Urteil des BVerfG vom 08.04.2010

BVerfG: ohne aussicht auf erfolg, verfassungsbeschwerde, faires verfahren, sonderprüfung, subsidiarität, beweislast, rechtsgutachten, unternehmen, substantiierungslast, rüge

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1473/09 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der L... GbR,
vertreten durch die Gesellschafter und Geschäftsführer,
- Bevollmächtigter:
Prof. Dr. Matthias Herdegen,
Adenauerallee 24-42, 53113 Bonn -
gegen a) den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 24. April 2009 - II ZR 133/07 -,
b)
den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25. Juni 2008 - II ZR 133/07 -,
c)
das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. Mai 2007 - 20 U 12/06 -,
d)
das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 16. August 2006 - 39 O 80/06 KfH -
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Kirchhof
und die Richter Bryde,
Schluckebier
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 8. April 2010 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht
vorliegen (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>). Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2
Buchstabe a BVerfGG ist nicht gegeben. Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten
Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b
BVerfGG), weil die Verfassungsbeschwerde ohne Aussicht auf Erfolg ist.
2
Die hier gegebene Fallgestaltung wäre zwar grundsätzlich geeignet, eine Prüfung zu veranlassen, ob und inwieweit
der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz eines über eine Sperrminorität verfügenden Minderheitsaktionärs, dessen
Beteiligung an der Gesellschaft regelmäßig auch von einem ausgeprägten unternehmerischen Interesse getragen sein
wird, gegenüber dem verfassungsrechtlich garantierten Schutz eines weitgehend auf die vermögensrechtliche
Komponente des Aktieneigentums konzentrierten Anlageinteresses des Kleinaktionärs differenzierter zu
konkretisieren ist (vgl. BVerfGK 11, 253 <258>). Diese Frage ist aber nicht entscheidungserheblich, weil die
Fachgerichte übereinstimmend festgestellt haben, dass dem Vortrag der Beschwerdeführerin keine hinreichende
Darlegung möglicher Nachteile entnommen werden könne, die ihr aus den von der Mehrheitsgesellschafterin
beabsichtigten Maßnahmen drohen. Sind indes schon keine Nachteile feststellbar, bedarf die von der
Beschwerdeführerin in das Zentrum ihrer Ausführungen gestellte Frage, inwieweit solche Nachteile von ihr aufgrund
des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes ihres Aktieneigentums nicht hingenommen werden müssen, keiner
Klärung.
3
Danach bleibt noch die Rüge der Beschwerdeführerin, die Fachgerichte hätten die Anforderungen an die sie, die
Beschwerdeführerin, treffende Darlegungslast überspannt; aus Art. 14 Abs. 1 GG sowie aus dem verfassungsrechtlich
geschützten Recht auf ein faires Verfahren sei vielmehr eine Abmilderung der grundsätzlichen Darlegungs- und
Beweislast herzuleiten. Insoweit genügt die Verfassungsbeschwerde jedoch nicht dem in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG
zum Ausdruck kommenden Grundsatz ihrer Subsidiarität. Dieser erfordert, dass ein Beschwerdeführer über das Gebot
der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden
prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung vor den
vorrangig hierzu berufenen Fachgerichten zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE
77, 381 <401>; 81, 22 <27>; stRspr).
4
Die Beschwerdeführerin hat einen entsprechenden, auch verfassungsrechtlich ausgerichteten Vortrag in den
fachgerichtlichen Verfahren nicht angebracht. So stellt sie in ihrer Nichtzulassungsbeschwerdebegründung noch
darauf ab, das Oberlandesgericht habe in Verkennung eines von ihm herangezogenen Urteils des Bundesgerichtshofs
(BGHZ 122, 123 - „TBB“) überzogene Darlegungsanforderungen gestellt. Auch das von der
Nichtzulassungsbeschwerdebegründung in diesem Zusammenhang in Bezug genommene private Rechtsgutachten
von Prof. Dr. H. führt unter Hinweis auf diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 122, 123) nur knapp aus,
dass Minderheitsaktionäre in der Regel keinen Einblick in die Geschäftsvorgänge hätten; deshalb seien ihnen
Erleichterungen hinsichtlich der Substantiierungslast der Art zu gewähren, dass die abhängige Gesellschaft oder das
herrschende Unternehmen nähere Angaben über die ihnen bekannten Tatsachen zu machen hätten, wenn ihnen die
Darlegung des Sachverhalts zumutbar sei. Unabhängig davon, dass das Urteil des Oberlandesgerichts gerade von der
Überzeugung getragen wird, dass die Beklagten des Ausgangsverfahrens diese ihnen zumutbaren näheren Angaben
gemacht haben, mangelt es dem fachgerichtlichen Vortrag der Beschwerdeführerin an einer hinreichenden
Auseinandersetzung mit der nunmehr thematisierten verfassungsrechtlichen Dimension der von ihr eingeforderten
Darlegungslasterleichterung. Hierzu wäre die Beschwerdeführerin aber nach dem allgemeinen Grundsatz der
Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verpflichtet gewesen.
5
Schließlich setzt sich die Verfassungsbeschwerde nicht hinreichend mit dem weiteren vom Oberlandesgericht gegen
eine Darlegungslasterleichterung angeführten Argument auseinander, dass der Beschwerdeführerin - anders als einem
externen Gläubiger - hier über § 315 Satz 2 AktG die Möglichkeit einer Sonderprüfung offen gestanden habe, so dass
sie sich über den von den Sonderprüfern zu fertigenden Prüfungsbericht die erforderlichen Informationen hätte
verschaffen können. Dass dieser vom Oberlandesgericht ins Auge gefasste Weg der Informationsbeschaffung über
die Sonderprüfung vorliegend tatsächlich etwa nicht geeignet gewesen wäre, eine gegebene Asymmetrie des
Informationszugangs zu überwinden, ist auf der Grundlage des Vorbringens der Verfassungsbeschwerde nicht
feststellbar.
6
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG
abgesehen.
7
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Kirchhof
Bryde
Schluckebier