Urteil des BVerfG vom 25.06.2009

BVerfG: meinungsfreiheit, veröffentlichung, verbreitung, pressefreiheit, wiedergabe, fremder, strafrechtliche verfolgung, persönlichkeitsrecht, beitrag, verfassungsbeschwerde

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 134/03 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der Firma E.-S. AG,
vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden H…,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Deubner & Kirchberg,
Mozartstraße 13, 76133 Karlsruhe -
gegen
a)
den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 2002 - VI ZR 232/02 -,
b)
das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 04. Juni 2002 - 7 U
72/01 -,
c)
das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20. Juli 2001 - 324 O 80/01 -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Papier
und die Richter Eichberger,
Masing
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 25. Juni 2009 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I.
1
Die Beschwerde wendet sich gegen die Verurteilung zur Unterlassung einer Veröffentlichung von Auszügen einer
andernorts erschienenen Presseberichterstattung innerhalb einer Presseschau.
2
1. Die Beschwerdeführerin und Beklagte des Ausgangsverfahrens ist Verlegerin der Zeitschrift "E.-S.", die aus
Anlegersicht über das Börsengeschehen berichtet. Die Zeitschrift führt u.a. eine ständige Rubrik mit der Bezeichnung
"Meinungen - Presseschau - Nachrichten aus Börsendiensten und Banken", in der andernorts erschienene
Presseberichte in knapper Zusammenfassung wiedergegeben werden. Die Rubrik schließt mit dem Hinweis:
3
"Der ES zitiert in der ‚aktuellen Presseschau’ fremde Meinungen und enthält sich jeglicher
Stellungnahme".
4
Am 9. November 2000 veröffentlichte die Beschwerdeführerin in dieser Rubrik Auszüge aus einem am 1. November
2000 in der Tageszeitung "H." erschienen Beitrag. Dessen Gegenstand war ein seinerzeit anhängiges strafrechtliches
Ermittlungsverfahren, welches sich unter anderem gegen den Kläger des Ausgangsverfahrens, Herrn B. F. richtete.
Dieser war als Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift "D. A.", die ebenfalls über das Börsengeschehen
berichtet, und zugleich als Fondsberater tätig und hatte durch seine Teilnahme an dem Börsenspiel der "...-B." eine
gewisse Bekanntheit erlangt. Seit dem Jahr 1999 ermittelte die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen ihn, gegen seinen
stellvertretenden Chefredakteur S. O. und gegen einen Stuttgarter Vermögensverwalter unter anderem wegen des
Verdachts der verbotenen Insidergeschäfte (§ 38 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
Wertpapierhandelsgesetz) und des Betruges zum Nachteil der Kapitalanleger.
5
Der Kläger begehrte im Ausgangsverfahren Unterlassung der in der Presseschau veröffentlichten Äußerungen der
Beschwerdeführerin. Durch die selektive Wiedergabe allein der den Kläger belastenden Tatsachen unter Auslassung
aller seinerzeit bereits bekannten entlastenden Umstände erwecke die als Pressestimme veröffentlichte
Zusammenfassung - anders als der Ursprungsartikel - den unzutreffenden und ehrverletzenden Eindruck, er, der
Kläger sei an der seinem Mitarbeiter O. vorgeworfenen Tat beteiligt gewesen.
6
Die beanstandete Meldung des "E.-S." lautet wörtlich:
7
H. - 1. November 2000
8
Die Redaktionsräume von der Staatsanwaltschaft durchsucht, Haftbefehl gegen einen seiner
engsten Mitarbeiter:
B. F.,
angeschlagen.
9
Alles beginnt offenbar Anfang September damit, dass ein Stuttgarter Vermögensverwalter auf
den Redakteur O. zukommt und ihm vorschlägt, zusammen mit seinem Chefredakteur Geld
von Privatleuten zu verwalten. F. berät zwar schon - teilweise mit O. gemeinsam - sieben
Fonds der Fondsgesellschaft Universal Investment im Volumen von 3, 3 Millionen DM. Das
stört jedoch nicht.
10
Im Gegenteil, die Fonds werden sogar gebraucht. Der Clou an der Geschichte: Der Schwabe
will Anlegern Gewinne garantieren.
11
Das kann nur funktionieren, wenn er Aktien kauft, die F. oder O. wenig später in der Zeitschrift
"D. A." oder über die ...-B. empfehlen.
12
Sollte das den Kurs nicht genug anschieben, müssen F. und O. die Aktien in ihren
verschiedenen Universal-Portfolios aufnehmen lassen. Spätestens durch die Menge an
Zukäufen dürfte der Wert der Papiere steigen, so die Kalkulation. Die Gewinne sollen zwischen
Anlagegesellschaft, Redakteuren und Verwalter geteilt werden.
13
Die zitierten Passagen sind im Wesentlichen wörtlich einem am 1. November 2000 im "H." erschienenen Beitrag
entnommen, allerdings wurde der Ursprungsartikel deutlich gekürzt. Der Text des Ausgangsbeitrags des "H." lautet
vollständig:
14
ALBTRAUM DER AUFSICHTSÄMTER
15
Die Redaktionsbüros von der Staatsanwaltschaft durchsucht, Haftbefehl gegen einen
seiner engsten Mitarbeiter: B. F., einer der Starpropheten des Neuen Marktes, ist schwer
angeschlagen. Der Verdacht gegen einen seiner Gurus belastet den Ruf der gesamten
Branche.
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Als die Stuttgarter Staatsanwaltschaft am vergangenen Donnerstag die Redaktionsräume der
K. Börsenmedien AG durchsucht, liegt B. F. am Strand. Während die Mitarbeiter der
Anklagebehörde Aktenordner um Aktenordner aus den Regalen der Redaktionsräume und zwei
Privatwohnungen mitnehmen, lässt sich der Chefredakteur der Anlegerpostille "D. A." und
einstige Star der "...-B." auf den Seychellen die Sonne auf den Bauch brennen.
17
Für die Öffentlichkeit war der 38-Jährige erst gestern wieder zu sprechen, und zwar "an
meinem Arbeitsplatz". Darauf legt er Wert. Es soll sich ja nicht der Eindruck festsetzen, bei
der Razzia sei es um ihn gegangen. Oder gar, er säße in Untersuchungshaft. "Ich sehe mich
momentan als Opfer", sagt er. Mit dieser Sache habe er nichts zu tun.
18
"Diese Sache", das sind unseriöse und nicht realisierbare Versprechen, mit denen zumindest
S. O., stellvertretender Chefredakteur des gleichen Zocker-Blattes, und ein privater Stuttgarter
Finanzdienstleister Anlegern mehrere Millionen Mark aus der Tasche gezogen haben sollen.
Beide wollten den vermeintlich guten Namen F. nutzen, dessen Vorzeigefonds in drei Jahren
laut Eigenwerbung ein Plus von 693 Prozent erzielt hat. Sie wollten die Zeitschrift, das
Fernsehen und diverse Hotlines als Forum nutzen, um Wertpapiere nach oben zu jubeln. Die
beiden haben schon gestanden. Ob F. die Fäden gezogen hat, ist noch unklar; gegen ihn wird
auch ermittelt.
19
Der Fall ist bizarr. Er wirft ein grelles Licht auf die (Selbst-)Vermarktung der Börsengurus. Wer
mehrmals öffentlich richtig tippt oder den Zeitpunkt eines Börsen-Crashs richtig voraussagt,
hat gute Chancen auf eine treue Anhängerschaft. Die Sendungen "...-B." oder "T." sind die
Bühne all derer, die den Aufsichtsämtern schlaflose Nächte bereiten. Denn [an dieser Stelle
findet sich eine drucktechnisch hervorgehobene Zwischenschlagzeile: "Zwei Personen haben
Geständnisse abgelegt. Ob F. Fäden gezogen hat, ist unklar."] in den Sendungen werden
Kurse bewegt. Hier werden marktenge, meistens am Neuen Markt notierte Werte empfohlen,
die sich oft am (Börsen-)Tag nach der Ausstrahlung deutlich bewegen. Immer wieder tauchen
Vorwürfe auf, die "Experten" würden Aktien anpreisen, die sie selbst, Freunde oder Bekannte
von ihnen im Depot halten - Vorwürfe, unter denen der Ruf des gesamten Neuen Marktes
leidet.
20
Was aber vor einigen Wochen im fränkischen K. passierte, geht weit über das hinaus, was
längst erloschene Börsenlichter getan haben sollen. Die Handelnden sollen bewusst bei
potenziellen Anlegern damit geworben haben, dass sie Aktien pushen, also Kurse von
Wertpapieren nach oben schreiben oder kommentieren.
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Alles begann Anfang September damit, dass ein Stuttgarter Vermögensverwalter auf den
Redakteur O. zukommt und ihm vorschlägt, zusammen mit seinem Chefredakteur Geld von
Privatleuten zu verwalten. F. berät zwar schon - teilweise mit O. gemeinsam - sieben Fonds
der Fondsgesellschaft Universal Investment im Volumen von 3, 3 Millionen DM. Das stört
jedoch nicht.
22
Im Gegenteil, die Fonds werden sogar gebraucht. Der Clou an der Geschichte: Der Schwabe
will Anlegern Gewinne garantieren. Das kann nur funktionieren, wenn er Aktien kauft, die F.
oder O. wenig später in der Zeitschrift "D. A." oder über die ..-B. empfehlen. Sollte das den
Kurs nicht genug anschieben, müssen F. und O. die Aktien in ihren verschiedenen Universal-
Portfolios aufnehmen lassen. Spätestens durch die Menge an Zukäufen dürfte der Wert der
Papiere steigen, so die Kalkulation. Die Gewinne sollen zwischen Anlagegesellschaft,
Redakteuren und Verwalter geteilt werden.
23
O. - Lebensmotto "Immer nach vorne schauen"- ist offenbar begeistert von der Idee und stellt
sie F. vor. Der sagt heute: " Ich habe meinem Mitarbeiter die Sache untersagt." Damit ist der
Fall für ihn erledigt. "Warum sollte ich für ein paar Millionen Anlagegelder zusätzlich mehrere
Milliarden gefährden?", fragt er heute.
24
Aber O. und sein Spezi ziehen das Geschäft durch. Der Verwalter spricht einige seiner
Bekannten an, wirbt mit dem Konterfei der Redakteure und immer wieder mit dem Namen
seines "Freundes" F. Offenbar beschaffen sie so mehr als zwei Millionen Mark, bis einem der
Geworbenen mulmig wird. Er wendet sich Anfang Oktober an die Staatsanwaltschaft Stuttgart.
Die fragt beim Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) nach. In der Frankfurter
Behörde klingeln beim Namen F. die Alarmglocken. Denn der Franke ist dem Amt längst gut
bekannt: durch seine Auftritte in der ...-B. und diverse 0190-Hotlines, in denen sein Kollege
und er ihre Tipps ("positionell klar verstärken") für 2,42 Mark die Minute am Telefon verkaufen.
Die Beamten haben immer wieder ein Auge auf diese Empfehlungen geworfen. Beweise für
Insidergeschäfte oder das Pushen von Aktien gab es jedoch bislang nicht.
25
Im Fall O. aber stellt das BAWe einen Mitarbeiter für den geplanten Zugriff ab. Am Donnerstag
läuft die Razzia. Heute sitzt der Stuttgarter Verwalter wegen Verdunkelungsgefahr in
Untersuchungshaft. S. O. wurde nach einigen Tagen mit Auflagen auf freien Fuß gesetzt, und
wie es aussieht, könnten die Ermittlungen gegen F. schon bald eingestellt werden - zumindest
in diesem Fall.
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Dennoch: Sein nach diversen Fehlprognosen und negativen Presseberichten ohnehin
angeschlagenes Image wird durch den Skandal weiter angekratzt. Die "Bild"-Zeitung schrieb
ihm bereits Ende August genüsslich seine zehn schlechtesten Tipps unter die Nase und
schrieb vom "Aufstieg und Fall" des wegen seines fränkischen Akzents "Mr Dausend"
genannten Börsengurus. Auch in den einschlägigen Broker-Boards im Internet wandten sich
frustrierte Fans von ihm ab: "Schweinebacke" und "Kreuzigt ihn" lauteten noch die
harmloseren Kommentare.
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Der ehemalige Buchhalter F. teilt das Schicksal vieler Propheten des Neuen Marktes. Ein paar
Tipps neben der Tendenz, und sie sind weg vom Fenster. Schon deshalb haben sie den
Anreiz, in kurzer Zeit so viel Gewinn wie möglich aus ihren Aktivitäten zu ziehen - und es ist
nicht schwierig, mit unlauteren Mitteln die schnelle Mark zu verdienen. E. P., der erste
Börsenguru des Neuen Marktes, kam nur deshalb ohne strafrechtliche Verfolgung davon, weil
man ihm nicht nachweisen konnte, dass er beim Kauf eigener Aktien vorhatte, diese öffentlich
zu empfehlen. Unrechtsbewusstsein darf man von niemandem erwarten. F.: "Ich bin der
Meinung, dass es wahre Insider im Markt gibt, die viel weniger attackiert werden als ich".
28
Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wurde mit Verfügung vom 20. November 2000 - nach Veröffentlichung
des Ursprungsbeitrags und dessen streitgegenständlicher Wiedergabe im E.-S. - eingestellt. Eine Beteiligung an der
seinem Mitarbeiter und dem Vermögensverwalter vorgeworfenen Tat könne dem Kläger nicht nachgewiesen werden.
Soweit der Kläger seine Aufsichtspflichten in seinem Unternehmen vernachlässigt habe, werde von einer Verfolgung
der darin liegenden Ordnungswidrigkeit abgesehen.
29
2. Mit angegriffenem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20. Juli 2001 - Geschäfts-Nr. 324 O 80/01 - wurde die
Beschwerdeführerin verurteilt, es zu unterlassen, durch die streitgegenständliche Berichterstattung den Eindruck zu
erwecken, dass der Kläger an der dem Mitarbeiter O. vorgeworfenen Tat beteiligt gewesen sei. Ferner stellte das
Gericht die Verpflichtung der Beschwerdeführerin fest, dem Kläger alle aus der Berichterstattung entstandenen
Schäden zu ersetzen.
30
Dem Kläger stehe ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 186 StGB, 1004 BGB analog zu. Die
angegriffene Berichterstattung des "E.-S." erwecke in ihrer konkreten Fassung den Eindruck, dass der Kläger an der
seinem Mitarbeiter zur Last gelegten Tat beteiligt gewesen sei. Zwar sei diese Behauptung nicht offen in dem von der
Beschwerdeführerin veröffentlichten Auszug enthalten, jedoch komme sie darin verdeckt zum Ausdruck.
31
Gegenüber einer verdeckten Aussage sei der Betroffene einerseits besonders schutzbedürftig, da er sich ihrer nur
schwer erwehren könne. Andererseits gebiete das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG Zurückhaltung bei der
Einbeziehung verdeckter Behauptungen in den Persönlichkeitsschutz. Hiermit sei es unvereinbar, eine verdeckte
Behauptung bereits dann anzunehmen, wenn offene Einzelaussagen des Textes es dem Leser überließen, eigene
Schlüsse in die eine oder andere Richtung zu ziehen. Eine verdeckte Behauptung sei mithin erst dann einem Verbot
zugänglich, wenn sie sich für den Leser als zwingende Schlussfolgerung darstelle.
32
Dies sei hier der Fall. Die im "E.-S." wiedergegebenen Passagen ließen für den Leser nur den Schluss zu, dass der
Kläger an den beschriebenen Vorgängen beteiligt gewesen sei. Er werde als einer derjenigen vorgestellt, der bei den
Insidergeschäften mitwirken musste, um den geplanten Erfolg herbeizuführen. Dies ergebe sich - wie das Landgericht
näher ausführt - aus einzelnen Formulierungen der Auszüge, die implizierten, dass das dort geschilderte Vorhaben die
Mitwirkung des Klägers erfordert habe.
33
Anders als im Ursprungsbeitrag sei auch keine Relativierung erfolgt, die die Aussagen in einem anderen Licht
erscheinen ließen. So sei die im Ursprungsartikel wiedergegebene Stellungnahme des Klägers, wonach er seinem
Mitarbeiter "die Sache" untersagt habe und er auch keinen Anlass sehe, für ein paar Millionen Anlagegelder zusätzlich
mehrere Milliarden zu gefährden, in der Zusammenfassung der Beschwerdeführerin ausgelassen worden. Ebenso
fehle der im Beitrag des "H." enthaltene Hinweis, "Aber O. und sein Spezi ziehen das Geschäft durch". Die
Beschwerdeführerin mache noch nicht einmal deutlich, dass in ihrer Zusammenfassung mehrere in dem
Ausgangsbeitrag getrennt stehende Passagen unter Auslassung von Zwischentext zusammengezogen worden seien.
Allein der Umstand, dass in der Einleitung der Zusammenfassung mitgeteilt werde, einer der engsten Mitarbeiter des
Klägers sei verhaftet worden, der Kläger selbst mithin offenbar aber nicht, sei angesichts des Aussagegehaltes des
Auszuges nicht geeignet, dem Leser zu vermitteln, dass sich der Verdacht nur gegen den Mitarbeiter O. richte, nicht
aber gegen den Kläger.
34
Von der Unwahrheit der hier verbreiteten unzutreffenden Behauptung sei auszugehen. Die Beschwerdeführerin habe
den ihr obliegenden Nachweis für die Richtigkeit ihrer Behauptungen nicht erbracht.
35
Die unwahre Behauptung der eigenen Beteiligung an einer Straftat verletze auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht
des Klägers. Rechtfertigungsgründe seien nicht ersichtlich. Dass auch andere Medien über den Vorwurf berichtet
hätten, rechtfertige keine Verbreitung unwahrer Behauptungen über den Kläger. Ob das nicht kenntlich gemachte
Zusammenfügen einzelner im Original nicht aufeinanderfolgender Passagen äußerungsrechtlich eine eigene Qualität
entfalte, könne hier dahinstehen, da sich die Beschwerdeführerin jedenfalls der Verbreiterhaftung nicht entziehen
könne. Die Veröffentlichung der Zusammenfassung in einer als Presseschau bezeichneten Rubrik habe allenfalls zur
Folge, dass es an einer eigenen Behauptung der Beschwerdeführerin fehle, so dass dadurch erst der Tatbestand der
Verbreiterhaftung begründet werde. Eine hinreichende Distanzierung, welche diese Verbreiterhaftung ausschließen
könne, liege aber weder in dieser Veröffentlichungsform noch werde sie durch den Hinweis am Ende der Presseschau
bewirkt. Dieser Hinweis stelle lediglich klar, dass in der Rubrik fremde und nicht eigene Behauptungen der
Beschwerdeführerin veröffentlicht würden. Er lasse aber nicht einmal offen, ob die in der Presseschau
wiedergegebenen Auszüge auch unzutreffende Behauptungen enthalten können und sei daher als eine die
Verbreiterhaftung ausschließende Distanzierung ungeeignet. Auch eine Wiederholungsgefahr liege vor.
36
Dem Kläger stehe ferner ein Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beschwerdeführerin zu. Die
rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts sei auch schuldhaft erfolgt. Bei Anwendung der gebotenen
pressemäßigen Sorgfalt habe der Beschwerdeführerin deutlich werden müssen, dass die von ihr erstellte
Zusammenfassung einen vom Ursprungsbeitrag abweichenden Eindruck erwecke, der die Rechte des Klägers
verletze.
37
3. Die hiergegen gerichtete Berufung wies das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg mit ebenfalls
angegriffenem Urteil vom 04. Juni 2002 - Geschäfts-Nr. 7 U 72/01 - zurück.
38
Das Landgericht habe der Klage mit zutreffender Begründung stattgegeben. Zu Recht sei das Landgericht von einer
verdeckten Behauptung der Tatbeteiligung des Klägers ausgegangen. Maßgebend sei der Eindruck, den ein
durchschnittlicher Leser aus dem Wortlaut und Zusammenhang der abgedruckten Passagen als zwingende
Schlussfolgerung entnehme. Auch wenn lediglich der Tatplan des Stuttgarter Vermögensverwalters geschildert werde,
ließe die Darstellung dennoch keinen Zweifel an einer Beteiligung des Klägers an den illegalen Transaktionen. Da der
von der Beschwerdeführerin veröffentlichte Auszug keinerlei den Kläger entlastende Umstände wiedergebe, sei die
Schlussfolgerung der Tatbeteiligung des Klägers zwingend, denn dem Leser werde suggeriert, dass das geplante
Vorhaben ohne Mitwirkung des Klägers nicht mit Erfolg hätte durchgeführt werden können. Zudem habe der Kläger
einen Anteil von dem erzielten Gewinn erhalten sollen.
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Demgegenüber weise der Ursprungsbeitrag nicht nur die vom Landgericht angeführten, sondern noch eine weitere
den Kläger entlastende Passage auf, namentlich die Einschätzung des "H.", "[…] und wie es aussieht, könnten die
Ermittlungen gegen F. schon bald eingestellt werden - zumindest in diesem Fall." Für die angesprochene Leserschaft
erwecke die Darstellung durch die Beschwerdeführerin deshalb im Unterschied zur Erstmitteilung im "H." zwingend
den Eindruck, dass der Kläger an dem darin geschilderten Verhalten seines Mitarbeiters O. beteiligt gewesen sei.
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Der Verbreiterhaftung könne sich die Beschwerdeführerin nicht entziehen. Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts
liege auch in der Verbreitung der rechtswidrigen Äußerung eines Dritten, wenn es an einer eigenen und ernsthaften
Distanzierung fehle oder das Verbreiten nicht schlicht Teil einer Dokumentation des Meinungsstandes im Sinne eines
Marktes der Meinungen sei, in der Äußerungen verschiedener Stellen einander gegenüber gestellt würden. Zwar sei
die beanstandete Mitteilung in einer als "Presseschau" überschriebenen Rubrik enthalten und lasse erkennen, dass
der Inhalt eines zuerst an anderer Stelle veröffentlichten Artikels wiedergeben werde. Um einen Markt der Meinungen
im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handele es sich bei der Presseschau aber nicht, da es an einer
Zusammenstellung verschiedener Äußerungen zu demselben Thema fehle. Vielmehr habe sich in der fraglichen
Presseschau einzig die beanstandete Meldung mit den streitgegenständlichen Insidergeschäften befasst.
41
Bei der beanstandeten Pressemeldung komme hinzu, dass sie dem Leser einen anderen Eindruck bezüglich eines
etwaigen strafbaren Verhaltens des Klägers vermittele als die ursprüngliche Berichterstattung, der sie auszugsweise
entnommen sei. Ob die Beschwerdeführerin deshalb wie für eine eigene Berichterstattung hafte, könne dahin stehen,
weil sie zumindest im Rahmen der Verbreiterhaftung dafür einzustehen habe. Eine die Rechtswidrigkeit der
Verbreitung ausschließende Distanzierung liege aus den vom Landgericht aufgezeigten Gründen jedenfalls nicht vor.
42
Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Schadenersatz dem Grunde nach lägen gleichfalls vor. Der
Beschwerdeführerin sei zumindest Fahrlässigkeit vorzuwerfen, weil sie die gebotene pressemäßige Sorgfalt nicht
gewahrt habe, als sie die Ausschnitte der Erstmitteilung so zusammengestellt habe, dass der vom Kläger
beanstandete rechtswidrige Eindruck entstanden sei. Der im Sinne einer Distanzierung nicht aussagekräftige Zusatz
am Ende der "Presseschau" der Beschwerdeführerin sei nicht geeignet, die Beschwerdeführerin von dem Vorwurf der
Fahrlässigkeit zu entlasten.
43
4. Die Nichtzulassungsbeschwerde wies der Bundesgerichtshof mit gleichfalls angegriffenem Beschluss vom 17.
Dezember 2002 - Aktenzeichen VI ZR 232/02 - zurück. Die Beschwerde zeige nicht auf, dass die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung habe oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts erfordere.
44
5. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihrer Grundrechte auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG
und auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG sowie eine Verletzung ihres Anspruchs auf den gesetzlichen
Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
45
a) Die Verurteilung zur Unterlassung der beanstandeten Berichterstattung und die Feststellung der
Schadensersatzpflicht der Beschwerdeführerin verletze ihr Grundrecht auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
Die Pressefreiheit sei in ihrer Institutsgarantie einer freien Presse berührt, weil die angegriffenen Urteile die
Rahmenbedingungen für die Wiedergabe von Berichten und Kommentaren anderer Presseorgane im Rahmen
sogenannter Presseschauen einenge. Das Grundrecht der Pressefreiheit sei ferner betroffen, weil der
Beschwerdeführerin die Veröffentlichung einer fremden Meinungsäußerung untersagt werde. Der Schutzbereich der
Pressefreiheit umfasse auch das Recht der Presse, sich darauf zu berufen, die Äußerung einer fremden, von ihr
veröffentlichten Meinung sei ihrerseits vom Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1
Satz 1 GG umfasst. Der Schutz der Meinungsfreiheit sei hier in die Pressefreiheit eingebettet. Jedenfalls aber berühre
es den Schutzbereich der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, wenn der Beschwerdeführerin die
Veröffentlichung einer fremden Meinung untersagt werde.
46
aa) Bereits die Deutung der inkriminierten Veröffentlichung und ihres erkennbaren Zusammenhangs verletze die aus
der Meinungs- und Pressefreiheit folgenden verfassungsrechtlichen Vorgaben.
47
Die beanstandete Veröffentlichung stelle keine eigene Berichterstattung, sondern eine Wiedergabe einer fremden
Äußerung dar. Dies folge aus Inhalt und erkennbaren Umständen der Veröffentlichung. Bei einer Presseschau handele
es sich um eine anerkannte und hergebrachte pressetypische Darstellungsform, die auch nach dem Verständnis der
Leser nicht den Anspruch vollständiger eigener Berichterstattung erhebe. Der Leser erwarte von vornherein nur eine
auszugsweise und verkürzte Mitteilung über andernorts veröffentlichte Beiträge unter Angabe der Quelle, da eine
Presseschau auch aus Lesersicht nicht der Sachdarstellung in all ihren Einzelheiten, sondern nur dazu diene, ihm
einen Überblick über das gesamte Spektrum der Themen andernorts erschienener Berichterstattungen zu verschaffen,
um diese gegebenenfalls nachlesen zu können. Typischerweise werde einer solchen Presseschau der auch hier
gegebene Hinweis beigefügt, dass es sich lediglich um die Wiedergabe fremder Berichterstattung handele.
48
Entgegen der Auffassung der Fachgerichte vermittele die Berichterstattung der Beschwerdeführerin dem Leser auch
keinen vom Ursprungsartikel abweichenden Gesamteindruck, so dass die Beschwerdeführerin jedenfalls nicht wie für
eine eigene Behauptung in Anspruch genommen werden könne. Bei der anzustellenden Vergleichsbetrachtung
unterliege auch die Ermittlung des Sinngehaltes des Ursprungsbeitrages denselben verfassungsrechtlichen
Anforderungen wie die Sinnermittlung der gegenüberzustellenden Äußerung der Beschwerdeführerin. Die
fachgerichtliche Deutung, der beanstandeten Zusammenfassung komme ein vom Ursprungsartikel abweichender
Bedeutungsgehalt zu, beruhe darauf, dass die Fachgerichte entgegen den verfassungsrechtlichen Vorgaben den
Gesamteindruck der Ursprungsberichterstattung außer Acht gelassen hätten. Sie stellten allein auf einzelne im Artikel
des "H." enthaltene relativierende Zusätze ab, ohne zugleich zu berücksichtigen, dass der Beitrag des "H." daneben
zahlreiche weitere den Kläger belastende Äußerungen enthielte. Diese aber führten dazu, dass der Gesamteindruck
der Berichterstattung im "H." den Kläger sogar in einem deutlich schlechteren Licht erscheinen lasse, als es der
beanstandeten Wiedergabe zu entnehmen sei. So enthalte die weitere Berichterstattung ein vernichtendes
Gesamturteil über den Kläger, indem ihm sein angeschlagenes Ansehen, die von Dritten geäußerte Kritik über die
Qualität seiner Anlegerempfehlungen und der Umstand vorgehalten werde, dass die für die Finanzaufsicht zuständige
Behörde immer wieder ein Auge auf dubiose Geschäftspraktiken des Klägers geworfen habe, ohne dass ihm bisher
aber Insidergeschäfte oder ein "Pushen" von Aktien hätten nachgewiesen werden können.
49
bb) Auch auf eine Verbreiterhaftung lasse sich die Verurteilung nicht stützen, denn eine solche Verbreiterhaftung
setze nach der auch vom Oberlandesgericht zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung voraus, dass eine
rechtswidrige Äußerung eines Dritten verbreitet werde. Dass aber die Ursprungsberichterstattung im "H." rechtswidrig
gewesen sei, hätten weder Land- noch Oberlandesgericht festgestellt. Die Gerichte seien im Gegenteil von der
Zulässigkeit der Erstmitteilung ausgegangen, wenn sie der Beschwerdeführerin die Auslassung vermeintlich dort noch
enthaltener entlastender Passagen zum Vorwurf gemacht hätten.
50
Auf einer Überspannung der Anforderungen beruhe es jedenfalls, wenn die Gerichte eine fehlende oder
unzureichende Distanzierung beanstandet hätten. Innerhalb der anerkannten und hergebrachten pressetypischen
Darstellungsform einer Presseschau dürfe eine aus dritter Quelle übernommene Nachricht unter Angabe ihrer Herkunft
verbreitet werden. Einer Überprüfung der Richtigkeit oder einer ausdrücklichen Distanzierung von der verbreiteten
Nachricht bedürfe es hierbei nicht. Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung werde von dem Schutz der
Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nämlich auch die Verbreitung von Drittaussagen gewährleistet.
51
Eine Überspannung der Anforderungen an die Presse liege jedenfalls in der Auffassung der Fachgerichte, dass eine
haftungsbefreiende Distanzierung nur dann gelingen könne, wenn ein Markt der Meinungen derart eröffnet werde, dass
mehrere verschiedene Stellungnahmen zu einem einheitlichen Thema referiert würden. Es müsse ausreichen, dass
die Beschwerdeführerin erkennbar aus fremder Quelle entnommene Nachrichten und Meldungen anderer
Massenmedien unter Angabe der Herkunft in eine Presseschau eingestellt habe. Bereits diese Aufmachung habe
hinreichend deutlich gemacht, dass die Beschwerdeführerin die Verantwortung für den Inhalt der von ihr verbreiteten
Informationen ablehne. Jedenfalls überspanne es die Anforderungen, die an die Zulässigkeit der Verbreitung fremder
Äußerungen in einer als solchen gekennzeichneten Presseschau zu stellen sind, wenn die Fachgerichte die hier
vorliegende Distanzierung nicht für ausreichend erachteten.
52
b) Die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde verletze die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf
Entscheidung durch den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Entscheidung des
Bundesgerichtshofes verkenne in willkürlicher Weise das Vorliegen eines Revisionsgrundes. So sei im
Revisionsverfahren dargelegt worden, dass das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
zur Eröffnung des Marktes der Meinungen abgewichen sei. Auch angesichts der im Revisionsverfahren aufgezeigten
Verletzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 2 GG sei die Zulassung der Revision
geboten gewesen.
53
6. Die Bundesregierung, der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg und der Kläger des Ausgangsverfahrens
haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
II.
54
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil Annahmegründe gemäß § 93a Abs. 2
BVerfGG nicht vorliegen.
55
1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a
BVerfGG zu. Die Maßstäbe für die Lösung eines Konfliktes zwischen der Meinungs- und Pressefreiheit einerseits und
dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von einer Äußerung nachteilig Betroffenen andererseits sind in der
verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung so weit geklärt (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 ff.>; 54, 208 <217 ff.>; 61, 1
<7 ff.>; 85, 1 <12 ff.>; 90, 241 <247 ff.>; 94, 1 <7 ff.>; 97, 391 <400 ff.>; 99, 185 <193 ff.>; 102, 347 <359 f.>; 114,
339 <346 ff.>), dass auch die Fragen, die der vorliegende Fall aufwirft, beantwortet werden können.
56
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten
Grundrechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zwar bestehen in Bezug auf die Begründung der
angegriffenen Entscheidungen verfassungsrechtliche Zweifel. Jedoch ist deutlich abzusehen, dass die
Beschwerdeführerin auch im Falle einer Zurückverweisung im Ergebnis keinen Erfolg haben würde (vgl. BVerfGE 90,
22 <25 f.>).
57
a) Die Begründung, auf die das Landgericht und ihm folgend das Oberlandesgericht eine Haftung der
Beschwerdeführerin als Verbreiterin einer fremden Äußerung gestützt haben, begegnet verfassungsrechtlichen
Bedenken.
58
aa) Die angegriffene Verurteilung zur Unterlassung ist vorrangig an der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG
zu messen. Diese gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Die
Behauptung einer Tatsache ist streng genommen zwar keine Meinungsäußerung, fällt aber gleichwohl in den
Schutzbereich der Meinungsfreiheit, weil und soweit sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen ist, welche
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG in seiner Gesamtheit gewährleistet (vgl. BVerfGE 61, 1 <8>; 90, 241 >247>; 94, 1 <7>). Der
Schutz von Tatsachenbehauptungen endet erst dort, wo sie zur Meinungsbildung nichts beitragen können, so dass
nur die bewusst oder erwiesen unwahre Tatsachenbehauptung nicht vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst wird
(vgl. BVerfGE 54, 208 <219>; 61, 1 <8>; 90, 241 <247 f.>). Zum von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten
Kommunikationsprozess kann auch die Mitteilung einer fremden Meinung oder Tatsachenbehauptung zählen, und
zwar auch dann, wenn der Mitteilende sich diese weder zu eigen macht noch sie in eine eigene Stellungnahme
einbindet, sondern die fremde Äußerung lediglich verbreitet. Es ist Teil des meinungsbildenden
Diskussionsprozesses, dessen Schutz Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG im Sinn hat, sich und andere auch über
Stellungnahmen Dritter zu informieren (vgl. BVerfGE 85, 1 <22>), etwa weil der Verbreitende sie für begrüßenswert
hält, weil er ihr ablehnend gegenübersteht oder weil er sie aus sich heraus für bemerkenswert erachtet. Die
Wiedergabe andernorts zuvor veröffentlichter Berichte im Rahmen einer Presseschau bzw. eines Pressespiegels ist
daher selbst dann von der Meinungsfreiheit geschützt, wenn die fremde Äußerung weder kommentiert noch in anderer
Weise in eine eigene Stellungnahmen eingebettet, sondern schlicht um ihrer selbst willen referiert wird.
59
Ob daneben auch der Schutzbereich der Pressefreiheit betroffen ist, kann offen bleiben. Handelt es sich - wie hier -
um die Frage, ob eine bestimmte Äußerung zulässig ist, insbesondere ob ein Dritter eine für ihn nachteilige Äußerung
hinzunehmen hat, ist ungeachtet des Verbreitungsmediums Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG einschlägig (vgl. BVerfGE 85, 1
<12 f.>; 95, 28 <34>; 97, 391 <400>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 23. Februar 2000 - 1
BvR 456/95 - NJW-RR 2000, S. 1209 <1209 f.>). Etwas anderes mag gelten, soweit ein Presseunternehmen lediglich
Äußerungen eines Dritten veröffentlicht und hierbei keine eigene Meinung äußert, wie es bei der Veröffentlichung von
Werbeanzeigen der Fall ist (vgl. BVerfGE 21, 271 <278 f.>). In diesem Fall ist von einer Untersagung der
Veröffentlichung zwar nicht die Meinungsfreiheit des Presseorgans betroffen, jedoch kann es sich auf die
Pressefreiheit berufen, welche den Schutz, den die Äußerung des Dritten durch die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1
Satz 1 GG genießt, einschließt (vgl. BVerfGE 102, 347 <359>). Eines solchen Rückgriffs auf die Pressefreiheit bedarf
es aber allenfalls dann, wenn die Veröffentlichung des Presseunternehmens eines Elements des eigenen Meinens
oder des meinungsbezogenen Behauptens entbehrt und sich auf die bloße technische Verbreitung der Äußerungen
Dritter beschränkt. Im Falle der Wiedergabe von Auszügen aus fremden Presseveröffentlichungen im Rahmen eines
Pressespiegels wird dagegen nicht nur die Freiheit betätigt, ein Presseerzeugnis zu erstellen, auszugestalten und zu
verbreiten. Vielmehr trifft der Grundrechtsträger selbst eine Auswahl aus verschiedenen Quellen, indem er ihm
erwähnenswert erscheinende Fremdberichte isoliert oder in thematisch geordneter Gegenüberstellung wiedergibt.
Diese Auswahl hebt einen Pressespiegel von der rein technischen Verbreitung fremd gefertigter Äußerungen in einem
Presseorgan ab.
60
bb) Die Meinungsfreiheit genießt keinen vorbehaltlosen Schutz. Sie findet ihre Schranken gemäß Art. 5 Abs. 2 GG
unter anderem in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und dem Recht der persönlichen Ehre. Hierzu zählen
auch die im vorliegenden Fall angewandten Vorschriften des § 1004 Abs. 1 BGB analog in Verbindung mit § 823 Abs.
1, Abs. 2 BGB, § 186 StGB.
61
Anwendung und Auslegung dieser Vorschriften sind Sache der Zivilgerichte. Werden im Zuge der Anwendung
verfassungsrechtlich unbedenklicher Normen des Zivilrechts jedoch grundrechtlich geschützte Positionen berührt,
müssen die Zivilgerichte die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend berücksichtigen und ihrer Bedeutung und
Tragweite Rechnung tragen, damit der wertsetzende Gehalt der Grundrechte auch auf der Rechtsanwendungsebene
gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 ff.>; 61, 1 <10 f.>; 85, 1 <13>; 90, 241 <248>; 93, 266 <292>; 94, 1 <8>;
114, 339 <348>). Dies verlangt bei Anwendung der die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG
beschränkenden zivilrechtlichen Normen regelmäßig eine Abwägung zwischen der Schwere der Beeinträchtigung des
Persönlichkeitsrechts einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch die Untersagung andererseits, die im
Rahmen der auslegungsfähigen Tatbestandsmerkmale des einfachen Rechts unter Berücksichtigung der besonderen
Umstände des Falles vorzunehmen ist (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>; 90, 241 <248>; 93, 266 <293>; 94, 1 <8>; 97,
391 <401>; 99, 185 <196>; 114, 339 <348>). Das Ergebnis dieser Abwägung ist wegen ihres Fallbezuges
verfassungsrechtlich nicht vorgegeben. Doch ist in der Rechtsprechung eine Reihe von Gesichtspunkten entwickelt
worden, die Kriterien und Vorzugsregeln für die konkrete Abwägung vorgeben (vgl. BVerfGE 61, 1 <7 ff.>; 85, 1
<16 f.>; 93, 266 <293 ff.>; 99, 185 <196 ff.>; 114, 339 <348 f.>).
62
Geht es - wie hier - um Tatsachenbehauptungen, hängt die Abwägung maßgeblich von ihrem Wahrheitsgehalt ab.
Wahre Tatsachen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind,
unwahre dagegen nicht (vgl. BVerfGE 90, 241 <253>; 97, 391 <403>; 99, 185 <196 f.>). Außerhalb des
Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegen aber nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche,
deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung unzweifelhaft feststeht. Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit
Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen (vgl. BVerfGE
90, 241 <254>; 99, 185 <197>). Der Wahrheitsgehalt fällt dann bei der Abwägung ins Gewicht. Grundsätzlich hat die
Meinungsfreiheit bei unwahren ehrenrührigen oder rufschädigenden Tatsachenbehauptungen hinter das allgemeine
Persönlichkeitsrecht zurückzutreten. Oft ist die Wahrheit einer Tatsache im Zeitpunkt ihrer Äußerung aber ungewiss
und stellt sich erst später heraus. Würde auch die erst nachträglich als unwahr erkannte Äußerung uneingeschränkt
mit Sanktionen belegt werden können, stünde zu befürchten, dass der Kommunikationsprozess litte, weil risikofrei nur
noch unumstößliche Wahrheiten geäußert werden dürften. Damit wäre ein vom Grundrechtsgebrauch abschreckender
Effekt verbunden, der bereits aus Gründen der Meinungsfreiheit vermieden werden muss (vgl. BVerfGE 99, 185
<197>). Auch könnte die Presse ihre Informations- und Kontrollfunktion nicht ausreichend erfüllen, wenn ihr jede
Berichterstattung über noch nicht hinreichend geklärte Sachverhalte untersagt wäre (vgl. BVerfGE 97, 125 <149>;
BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. April 1997 - 1 BvR 765/97 - NJW 1997, S. 2589). Die
Rechtsprechung der Zivilgerichte stellt einen Ausgleich dieser widerstreitenden Belange regelmäßig dadurch her, dass
sie demjenigen, der nachteilige Tatsachenbehauptungen über andere aufstellt, Pflichten zur sorgfältigen Recherche
über den Wahrheitsgehalt auferlegt, die sich im Einzelnen nach den Aufklärungsmöglichkeiten richten (vgl. BGHZ 132,
13 <23 f.>) und etwa für Medien strenger sind als für Privatleute (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 1966 - VI ZR 266/64 -
NJW 1966, S. 2010 <2011>; Urteil vom 12. Mai 1987 - VI ZR 195/86 - NJW 1987, S. 2225 <2226>). Gegen die
Entwicklung derartiger Pflichten bestehen verfassungsrechtlich keine Bedenken, sofern der Umfang dieser
Sorgfaltspflichten im Einklang mit den grundgesetzlichen Anforderungen bemessen wird (vgl. BVerfGE 99, 185
<198>; 114, 339 <353>). Die Fachgerichte dürfen deshalb einerseits an die Wahrheitspflicht im Interesse der
Meinungsfreiheit keine Anforderungen stellen, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen und
so den freien Kommunikationsprozess, den Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG im Sinn hat, einschnüren (vgl. BVerfGE 54, 208
<219 f.>; 61, 1 <8>; 85, 1 <15, 17>; 99, 185 <198>; 114, 339 <353>). Sie haben andererseits aber auch zu
berücksichtigen, dass die Wahrheitspflicht Ausdruck der Schutzpflicht ist, die aus dem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht folgt (vgl. BVerfGE 12, 113 <130>; 99, 185 <198>; 114, 339 <353>). Je schwerwiegender die
Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, umso höhere Anforderungen sind an die Erfüllung der
Sorgfaltspflichten zu stellen (vgl. BVerfGE 114, 339 <353 f.>). Allerdings ist auch ein Interesse der Öffentlichkeit an
derartigen Äußerungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 26.
August 2003 - 1 BvR 2243/02 - NJW 2004, S. 589 <590>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21.
März 2007 - 1 BvR 2231/03 - NJW 2007, S. 2686 <2687>).
63
cc) Gemessen an diesen Vorgaben begegnen die angegriffenen Entscheidungen insoweit verfassungsrechtlichen
Bedenken, als sie die Verurteilung auf eine uneingeschränkte Haftung der Beschwerdeführerin für die Verbreitung des
übernommenen Textes gestützt haben, ohne hierbei sich möglicherweise ergebende Beschränkungen oder
Modifizierungen der Sorgfaltspflichten zu prüfen.
64
Verfassungsrechtlich ist es freilich dem Grundsatz nach nicht zu beanstanden, wenn die Fachgerichte demjenigen,
der die Äußerung eines Dritten verbreitet, ohne sie sich zu eigen zu machen, die Pflicht auferlegen, sich vom
Wahrheitsgehalt der weitergegebenen Tatsachenbehauptungen zu vergewissern (vgl. BVerfG, Beschluss der 1.
Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2003 - 1 BvR 865/00 - NJW 2004, S. 590 <591>). Eine unbewiesene
Tatsachenbehauptung herabsetzenden Charakters wird nicht deswegen zulässig, weil sie auch von anderen
unwidersprochen aufgestellt worden ist (vgl. BVerfGE 85, 1 <22>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten
Senats vom 23. Februar 2000 - 1 BvR 456/95 - NJW-RR 2000, S. 1209 <1211>). Dabei ist die Presse in weiterem
Umfang als Private gehalten, Nachrichten und Behauptungen vor ihrer Weitergabe auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu
überprüfen (vgl. BVerfGE 12, 113 <130>; 85, 1 <22>; BVerfG, Beschluss vom 26. August 2003 - 1 BvR 2243/02 -
NJW 2004, S. 589 <590>).
65
Daraus folgt indes nicht, dass der Presse solche Sorgfaltspflichten uneingeschränkt abverlangt werden dürfen.
Vielmehr sind die Fachgerichte gehalten, auch bei der Bemessung der Sorgfaltspflichten, die der Presse bei
Verbreitung einer fremden Äußerung abzuverlangen sind, die Wahrheitspflicht nicht zu überspannen, um den von
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten freien Kommunikationsprozess nicht einzuschnüren (vgl. BVerfG, Beschluss
vom 26. August 2003 - 1 BvR 2243/02 - NJW 2004, S. 589).
66
Zu diesem meinungsbildenden Kommunikationsprozess zählt indes nicht nur die Veröffentlichung der eigenen
Meinung, sondern auch die Information über den Meinungsstand in der aktuellen Auseinandersetzung um eine die
Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage. Eine Presseschau bzw. ein Pressespiegel stellt ein klassisches
Instrument der Presseberichterstattung dar, um dem Leser, Hörer oder Zuschauer einen Überblick über das in der
Presse referierte oder in Kommentaren selbst vertretene Meinungsspektrum zu einem aktuellen Thema zu vermitteln.
Aber nicht nur die gegenüberstellende Darstellung verschiedener Meinungen und Standpunkte zu einem bestimmten
Thema, die in der fachgerichtlichen Rechtsprechung in Anwendung der Rechtsfigur der Eröffnung eines Marktes der
Meinungen eine Privilegierung durch Einschränkung der Haftung des Veröffentlichenden als Verbreiter erfährt (vgl.
BGH, Urteil vom 20. Juni 1969 - VI ZR 234/67 - NJW 1970, S. 187 <189>; BGHZ 132, 13 <18 f.>), sondern auch ein
thematisch für sich stehender Abdruck anderweitig erschienener Berichterstattung kann ein besonderes
Informationsinteresse der Mediennutzer erfüllen. Die in einer Presseschau enthaltene auszugsweise Wiedergabe
einzelner fremder Berichte dient dazu, dem Mediennutzer, der regelmäßig nicht selbst in der Lage ist, die gesamte
Bandbreite der tagesaktuellen Presseberichterstattung zu verfolgen, in knapper Form einen Überblick über den Inhalt
anderweitiger Berichterstattung zu verschaffen, deren Gegenstand - aus welchem Grund auch immer - zwar keinen
Eingang in das eigene redaktionelle Programm des Presseorgans gefunden hat, gleichwohl von der Redaktion für
zumindest so bemerkenswert erachtet wird, dass ein Interesse der eigenen Nutzer vermutet wird und diese auf den
andernorts erschienen Bericht aufmerksam gemacht werden, um ihn gegebenenfalls nachzulesen. Auch auf diese
Weise nimmt die Presse ihre Aufgabe, in Ausübung der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu informieren und an der
demokratischen Willensbildung mitzuwirken, wahr.
67
Erlegte man der Presse in diesen Fällen eine uneingeschränkte Verbreiterhaftung auf, führte dies dazu, dass die
Tatsachenbehauptungen, die in dem wiedergegebenen Auszug enthalten sind, von dem Verfasser der Presseschau
auf ihren Wahrheitsgehalt hin wie eigene Beiträge zu überprüfen sind. Eine solche Recherchepflicht wirkt jedenfalls
dann maßgeblich auf den Kommunikationsprozess ein, wenn die Fachgerichte zugleich hohe Anforderungen an eine
haftungsbefreiende Distanzierung der Presse stellen. In ihrem Zusammenwirken bewirken diese Anforderungen, dass
die Presse bereits dann Gefahr läuft, auf Unterlassung und Widerruf in Anspruch genommen zu werden, wenn sie
durch unkommentierte Wiedergabe von Auszügen aus Fremdberichten auf deren Inhalt hinweist, obgleich dem
verständigen Leser durchaus bewusst ist, dass die Mitteilungen in einer solchen Presseschau nicht auf eigenen
Recherchen, sondern auf der Sichtung fremder Pressemitteilungen beruht. Bereits aus der äußeren Form einer
Presseschau, wie sie hier in Rede steht, die in einer eigenständigen Rubrik publiziert wird und sich unter exakter
Quellenangabe sowie Verzicht auf sprachliche Eleganz auf knappe Auszüge fremder Berichte beschränkt, ergibt sich
aus Sicht des unvoreingenommenen Lesers, dass an dieser Stelle ein Fremdbericht in stark verkürzter Form
wiedergegeben wird, dem keine eigenen Recherchen des Verbreiters zu Grunde liegen. Es ist zumindest zweifelhaft,
ob angesichts dessen von der Presse in jedem Fall eine weitergehende Distanzierung zu verlangen ist, um eine
Haftung als Verbreiter für die in einer solchen Presseschau wiedergegebenen Fremdberichte vermeiden zu können.
Aus verfassungsrechtlicher Sicht spricht vielmehr einiges dafür, auch im Fall der Veröffentlichung eines
Fremdberichtes - ähnlich wie bei der Veröffentlichung von Leserbriefen - die Recherchepflicht des Verbreiters
einzuschränken beziehungsweise die eindeutige Kennzeichnung als gekürzter Fremdbericht im Regelfall als
hinreichende Distanzierung ausreichen zu lassen.
68
Es bleibt indes Aufgabe der Fachgerichte, die Ausstrahlungswirkungen der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1
GG bei Bemessung der Sorgfaltspflichten, die der Presse bei Verbreitung fremder Berichte obliegen, zu
berücksichtigen und sie gegenüber dem verfassungsrechtlich ebenfalls gebotenen Schutz des Persönlichkeitsrechts
zu gewichten, der seinerseits bei jeder Form einer Veröffentlichung Geltung beansprucht. Dabei gibt die Verfassung
die Kriterien, inwieweit die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Interessen der Presse bei Beurteilung der
Reichweite der Recherchepflicht des Verbreiters oder aber bei Bemessung der Anforderungen an eine hinreichende
Distanzierung Berücksichtigung finden und wie hierbei diese Anforderungen näher verknüpft werden, nicht im
Einzelnen vor, sondern lässt den Fachgerichten erheblichen Spielraum. Dabei sind die Fachgerichte freilich aus ihrer
Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) gleichfalls gehalten, die Verbürgungen der Konvention zum
Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) in ihrer Auslegung des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte (EGMR) zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 111, 307 <315 f., 323 f.>).
69
Mit Rücksicht auf diese Vorgaben begegnen die angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts und des
Oberlandesgerichts bereits deshalb verfassungsrechtlichen Bedenken, weil ihre Gründe nicht hinreichend erkennen
lassen, dass die Gerichte eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange vorgenommen und
bei Bemessung der hierfür maßgeblichen Sorgfalts
-
Ausstrahlungswirkungen des Grundrechts der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berücksichtigt haben.
Ebenso ist den Gründen der Entscheidungen nicht zu entnehmen, dass die Fachgerichte den Verbürgungen des
Art. 10 Abs. 1 EMRK in ihrer Auslegung, die sie durch den EGMR erfahren haben und die einer von den Gerichten
angenommenen generellen Obliegenheit, sich von dem Inhalt einer wiedergegebenen Fremdberichterstattung zu
distanzieren, möglicherweise entgegenstehen (vgl. EGMR, Urteil vom 29. März 2001 - 38432/97 Rn. 64 -
Thoma/Luxemburg; vgl. inzwischen auch Urteil vom 30. März 2004 - 53984/00 Rn. 37 ff. - Radio France/Frankreich;
Urteil vom 14. Dezember 2006 - 76918/01 Rn. 33 ff. - Verlagsgruppe News GmbH/Österreich), hinreichend Rechnung
getragen haben.
70
b) Indes braucht die Frage, ob die Gerichte vorliegend die an den Verbreiter fremder Beiträge in einer Presseschau
zu stellenden Wahrheitspflichten einschließlich der Anforderungen an eine hinreichende Distanzierung überspannt
haben, nicht abschließend entschieden zu werden. Denn die Fachgerichte haben an anderer Stelle - im Zuge der
Beurteilung des den Schadensersatzanspruch tragenden Verschuldens - in verfassungsrechtlich nicht zu
beanstandender Weise festgestellt, dass die Beschwerdeführerin durch Auslassung wesentlicher Tatsachen den
Sinngehalt des Ursprungsbeitrages verfälscht hat. Die darin liegende Verletzung der auch bei Verbreitung fremder
Äußerungen in einer Presseschau verfassungsrechtlich unbedenklich geltenden Sorgfaltspflichten ist ungeachtet einer
Distanzierung geeignet, die angegriffenen Entscheidungen im Rahmen einer Abwägung zu tragen (aa). Auch ist den
angegriffenen Entscheidungen hinreichend deutlich zu entnehmen, dass die Gerichte im Fall der Zurückverweisung im
Rahmen einer Abwägung zu keinem anderen Ergebnis kommen würden (bb). Eine Annahme der
Verfassungsbeschwerde ist daher nicht angezeigt.
71
aa) Geht es wie hier um Tatsachenbehauptungen, deren Wahrheit im Zeitpunkt der Äußerung nicht sicher feststeht,
hängt die Beurteilung der Rechtswidrigkeit der Äußerung maßgeblich von der Beachtung der pressemäßigen
Sorgfaltspflichten ab (vgl. BVerfGE 99, 185 <198>). Die Gerichte haben vorliegend - wenn auch nicht im Rahmen
einer verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung - festgestellt, dass die Beschwerdeführerin die ihr obliegende
pressemäßige Sorgfalt verletzt hat, indem sie die Auszüge aus dem "H."-Artikel in einer Weise zusammengestellt
habe, dass der als solche nicht im "H." enthaltene, nicht erweislich wahre Eindruck einer sicheren Tatbeteiligung des
Klägers entstand. Weder die darin liegende Deutung der Fachgerichte, der Sinngehalt der Zusammenfassung weiche
maßgeblich von dem des Ursprungsbeitrags ab, noch die rechtliche Bewertung dieser Veränderung als sorgfaltswidrig
sind zu beanstanden. Diese Feststellungen tragen die angegriffenen Verurteilungen vielmehr auch im Rahmen der
vorliegend gebotenen Abwägung zwischen der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Freiheit zur Verbreitung eines
Fremdartikels im Rahmen einer Presseschau und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des hiervon betroffenen
Dritten aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
72
(1) Es begegnet keinen Bedenken, dass die Gerichte in einer Veränderung des Sinngehaltes des Ursprungsbeitrages
eine Verletzung der an die Presse zu stellenden Sorgfaltsanforderungen sehen.
73
Macht die Presse von ihrem Recht, die Öffentlichkeit zu unterrichten, Gebrauch, ist sie schon um des
Ehrenschutzes des Betroffenen willen zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung verpflichtet (vgl. BVerfGE 12, 113
<130>). Wesentliche Tatsachen, die dem Äußernden bekannt und die geeignet sind, den Betroffenen in einem
anderen Licht erscheinen zu lassen, dürfen dementsprechend nicht unterschlagen werden. Der Äußernde darf sich
weder selektiv und ohne dass dies für die Öffentlichkeit erkennbar wäre, allein auf dem Betroffenen nachteilige
Anhaltspunkte stützen und hierbei verschweigen, was gegen die Richtigkeit seiner Behauptung spricht (vgl. BVerfGE
12, 113 <130 f.>; 114, 339 <354>) noch eine nach seinem Kenntnisstand umstrittene oder zweifelhafte Tatsache als
feststehend hinstellen (vgl. BVerfGE 114, 339 <355>). In diesem Sinne verlangt die fachgerichtliche Rechtsprechung
sowohl etwa bei der Berichterstattung über Straftaten im Verdachtsstadium wie überhaupt für die personenbezogene
Berichterstattung die Beachtung von Sorgfaltsanforderungen, nach denen bewusst einseitige und verfälschende
Darstellungen zu vermeiden sind (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99 - NJW 2000, S. 1036
<1036 f.>; Urteil vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 - NJW 2000, S. 656 <657>; vgl. inzwischen auch BGH, Urteil
vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02 - NJW 2004, S. 598 <600>; Urteil vom 22. November 2005 - VI ZR 204/04 -
NJW 2006, S. 601 <603>). Entsprechend gehört es zu den Sorgfaltspflichten bei der Veröffentlichung eines
personenbezogenen Berichts im Rahmen eines Pressespiegels, dass durch die Auswahl und Zusammenstellung von
Textausschnitten nicht ein im Verhältnis zum Ausgangsbericht einseitiges und verfälschtes Bild des Betroffenen
gezeichnet wird. Wenn im Rahmen eines Pressespiegels einerseits vieles dafür spricht, das spezifisch
verfassungsrechtliche Pflichten für die inhaltliche Verantwortung der Berichterstattung gelten, entspricht dem
anderseits, dass der übernommene Bericht dann aber nicht zu Lasten des Betroffenen durch Kürzungen eine ganz
andere Aussage erhalten darf.
74
In welchem Umfang Kürzungen und Auslassungen im Rahmen eines Pressespiegels im Einzelnen zulässig sind,
braucht hier nicht allgemein entschieden zu werden. Dem Leser ist zwar durchaus bewusst, dass eine Presseschau
nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, sondern schlagwortartig auf die Themen fremder Berichterstattungen
aufmerksam machen will. Die Wahl dieser Darstellungsform führt aber nicht ohne Weiteres dazu, dass das
Persönlichkeitsrecht des von der Berichterstattung Betroffenen derart eingeschränkt wäre, dass er eine Darstellung
hinnehmen müsste, die ihn durch Kürzungen im Verhältnis zum Ursprungsbeitrag in einem ganz anderen Licht
erscheinen lässt.
75
(2) Nach den Feststellungen der Fachgerichte ist dieses jedoch vorliegend der Fall. Die Feststellung, dass der
Sinngehalt der von der Beschwerdeführerin veröffentlichten Zusammenfassung maßgeblich von dem der
Ursprungsmeldung abweiche, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
76
Die Deutung der Fachgerichte, die von der Beschwerdeführerin veröffentlichte Zusammenfassung enthalte die
verdeckte Aussage, eine Beteiligung des Klägers an den Insidergeschäften sei - gleichsam wie im Fall der weiteren
Beschuldigten - sicher, wird von der Beschwerdeführerin als solche nicht angegriffen und ist auch nicht zu
beanstanden.
77
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin begegnet auch die Feststellung der Gerichte, dass der
Ursprungsbeitrag demgegenüber wesentliche Tatsachen mitgeteilt habe, die geeignet seien, eine Tatbeteiligung des
Klägers in Frage zu stellen und ihn deshalb in einem anderen Licht erscheinen zu lassen, keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken. So ist es nicht zu beanstanden, wenn die Gerichte davon ausgegangen sind, dass
der Artikel im "H." Aussagen enthielt, die eine mögliche Tatbeteiligung des Klägers als ungeklärt und unsicher
erscheinen ließen. Die Gerichte stellen insoweit darauf ab, dass der "H."-Artikel eine Stellungnahme des Klägers
wiedergibt, in der dieser eine eigene Beteiligung abstreite und seinem Mitarbeiter eine Beteiligung an den
angesonnenen Insidergeschäften sogar untersagt haben wolle. Ebenso ist nachvollziehbar, dass die Gerichte eine
Relativierung einer möglichen Tatbeteiligung des Klägers darin gesehen haben, dass der "H."-Beitrag betont, dass die
spätere Tat sicher nur durch die weiteren Beteiligten begangen worden sei, dagegen eine Tatbeteiligung des Klägers
unklar sei und dass das Ermittlungsverfahren gegen ihn voraussichtlich bald eingestellt werden könnte.
78
Unerheblich ist demgegenüber, ob der Ursprungsbeitrag sich weitergehend kritisch mit der Person des Klägers
auseinandersetzte und hierbei - wie die Beschwerdeführerin meint - zu einem vernichtenden Urteil gelangte. Die hierfür
angeführten Äußerungen im Beitrag des "H." mögen in der Tat nicht schmeichelhaft sein, jedoch stellen sie im
wesentlichen Meinungsäußerungen zur Seriosität und zur Person des Klägers, zu seinen Geschäftspraktiken, zur
Qualität seiner Leistungen sowie zu seinem Ruf dar. Sie verhalten sich aber nicht zur hier allein maßgeblichen
Tatsachengrundlage des streitigen Verdachts einer Tatbeteiligung des Klägers.
79
(3) Die Verletzung der Pflicht zur unverfälschten Darstellung des als Fremdtext übernommenen Berichtes vermag im
vorliegenden Fall in verfassungsrechtlich vertretbarer Weise auch den Ausschlag im Rahmen einer Abwägung zu
Lasten der Meinungsfreiheit zu geben. Das Informationsinteresse an einer Dokumentation der tagesaktuellen
Berichterstattung in anderen Zeitungen ist nicht geeignet, eine einseitige und verfälschende Zusammenfassung eines
Fremdberichts zu rechtfertigen. Es stellt auch vor dem Hintergrund der Funktion der Meinungsfreiheit, einen freien
Kommunikationsprozess zu gewährleisten und mit Blick auf die besonderen Aufgaben der Presse, in Wahrnehmung
der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu informieren und an der demokratischen Willensbildung mitzuwirken, keine
übermäßige Anforderung dar, wenn von Presseunternehmen verlangt wird, bei Zusammenfassung eines die Ehre des
Betroffenen besonders beeinträchtigenden Fremdberichtes über den Verdacht der Begehung einer Straftat dessen
Sinngehalt, jedenfalls soweit es die Tatsachengrundlage des Verdachts betrifft, wenigstens den Grundzügen nach
vollständig wiederzugeben.
80
Die Haftung der Beschwerdeführerin für ihre Sorgfaltspflichtverletzung bei Darstellung des Fremdberichtes bleibt von
einer Distanzierung oder einer Darstellung innerhalb eines Marktes der Meinungen unberührt. Diese Fallgruppen
knüpfen letztlich daran an, dass der Verbreiter entweder erklärtermaßen oder durch die Art der Gegenüberstellung
gegenläufiger Stellungnahmen unter anderem zum Ausdruck bringt, die Richtigkeit der Tatsachenbehauptungen in den
Ursprungsmeldungen nicht überprüft zu haben und hierfür auch nicht einstehen zu wollen. Ungeachtet der Frage,
welche Anforderungen an eine solche Erklärung im Einzelnen zu stellen sind, damit ihr haftungsbefreiende Wirkung
zugemessen werden kann, ist sie jedenfalls nicht geeignet, die Haftung des Verbreiters für eine eigene
Sorgfaltspflichtverletzung durch einseitige und verzerrende Darstellung der Erstmitteilung, welche die
Persönlichkeitsrechtsverletzung erst begründet, zu beseitigen.
81
bb) Es ist auch deutlich absehbar, dass die Gerichte im Falle einer erneuten Befassung zu eben diesem
Abwägungsergebnis kommen würden. Hierfür spricht, dass diese bereits festgestellt haben, dass die
Beschwerdeführerin die Ursprungsnachricht nur in einseitiger, ihren Sinn verfälschender Weise wiedergegeben hat und
erst hierdurch die unwahre und als solche ehrverletzende Tatsachenbehauptung der Tatbeteiligung des Klägers
aufgestellt worden ist. Ferner haben die Gerichte dieses Vorgehen ausdrücklich als Sorgfaltspflichtverletzung
gewürdigt. Da diese Erwägungen zugleich tragfähige Kriterien für die Gewichtung eines Eingriffs in das allgemeine
Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellen, wie sie im Rahmen einer Abwägung gegen die Meinungsfreiheit der
Beschwerdeführerin vorzunehmen wäre, ist nicht zu erwarten, dass die Gerichte sich im Fall der Zurückverweisung
nicht ebenfalls hiervon leiten lassen und den Persönlichkeitsinteressen der Kläger so den Vorrang vor der
Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers einräumen würden.
82
c) Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Anspruchs auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1
Satz 2 GG rügt, ist die Beschwerde unbegründet. Dabei kann offen bleiben, ob Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auch
Schutz gegen die Nichtzulassung der Revision bietet. Denn ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG käme
jedenfalls nur dann in Betracht, wenn ein Gericht die Pflicht zur Revisionszulassung willkürlich außer Acht ließe (vgl.
BVerfGE 67, 90 <94 f.>). Dies ist jedoch nicht der Fall. Weder die Verneinung einer Divergenz noch die Verneinung
eines revisionserheblichen Rechtsanwendungsfehlers durch den Bundesgerichtshof beruhen auf Erwägungen, die
unter keinem Gesichtspunkt mehr vertretbar sind.
83
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BverfGG abgesehen.
84
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier
Eichberger
Masing