Urteil des BSG vom 19.06.2001

BSG: geldwerter vorteil, pauschalsteuer, arbeitsentgelt, berechnung der steuer, bemessung der beiträge, schlüssiges verhalten, sozialversicherung, pauschalbesteuerung, kirchensteuer, steuerrecht

Bundessozialgericht
Urteil vom 19.06.2001
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz
Bundessozialgericht B 12 KR 16/00 R
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. April 2000 wird
zurückgewiesen. Die Klägerin hat der Beigeladenen zu 1) die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu
erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Streitig ist, ob nachträglich Gesamtsozialversicherungsbeiträge einzuziehen sind.
Die K. AG (Arbeitgeberin) gewährte Arbeitnehmern bis 1988 während der Nachtschicht kostenlos Mahlzeiten. Steuern
oder Sozialversicherungsbeiträge hierfür führte sie nicht ab. Das Finanzamt deckte dies bei einer
Lohnsteueraußenprüfung auf. Es sah in den kostenlosen Mahlzeiten geldwerte Vorteile der Arbeitnehmer, die in Höhe
von insgesamt 37.080 DM nicht steuerfrei waren. Das Finanzamt erhob die hierauf entfallende, für 1987 und 1988
noch nicht verjährte Lohnsteuer auf Antrag der Arbeitgeberin nachträglich gemäß § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 2 des
Einkommensteuergesetztes (EStG). Nach dieser Vorschrift kann das Finanzamt die Lohnsteuer auf Antrag des
Arbeitgebers mit einem unter Berücksichtigung der Vorschriften des § 38a EStG zu ermittelnden Pauschalsteuersatz
erheben, soweit in einer größeren Zahl von Fällen Lohnsteuer nachzuerheben ist, weil der Arbeitgeber die Lohnsteuer
nicht vorschriftsmäßig eingehalten hat. Die pauschale Lohnsteuer und die Kirchensteuer betrugen insgesamt 14.282
DM.
Im September 1990 führte die klagende Landesversicherungsanstalt (LVA) bei der Arbeitgeberin, bei der eine
Betriebskrankenkasse (BKK) errichtet ist, eine Betriebsprüfung durch. Dabei erhielt sie von der
Lohnsteuernachzahlung Kenntnis. Sie ist der Ansicht, daß die Arbeitgeberin wegen der Mahlzeiten für 1987 und 1988
auch Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen habe. Bemessungsgrundlage sei der Wert der Mahlzeiten
(37.080 DM) zuzüglich der von der Arbeitgeberin gezahlten Pauschalsteuer von 14.282 DM, denn der geldwerte Vorteil
sei den Arbeitnehmern netto zugeflossenen und auf ein Bruttoarbeitsentgelt hochzurechnen. Zwar seien
nachzuentrichtende Beiträge grundsätzlich personenbezogen zuzuordnen. Um jedoch der Arbeitgeberin einen
unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand zu ersparen, würden die Beiträge ausnahmsweise pauschal aus einer
Summe des Entgelts berechnet. Die Arbeitgeberin zahlte hierauf an die beklagte BKK
Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 12.347,61 DM ausgehend vom Wert der Mahlzeiten (37.080 DM). Sie
weigerte sich jedoch, darüber hinaus Beiträge in Höhe von weiteren 4.755,91 DM auf die von ihr gezahlte
Pauschalsteuer zu zahlen; insoweit verzichtete sie auf die Einrede der Verjährung. Die BKK lehnte es ab, an die
Arbeitgeberin einen entsprechenden Nachforderungsbescheid über 4.755,91 DM zu erlassen, weil den Arbeitnehmern
durch die von der Arbeitgeberin gezahlte Pauschalsteuer keine geldwerten Vorteile entstanden seien.
Die LVA hat daraufhin im Oktober 1995 beim Sozialgericht (SG) Klage gegen die BKK erhoben, deren
Rechtsnachfolgerin im Laufe des Rechtsstreits die beklagte BKK geworden ist. Das SG hat mit Urteil vom 30. Januar
1998 antragsgemäß festgestellt, daß die BKK als Einzugsstelle verpflichtet ist, Gesamtsozialversicherungsbeiträge
auf die nachträglich gezahlte Pauschalsteuer zu erheben. Die BKK hat Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht
(LSG) hat die Arbeitgeberin (Beigeladene zu 1) und die Bundesanstalt für Arbeit (Beigeladene zu 2) beigeladen. Mit
Urteil vom 27. April 2000 hat es das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die von der Arbeitgeberin
nach § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG gezahlte Pauschalsteuer habe das Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer nicht erhöht.
Zwar handele es sich um eine vom Arbeitnehmer abgeleitete Steuer. Deren Entrichtung durch den Arbeitgeber stelle
für den Arbeitnehmer jedoch weder rechtlich noch wirtschaftlich einen unmittelbaren Vorteil dar, weil Schuldner der
Pauschalsteuer gegenüber dem Fiskus allein der Arbeitgeber sei.
Die Klägerin hat Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 1385 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung
(RVO), des § 14 Abs 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung
(SGB IV) und des § 2 der Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) iVm § 40 Abs 1 EStG. Die nach § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 2
EStG pauschal abgeführte Lohn- und Kirchensteuer unterliege der Beitragsbemessung. Die ArEV sehe insoweit keine
Beitragsfreiheit vor. Mit der Pauschalsteuer nach § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG übernehme der Arbeitgeber eine
ursprünglich dem Arbeitnehmer auferlegte Lohnsteuerschuld. Dadurch, daß der Arbeitgeber die Steuer nach § 40 Abs
1 Satz 1 Nr 2 EStG endgültig trage, komme es aber nicht zu einer geringeren Lohnauszahlung infolge Lohnabzugs.
Hierin liege der dem Arbeitnehmer gewährte Vorteil. Auf dessen individuelle Bezifferung komme es jedoch nicht an,
weil der Entgeltcharakter ausdrücklich im Gesetz (§ 40 Abs 1 Satz 2 EStG) normiert sei. Statt dessen würden die
betrieblichen Gegebenheiten berücksichtigt und für sämtliche Arbeitnehmer ein einheitlicher Steuersatz angesetzt. Die
Beitragsfestsetzung dürfe pauschal erfolgen. Dies ergebe sich aus § 28f Abs 2 SGB IV.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG vom 27. April 2000 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 30.
Januar 1998 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Die Beigeladene zu 2) hat sich den Ausführungen der Klägerin
angeschlossen, die Beigeladene zu 1) hat sich zur Sache nicht geäußert.
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat das Urteil des SG zu Recht aufgehoben und die Klage
abgewiesen.
1. Die Klägerin, die nach § 28p Abs 2 SGB IV ursprünglicher Fassung die Arbeitgeberprüfung durchzuführen hatte,
war berechtigt, die BKK als Einzugsstelle auf den Beitragseinzug zu verklagen. Die Klägerin konnte den
Beitragsbescheid vor 1996 nicht selbst erlassen, sondern war darauf angewiesen, die Einzugsstelle (BKK) auf Erlaß
eines Beitragsbescheides zu verklagen (vgl BSGE 39, 223, 226 = SozR 2200 § 172 Nr 2 S 4 f; BSGE 55, 297, 298 =
SozR 5375 § 2 Nr 1 S 1 f). Dies ist hier geschehen.
2. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, bei der beigeladenen Arbeitgeberin
Gesamtsozialversicherungsbeiträge auch aus der nachgezahlten Pauschalsteuer zu erheben. Insoweit liegen keine
beitragspflichtigen geldwerten Vorteile der Arbeitnehmer vor.
a) In der Kranken- und Rentenversicherung sowie für die Bemessung der Beiträge zur BA wird bei
versicherungspflichtig Beschäftigten bei der Beitragsbemessung das Arbeitsentgelt zugrunde gelegt. Dies ergab sich
in den Jahren 1987/88, um die es hier geht, aus § 165 Abs 1 RVO in der bis zum 31. Dezember 1988 geltenden
Fassung (jetzt § 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung
(SGB V)), § 1385 Abs 2 RVO bzw § 112 Abs 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) in der bis zum 31.
Dezember 1991 geltenden Fassung (jetzt § 162 Nr 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche
Rentenversicherung (SGB VI)) und § 175 Abs 1 Nr 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in der bis 31. Dezember
1987 geltenden Fassung (jetzt § 342 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III)). Nach § 14
Abs 1 SGB IV aF (jetzt § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV) sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus
einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder
in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr
erzielt werden.
17 Abs 1 SGB IV sieht vor, daß zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung, insbesondere zur Vereinfachung
des Beitragseinzugs durch Rechtsverordnung der Bundesregierung bestimmt werden kann, daß einmalige Einnahmen
oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen und Gehältern
gewährt werden, ganz oder teilweise nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, wobei möglichst weitgehende
Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen ist. Aufgrund dieser Ermächtigung ist die
ArEV vom 18. Dezember 1984 (BGBl I 1642) erlassen worden. Nach Maßgabe des § 1 ArEV sind einmalige
Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern
gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen. Nach § 2 Abs 1 Satz 1 ArEV in der hier geltenden Fassung
waren dem Arbeitsentgelt ebenfalls nicht zuzurechnen: 1. Zuwendungen aus Anlaß von Betriebsveranstaltungen nach
§ 40 Abs 2 EStG, 2. Erholungsbeihilfen nach § 40 Abs 2 EStG, 3. Beiträge und Zuwendungen nach § 40b EStG,
soweit Satz 2 nichts Abweichendes vorschreibt, 4. sonstige Bezüge nach § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG, die nicht
einmalig gezahltes Arbeitsentgelt nach § 385 Abs 1a RVO sind, soweit der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem
Pauschalsteuersatz erhebt.
b) Die beitragsrechtliche Behandlung kostenloser Mahlzeiten war in § 2 Abs 2 Satz 1 ArEV iVm § 40 EStG vor 1990
nicht ausdrücklich geregelt. Arbeitstägliche Mahlzeiten, die der Arbeitgeber im Betrieb an seine Arbeitnehmer
unentgeltlich oder verbilligt abgibt, sind jedoch ein geldwerter Vorteil des Arbeitnehmers, der im Steuerrecht im
Grundsatz als lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn und in der Sozialversicherung als Arbeitsentgelt angesehen wird. In
der Praxis wurde der Essenswert bis zum Veranlagungsjahr 1989 entweder mit den Sachbezugswerten nach § 3 Abs
2 der Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV) ohne Abzug eines Essensfreibetrages von 1,50 DM angesetzt
oder er wurde mit den ortsüblichen Mittelpreisen veranschlagt, von denen der Freibetrag von 1,50 DM abgezogen
werden konnte (vgl BFHE 129, 158).
Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, daß dementsprechend aus dem Wert der Mahlzeiten abzüglich
eines Freibetrages von 1,50 DM je Essen, dh aus einem geldwerten Vorteil in Höhe von insgesamt 37.080 DM
Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu zahlen waren. Die Klägerin ging bei ihrer Beitragsforderung davon aus, daß die
den Arbeitnehmern gewährten Essen in Höhe des bis 1989 praktizierten Steuerfreibetrages von 1,50 DM je Mahlzeit
gemäß § 1 ArEV nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen waren. Den Wert der Mahlzeiten setzte sie mit den Werten der
Sachbezugsverordnung (1987: 3,50 DM, 1988: 3,60 DM) und die Differenz zwischen diesen Werten und dem
steuerfreien Betrag von 1,50 DM als lohnsteuerpflichtigen und damit auch beitragspflichtigen geldwerten Vorteil der
Arbeitnehmer an (1987: 8.624 Essen zu je 2 DM = 17.248 DM; 1988: 9.444 Essen zu je 2,10 DM = 19.832 DM). Die
beigeladene Arbeitgeberin hat die auf den Betrag von 37.080 DM entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge
nicht beanstandet und sie nachgezahlt. Die Beiträge für die Mahlzeiten wurden zwar nicht personenbezogen, sondern
anhand einer nach der Zahl der Essen und dem steuerpflichtigen Teil des Wertes in einer Summe erhoben. Es besteht
unter den Beteiligten jedoch Einigkeit darüber, daß dieses zur Vermeidung umfangreicher und unverhältnismäßig
aufwendiger Berechnungen geschah. Ein Fall von Beitragshinterziehung oder ein Fall, in dem ab 1989 wegen
Verletzung der Aufzeichnungspflicht ein Summenbescheid hätte erlassen werden können (§ 28f SGB IV aF), lag nicht
vor.
40 Abs 2 Satz 1 Nr 2 EStG, der es zuläßt, daß der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit 25 vH erhebt, soweit er
arbeitstäglich Mahlzeiten im Betrieb an Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt abgibt, wurde erst durch Art 1 Nr 44
des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1093) für Veranlagungszeiträume ab 1990 eingeführt. Die
Vorschrift ist demnach hier noch nicht anzuwenden. Auch galt in den Jahren 1987 und 1988 § 2 Nr 2 ArEV idF des Art
1 Nr 2 Buchst c der Verordnung vom 12. Dezember 1989 (BGBl I 2177) noch nicht, wonach Einnahmen nach § 40
Abs 2 EStG nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind, soweit der Arbeitgeber die Lohnsteuer pauschal erhebt. In
den Jahren 1987 und 1988 waren die Mahlzeiten, auch wenn sie pauschal besteuert wurden, nicht vom Arbeitsentgelt
ausgenommen. Auf die Pauschalbesteuerung nach § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG wird in § 2 ArEV nicht Bezug
genommen.
c) Die beklagte BKK weigert sich gleichwohl zu Recht, als Einzugsstelle bei der Arbeitgeberin
Gesamtsozialversicherungsbeiträge auch aus der von der Arbeitgeberin nachgezahlten pauschalen Lohnsteuer (und
der Kirchensteuer) geltend zu machen.
Die vom Arbeitgeber übernommene Steuer kann Arbeitsentgelt iS des § 14 SGB IV sein. Dies ist nach der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der Fall, wenn der Arbeitgeber die normale Lohnsteuerschuld des
Arbeitnehmers durch eine Nettolohnvereinbarung iS des § 14 Abs 2 SGB IV übernimmt: Ist ein Nettoarbeitsentgelt
vereinbart, gelten als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern
und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung. Eine
Nettolohnvereinbarung setzt nach der Rechtsprechung des Senats voraus, daß der Arbeitgeber vor oder bei
Auszahlung des Lohnes ausdrücklich oder wenigstens durch schlüssiges Verhalten zu erkennen gibt, daß er Steuern
und Beitragsanteile seiner Beschäftigten übernehmen und ihnen damit zusätzlich zu dem ausgezahlten Barlohn einen
weiteren Vermögensvorteil zuwenden will (vgl BSGE 64, 110, 112 f = SozR 2100 § 14 Nr 22 f).
Anders verhält es sich bei der Pauschalsteuer. Eine Nettolohnvereinbarung in dem genannten Sinne liegt nicht vor,
wenn die Lohnsteuer beim Arbeitgeber nach § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG erhoben wird. Für einen "endgültigen
Übernahmewillen" iS einer Nettolohnvereinbarung könnte zwar sprechen, daß der Arbeitgeber bei einer von ihm
beantragten und vom Finanzamt durchgeführten Pauschalbesteuerung nach § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG beim
Arbeitnehmer jedenfalls im streitigen Zeitraum keinen Regreß nehmen konnte (Schmidt-Drenseck, EStG, 20. Aufl
2001, § 40 RdNr 7; dort RdNr 23 auch zur Überwälzung ab Inkrafttreten des Steuerentlastungsgesetzes 1999), so daß
der Arbeitnehmer die Steuer nicht zu tragen hat. Andererseits kann die beim Arbeitgeber erhobene Pauschalsteuer,
die an die Stelle der individuellen Lohnsteuer nach § 38 EStG tritt, nach der Rechtsprechung des BSG nur dann
Arbeitsentgelt iS des § 14 SGB IV sein, wenn sie sich im Einzelfall als ein individueller (tatsächlicher) Vorteil des
Arbeitnehmers feststellen läßt (BSGE 41, 16, 23 = SozR 2200 § 160 Nr 2 S 8; BSGE 81, 21, 26 = SozR 3-5375 Nr 1
S 6) und es sich nicht um "fiktive oder pauschalierte Vorteile" handelt (so BSGE 73, 170, 171 = SozR 3-2400 § 14 Nr
7 S 10 zur Pauschalsteuer nach § 40a EStG für kurzzeitig Beschäftigte). Als Arbeitsentgelt kommt nur der steuerliche
Vorteil der Arbeitnehmer, nicht aber die Pauschalsteuer als solche in Betracht.
Ein individueller Vorteil der Arbeitnehmer wird bei der Lohnsteuerpauschalierung nach § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG
gerade nicht ermittelt. Auch kann nicht unterstellt werden, daß die anteilig auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallende
Pauschalsteuer der nach den individuellen steuerrechtlichen Verhältnissen (§ 38a EStG) ermittelten Lohnsteuer
entspreche und insoweit ein weiterer geldwerter Vorteil vorliege. Ob und ggf in welcher Höhe der Arbeitnehmer durch
die Pauschalsteuer des Arbeitgebers nach § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG tatsächlich von einer eigenen, nach § 38a
EStG zu ermittelnden individuellen Steuerschuld entlastet wird, könnte nur durch einen Vergleich der Pauschalsteuer
mit der hypothetisch ermittelten Individualsteuer festgestellt werden. Eine solche Vergleichsberechnung anhand der
individuellen Steuermerkmale jedes einzelnen Arbeitnehmers würde die Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens
jedoch weitgehend vereiteln; denn die individuelle Berechnung der Steuer - entsprechend der jeweils maßgebenden
Steuerklasse der Tabelle -, die durch die Pauschalversteuerung gerade entbehrlich gemacht werden soll, müßte zum
Zwecke der Feststellung des versicherungsrechtlichen Entgelts doch erfolgen, es sei denn, daß es sich um
Arbeitnehmer handelt, die in jedem Falle - auch unter Hinzurechnung der übernommenen Pauschalsteuer -
versicherungsfrei sind. Mit dem Wegfall des Vereinfachungseffekts würde das Institut der Pauschalversteuerung
praktisch bedeutungslos. Ein solches Ergebnis kann nicht iS des Gesetzgebers liegen. Der 3. Senat des BSG hat
daher im Jahre 1975 zum damaligen Recht entschieden, daß die Übernahme der Pauschalsteuer durch den
Arbeitgeber in der Sozialversicherung nicht als Entgelt berücksichtigt werden darf (BSGE 41, 16, 23 = SozR 2200 §
160 Nr 2 S 8). Eine nicht individualisierte und nicht individualisierbare Steuer, die der Arbeitgeber gegenüber dem
Finanzamt übernommen hat, ist nicht dem Arbeitsentgelt zuzuordnen. Die Nachteile, die dadurch für die
Versicherungsträger und die Arbeitnehmer in Gestalt von Beitragsausfällen liegen, halten sich in Grenzen; jedenfalls
wiegen sie weniger schwer als die Nachteile, die sich im anderen Falle für die Funktionsfähigkeit des
Pauschalbesteuerungsverfahrens ergeben würden (BSGE 41, 16, 23 = SozR 2200 § 160 Nr 2 S 8).
Hieran hat das BSG auch nach Inkrafttreten des SGB IV und der ArEV festgehalten (vgl BSGE 73, 170, 173 = SozR
3-2400 § 14 Nr 7 S 12). Selbst für Fälle der Beitragshinterziehung hat der Senat die Beitragspflicht der Pauschalsteuer
nicht abschließend bejaht, wobei die Steuer nach der Zurückverweisung möglicherweise individualisiert worden ist
oder bei dem damals vorliegenden Sachverhalt mit nur zwei Arbeitnehmerinnen hätte individualisiert werden können
(BSGE 64, 110, 117 f = SozR 2100 § 14 Nr 22 S 27 f). Zwar hat der Gesetzgeber in der ArEV festgelegt, welche
pauschal besteuerten Bezüge nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind; auf die Pauschalbesteuerung nach § 40
Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG wird dort nicht Bezug genommen. Der 3. Senat hat aus diesem Grund in seinem Urteil vom
27. September 1983 erwogen, ob eine Pauschalbesteuerung nach § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG möglicherweise nicht
zur Beitragsfreiheit der Lohnsteuer führe (vgl BSGE 55, 297, 299 = SozR 5375 § 2 Nr 1 S 3). Der erkennende 12.
Senat entscheidet nunmehr, daß die nach § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG beim Arbeitgeber erhobene Pauschalsteuer
ebenfalls nicht dem Arbeitsentgelt iS des § 14 SGB IV zuzurechnen ist.
40 Abs 1 Satz 2 EStG steht dem nicht entgegen. Die Pauschalsteuer nach dieser Vorschrift bleibt trotz der Anhebung
des Steuersatzes eine Pauschalsteuer, die der Arbeitgeber gegenüber dem Finanzamt übernimmt. Nach Satz 2 aaO
ist bei der Ermittlung der Pauschalsteuer nach Abs 1 aaO zu berücksichtigen, "daß die in Abs 3 vorgeschriebene
Übernahme der pauschalen Lohnsteuer durch den Arbeitgeber für den Arbeitnehmer eine in Geldeswert bestehende
Einnahme im Sinne des § 8 Abs 1 darstellt (Nettosteuersatz)". Anders als bei der Pauschalsteuer nach § 40 Abs 2, §
40a und § 40b EStG gilt für die Pauschalsteuer nach § 40 Abs 1 EStG kein fester Pauschalsteuersatz. Entsprechend
den betrieblichen Gegebenheiten wird vielmehr an einen durchschnittlichen Steuersatz für alle Arbeitnehmer
angeknüpft. Der Pauschalsteuersatz soll weder zu einer geringeren noch zu einer höheren Steuer als die Summe der
für jeden Arbeitnehmer gesondert ermittelten Steuer auf die zuzüglichen Bezüge führen (Schmidt-Drenseck, aaO, § 40
RdNr 9). § 40 Abs 1 Satz 2 EStG stellt jedoch lediglich klar, daß bei der Ermittlung des durchschnittlichen
Steuersatzes aller Arbeitnehmer des Betriebes die Übernahme der Pauschalsteuer des § 40 Abs 1 Satz 1 EStG durch
den Arbeitgeber ihrerseits als ein steuerrechtlich geldwerter Vorteil zu berücksichtigen ist. Im übrigen bleibt es aber
dabei, daß die Steuerschuld ohne Berücksichtigung der konkreten Steuermerkmale jedes einzelnen Arbeitnehmers
ermittelt wird. Das bei § 14 SGB IV grundsätzlich bestehende Erfordernis, daß nur konkret festgestellte Vorteile des
einzelnen Arbeitnehmers als Arbeitsentgelt angesehen werden können, wird hierdurch nicht beseitigt.
d) Das Beitragsrecht enthält keine Regelung, wie sie für das Steuerrecht in § 40 Abs 1 Satz 2 EStG vorhanden ist. Es
kann jedoch, wenn die steuerlichen Vorteile der Arbeitnehmer auch beitragsrechtlich erfaßt werden sollen, auch hier
ein Bedarf an einer vereinfachten Regelung bestehen, zumal wenn schon die Beiträge auf die gezahlten
Arbeitsentgelte in einer Summe und nicht individuell erhoben werden.
Übernimmt der Arbeitgeber die Pauschalsteuer gegenüber dem Finanzamt als eigene Schuld, will er sich damit von
seiner Haftung für die von ihm zu ermittelnde, aber nicht ausgerechnete und abgeführte Lohnsteuer befreien. Die
Steuer wird in diesem Fall nach § 40 Abs 1 Satz 2 EStG hochgerechnet, mit der Nebenfolge, daß die Arbeitnehmer
nicht mehr auf Lohnsteuer in Anspruch genommen werden; je nach den steuerlichen Verhältnissen des Einzelfalles
kann sich daraus für den einzelnen Arbeitnehmer ein mehr oder weniger großer geldwerter Vorteil ergeben. Nur dieser
Vorteil ("Nebenfolge"), nicht jedoch die vom Arbeitgeber gezahlte Pauschalsteuer, kommt indes als
Beitragsbemessungsgrundlage in Betracht. Will man diesen Vorteil wie hier aus Gründen der Praktikabilität nicht
individuell ermitteln oder ist dieses zB wegen Verletzung der Aufzeichnungspflichten nicht möglich (Fälle des § 28f
Abs 2 SGB IV), soll andererseits aber eine Beitragsfreiheit der "Nebenfolge" nicht hingenommen werden, so wäre eine
dem § 40 Abs 1 Satz 2 EStG vergleichbare Regelung angezeigt. Diese könnte allerdings kaum in einer der Erhöhung
des Steuersatzes entsprechenden systemfremden Erhöhung des Beitragssatzes, sondern nur in einer Verbreiterung
der Bemessungsgrundlage durch eine pauschale Erhöhung der Lohnsummen bestehen. Dem geltenden Recht vermag
der Senat einen entsprechenden Willen des Gesetzgebers nicht zu entnehmen. Das Gesetz spricht vielmehr selbst
dann, wenn die Beitragshöhe wegen Verletzung der Aufzeichnungspflichten nicht individuell berechnet werden kann, in
§ 28f Abs 2 Satz 1 SGB IV lediglich von einer Geltendmachung des Beitrags von der Summe der vom Arbeitgeber
gezahlten Arbeitsentgelte. Es liegt nahe, daß sich nur auf diese gezahlten Arbeitsentgelte auch die Schätzung
bezieht, die § 28f Abs 2 Satz 3 SGB IV zuläßt, wobei im vorliegenden Verfahren ein Fall der Schätzung nicht vorliegt.
Unter diesen Umständen läßt das geltende Recht entgegen der Ansicht der Revision eine Beitragserhebung auf die
nach § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG erhobene Lohnsteuer (und Kirchensteuer) nicht zu. Vielmehr hält der Senat, wenn
die Summe gezahlter Arbeitsentgelte für die Beitragserhebung um Pauschalsteuern des Arbeitgebers oder ähnliche
Pauschalen erhöht werden soll, auch im Beitragsrecht, das wie das Steuerrecht zum Abgabenrecht gehört, eine klare
Rechtsgrundlage für erforderlich. Diese könnte etwa in § 14 oder in § 28f SGB IV geschaffen werden. Nur dann
wüßten auch die Arbeitgeber, mit welchen beitragsrechtlichen Folgen sie bei einer von ihnen beauftragten
Pauschalversteuerung zu rechnen hätten.
Hiernach erwies sich die Revision der Klägerin als unbegründet und war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.