Urteil des BVerfG vom 03.04.2009

BVerfG: erneuerbare energien, gesellschaft mit beschränkter haftung, geschäftsführer, verfassungsbeschwerde, erlass, papier, aufteilung, gefahr, berufsfreiheit, zahlungsunfähigkeit

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 3299/08 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
1. der E… GmbH & Co. KG,
vertreten durch die S… GmbH,
diese vertreten durch die Geschäftsführer,
2. der Z… GmbH & Co. KG,
vertreten durch die S… GmbH,
diese vertreten durch die Geschäftsführer,
3. der D… GmbH & Co. KG,
vertreten durch die S… GmbH,
diese vertreten durch die Geschäftsführer,
4. der V… GmbH & Co. KG,
vertreten durch die S… GmbH,
diese vertreten durch die Geschäftsführer,
5. der F… GmbH & Col KG,
vertreten durch die S… GmbH,
diese vertreten durch die Geschäftsführer,
6. der S… GmbH & Co. KG,
vertreten durch die S… GmbH,
diese vertreten durch die Geschäftsführer,
7. der S… GmbH & Col KG,
vertreten durch die S… GmbH,
diese vertreten durch die Geschäftsführer,
8. der A… GmbH & Col KG,
vertreten durch die S… GmbH,
diese vertreten durch die Geschäftsführer,
9. der N… GmbH & Co. KG,
vertreten durch die S… GmbH,
diese vertreten durch die Geschäftsführer,
10. der Z… GmbH & Co. KG,
vertreten durch die S… GmbH,
diese vertreten durch die Geschäftsführer,
- Bevollmächtigte:
DombertRechtsanwälte,
Mangerstraße 26, 14467 Potsdam -
gegen Art. 1 § 19 Abs. 1 in Verbindung mit § 66 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts
der Erneuerbaren Energien im Strombereich und zur Änderung damit
zusammenhängender Vorschriften vom 25. Oktober 2008 (BGBl I S. 2074)
und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Papier
und die Richter Bryde,
Schluckebier
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 3. April 2009 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gründe:
1
Die Rechtssatzverfassungsbeschwerde der Betreiberinnen von Biogasanlagen richtet sich unmittelbar gegen § 19
Abs. 1 des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz 2009 - EEG 2009) vom
25. Oktober 2008 (BGBl I S. 2074).
I.
2
1. Die Beschwerdeführerinnen, zehn Kommanditgesellschaften, deren Komplementärin jeweils dieselbe (Familien-
)Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist, betreiben auf einem etwa 16 Hektar großen Grundstück jeweils eine
offenbar technisch selbständige Biogasanlage mit einer elektrischen Wirkleistung von 844 kW. Die Anlagen wurden
am 21. Dezember 2007 immissionsschutzrechtlich genehmigt und speisen den erzeugten Strom in das Netz des
zuständigen Netzbetreibers ein. Die anfallende Abwärme liefern die Beschwerdeführerinnen an den Betreiber einer
Gewächshausanlage, der damit ein Gewächshaus mit einer Fläche von 10 Hektar beheizt. Die für den Betrieb der
Biogasanlagen benötigten Rohstoffe werden hauptsächlich von landwirtschaftlichen Betrieben geliefert, deren
Ackerflächen sich in unmittelbarer Nähe zu den Biogasanlagen befinden. Alleinige Gesellschafter dieser als
Gesellschaften mit beschränkter Haftung organisierten Betriebe sind die Beschwerdeführerinnen. Nach ihrem
Vorbringen haben sie die landwirtschaftlichen Betriebe erworben, um die Eigenversorgung der Biogasanlagen
sicherzustellen. Bis zum Inkrafttreten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2009 am 1. Januar 2009 wurden die
Stromeinspeisungen einzelanlagenbezogen vergütet. Seit dem 1. Januar 2009 berechnet der Netzbetreiber die
Einspeisevergütung auf der Grundlage von § 19 Abs. 1 EEG 2009.
3
2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführerinnen eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 14 Abs.
1, Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Gleichzeitig beantragen sie,
§ 19 Abs. 1 EEG 2009 im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig außer Kraft zu setzen.
4
§ 19 Abs. 1 EEG 2009 stelle eine unverhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums,
hilfsweise einen verfassungswidrigen Eingriff in die Berufsfreiheit dar. Die von den Beschwerdeführerinnen gewählte
Anlagenkonzeption sei unter Geltung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 21. Juli 2004 (EEG 2004 - BGBl I S.
1918) nicht rechtsmissbräuchlich gewesen. Unter Berücksichtigung insbesondere des realisierten
Wärmenutzungskonzepts sei eine Aufteilung in mehrere kleinere Einheiten zur Erhöhung der Ausfallsicherheit geboten
gewesen. Aus der Zusammenfassung der zehn Biogasanlagen zu einer Großanlage resultierten erhebliche
Vergütungseinbußen. Die nachhaltigen Verluste könnten innerhalb kürzester Zeit zu einer wirtschaftlichen
Überschuldung der Beschwerdeführerinnen führen. Innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre bestehe die konkrete
Gefahr einer drohenden Zahlungsunfähigkeit. § 19 Abs. 1 EEG 2009 verstoße auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil die
Vorschrift von der prägenden Systementscheidung des § 3 Abs. 2 EEG 2004 und dem Grundprinzip der gestaffelten
Vergütungshöhe des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes 2009 abweiche. Zudem sei der verfassungsrechtliche
Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzt.
5
3. Zu der Verfassungsbeschwerde haben die Bundesregierung, der Fachverband Biogas e.V., der Bundesverband
BioEnergie e.V., der Bund der Energieverbraucher e.V., der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.,
der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e.V. sowie der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V.
Stellung genommen.
6
4. Die Beschwerdeführerin zu 1) hat beim Landgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Dieser
Antrag wurde mit Beschluss vom 4. März 2009 zurückgewiesen.
II.
7
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen gemäß
§ 93a Abs. 2 BVerfGG (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>) nicht vorliegen. Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. § 40 Abs. 3 GOBVerfG).
8
1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (vgl. § 93a Abs. 2
Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits
entschieden (vgl. insbesondere BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 BvR 3076/08 -, juris).
9
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten
Grundrechte der Beschwerdeführerinnen angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die
Verfassungsbeschwerde hat hinsichtlich sämtlicher Beschwerdeführerinnen jedenfalls in der Sache keine Aussicht auf
Erfolg.
10
a) Die angegriffene Regelung verletzt die Beschwerdeführerinnen nicht in ihren Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1,
Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
11
Insoweit wird verwiesen auf den bereits genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Februar
2009 - 1 BvR 3076/08 -. Die dortigen Ausführungen insbesondere zu Inhalt und Grenzen des verfassungsrechtlichen
Grundsatzes des Vertrauensschutzes beanspruchen auch für das vorliegende Verfahren Geltung. Es spielt in diesem
Zusammenhang keine Rolle, ob die im Rahmen eines einheitlichen Projekts errichteten einzelnen Anlagen einer § 19
Abs. 1 EEG 2009 unterfallenden Anlagenmehrheit von einer oder mehreren Gesellschaften betrieben werden und ob
eine derartige Anlagenmehrheit sich aus wenigen oder vielen einzelnen Modulen zusammensetzt. Auch kommt es
nicht darauf an, ob die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien in industriellem Maßstab (etwa durch eine
Publikumsgesellschaft) oder im Rahmen eines in die lokalen Strukturen integrierten landwirtschaftlichen Betriebes
erfolgt. Die genannten Aspekte mögen in dem laufenden Gesetzgebungsverfahren als diskussionswürdige Kriterien für
eine etwaige differenzierende Neufassung des § 19 Abs. 1 EEG 2009 in Betracht kommen. Für die Überprüfung der
derzeit gültigen Vorschrift am Maßstab des verfassungsrechtlichen Grundsatzes des Vertrauensschutzes sind diese
rechts- und umweltpolitischen Fragen ohne Bedeutung.
12
b) Auch eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht festzustellen. Inwieweit § 19 Abs. 1 EEG 2009 in einem
gleichheitswidrigen Widerspruch zu dem Vergütungssystem des Gesetzes stehen sollte, ist nicht ersichtlich.
13
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG
abgesehen.
14
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier
Bryde
Schluckebier