Urteil des BVerfG vom 13.02.2006

BVerfG: elektronische gesundheitskarte, elektronische signatur, verfassungsbeschwerde, technisches verfahren, persönliche daten, versorgung, behandlung, abrechnung, arbeitsgemeinschaft, apotheker

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1184/04 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn Dr. B...
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt Jörg Hohmann,
c/o Rechtsanwälte Buchholz und Kollegen,
Friedensallee 48, 22765 Hamburg -
gegen §§ 291a, 295 Abs.1 Satz 2, erlassen auf der Ermächtigungsgrundlage des § 295 Abs.
1 Satz 3, 295 Abs. 1b, Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 3 Satz 2, Abs. 4, 303a Abs. 1, 303e
Abs. 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V)
und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Papier,
die Richterin Hohmann-Dennhardt
und den Richter Hoffmann-Riem
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I
S. 1473) am 13. Februar 2006 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gründe:
1
Die Rechtssatz-Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Regelungen über die elektronische Gesundheitskarte
sowie verschiedene Regelungen über Datenübermittlungen aus dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB V),
die durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190) eingefügt wurden
und am 1. Januar 2004 in Kraft getreten sind.
I.
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Der Beschwerdeführer ist gesetzlich krankenversichert. Mit seiner Verfassungsbeschwerde begehrt er die
Aufhebung von §§ 291a, 295 Abs.1 Satz 2, 295 Abs. 1b, Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 3 Satz 2, Abs. 4, 303a Abs. 1, 303e
Abs. 1 SGB V als verfassungswidrig. Diese Vorschriften haben bzw. hatten in der angegriffenen Fassung den
folgenden Wortlaut:
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§ 291a. Elektronische Gesundheitskarte.
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(1) Die Krankenversichertenkarte nach § 291 Abs. 1 wird bis spätestens zum 1. Januar 2006
zur Verbesserung von Wirtschaftlichkeit, Qualität und Transparenz der Behandlung für die in
den Absätzen 2 und 3 genannten Zwecke zu einer elektronischen Gesundheitskarte erweitert.
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(2) Die elektronische Gesundheitskarte hat die Angaben nach § 291 Abs. 2 zu enthalten und
muss geeignet sein, Angaben aufzunehmen für
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1. die Übermittlung ärztlicher Verordnungen in elektronischer und maschinell verwertbarer
Form sowie
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2. den Berechtigungsnachweis zur Inanspruchnahme von Leistungen im Geltungsbereich der
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der
sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu-
und abwandern (ABl. EG Nr. L 149 S. 2) und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom
21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der
Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der
Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. EG Nr. L 74 S. 1) in den jeweils geltenden Fassungen.
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§ 6c des Bundesdatenschutzgesetzes findet Anwendung.
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(3) Über Absatz 2 hinaus muss die Gesundheitskarte geeignet sein, folgende Anwendungen zu
unterstützen, insbesondere das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von
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1. medizinischen Daten, soweit sie für die Notfallversorgung erforderlich sind,
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2. Befunden, Diagnosen, Therapieempfehlungen sowie Behandlungsberichten in elektronischer
und maschinell verwertbarer Form für eine einrichtungsübergreifende, fallbezogene
Kooperation (elektronischer Arztbrief),
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3. Daten einer Arzneimitteldokumentation,
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4. Daten über Befunde, Diagnosen, Therapiemaßnahmen, Behandlungsberichte sowie
Impfungen für eine fall- und einrichtungsübergreifende Dokumentation über den Patienten
(elektronische Patientenakte),
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5. durch von Versicherten selbst oder für sie zur Verfügung gestellte Daten sowie
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6. Daten über in Anspruch genommene Leistungen und deren vorläufige Kosten für die
Versicherten (§ 305 Abs. 2).
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Spätestens bei der Versendung der Karte hat die Krankenkasse die Versicherten umfassend
und in allgemein verständlicher Form über deren Funktionsweise, einschließlich der Art der auf
ihr oder durch sie zu erhebenden, zu verarbeitenden oder zu nutzenden personenbezogenen
Daten zu informieren. Mit dem Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Daten der Versicherten
nach diesem Absatz darf erst begonnen werden, wenn die Versicherten jeweils gegenüber dem
Arzt, Zahnarzt oder Apotheker dazu ihre Einwilligung erklärt haben. Die Einwilligung ist bei
erster Verwendung der Karte vom Leistungserbringer auf der Karte zu dokumentieren; die
Einwilligung ist jederzeit widerruflich und kann auf einzelne Anwendungen nach diesem Absatz
beschränkt werden. § 6c des Bundesdatenschutzgesetzes findet Anwendung. Die
Spitzenverbände der Krankenkassen vereinbaren mit der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung, der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, der Bundesärztekammer,
der Bundeszahnärztekammer, der Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie der für die
Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisation
der Apotheker auf Bundesebene das Nähere über Inhalt und Struktur für die Bereitstellung und
Nutzung der Daten nach Satz 1. Die Vereinbarung bedarf der Genehmigung des
Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Vor Erteilung der Genehmigung ist
dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Kommt eine Vereinbarung nach Satz 6 nicht innerhalb einer vom Bundesministerium für
Gesundheit und Soziale Sicherung gesetzten Frist zu Stande, bestimmt dieses nach
Anhörung der Beteiligten ihren Inhalt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des
Bundesrates.
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(4) Zum Zwecke des Erhebens, Verarbeitens oder Nutzens mittels der elektronischen
Gesundheitskarte dürfen, soweit es zur Versorgung der Versicherten erforderlich ist, auf Daten
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1. nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 ausschließlich
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a) Ärzte,
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b) Zahnärzte,
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c) Apotheker,
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d) sonstiges pharmazeutisches Personal und das sie unterstützende Apothekenpersonal
sowie
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e) sonstige Erbringer ärztlich verordneter Leistungen,
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2. nach Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 bis 5 ausschließlich
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a) Ärzte,
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b) Zahnärzte,
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c) Apotheker,
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d) nach Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 in Notfällen auch Angehörige eines anderen Heilberufs, der für
die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte
Ausbildung erfordert,
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zugreifen. Die Versicherten haben das Recht, auf die Daten nach Absatz 2 Satz 1 und Absatz
3 Satz 1 zuzugreifen.
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(5) Das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Daten mittels der elektronischen
Gesundheitskarte in den Fällen des Absatzes 3 Satz 1 ist nur mit dem Einverständnis der
Versicherten zulässig. Durch technische Vorkehrungen ist zu gewährleisten, dass in den
Fällen des Absatzes 3 Satz 1 Nr. 2 bis 6 der Zugriff nur durch Autorisierung der Versicherten
möglich ist. Der Zugriff auf Daten sowohl nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 als auch nach Absatz 3
Satz 1 mittels der elektronischen Gesundheitskarte darf nur in Verbindung mit einem
elektronischen Heilberufsausweis, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 1 auch in Verbindung
mit einem entsprechenden Berufsausweis, erfolgen, die jeweils über eine qualifizierte
elektronische Signatur verfügen; im Falle des Absatzes 3 Satz 1 Nr. 5 können die
Versicherten auch mittels einer eigenen Signaturkarte, die über eine qualifizierte elektronische
Signatur verfügt, zugreifen. Zugriffsberechtigte Personen nach Absatz 4 Satz 1 Nr. 1
Buchstabe d und e sowie Nr. 2 Buchstabe d, die über keinen elektronischen Heilberufsausweis
oder entsprechenden Berufsausweis verfügen, können auf die entsprechenden Daten
zugreifen, wenn sie hierfür von Personen autorisiert sind, die über einen elektronischen
Heilberufsausweis oder entsprechenden Berufsausweis verfügen, und wenn nachprüfbar
elektronisch protokolliert wird, wer auf die Daten zugegriffen hat und von welcher Person die
zugreifende Person autorisiert wurde. Der Zugriff auf Daten nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 mittels
der elektronischen Gesundheitskarte kann abweichend von den Sätzen 3 und 4 auch erfolgen,
wenn die Versicherten den jeweiligen Zugriff durch ein geeignetes technisches Verfahren
autorisieren.
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(6) Daten nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 und Absatz 3 Satz 1 müssen auf Verlangen der
Versicherten gelöscht werden; die Verarbeitung und Nutzung von Daten nach Absatz 2 Satz 1
Nr. 1 für Zwecke der Abrechnung bleiben davon unberührt. Durch technische Vorkehrungen ist
zu gewährleisten, dass mindestens die letzten 50 Zugriffe auf die Daten nach Absatz 2 oder
Absatz 3 für Zwecke der Datenschutzkontrolle protokolliert werden. Eine Verwendung der
Protokolldaten für andere Zwecke ist unzulässig. Die Protokolldaten sind durch geeignete
Vorkehrungen gegen zweckfremde Verwendung und sonstigen Missbrauch zu schützen.
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(7) Die Spitzenverbände der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die
Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, die Bundesärztekammer, die
Bundeszahnärztekammer, die Deutsche Krankenhausgesellschaft sowie die für die
Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der
Apotheker auf Bundesebene vereinbaren die Schaffung der, insbesondere für die Einführung
der elektronischen Gesundheitskarte, des elektronischen Rezeptes und der elektronischen
Patientenakte, erforderlichen Informations-, Kommunikations- und Sicherheitsinfrastruktur. Die
Vereinbarung bedarf der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale
Sicherung. Vor Erteilung der Genehmigung ist dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz
Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Kommt eine Vereinbarung nach Satz 1 nicht
innerhalb einer vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung gesetzten Frist
zu Stande, bestimmt dieses nach Anhörung der Beteiligten ihren Inhalt durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates.
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(8) Vom Inhaber der Karte darf nicht verlangt werden, den Zugriff auf Daten nach Absatz 2
Satz 1 Nr. 1 oder Absatz 3 Satz 1 anderen als den in Absatz 4 Satz 1 genannten Personen
oder zu anderen Zwecken als denen der Versorgung der Versicherten, einschließlich der
Abrechnung der zum Zwecke der Versorgung erbrachten Leistungen, zu gestatten; mit ihnen
darf nicht vereinbart werden, Derartiges zu gestatten. Sie dürfen nicht bevorzugt oder
benachteiligt werden, weil sie einen Zugriff bewirkt oder verweigert haben.
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§ 295. Abrechnung ärztlicher Leistungen.
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(1) […] Die Diagnosen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 sind nach der Internationalen Klassifikation der
Krankheiten in der jeweiligen vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und
Information im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung
herausgegebenen deutschen Fassung zu verschlüsseln. Das Bundesministerium für
Gesundheit und Soziale Sicherung kann das Deutsche Institut für medizinische
Dokumentation und Information beauftragen, den in Satz 2 genannten Schlüssel um
Zusatzkennzeichen zur Gewährleistung der für die Erfüllung der Aufgaben der Krankenkassen
notwendigen Aussagefähigkeit des Schlüssels zu ergänzen. […]
36
[…]
37
(1b) Ärzte, ärztlich geleitete Einrichtungen und medizinische Versorgungszentren, die ohne
Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Krankenkassen oder ihren Verbänden
Verträge zu integrierten Versorgungsformen (§ 140a) oder zur hausarztzentrierten Versorgung
(§ 73b Abs. 2) abgeschlossen haben, sowie Krankenhäuser, die mit den Krankenkassen oder
ihren Verbänden Verträge zur Erbringung hochspezialisierter Leistungen und zur Behandlung
spezieller Erkrankungen (§ 116b Abs. 2) abgeschlossen haben, übermitteln die in Absatz 1
genannten Angaben, bei Krankenhäusern einschließlich ihres Institutionskennzeichens, an die
jeweiligen Krankenkassen im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell
verwertbar auf Datenträgern. Das Nähere regeln die Spitzenverbände der Krankenkassen
gemeinsam und einheitlich.
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(2) Für die Abrechnung der Vergütung übermitteln die Kassenärztlichen Vereinigungen im
Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern den
Krankenkassen für jedes Quartal für jeden Behandlungsfall folgende Daten:
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1. Angaben nach § 291 Abs. 2 Nr. 1, 6 und 7,
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2. Arzt- oder Zahnarztnummer, in Überweisungsfällen die Arzt- oder Zahnarztnummer des
überweisenden Arztes,
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3. Art der Inanspruchnahme,
42
4. Art der Behandlung,
43
5. Tag der Behandlung,
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6. abgerechnete Gebührenpositionen mit Diagnosen, bei zahnärztlicher Behandlung mit
Zahnbezug und Befunden,
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7. Kosten der Behandlung,
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8. Zuzahlungen nach § 28 Abs. 4.
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Für nichtärztliche Dialyseleistungen gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die für die Zwecke des
Risikostrukturausgleichs (§ 266 Abs. 4, § 267 Abs. 1 bis 6) und des Risikopools (§ 269 Abs.
3) erforderlichen Angaben versichertenbezogen erstmals für das erste Quartal 2002 bis zum 1.
Oktober 2002 zu übermitteln sind. Die Kassenärztlichen Vereinigungen übermitteln für die
Durchführung der Programme nach § 137g die in der Rechtsverordnung nach § 266 Abs. 7
festgelegten Angaben versichertenbezogen an die Krankenkassen, soweit sie an der
Durchführung dieser Programme beteiligt sind. Die Kassenärztlichen Vereinigungen
übermitteln den Krankenkassen die Angaben nach Satz 1 für Versicherte, die an den
Programmen nach § 137f teilnehmen, versichertenbezogen. § 137f Abs. 3 Satz 2 bleibt
unberührt.
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(2a) Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und ärztlich geleiteten
Einrichtungen sowie Leistungserbringer, die ohne Beteiligung der Kassenärztlichen
Vereinigungen mit den Krankenkassen oder ihren Verbänden Verträge zu integrierten
Versorgungsformen (§ 140a) oder zur hausarztzentrierten Versorgung (§ 73b Abs. 2)
abgeschlossen haben sowie Krankenhäuser, die mit den Krankenkassen oder ihren Verbänden
Verträge zur Erbringung hochspezialisierter Leistungen und zur Behandlung spezieller
Erkrankungen (§ 116b Abs. 2) abgeschlossen haben, sind verpflichtet, die Angaben gemäß
§ 292 aufzuzeichnen und den Krankenkassen zu übermitteln.
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(3) […]Die Vertragsparteien nach Satz 1 vereinbaren nach Nummer 3 auch die Vergabe und
Dokumentation von Diagnosen durch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden
Ärzte; dabei ist sicherzustellen, dass zwischen Haupt- und Nebendiagnosen unterschieden
wird.
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(4) Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, ärztlich geleiteten
Einrichtungen und medizinischen Versorgungszentren haben die für die Abrechnung der
Leistungen notwendigen Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung im Wege elektronischer
Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern zu übermitteln. Das Nähere
regelt die Kassenärztliche Bundesvereinigung.
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§ 303. Ergänzende Regelungen.
52
[…]
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(3) Werden die den Krankenkassen nach § 291 Abs. 2 Nr. 1 bis 10, § 295 Abs. 1 und 2, § 300
Abs. 1, § 301 Abs. 1, §§ 301a und 302 Abs. 1 zu übermittelnden Daten nicht im Wege
elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern übermittelt,
haben die Krankenkassen die Daten nachzuerfassen. Erfolgt die nicht maschinell verwertbare
Datenübermittlung aus Gründen, die der Leistungserbringer zu vertreten hat, haben die
Krankenkassen die mit der Nacherfassung verbundenen Kosten den betroffenen
Leistungserbringern durch eine pauschale Rechnungskürzung in Höhe von bis zu 5 vom
Hundert des Rechnungsbetrages in Rechnung zu stellen. Für die Angabe der Diagnosen nach
§ 295 Abs. 1 gilt Satz 1 ab dem Zeitpunkt der Inkraftsetzung der überarbeiteten Zehnten
Fassung des Schlüssels gemäß § 295 Abs. 1 Satz 3.
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§ 303a. Arbeitsgemeinschaft für Aufgaben der Datentransparenz.
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(1) Die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung
bilden eine Arbeitsgemeinschaft für Aufgaben der Datentransparenz. Sofern die
Arbeitsgemeinschaft nicht bis zum 30. Juni 2004 gebildet wird, kann das Bundesministerium
für Gesundheit und Soziale Sicherung durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des
Bundesrates die Arbeitsgemeinschaft bilden.
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§ 303e. Datenübermittlung und -erhebung.
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(1) Die Arbeitsgemeinschaft für Aufgaben der Datentransparenz hat im Benehmen mit dem
Beirat bis zum 31. Dezember 2004 Richtlinien über die Auswahl der Daten, die zur Erfüllung
der Zwecke nach § 303f Abs. 2 erforderlich sind, die Struktur, die Prüfqualität und das
Verfahren der Übermittlung der Abrechnungs- und Leistungsdaten an die Vertrauensstelle zu
beschließen. Der Umfang der zu erhebenden Daten (Vollerhebung oder Stichprobe) hat die
Erfüllung der Zwecke nach Satz 1 zu gewährleisten; es ist zu prüfen, ob die Erhebung einer
Stichprobe ausreichend ist. Die Richtlinien sind dem Bundesministerium für Gesundheit und
Soziale Sicherung vorzulegen. Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung
kann sie innerhalb von zwei Monaten beanstanden. Kommen die Richtlinien nicht innerhalb der
Frist nach Satz 1 zu Stande oder werden die Beanstandungen nicht innerhalb einer vom
Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung gesetzten Frist behoben, erlässt
das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung die Richtlinien zur Erhebung der
Daten.
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Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG
in seiner Ausprägung als Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie aus Art. 3 Abs. 1 GG.
II.
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Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist
unzulässig.
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1. Soweit sie sich gegen Teile des § 295 Abs. 1 SGB V richtet, ist die Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG nicht
gewahrt. Die Norm wurde durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz nicht in so erheblichem Umfang geändert,
dass diese Frist neu in Gang gesetzt worden wäre. Die vorgenommenen redaktionellen Anpassungen reichen insoweit
nicht aus (vgl. BVerfGE 12, 139 <141>; 17, 364 <369>; 43, 108 <115 f.>; 79, 1 <14>; 80, 137 <149>).
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2. Im Übrigen ist der Beschwerdeführer durch das Gesetz nicht unmittelbar beschwert. Er hat die Möglichkeit, gegen
ihn gerichtete, auf das angegriffene Gesetz gestützte Rechtsakte gerichtlich überprüfen zu lassen. Über die von der
Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen, durchaus gewichtigen verfassungsrechtlichen Fragen kann erst sachgerecht
seitens des Bundesverfassungsgerichts entschieden werden, wenn die Fachgerichte sie näher überprüft haben
(Grundsatz der Subsidiarität).
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Es fehlt an dem Erfordernis einer unmittelbaren Beschwer durch die angegriffenen Vorschriften. Vorauszusetzen ist
danach, dass das angegriffene Gesetz ohne einen weiteren vermittelnden Akt in den Rechtskreis des
Beschwerdeführers einwirkt (vgl. BVerfGE 72, 39 <43> m.w.N.). Setzt die Durchführung der angegriffenen Vorschrift
einen besonderen Vollzugsakt voraus, muss der Beschwerdeführer grundsätzlich zunächst diesen Akt angreifen und
den gegen ihn eröffneten Rechtsweg erschöpfen, bevor er die Verfassungsbeschwerde erhebt (vgl. BVerfGE 1, 97
<102 f.>; 58, 81 <104 f.>; 68, 376 <379 f.>). Der Vorrang der Anrufung der Fachgerichte soll eine umfassende
Vorprüfung des Beschwerdevorbringens gewährleisten (vgl. BVerfGE 4, 193 <198>; 16, 124 <127>; 51, 386 <396>).
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Die in den angegriffenen Vorschriften vorgesehenen Datenspeicherungen und -übermittlungen aktualisieren sich in
der einzelnen Speicherungs- oder Übermittlungsmaßnahme. Zu ihr ist die jeweilige Stelle nur berechtigt, wenn
entweder eine Einwilligung des Versicherten oder eine gesetzliche Ermächtigung zur Speicherung oder Übermittlung
besteht. Eine Einwilligung hat der Beschwerdeführer nicht gegeben. Die Berechtigung - und gegebenenfalls
Verpflichtung - der jeweiligen Stelle zur Speicherung oder Übermittlung beruht daher auch im Verhältnis zu ihm auf der
Gültigkeit der Norm, die die Speicherung oder Übermittlung vorsieht. Gegen eine rechtswidrige Speicherung oder
Übermittlung von personenbezogenen Daten kann der Versicherte Gerichtsschutz beanspruchen. Kommt es zu einem
Rechtsstreit, so hat das Gericht auch die Verfassungsmäßigkeit der jeweiligen Norm, die eine Speicherung oder
Übermittlung vorsieht, zu überprüfen. Hat es verfassungsrechtliche Zweifel und kommt es zu dem Ergebnis, dass die
Norm nicht verfassungskonform ausgelegt werden kann, sondern verfassungswidrig ist, hat es gemäß Art. 100 Abs. 1
GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
64
Von diesem über die Fachgerichte führenden Weg zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Norm kann nur
ausnahmsweise abgewichen werden. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine unmittelbar gegen ein Gesetz gerichtete
Verfassungsbeschwerde besteht nur, wenn der mit dem Grundsatz der Subsidiarität verfolgte Zweck, eine
fachgerichtliche Klärung der Sach- und Rechtsfragen herbeizuführen, nicht erreichbar ist (vgl. BVerfGE 65, 1 <37 f.>).
Das ist vorliegend indessen nicht der Fall. Eine Fallkonstellation, wie sie in der diese Ausnahme gewährenden
Entscheidung, dem Volkszählungsurteil (BVerfG, a.a.O.), vorgelegen hatte, ist nicht gegeben. Im vorliegenden Fall
wäre es durchaus sinnvoll, die aufgeworfenen Rechtsfragen vorab fachgerichtlich klären zu lassen. Reichweite und
Umfang des Datenschutzes in der gesetzlichen Krankenversicherung ist in erster Linie, wie in anderen
Rechtsgebieten auch, eine Frage des einfachen Rechts.
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Den gerügten Verletzungen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung liegen keine leicht
überschaubaren, einfach strukturierten und rechtlich ohne weiteres beurteilbaren Sachverhalte zu Grunde, die es etwa
erlaubten, sogleich über die Verfassungsbeschwerde zu entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht hat im
Volkszählungsurteil dargelegt, dass auf persönliche Daten kein Recht im Sinne einer absoluten, uneinschränkbaren
Herrschaft besteht. Vielmehr müsse der Einzelne als eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf
Kommunikation angewiesene Persönlichkeit Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung
im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 43 f.). Dabei bedürfe es zur Feststellung
der persönlichkeitsrechtlichen Bedeutung eines Datums der Kenntnis seines Verwendungszusammenhangs: Erst
wenn Klarheit darüber bestehe, zu welchem Zweck Angaben verlangt werden und welche Verknüpfungs- und
Verwendungsmöglichkeiten bestehen, lasse sich die Frage einer zulässigen Beschränkung des Rechts auf
informationelle Selbstbestimmung beantworten (BVerfG, a.a.O., S. 45).
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Dementsprechend hängt auch die Beantwortung der Frage der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der angegriffenen
Normen, die eine Speicherung oder Übermittlung personenbezogener Daten vorsehen, nicht allein von der sicher
zutreffenden Einschätzung ab, dass diese Daten höchstpersönliche und sensible Verhältnisse des Versicherten
betreffen, dass ihr Gebrauch auf das unverzichtbare Mindestmaß zu beschränken ist und dass jeder Missbrauch
praktisch auszuschließen sein muss. Vielmehr ist konkret zu beurteilen, wie die jeweiligen Stellen mit den fraglichen
Daten nach ihrer Speicherung oder Übermittlung umgehen und welche datenschutzrechtlichen Vorkehrungen insoweit
bestehen. Dies bedarf umfangreicher Ermittlungen, Einschätzungen und Wertungen. Hierzu sind in erster Linie die
Fachgerichte wegen ihrer besonderen Sachnähe, ihrer umfassenden Erfahrung und den ihnen zur Verfügung
stehenden Möglichkeiten zur Erhebung von Beweisen berufen.
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Der Rechtsweg zu den Fachgerichten ist dem Beschwerdeführer auch zumutbar. Der Beschwerdeführer weiß
aufgrund der gesetzlichen Regelungen, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Gesundheitsdaten über ihn
gespeichert oder übermittelt und in der Folge weiterverarbeitet werden dürfen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier
Hohmann-Dennhardt
Hoffmann-Riem