Urteil des BVerfG vom 01.06.2006
BVerfG: kennzeichen, organisation, meinungsfreiheit, ehre, abstraktes gefährdungsdelikt, verfassungsbeschwerde, grundrecht, verwechslungsgefahr, beobachter, gesamteindruck
Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 150/03 -
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn R...
gegen
a)
das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 3. Dezember 2002 - 101 Js 62543/01 -
5 Ns jug. -,
b)
das Urteil des Amtsgerichts Eisenach vom 16. April 2002 - 101 Js 62543/01 5 Ds
jug. -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Papier,
die Richterin Hohmann-Dennhardt
und den Richter Hoffmann-Riem
am 1. Juni 2006 einstimmig beschlossen:
Das Urteil des Amtsgerichts Eisenach vom 16. April 2002 - 101 Js 62543/01 5 Ds jug. - verletzt den
Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes. Das Urteil des Landgerichts
Mühlhausen vom 3. Dezember 2002 - 101 Js 62543/01 - 5 Ns jug. - verletzt den Beschwerdeführer in seinem
Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.
Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Eisenach zurückverwiesen.
Der Freistaat Thüringen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen für das
Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
1
Gegenstand  der  Verfassungsbeschwerde  ist  eine  jugendgerichtliche  Verurteilung  wegen  Verwendens  von
Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 a StGB).
I.
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1.  Der  Beschwerdeführer  nahm  als  stellvertretender  Versammlungsleiter  an  einer  Demonstration  von  etwa  40
Personen  aus  dem  rechten  Spektrum  teil.  Nach  Auflösung  der  Versammlung  rief  er  zusammen  mit  anderen
Teilnehmern die Parole: "Ruhm und Ehre der Waffen-SS".
3
Das Amtsgericht Eisenach - Jugendrichter - verwarnte den Beschwerdeführer wegen eines Verstoßes gegen § 86 a
Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 86 a Abs. 2 Satz 2 und § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB. Die Waffen-SS habe die skandierte
Parole zwar nicht verwendet, ihr Wahlspruch habe vielmehr "Unsere Ehre heißt Treue" gelautet. Die skandierte Parole
sei jedoch einem verbotenen Kennzeichen zum Verwechseln ähnlich. Den Kennzeichen im Sinne des § 86 a Abs. 1
StGB  seien  auch  solche  gleichzustellen,  die  bei  einem  neutralen  Beobachter  lediglich  den  Anschein  eines
Kennzeichens einer verbotenen Organisation und der gedanklichen Verbindung mit dieser erweckten. Es komme nicht
so  sehr  auf  die  sprachliche  Ähnlichkeit,  sondern  vielmehr  darauf  an,  ob  der  Anschein  eines  Kennzeichens  der
jeweiligen Organisation erweckt und dessen Symbolgehalt vermittelt werde. Die tatsächliche Existenz des Vorbildes,
an das sich die Nachbildung anlehne und mit dem sie der Betrachter vergleiche, sei nicht zwingend erforderlich. Damit
fielen auch Nachbildungen unter § 86 a Abs. 2 StGB, denen zwar kein authentisches Kennzeichen zugeordnet werden
könne,  die  jedoch  nach  ihrem  Gesamteindruck  den  Anschein  eines  solchen  Kennzeichens  erweckten.  Allein  die
Begriffe  "Ehre"  und  "Waffen-SS"  weckten  bei  einem  unbefangenen  Dritten  Assoziationen  zu  der  ehemaligen
nationalsozialistischen Organisation und ihrer Losung. Durch die Parole werde der Anschein erweckt, dass es sich um
eine  Losung  der  Waffen-SS  handele  und  deren  Symbolgehalt  vermittelt  werde.  Der  Gebrauch  derartiger  Losungen
berühre zudem den politischen Frieden und damit den Schutzzweck des § 86 a StGB.
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Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft verurteilte das Landgericht - kleine Jugendkammer - den Beschwerdeführer
zu  einer  Jugendstrafe  von  sechs  Monaten,  deren  Vollstreckung  es  zur  Bewährung  aussetzte.  Die  Berufung  des
Beschwerdeführers  wurde  verworfen.  Zur  Begründung  führte  das  Landgericht  aus,  die  Parole  "Ruhm  und  Ehre  der
Waffen-SS" sei nach der konkreten Art ihrer Benutzung der Parole "Blut und Ehre" der Hitlerjugend zum Verwechseln
ähnlich. Sprachlich seien beide Begriffspaare nahezu identisch. Inhaltlich verkörperten beide glorifizierende Werte und
vermittelten damit Symbolgehalte, denen in der Propaganda der NS-Zeit erhebliche Bedeutung zugekommen sei. Die
Ergänzung  "...  der  Waffen-SS"  führe  nicht  dazu,  dass  die  Parole  ihre  Nähe  zu  jener  der  Hitlerjugend  verliere.  Die
Verwechslungsgefahr  entfalle  nicht  dadurch,  dass  in  der  Parole  in  Abweichung  zu  der  Originallosung  ein  Bezug  zu
einer anderen, in gleicher Weise verfassungswidrigen Organisation hergestellt werde.
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2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 4 Abs.
1,  Art.  5  Abs.  1,  Art.  103  Abs.  1  und  2  GG.  §  86  a  StGB  sei  nicht  mehr  entsprechend  seinem  Wortlaut  angewandt
worden, so dass ein Verstoß gegen das Analogieverbot vorliege. Es habe im "Dritten Reich" keine Huldigungsformel
"Ruhm und Ehre der  Waffen-SS"  gegeben.  Auch  eine  Verwechslung  scheide  aus.  Der  Spruch  der  Hitlerjugend  "Blut
und Ehre" entbehre des huldigenden Bezugs.
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3. Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs und der Justizminister des
Freistaats Thüringen geäußert.
II.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nach § 93 a Abs. 2 Satz 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung
an  und  gibt  ihr  nach  §  93  c  Abs.  1  Satz  1  BVerfGG  statt.  Die  Annahme  der  Verfassungsbeschwerde  ist  zur
Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Art. 103 Abs. 2 GG angezeigt.
Das  Bundesverfassungsgericht  hat  die  für  die  Beurteilung  der  Verfassungsbeschwerde  maßgeblichen  Fragen  zur
Auslegung dieser Grundrechte bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.
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1. Das Urteil des Amtsgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 103 Abs. 2 GG.
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a)  Art.  103  Abs.  2  GG  verpflichtet  den  Gesetzgeber,  die  Voraussetzungen  der  Strafbarkeit  so  konkret  zu
umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straftatbestände sich aus dem Gesetzeswortlaut ergeben
oder jedenfalls durch Auslegung ermitteln lassen (vgl. BVerfGE 71, 108 <114>; stRspr). Für die Rechtsprechung folgt
aus  dem  Erfordernis  gesetzlicher  Bestimmtheit  ein  Verbot  analoger  oder  gewohnheitsrechtlicher  Strafbegründung.
Dabei ist "Analogie" nicht im engeren technischen Sinn zu verstehen. Ausgeschlossen ist vielmehr jede Anwendung
von  Strafrecht,  die  über  den  Inhalt  einer  gesetzlichen  Sanktionsnorm  hinausgeht;  der  mögliche  Wortsinn  des
Gesetzes  markiert  die  äußerste  Grenze  zulässiger  richterlicher  Interpretation.  Dies  gilt  auch  dann,  wenn  infolge  des
Bestimmtheitsgebots besonders gelagerte Einzelfälle aus dem Anwendungsbereich eines Strafgesetzes herausfallen,
obwohl  sie  ähnlich  strafwürdig  erscheinen  mögen  wie  das  pönalisierte  Verhalten.  Es  ist  dann  Sache  des
Gesetzgebers zu entscheiden, ob er die Strafbarkeitslücke bestehen lassen oder durch eine neue Regelung schließen
will (vgl. BVerfGE 71, 108 <114 ff.>; 73, 206 <234 ff.>; 92, 1 <11 ff.>; stRspr).
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b) Gemessen daran ist das Urteil des Amtsgerichts mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht zu vereinbaren.
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Nach  Auffassung  des  Amtsgerichts  kommt  es  für  die  Frage,  ob  das  benutzte  Kennzeichen  im  Sinne  des  §  86  a
Abs. 2 Satz 2 StGB dem Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation zum Verwechseln ähnlich ist, darauf
an, ob der Wahrnehmende veranlasst wird, das Wahrgenommene für etwas zu halten, von dem er weiß oder auch nur
annimmt,  dass  es  existiert.  Damit  sollen  unter  §  86  a  Abs.  2  Satz  2  StGB  auch  solche  Kennzeichen  fallen,  denen
zwar kein authentisches Kennzeichen zugeordnet werden kann, die aber den Anschein eines solchen Kennzeichens
erwecken.
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Eine solche Auslegung des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB findet im Gesetzestext keine Stütze (vgl. BGH, NJW 2005,
S.  3223  <3224  f.>).  §  86  a  Abs.  1  Nr.  1  StGB  stellt  die  Verwendung  von  Kennzeichen  bestimmter  Organisationen
unter Strafe. Ihnen müssen Kennzeichen, die unter § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB fallen, zum Verwechseln ähnlich sein.
Damit ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm erforderlich, dass eine Ähnlichkeit zu einem tatsächlich existenten
Kennzeichen  besteht,  dessen  Verwendung  nach  §  86  a  Abs.  1  Nr.  1  StGB  verboten  ist.  Auch  die
Gesetzesbegründung  zu  §  86  a  Abs.  2  Satz  2  StGB  führt  lediglich  den  Fall  auf,  dass  "von  Anhängern
nationalsozialistischen  Gedankengutes  leicht  abgewandelte  Symbole  nationalsozialistischer  Organisationen
verwendet  werden"  (BT-Drucks.  12/6853,  S.  23).  Sie  geht  also  gleichfalls  davon  aus,  dass  die  Nachahmung  ein
tatsächlich existentes Vorbild haben muss.
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2.  Das  Urteil  des  Landgerichts  verstößt  jedenfalls  gegen  das  Grundrecht  des  Beschwerdeführers  auf
Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
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a)  Das  Rufen  der  Parole  "Ruhm  und  Ehre  der  Waffen-SS"  fällt  in  den  Schutzbereich  der  Meinungsfreiheit.  In  der
Bestrafung wegen dieser Äußerung liegt auch ein Eingriff in dieses Grundrecht.
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Die  Meinungsfreiheit  ist  allerdings  nicht  vorbehaltlos  gewährleistet.  Sie  findet  ihre  Schranke  unter  anderem  nach
Art. 5 Abs. 2 GG in den allgemeinen Gesetzen, zu denen auch § 86 a StGB gehört (vgl. BVerfGE  111,  147  <155>;
BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 23. März 2006 - 1 BvR 204/03 -, S. 5 f. des Umdrucks).
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b)  Bereits  im  Ansatz  verfehlt  ist  die  Auffassung  des  Landgerichts,  der  Beschwerdeführer  könne  sich  auf  das
Grundrecht der Meinungsfreiheit schon deshalb nicht berufen, weil die Parole "im Rahmen der Demonstration als ein
die  gemeinsame  Gesinnung  repräsentierendes  Erkennungssymbol  der  rechten  Szene  verwendet  wurde".  Auf  den
Schutz der Meinungsfreiheit können sich grundsätzlich auch Rechtsextremisten berufen; allerdings sind auch sie an
die Schranken der allgemeinen Gesetze gebunden (vgl. BVerfGE 111, 147 <155 ff.>).
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c)  Die  allgemeinen  Gesetze,  die  die  Meinungsfreiheit  einschränken  können,  müssen  ihrerseits  im  Lichte  des
eingeschränkten Grundrechts ausgelegt und angewandt werden, damit der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts
auch auf der Rechtsanwendungsebene Rechnung getragen wird (vgl. BVerfGE 7, 198 <205>; 94, 1 <8>; stRspr). Auf
der Ebene der Normanwendung verlangt das Grundrecht auf Meinungsfreiheit eine Gewichtung der Beeinträchtigung,
die dem von dem allgemeinen Gesetz geschützten Rechtsgut auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen
Seite droht. Dabei sind alle wesentlichen Umstände zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 93, 266 <293>).
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aa)  §  86  a  StGB  soll  sowohl  die  symbolhaft  durch  die  Verwendung  eines  Kennzeichens  ausgedrückte
Wiederbelebung  bestimmter  Organisationen  als  auch  die  symbolhaft  gekennzeichnete  Wiederbelebung  der  von
solchen Organisationen verfolgten Bestrebungen abwehren. Zu diesem Zweck wird die Verwendung der Kennzeichen
dieser Organisationen mit Strafe bedroht. Dabei wehrt § 86 a StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt Gefahren ab, die
schon allein mit dem äußeren Erscheinungsbild eines Kennzeichens verbunden sind. Dagegen kommt es nicht darauf
an,  ob  das  Kennzeichen  gerade  mit  dem  Willen  gebraucht  wird,  die  von  ihm  symbolisierte  Organisation  zu
unterstützen (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 23. März 2006 - 1 BvR 204/03 -, S. 6 des
Umdrucks).  Auf  diese  Weise  verbannt  die  Norm  derartige  Kennzeichen  grundsätzlich  aus  dem  Bild  des  politischen
Lebens in der Bundesrepublik Deutschland und errichtet so ein kommunikatives Tabu (vgl. BGH NJW 2002, S. 3186
<3187>; Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., 2006, § 86 a Rn. 2 a).
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Dem  Ziel  des  §  86  a  StGB,  die  Verwendung  bestimmter  Symbole  in  der  öffentlichen  Auseinandersetzung
auszuschließen, dient auch die Regelung in dessen Absatz 2 Satz 2. Danach werden von dem strafbewehrten Verbot
auch andere Symbole erfasst, wenn und weil sie wegen einer Verwechslungsgefahr auf diese Auseinandersetzung in
derselben Weise einzuwirken drohen wie die verbotenen Symbole (vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 12/6853,
S.  23).  Wo  eine  solche  Gefahr  nicht  besteht,  weil  das  benutzte  Symbol  nicht  mit  einem  verbotenen  Kennzeichen
verwechselt  werden  kann,  greift  der  Normzweck  des  §  86  a  StGB  dagegen  nicht.  In  einem  solchen  Fall  kann  eine
Beschränkung der Meinungsfreiheit durch diese Norm daher nicht begründet werden.
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bb)  Das  Bundesverfassungsgericht  überprüft  die  fachrichterliche  Rechtsanwendung  nur  darauf  hin,  ob  die  Gerichte
Bedeutung und Tragweite des Grundrechts der Meinungsfreiheit verkannt haben (vgl. BVerfGE 18, 85 <92>; 85, 248
<257 f.>; 93, 266 <296>). Dabei kann das Bundesverfassungsgericht den von § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB geforderten
Ähnlichkeitsschluss der Fachgerichte im Einzelfall nicht bereits deshalb durch seinen eigenen ersetzen, weil ihm eine
von  mehreren  vertretbaren  Lösungen  vorzugswürdig  erscheint.  Wenn  das  erkennende  Gericht  jedoch  die  in  §  86  a
Abs.  2  Satz  2  StGB  geforderte  Verwechslungsgefahr  in  einer  dem  Normzweck  nicht  entsprechenden  Weise
begründet,  wird  die  Meinungsfreiheit  eingeschränkt,  obwohl  das  durch  §  86  a  StGB  geschützte  Rechtsgut  nicht
gefährdet ist; in der Folge ist die Einschränkung nicht geeignet, das strafrechtlich bewehrte Rechtsgut zu bewahren.
In  einem  solchen  Fall  werden  die  Anforderungen  des  Art.  5  Abs.  1  Satz  1  GG  an  die  Gewichtung  der  betroffenen
Belange grundlegend verkannt,  so  dass  das  Bundesverfassungsgericht  die  fachrichterliche  Einschätzung  korrigieren
muss.
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d) Nach diesen Maßstäben genügt die Anwendung des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB durch das Landgericht nicht den
verfassungsrechtlichen Anforderungen.
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Nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Parole - wie
auch  ein  sonstiges  Kennzeichen  -  einer  anderen  "zum  Verwechseln  ähnlich",  wenn  ein  gesteigerter  Grad  sinnlich
wahrnehmbarer  Ähnlichkeit  gegeben  ist.  Erforderlich  sei  eine  objektiv  vorhandene  Übereinstimmung  in  wesentlichen
Vergleichspunkten.  Es  müsse  nach  dem  Gesamteindruck  eines  durchschnittlichen,  nicht  genau  prüfenden
Betrachters  eine  Verwechslung  mit  dem  Original  möglich  sein.  Dafür  genüge  nicht,  dass  sich  lediglich  einzelne
Merkmale des Vorbilds in der Abwandlung wieder finden, ohne dass dadurch einem unbefangenen Betrachter, der das
Original  kennt,  der  Eindruck  des  Originalkennzeichens  vermittelt  werde  (vgl.  BGH,  NJW  2005,  S.  3223  f.  unter
Verweis auf BGHSt 47, 354).
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Das  Landgericht  hat  die  erheblichen  Unterschiede  zwischen  beiden  Parolen  verkannt.  Es  übersieht  schon,  dass
beide  Parolen  sich  in  ihrem  semantischen  Gehalt  stark  unterscheiden  (vgl.  BGH,  NJW  2005,  S.  3223  <3224>).  Die
Parole  der  Hitlerjugend  ("Blut  und  Ehre")  enthält  das  Treuebekenntnis  eines  Angehörigen  zu  seiner  Organisation,
während die hier gerufene Parole eine Organisation vom Standpunkt eines Dritten aus glorifiziert. Die Auffassung des
Landgerichts,  beide  Parolen  verkörperten  glorifizierende  Werte  und  vermittelten  damit  Symbolgehalte,  denen  in  der
Propaganda  der  NS-Zeit  erhebliche  Bedeutung  zugekommen  sei,  reicht  zur  Begründung  der  Strafbarkeit  nicht.  Das
Begriffspaar "Ruhm und Ehre" weist für sich genommen keine nationalsozialistische Färbung auf und vermittelt einem
unbefangenen Beobachter, der die Parole der Hitlerjugend kennt, nicht den Eindruck des Originalkennzeichens dieser
Organisation.
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Zum anderen berücksichtigt das Landgericht nicht hinreichend, dass der Zusatz "... der Waffen-SS" die Parole nicht
in die Nähe der Hitlerjugend, sondern einer anderen Organisation rückt (vgl. BGH, NJW 2005, S. 3223 <3224>). Es ist
nicht  nachvollziehbar,  weshalb  ein  unvoreingenommener  Betrachter  trotzdem  eine  Parole,  die  metrisch  und
phonetisch keine große und semantisch fast überhaupt keine Ähnlichkeit mit der Losung der Hitler-Jugend aufweist,
mit dieser Organisation verbinden soll. Für den Ähnlichkeitsschluss nach § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB kommt es nicht
allgemein auf eine propagandistische Stoßrichtung zugunsten irgendeiner verfassungswidrigen Organisation - hier der
Waffen-SS -, sondern gerade auf den konkreten Vergleich mit einem bestimmten Symbol an.
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3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier
Hohmann-Dennhardt
Hoffmann-Riem