anstalten

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1806/02 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der B... a.G.,
vertreten durch den Vorstand,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Hopfgarten,
Friedrichstraße 51, 42105 Wuppertal -
1. unmittelbar gegen
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. Mai 2002 - S 10 P 40/01 -,
2. mittelbar gegen
§ 184 und § 193 Abs. 4 SGG in der Fassung des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17.
August 2001 (BGBl I S. 2144)
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Hohmann-Dennhardt
und die Richter Gaier,
Kirchhof
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 31. Januar 2008 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
A.
1
Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Kostenrecht im Verfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz (SGG). Konkret
wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Erhöhung der von so genannten nichtprivilegierten Beteiligten im
Sozialgerichtsverfahren zu leistenden Pauschgebühr sowie gegen den Ausschluss von Kostenerstattungsansprüchen
im Obsiegensfall auch für die privaten Unternehmen der Pflegeversicherung durch § 184, § 193 Abs. 4 SGG in der
Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 17. August 2001 (6. SGGÄndG),
BGBl I S. 2144.
I.
2
Das Sozialgerichtsgesetz regelt in seinem Zweiten Teil - Vierter Abschnitt – die Verfahrenskosten. Bis zum
Inkrafttreten des 6. SGGÄndG war gemäß § 183 SGG a.F. das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit
kostenfrei, soweit nichts anderes bestimmt war. Für die am Verfahren beteiligten Körperschaften und Anstalten des
öffentlichen Rechts sowie die Unternehmen der privaten Pflegeversicherung normierte § 184 SGG a.F. eine durch
Rechtsverordnung der Bundesregierung festzusetzende Pauschgebühr. § 193 Abs. 4 SGG a.F. bestimmte, dass die
Aufwendungen der Behörden, der Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts nicht erstattungsfähig waren.
3
Durch Art. 1 Nrn. 61, 62 und 66 des 6. SGGÄndG hat der Gesetzgeber auch die Erstattungsfähigkeit der
Aufwendungen der privaten Unternehmen der privaten Pflegeversicherung ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. dazu
BSG, Beschluss vom 8. Juli 2002 - B 3 P 3/02 R -, NJW-RR 2002, S. 1652 f.). Die Neuregelungen lauten:
4
§ 183
5
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte,
Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren
Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie
in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind ...
6
§ 184
7
(1) Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 genannten Personen gehören, haben für
jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten. Die Gebühr entsteht, sobald die Streitsache
rechtshängig geworden ist; sie ist für jeden Rechtszug zu zahlen. Soweit wegen derselben
Streitsache ein Mahnverfahren (§ 182a) vorausgegangen ist, wird die Gebühr für das Verfahren
über den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids nach dem Gerichtskostengesetz
angerechnet.
8
(2) Die Höhe der Gebühr wird für das Verfahren
9
vor den Sozialgerichten auf 150 Euro,
10
vor den Landessozialgerichten auf 225 Euro,
11
vor dem Bundessozialgericht auf 300 Euro
12
festgesetzt.
13
(3) § 2 des Gerichtskostengesetzes gilt entsprechend.
14
§ 193
15
(1) bis (3)...
16
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der Behörden, der in § 184 Abs. 1 genannten
Gebührenpflichtigen.
17
Der missverständliche Wortlaut von § 193 Abs. 4 SGG wurde durch Art. 6 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderungen des
Sozialgesetzbuchs und anderer Gesetze vom 24. Juli 2003 (BGBl I S. 1526) wie folgt berichtigt:
18
§ 193
19
(1) bis (3) ...
20
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten
Gebührenpflichtigen.
21
Aufwendungen im Sinne von § 193 SGG sind sowohl in der Fassung vor dem 6. SGGÄndG als auch danach
lediglich die außergerichtlichen Kosten. Hinsichtlich der Gerichtskosten besteht mit Ausnahme der Kosten des
Mahnverfahrens (§ 193 Abs. 1 Satz 2 SGG) nach altem wie nach neuem Recht kein Erstattungsanspruch (vgl. dazu
BSG, Urteil vom 12. Februar 2004 - B 12 P 2/03 R -, SozR 4-1500, § 184 Nr. 1). Ein Erstattungsanspruch wegen
eigener außergerichtlicher Kosten des Pflegeversicherungsunternehmens ist gemäß § 193 Abs. 4 SGG
ausgeschlossen.
II.
22
Die Beschwerdeführerin, ein privates Krankenversicherungsunternehmen, beantragte 2001 gegen eine bei ihr privat
pflegeversicherte
Versicherungsnehmerin
einen
Mahnbescheid
wegen
rückständiger
Pflegepflichtversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 759,88 DM. Nach Widerspruch der Versicherungsnehmerin
gegen den Mahnbescheid in Bezug auf einen Betrag von 308,98 DM und einem nachfolgenden Teilvergleich gab das
Sozialgericht Augsburg mit Gerichtsbescheid vom 21. Februar 2002 der Klage der Beschwerdeführerin über einen
Betrag in Höhe von 31,10 Euro vollumfänglich statt und bestimmte, dass Kosten nicht zu erstatten seien. Ein
gleichlautendes Urteil erging nach mündlicher Verhandlung vom 14. Mai 2002 – die Beschwerdeführerin hatte zuvor
einen Antrag nach § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG gestellt.
23
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung wurde vom Bayerischen Landessozialgericht mit Beschluss
vom 28. August 2002 unter Hinweis auf § 144 Abs. 4 SGG als unbegründet zurückgewiesen.
24
Die Beschwerdeführerin hat am 27. September 2002 Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Sozialgerichts
Augsburg erhoben. Sie sieht sich in ihren Verfassungsrechten aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 20 Abs. 3 GG,
Art. 3 Abs. 1 GG sowie Art. 19 Abs. 4 GG verletzt.
25
Art. 14 Abs. 1 GG sei aus folgenden Gründen verletzt: Gemäß § 110 Abs. 1 und 3 des Elften Buches
Sozialgesetzbuch (SGB XI) - Soziale Pflegeversicherung - unterliege die Beschwerdeführerin im Falle eines bei ihr
krankenversicherten Versicherungsnehmers im Hinblick auf die Pflegeversicherung einem Kontrahierungszwang.
Gemäß § 110 Abs. 4 SGB XI seien für die Dauer des Kontrahierungszwangs Rücktritts- und Kündigungsrechte
ausgeschlossen. Angesichts der in jedem Fall zu zahlenden Gerichtsgebühr von 150 Euro und der fehlenden
Möglichkeit der Kostenüberwälzung im Obsiegensfall bedeute dies im Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin allein
zur gerichtlichen Durchsetzung ihrer Ansprüche in der Regel auf einen Pflegeversicherungsbeitrag für einen Zeitraum
von fünf Monaten verzichten müsse. In diesem Zusammenhang seien die weiteren für die Beschwerdeführerin bei der
Verfolgung des Anspruchs entstehenden Kosten, welche ebenfalls nicht erstattungsfähig seien, noch nicht
berücksichtigt. Hierbei handele es sich insbesondere um die Kosten für die Beauftragung eines anwaltlichen
Prozessbevollmächtigten, die den zuvor genannten Betrag noch wesentlich überschreiten könnten. Bei Ansetzung der
geringstmöglichen durchschnittlichen Rechtsanwaltsgebühr von rund 230 Euro ergäben sich für jeden Fall nicht
erstattungsfähige Gesamtkosten in Höhe von mindestens 380 Euro. Wirtschaftlich sei eine Klage in der Regel damit
erst nach 13 Monaten sinnvoll. Einem entsprechenden Abwarten stehe jedoch § 121 Abs. 1 Nr. 6 SGB XI in
Verbindung mit § 51 Abs. 1 Satz 2 SGB XI entgegen, wonach ein Beitragsrückstand von sechs Monaten oder mehr
einen Ordnungswidrigkeitstatbestand darstellt, der mit einem Bußgeld von bis zu 2.500 Euro geahndet werden kann.
Insgesamt müsse die Beschwerdeführerin bei durchschnittlich 228 Verfahren pro Jahr mit einem durchschnittlichen
Beitragsrückstand von 150 Euro jährlich Aufwendungen von rund 34.200 Euro abschreiben. Durch den
Gesamtregelungskomplex seien daher nicht nur Art. 14 Abs. 1 GG, sondern auch die Garantie effektiven
Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG sowie der Justizgewährleistungsanspruch (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit
Art. 20 Abs. 3 GG - Rechtsstaatsprinzip) verletzt.
26
Schließlich liege auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, weil durch die kostenmäßige Gleichstellung der
privaten Versicherungsunternehmen mit den öffentlichrechtlichen Behörden, Körperschaften und Anstalten wesentlich
Ungleiches gleich behandelt werde. Letztgenannte hätten die Möglichkeit, vollstreckbare Verwaltungsakte
(Beitragsbescheide) zu erlassen, womit sie sich selbst Vollstreckungstitel ausstellen könnten, ohne dass die
Versicherten
hiergegen
Rechtsbehelfe
mit
aufschiebender
Wirkung
einlegen
könnten.
Private
Versicherungsunternehmen seien dagegen auf den Sozialrechtsweg angewiesen. Da für sie damit im Gegensatz zu
den Pflegekassen in jedem Fall eine Gebühr von 150 Euro sowie außergerichtliche Kosten anfielen, seien sie in ihrem
allgemeinen Gleichheitsgrundrecht verletzt. Der Gesetzgeber habe diese Tatsachen schlicht übersehen. Dafür
spreche insbesondere, dass die Änderung des § 193 Abs. 4 SGG ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs
lediglich als Folgeregelung zur Neufassung des § 184 Abs. 1 SGG verstanden worden sei.
B.
27
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil Annahmegründe im Sinne des § 93a
Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Aussicht
auf Erfolg. Sie ist teils unzulässig, teils unbegründet.
I.
28
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Sozialgericht zu Recht § 193 Abs. 4 SGG in der Fassung des 6. SGGÄndG
angewendet hat. Selbst wenn nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts (vgl. BVerfGE 11, 139
<146>; 24, 33 <55>; 39, 156 <167>; 45, 272 <297>; 65, 76 <98>; 87, 48 <62 ff.>) die Vorschrift des § 193 Abs. 4
SGG in der bis zum 6. SGGÄndG geltenden Fassung anzuwenden gewesen wäre (vgl. dazu BSG, Urteil vom 30.
Januar 2002 - B 6 KA 12/01 R -, JURIS; Urteil vom 8. Juli 2002 - B 3 P 3/02 R -, JURIS), ändert dies nichts daran,
dass die Beschwerdeführerin nach ihrem eigenen Vortrag durch die behauptete Verfassungswidrigkeit der neuen
Fassung beschwert worden ist, nicht aber durch die Nichtanwendung der alten Fassung. Insoweit würde es auch an
einer substantiierten Begründung fehlen: Die Beschwerdeführerin geht weder auf einen etwaigen Verstoß gegen die
Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes noch auf eine eventuelle Verletzung des Willkürverbots
durch die Anwendung der Neufassung des § 193 Abs. 4 SGG ein.
29
2. Soweit die Beschwerdeführerin in der Auferlegung von Gerichtsgebühren von 150 Euro einen unzulässigen Eingriff
in die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG rügt, genügt ihr Vortrag nicht den Anforderungen von § 23
Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG an eine substantiierte Begründung.
30
a) Die Auferlegung von Gebühren durch § 184 SGG verletzt Art. 14 Abs. 1 GG letztlich nur dann, wenn sie den
Betroffenen übermäßig belastet und grundsätzlich beeinträchtigt (vgl. BVerfGE 78, 232 <243>). Angesichts dessen
hätte es der Beschwerdeführerin oblegen, eine derartig gravierende Wirkung darzulegen. Die Beschwerdeführerin teilt
mit, dass bei einem Absehen von der gerichtlichen Durchsetzung ihrer Beitragsansprüche aus
Pflegepflichtversicherungsverträgen bei jährlich 228 Verfahren mit einem durchschnittlichen Beitragsrückstand von
150 Euro eine jährliche Abschreibung von 34.200 Euro resultiere. Sie stellt damit ersichtlich auf ihre Gesamtbelastung
durch die Pflicht zur Zahlung von Pauschgebühren ab. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
sind indes nicht die Gesamtausgaben maßgebend; vielmehr kommt es im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 GG darauf an,
wie sich die Auferlegung der Gerichtsgebühren im Einzelfall auf das jeweilige Unternehmen auswirkt (vgl. BVerfGE 76,
130 <141>). Dass die Verpflichtung zur Zahlung einer Pauschgebühr in Höhe von 150 Euro für die Beschwerdeführerin
keine übermäßig belastende oder sie grundsätzlich beeinträchtigende Wirkung entfaltet, ist in diesem Zusammenhang
offensichtlich.
31
Selbst wenn auf die Gesamtausgaben der Beschwerdeführerin abzustellen wäre, ist keine Beeinträchtigung des
Art. 14 Abs. 1 GG erkennbar. Zum einen würde es im vorliegenden Verfahren an einer substantiierten Begründung
fehlen: Da das 6. SGGÄndG am 1. Januar 2002 in Kraft getreten und die Verfassungsbeschwerde bereits am 27.
September 2002 beim Bundesverfassungsgericht eingegangen ist, kann es sich bei den Angaben der
Beschwerdeführerin nur um Schätzungen handeln. Deren Stichhaltigkeit lässt sich nur beurteilen, wenn mitgeteilt wird,
auf welchen Grundlagen die genannten Zahlen basieren. Entsprechende Angaben finden sich in der
Verfassungsbeschwerde nicht. Für eine Prüfung der konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen der benannten
Abschreibungen wäre es darüber hinaus nötig gewesen, diese ins Verhältnis zu Unternehmenskennziffern wie etwa
Jahresumsatz oder Jahresgewinn zu setzen. Auch solche Angaben fehlen. Dass jährliche Gesamtkosten in Höhe von
34.200 Euro für ein privates Kranken- und Pflegeversicherungsunternehmen von der Größe der Beschwerdeführerin
eine erdrosselnde Wirkung ausüben sollten, liegt im Übrigen fern.
32
b) Unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs ergibt sich nichts anderes. Wenn
er überhaupt von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt sein sollte (vgl. BVerfGE 51, 193 <221 f.>; 105, 252 <278>), folgt
hieraus jedenfalls kein über die konkrete wirtschaftliche Grundlage des Gewerbebetriebs hinausreichender Schutz
(vgl. BVerfGE 58, 300 <353>). Insbesondere ergibt sich aus Art. 14 GG auch kein übergreifender Schutz ökonomisch
sinnvoller und rentabler Eigentumsnutzung (vgl. BVerfGE 77, 84 <118>).
II.
33
Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig, aber unbegründet.
34
Die Pflicht zur Entrichtung einer Pauschgebühr nach § 184 SGG verletzt die Beschwerdeführerin weder in ihrem
Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz noch in ihrem Justizgewährleistungsanspruch; sie ist weiterhin auch mit
Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (dazu unter 1.). Der Ausschluss der Möglichkeit, die eigenen Aufwendungen bei der
Rechtsverfolgung auf die unterlegenen Beteiligten abzuwälzen (§ 193 Abs. 4 SGG), verletzt die Beschwerdeführerin
nicht in ihren Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3
GG oder aus Art. 3 Abs. 1 GG (dazu unter 2.).
35
1. a) Die gesetzliche Ausgestaltung der Pauschgebühr nach § 184 SGG verstößt nicht gegen die Rechtsweggarantie
aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Das Gesetz sieht in § 189 Abs. 2 Satz 2 SGG ausdrücklich die Möglichkeit vor, gegen
die vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nach Maßgabe von § 189 Abs. 1 SGG vorgenommene Feststellung der
Gebührenschuld binnen eines Monats nach Mitteilung das Gericht anzurufen, das endgültig entscheidet. Ein
Rechtsweg gegen die Feststellung der Pauschgebühr im Einzelfall ist also gegeben.
36
b) Soweit die Beschwerdeführerin in der erhöhten Pauschgebühr einen Verstoß gegen den allgemeinen
Justizgewährleistungsanspruch sieht, ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.
37
aa) Die Rüge ist insoweit nicht an Art. 19 Abs. 4 GG, sondern an dem aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem
Rechtsstaatsprinzip folgenden Justizgewährleistungsanspruch zu messen, der in bürgerlichrechtlichen Streitigkeiten
wie hier - unabhängig von der Rechtswegzuweisung – wirkungsvollen Rechtsschutz garantiert (vgl. BVerfGE 54, 277
<291>; 80, 103 <107>). Der Justizgewährleistungsanspruch enthält das Recht auf Zugang zu den Gerichten und eine
grundsätzlich umfassende, tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes sowie eine verbindliche
Entscheidung durch den Richter (vgl. BVerfGE 54, 277 <291>). Der Gesetzgeber ist zwar frei, Voraussetzungen und
Bedingungen des Zugangs auszugestalten, darf den Zugang zu den Gerichten aber nicht in unzumutbarer, aus
Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschweren (vgl. BVerfGE 74, 228 <234>). Dem Gesetzgeber ist
es indes nicht verwehrt, für die Inanspruchnahme der Gerichte Gebühren zu erheben (vgl. BVerfGE 10, 264 <268>;
80, 103 <106 f.>). Dabei hat er aber sowohl den verfassungsrechtlichen Grundsätzen für Gebührenregelungen als
auch der Bedeutung des Justizgewährleistungsanspruchs im Rechtsstaat Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 85, 337
<346>).
38
bb) Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass grundsätzlich sowohl die Erhebung von
Pauschgebühren als auch die fehlende Möglichkeit des Kostenschuldners, diese im Obsiegensfalle auf den
unterliegenden Beteiligten abzuwälzen, verfassungsgemäß sind (vgl. BVerfGE 76, 130 <139 ff.>). Dem Gesetzgeber
stand es auch frei, das Sozialgerichtsverfahren im Interesse des Steuerzahlers nicht völlig kostenfrei auszugestalten.
Der Staat ist auch bei geringfügigem wirtschaftlichen Interesse des Einzelnen nicht verpflichtet, seine Gerichte
praktisch kostenlos zur Verfügung zu stellen (vgl. BVerfGE 85, 337 <348>). Weiterhin begegnet es keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken, in Bezug auf den Versicherten von der Erhebung von Gebühren abzusehen. Hinter
dem so geschaffenen sozialen Gerichtkostenrecht steht der von Verfassungs wegen nicht zu beanstandende
Gedanke, dem vom Staat zum Abschluss einer sozialen Sicherung gezwungenen Bürger die Möglichkeit
einzuräumen, seine Rechte umfassend wahrzunehmen, ohne damit rechnen zu müssen, im Unterliegensfalle mit
erheblichen Kosten belastet zu werden (vgl. BVerfGE 76, 130 <140>).
39
cc) Gegen den Justizgewährleistungsanspruch verstieße die daraus folgende einseitige Belastung der Unternehmen
der Pflegeversicherung, wenn die Kosten zu dem mit dem Verfahren angestrebten wirtschaftlichen Erfolg derart außer
Verhältnis stünden, dass die Anrufung der Gerichte nicht mehr sinnvoll erschiene (vgl. BVerfGE 85, 337 <347 f.>).
Davon ist nicht auszugehen, solange sich die Pauschgebühr - wie bisher - in einem maßvollen Rahmen hält.
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Zwar ist bei einem angenommenen durchschnittlichen Monatsbeitrag zur privaten Pflegepflichtversicherung von
30,40 Euro bereits bei Klageerhebung ersichtlich, dass die Gerichtskosten in Höhe von insgesamt 150 Euro höher
sein werden als der eingeklagte Betrag. Dabei ist indes zunächst zu bedenken, dass der auf das Mahnverfahren
entfallende Anteil, der zur Zeit mindestens 23 Euro (vgl. Nr. 1110 Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 Kostenverzeichnis des
Gerichtskostengesetzes i.d.F. vom 22. Dezember 2006) beträgt, im Obsiegensfall nicht vom
Pflegeversicherungsunternehmen, sondern vom unterliegenden Versicherten zu tragen ist. Nach § 193 Abs. 1 Satz 2
SGG sind in einem solchen Fall die für das Mahnverfahren anfallenden Gerichtskosten erstattungsfähig.
41
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin – wie sie selbst vorträgt – auch bei
Pflegepflichtversicherungsverträgen, von denen sie sich gemäß § 39 VVG lösen kann, fünf oder mehr Monate
verstreichen lässt, ehe sie einen Mahnbescheid beantragt und im Fall des Widerspruchs das streitige Verfahren vor
dem Sozialgericht durchführt. Angesichts dessen kommt ein Fall, in dem die Beschwerdeführerin lediglich einen
Monatsbeitrag einklagt, nach ihren eigenen Ausführungen in der Praxis nicht vor. Dementsprechend hat sie auch in
dem der Verfassungsbeschwerde zugrunde liegenden Verfahren beim Amtsgericht ursprünglich Beiträge zur
Pflegepflichtversicherung von insgesamt 759,88 DM zuzüglich Zinsen geltend gemacht.
42
Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auf den Bußgeldtatbestand des § 121 Abs. 1 Nr. 5 SGB
XI und ihre in § 51 Abs. 1 Satz 2 SGB XI normierte Meldepflicht verweist, gibt dies keinen Anlass zu einer anderen
Beurteilung. § 51 Abs. 1 Satz 2 SGB XI verpflichtet die Unternehmen der privaten Pflegeversicherung lediglich zur
Meldung von Versicherungsnehmern, die mit der Entrichtung von sechs Monatsprämien in Verzug geraten sind. Eine
Verpflichtung, die ausstehenden Monatsprämien ab einer bestimmten Zeitgrenze einzuklagen, ergibt sich aus der
Vorschrift nicht.
43
Ob eine Kostenregelung oder deren Anwendung den Zugang zu den Gerichten unzumutbar einschränkt, hängt im
Übrigen von der Ausgestaltung der Kostenregelung insgesamt ab (vgl. BVerfGE 85, 337 <348>). Dabei ist zunächst
zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber den Unternehmen der privaten Pflegeversicherung die Möglichkeit eröffnet
hat, im Falle von Beitragsrückständen beim Amtsgericht einen Mahnbescheid nach §§ 688 ff. ZPO und einen
Vollstreckungsbescheid nach § 699 ZPO zu erwirken. Erst nach Widerspruch gegen den Mahnbescheid oder
Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid besteht die Notwendigkeit, den Sozialrechtsweg zu beschreiten (§ 696
Abs. 1 Satz 1
;
§ 182a SGG hat auch eine differenzierte Kostenregelung zur Folge: Erhebt der Versicherte im Mahnverfahren weder
Widerspruch noch Einspruch, hat er gemäß § 699 Abs. 3 ZPO die Kosten des Mahnverfahrens zu tragen. Mit der – im
Übrigen durch die Kosten des Mahnverfahrens ermäßigten (§ 184 Abs. 1 Satz 3 SGG) – Pauschgebühr werden private
Pflegeversicherungsunternehmen vom Gesetzgeber erst und nur dann belastet, wenn der Versicherte sich im
Mahnverfahren gegen die Beitragsforderung wendet. Nach der – nicht fern liegenden – Einschätzung des
Gesetzgebers wird der ganz überwiegende Teil der Streitigkeiten im Mahnverfahren endgültig erledigt und geht damit
nicht in das streitige Verfahren vor den Sozialgerichten über (BTDrucks 13/9609, S. 7). Bereits dies spricht gegen
eine unzumutbare Einschränkung des Rechtswegs für die Geltendmachung von Beitragsforderungen aus der privaten
Pflegepflichtversicherung durch die gerügten Kostenregelungen des Sozialgerichtsgesetzes. Anhaltspunkte dafür,
dass es im konkreten Fall anders wäre, sind nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführerin teilt weder mit, wie viele
Personen bei ihr pflegeversichert sind, noch wie viele Mahnverfahren sie eingeleitet hat, noch wie viele Verfahren
davon ins streitige Verfahren übergegangen sind.
44
Weiter ist in eine Gesamtbetrachtung der Kostenregelung für Streitigkeiten der privaten Pflegepflichtversicherungen
einzustellen, dass § 184 Abs. 1 SGG sich für die Unternehmen der privaten Pflegepflichtversicherung nicht nur
nachteilig auswirkt. Zwar normiert § 184 SGG eine Pauschgebühr von 150 Euro auch in Fällen mit geringem
wirtschaftlichem Wert. Abgesehen davon aber, dass eine Pauschalregelung bereits begriffsnotwendig generalisieren
muss und nicht jedem Einzelfall gerecht werden kann, hat sie zur Folge, dass auch die Kosten für
Leistungsstreitigkeiten mit bedeutendem wirtschaftlichem Wert mit der dann geringfügigen Pauschgebühr von 150
Euro abgegolten werden. Besonderes Gewicht kommt ferner dem Umstand zu, dass die – regelmäßig beträchtlichen –
Kosten der medizinischen Beweisaufnahme im sozialgerichtlichen Verfahren von der Staatskasse oder nach § 109
Abs. 1 Satz 2 SGG vom Versicherten zu tragen sind (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23. April 2003 - L 4 P
20/01 -, JURIS, Rn. 21) und damit nicht der Beschwerdeführerin zur Last fallen können.
45
Bleibt ein Versicherungsnehmer säumig, ist in die gebotene Gesamtbetrachtung im Übrigen einzustellen, dass das
Beschreiten des Sozialrechtswegs durch die Versicherungsunternehmen nicht der einzige Weg ist, säumige
Versicherungsnehmer zur Erfüllung ihrer Beitragspflicht anzuhalten. Der Gesetzgeber hat durch die von der
Beschwerdeführerin in Bezug genommenen Vorschriften der § 121 Abs. 1 Nr. 6 SGB XI und § 51 Abs. 1 Satz 2 SGB
XI die Möglichkeit geschaffen, säumige Versicherungsnehmer durch die (Androhung der) Verhängung einer Geldbuße
zur Erfüllung ihrer Leistungspflicht anzuhalten (vgl. Baier, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung -
Pflegeversicherung, Loseblatt, Stand März 2007, § 51 Rn. 3). Diese Möglichkeit setzt weder das vorherige noch das
parallele Beschreiten des Sozialrechtswegs durch das jeweilige Versicherungsunternehmen voraus.
46
Im Gesamtergebnis belastet die erhöhte Pauschgebühr nach § 184 SGG die Beschwerdeführerin nicht in einer
Weise, dass die Anrufung der Sozialgerichte für sie unzumutbar erschwert wäre.
47
c) Die erhöhte Pauschgebühr verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
48
aa) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden
zu behandeln (vgl. BVerfGE 42, 64 <72>; stRspr). Der Gesetzgeber darf, wenn er die Rechtsverhältnisse
verschiedener Personengruppen differenzierend regelt, eine Gruppe von Normadressaten nur dann anders behandeln,
wenn zwischen beiden Gruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die
Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72 <88>; 82, 126 <146>; 84, 133 <157>). Der
Gleichbehandlungsgrundsatz kann den Gesetzgeber unter Umständen auch dazu verpflichten, wesentlich ungleiche
Tatbestände differenzierend zu behandeln (vgl. BVerfGE 84, 133 <158>). Zu einer Differenzierung bei ungleichen
Sachverhalten ist er allerdings nur verpflichtet, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am
Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf (vgl. BVerfGE 98, 365
<385> m.w.N.) An diesen Maßstäben gemessen, hat der Gesetzgeber durch die Einbeziehung der Unternehmen der
privaten Pflegeversicherung in die Kostenregelungen des Sozialgerichtsgesetzes nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG
verstoßen.
49
bb) Dies gilt zunächst im Hinblick auf die Entscheidung, die Unternehmen der privaten Pflegeversicherung
ungeachtet ihrer Eigenschaft als juristische Personen des Privatrechts und als Marktsubjekt auf den Sozialrechtsweg
zu verweisen. Öffentlichrechtliche Pflegekassen und private Unternehmen der Pflegepflichtversicherung nehmen
gemeinsam die Aufgabe einer alle Bürger umfassenden sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit
wahr. Dabei ist die privatautonome Gestaltung des Inhalts des Pflegeversicherungsvertrages nicht unerheblich
eingeschränkt (vgl. BVerfGE 103, 197 <218 f.>). Angesichts dessen liegt es nahe, Streitigkeiten zwischen
Versicherungsnehmern und Versicherern einheitlich für beide Säulen der Pflegepflichtversicherung den
Sozialgerichten zuzuweisen.
50
Dass in diesem Falle sowohl für die Pflegekassen wie auch für die Unternehmen der privaten
Pflegepflichtversicherung dieselbe Verfahrensordnung gilt, ist folgerichtig und von Verfassungs wegen solange nicht
zu beanstanden, wie die Organisationsform der privaten Pflegeversicherungsunternehmen als juristische Personen
des privaten Rechts und ihre wirtschaftliche Betätigung als Marktsubjekt eine Ungleichbehandlung nicht gebietet.
51
cc) Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Pflegekassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts in der Lage
sind, mit einem Beitragsbescheid einen Titel zu schaffen, aus dem sie vollstrecken können, ohne gerichtliche Hilfe in
Anspruch zu nehmen. Demgegenüber sind die Unternehmen der privaten Pflegeversicherung gehalten, beim
Amtsgericht einen Mahnbescheid zu erwirken, und – im Falle eines Widerspruchs – das streitige Verfahren vor dem
Sozialgericht zu betreiben. Die Beschwerdeführerin geht indes fehl, wenn sie hieraus eine ungerechtfertige
Gleichbehandlung ableitet.
52
Solange sich die Pauschgebühr - wie dies bisher der Fall ist - in einem Rahmen hält, der auch wirtschaftlich
schwächere Marktteilnehmer nicht übermäßig belastet, sind die dargestellten Erschwernisse für die Unternehmen der
privaten Pflegeversicherung nicht von solcher Art und Gewicht, dass sie den Gesetzgeber gezwungen hätten, von den
Unternehmen der privaten Pflegeversicherung keine oder wenigstens niedrigere Pauschgebühren zu erheben.
53
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sind Unternehmen der privaten Pflegeversicherung gegenüber den
Pflegekassen nicht gleichheitswidrig dadurch benachteiligt, dass sie die zur Durchsetzung ihrer Beitragsforderungen
benötigten vollstreckbaren Titel nicht selbst schaffen können. Die Befugnis der öffentlichrechtlich organisierten
Pflegekassen zum Erlass von Beitragsbescheiden hat nicht grundsätzlich zur Folge, dass die Pflegekassen nicht
oder in erheblich weniger Fällen mit Pauschgebühren belastet werden. Wehrt sich der bei einer Pflegekasse
Versicherte gegen den Beitragsbescheid, ist er gehalten, nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren Klage
zu erheben, was die Pauschgebührenpflicht der Pflegekasse auslöst. Ebenso verhält es sich bei Anträgen von
Versicherten nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder
Klage gegen den Beitragsbescheid.
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2. a) Es verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG, dass § 193 Abs. 4 SGG
eine Erstattung ihrer Aufwendungen durch den Prozessgegner auch im Obsiegensfall ausschließt. § 193 Abs. 4 SGG
enthält keinen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum, sondern gestaltet den Inhalt des nach
Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Eigentums in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise aus.
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Gegenstand und Umfang des durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Bestandsschutzes ergeben sich aus
der Gesamtheit der verfassungsmäßigen Gesetze, die den Inhalt des Eigentums bestimmen (vgl. BVerfGE 58, 300
<336>). Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Eigentums besteht nur hinsichtlich der durch die
Rechtsordnung anerkannten einzelnen Vermögensrechte (vgl. BVerfGE 74, 129 <148>). Der Ausschluss eines
Anspruchs auf Aufwendungsersatz ist daher nur dann als Eingriff in eine eigentumsrechtlich geschützte Position
rechtfertigungsbedürftig, wenn ein solcher Anspruch dem Grundsatz nach (d.h. nach allgemeineren Vorschriften oder
Grundsätzen) schon vorhanden wäre. Weder der Verfassung noch der übrigen Rechtsordnung lässt sich indes ein
allgemeiner Grundsatz entnehmen, wonach der Inhaber eines Anspruchs grundsätzlich seine mit dessen Verfolgung
und Durchsetzung verbundenen Aufwendungen vom Verpflichteten ersetzt verlangen kann.
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b) § 193 Abs. 4 SGG verletzt die Beschwerdeführerin auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.
Der Ausschluss eines Erstattungsanspruchs ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und wird durch Urteil oder - bei
unstreitiger Erledigung des Verfahrens - gerichtlichen Beschluss (vgl. § 193 Abs. 1 Sätze 1 und 3 SGG) umgesetzt.
Art. 19 Abs. 4 GG gewährt keinen Rechtsweg gegen gesetzliche Vorschriften (vgl. BVerfGE 45, 297 <334>). Auch
Akte der Rechtsprechung gehören nicht zur öffentlichen Gewalt im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG; Art. 19 Abs. 4 SGG
gewährt Schutz durch den Richter, nicht gegen den Richter (vgl. BVerfGE 49, 329 <340 ff.>; 76, 93 <98>).
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c) § 193 Abs. 4 GG begegnet auch angesichts des Justizgewährleistungsanspruchs (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung
mit Art. 20 Abs. 3 GG) keinen durchgreifenden Bedenken. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, in die Beurteilung
sei auch die Kostenbelastung durch Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von mindestes 230 Euro pro Fall einzubeziehen,
so dass sich insgesamt eine Kostenbelastung von 380 Euro pro Fall ergebe. Insoweit ist der Beschwerdeführerin
einzuräumen, dass etwaige Anwaltskosten bei der Frage, ob der Zugang zu den Gerichten unzumutbar erschwert wird,
grundsätzlich nicht außer Acht gelassen werden können. Dies gilt selbst dann, wenn – wie im sozialgerichtlichen
Verfahren (vgl. § 73 SGG) – grundsätzlich kein Anwaltszwang besteht (vgl. BVerfGE 85, 337 <348 f.>).
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Allerdings fordert der Justizgewährleistungsanspruch eine Berücksichtigung der Anwaltskosten nur dann, wenn die
Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts zur Erlangung wirkungsvollen Rechtsschutzes erforderlich ist, weil eine
rechtsunkundige Partei ihre Interessen nicht selbst vertreten kann (vgl. BVerfGE 85, 337 <348 f.>). Davon ist bei
Beitragsstreitigkeiten der Pflegepflichtversicherung mit ihren Versicherungsnehmern nicht auszugehen. In der Regel
handelt es sich hierbei um tatsächlich und rechtlich einfach gelagerte Fälle. Selbst bei Vorliegen einer komplizierteren
Fallgestaltung können sowohl die Pflegekassen als auch die Unternehmen der privaten Pflegeversicherung auf
sachkundiges Personal zurückgreifen, das in der Lage ist, ihre Interessen vor Gericht zu vertreten. Im Übrigen hat
das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass der Ausschluss von Kostenerstattungsansprüchen der
obsiegenden Partei im Hinblick auf die Kosten eines Prozessbevollmächtigten im arbeitsgerichtlichen Verfahren
verfassungsgemäß ist (vgl. BVerfGE 31, 306 ff.). Die Gründe der Entscheidung - Schutz des sozial schwächeren
Prozessbeteiligten (vgl. BVerfGE 31, 306 <308 f.>) – sind im sozialgerichtlichen Verfahren nicht weniger gegeben als
im arbeitsgerichtlichen.
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Weiterhin ist bei der von der Beschwerdeführerin angemahnten wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu
berücksichtigen, dass Beitragsrückstände von Versicherten der privaten Pflegeversicherung – nicht zuletzt im
Hinblick auf den Bußgeldtatbestand des § 121 Abs. 1 Nr. 6 SGB XI – ihre Ursache in der Regel in der
Zahlungsunfähigkeit der Versicherungsnehmer haben. Selbst wenn der Gesetzgeber den Unternehmen der privaten
Pflegeversicherung einen Kostenerstattungsanspruch eingeräumt hätte, müssten diese oft damit rechnen, mit dem
Erstattungsanspruch ebenso auszufallen wie mit der eingeklagten Beitragsforderung. Bei wirtschaftlicher
Betrachtungsweise würde sich für die Unternehmen der privaten Pflegeversicherung damit auch bei einer
Kostenerstattungsregelung die Frage stellen, ob die Durchführung eines streitigen Verfahrens sinnvoll ist.
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Schließlich ist auch im Zusammenhang mit § 193 Abs. 4 SGG eine Gesamtbetrachtung der Kostenregelung für
Streitigkeiten der privaten Pflegepflichtversicherungen geboten. Die von der Erstattung ausgeschlossenen
Aufwendungen der Pflegepflichtversicherungsunternehmen beschränken sich im Wesentlichen auf die Kosten eines
Prozessbevollmächtigten, während die regelmäßig beträchtlichen Kosten der medizinischen Beweisaufnahme - wie
bereits gezeigt worden ist - von Anfang an nicht den Unternehmen zur Last fallen.
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d) Der Gesetzgeber hat nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, weil § 193 Abs. 4 SGG sowohl öffentlichrechtliche
Pflegekassen als auch Unternehmen der privaten Pflegeversicherung im Hinblick auf die fehlende
Erstattungsmöglichkeit von außergerichtlichen Kosten gleich behandelt. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit der
Gleichheitssatz den Gesetzgeber verpflichten sollte, den Unternehmen der privaten Pflegeversicherung anders als
den Pflegekassen die Möglichkeit zur Überwälzung ihrer außergerichtlichen Kosten auf den unterliegenden
Versicherten einzuräumen.
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Wie bereits ausgeführt, kann der Einschätzung des Gesetzgebers nicht entgegengetreten werden, dass die weit
überwiegende Anzahl von Streitigkeiten bereits im Wege des Mahnverfahrens beim Amtsgericht erledigt wird. In
diesem Falle eröffnet § 699 Abs. 3 ZPO die Möglichkeit, die entstandenen Kosten auf den Versicherungsnehmer
überzuwälzen. Dieser Weg steht den öffentlichrechtlichen Pflegekassen nicht offen, sie müssen Beitragsbescheide
erlassen, deren Kosten sie selbst tragen.
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Bei dieser Besserstellung gegenüber den Pflegekassen bleibt es auch dann, wenn das Verfahren (nach Widerspruch
gegen den Mahnbescheid oder Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid) vor den Sozialgerichten weiterbetrieben
wird, denn die Gerichtskosten des Mahnverfahrens können auch dann nach § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG auf den
unterlegenen Beteiligten übergewälzt werden. Somit haben die Pflegekassen im Fall eines sich verteidigenden
Versicherten sogar höhere Kosten zu tragen als die Unternehmen der privaten Pflegepflichtversicherung.
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Schließlich sind die Unternehmen der privaten Pflegeversicherung im Streit mit dem Versicherten keinem höheren
Risiko ausgesetzt als die Pflegekassen. Ebenso wie die Pflegekassen verfügen sie über sachkundiges Personal, das
in der Lage ist, die Interessen des jeweiligen Unternehmens vor Gericht wahrzunehmen. Sie sind ebenso wenig wie
die Pflegekassen gezwungen, sich vor den Sozialgerichten anwaltlich vertreten zu lassen (vgl. § 73 und § 166 Abs. 1
SGG). Nachdem der Gesetzgeber durch Art. 6 des Gesetzes zur Änderung des SGB und anderer Gesetze vom 24.
Juli 2003 (BGBl I S. 1526) auch die privaten Pflegepflichtversicherungsunternehmen vom Vertretungszwang vor dem
Bundessozialgericht ausgenommen hat, ist nichts dafür ersichtlich, dass der Ausschluss der Überwälzung
außergerichtlicher Kosten Unternehmen der privaten Pflegeversicherung schwerer träfe als die gesetzlichen
Pflegekassen.
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3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Hohmann-Dennhardt
Gaier
Kirchhof