Urteil des BSG vom 21.01.2009

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BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 21.1.2009, B 12 AL 2/07 R
Arbeitslosenversicherung - Empfänger von Arbeitslosenhilfe - Krankengeldbezug in
Höhe der Arbeitslosenhilfe - Beitragsbemessung bei Entgeltersatzleistungen in Höhe
der zuvor geleisteten Arbeitslosenhilfe
Leitsätze
Für Empfänger von Arbeitslosenhilfe, denen bei Arbeitsunfähigkeit Krankengeld in Höhe des
Betrags der zuvor bezogenen Arbeitslosenhilfe zu zahlen war, bestimmte sich die Bemessung
der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung auch nach dem 1.1.2000 weiterhin nach 80 vH des
der Leistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelts.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten über die Höhe der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung (ArblV).
2 Die Klägerin hatte bis Ende 2004 für Bezieher von Arbeitslosenhilfe (Alhi), die arbeitsunfähig
geworden waren und Krankengeld (Krg) in Höhe des Betrags der Alhi erhalten hatten,
Beiträge zur ArblV an die Beklagte entrichtet. Für die Berechnung der Beiträge hatte sie als
beitragspflichtige Einnahme den Zahlbetrag der vor dem Bezug des Krg erhaltenen Alhi
zugrunde gelegt. Im Anschluss an eine bei mehreren Geschäftsstellen der Klägerin
durchgeführte Prüfung forderte die Beklagte von der Klägerin mit Bescheid vom 1.6.2004 die
Entrichtung weiterer Beiträge zur ArblV in Höhe von 1.845,78 Euro für namentlich benannte
Versicherte der Beklagten, die in den Jahren 2001 bis 2003 Krg bezogen hatten. Die Klägerin
habe zu wenig an Beiträgen entrichtet. Auch für Bezieher von Krg, die vorher Alhi erhalten
hätten, seien Beiträge zur ArblV nach Maßgabe von § 345 Nr 5 SGB III zu berechnen. Danach
gelte als beitragspflichtige Einnahme 80 vH des der Leistung zugrunde liegenden
Arbeitsentgelts und nicht lediglich der Zahlbetrag der Alhi.
3 Die Klägerin hat Klage erhoben. Mit Änderungsbescheid vom 9.7.2004 erhöhte die Beklagte
ihre Beitragsforderung auf 1.876,40 Euro. Mit Urteil vom 26.3.2007 hat das Sozialgericht (SG)
die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die
Nacherhebung der Beiträge sei nicht zu beanstanden. § 345 Nr 5 SGB III könne nicht gegen
seinen Wortlaut, etwa unter Hinweis auf Sinn und Zweck der Regelung oder die für die
Beitragsbemessung bei Beziehern von Alhi in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV)
geltende Vorschrift des § 166 Abs 1 Nr 2a SGB VI einschränkend dahin ausgelegt werden,
dass Bemessungsgrundlage nur der Zahlbetrag der zuvor bezogenen Alhi sei.
4 Die Klägerin hat die vom SG zugelassene Revision eingelegt und rügt eine Verletzung von §
345 Nr 5 SGB III. Das SG habe diese Vorschrift unrichtig ausgelegt und sei deshalb zu einem
rechtlich unzutreffenden Ergebnis gelangt. Arbeitslose dürften während des Bezugs von Krg
beitragsrechtlich nicht anders behandelt werden als während des Bezugs von Alhi. Beiträge
zur ArblV seien in diesem Fall ebenfalls nur unter Berücksichtigung des Zahlbetrags der zuvor
bezogenen Alhi zu berechnen. Jedenfalls habe das ab dem Jahr 2000 zu gelten, in dem der
Gesetzgeber die früher einheitliche Bemessungsgrundlage für arbeitsfähige Bezieher von Alhi
und arbeitsunfähige Bezieher von Alhi bzw Krg aufgegeben und die Bemessungsgrundlage
für arbeitsfähige Bezieher von Alhi - in der GRV und der sozialen Pflegeversicherung (SPV)
und später in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) - auf den Zahlbetrag der Alhi
umgestellt habe, während es für arbeitsunfähige Bezieher von Alhi, die Krg erhielten, in der
ArblV bei der ursprünglichen Bemessung der Beiträge nach 80 vH des der Alhi zugrunde
liegenden Arbeitsentgelts verblieben sei. Der Gesetzgeber habe die unterschiedliche
Bemessung der Beiträge an die Leistungsträgerschaft gekoppelt, ohne dass aus den
Gesetzesmaterialien hierfür gesetzessystematische Gründe ersichtlich seien. Einer wörtlichen
Auslegung des § 345 Nr 5 SGB III stehe auch der Grundsatz der Kontinuität von
Versicherungsverhältnissen entgegen, ferner die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur beitragsrechtlichen Behandlung einmalig gezahlten
Arbeitsentgelts.
5 Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 26.3.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 1.6.2004 in
der Fassung vom 9.7.2004 aufzuheben.
6 Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
7 Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. An der Bemessung der Beiträge zur ArblV für
arbeitsunfähige Bezieher von Alhi habe sich durch die Einfügung des § 166 Abs 1 Nr 2a SGB
VI nichts geändert. Die Beklagte weist ergänzend darauf hin, dass Alhi eine steuerfinanzierte
Sozialleistung gewesen sei, während Krg eine echte Versicherungsleistung darstelle.
Eingriffe auf der Leistungsseite, zu denen auch die Zahlung von Beiträgen gehöre, unterlägen
deshalb unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Schranken.
Entscheidungsgründe
8 Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Zutreffend hat das SG ihre gegen den Bescheid
der Beklagten vom 1.6.2004 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 9.7.2004
gerichtete Klage abgewiesen. Die von der Beklagten erhobene Beitragsforderung ist nicht zu
beanstanden. Für Empfänger von Alhi, denen bei Arbeitsunfähigkeit Krg in Höhe des
Betrags der Alhi zu leisten war, bestimmte sich die Bemessung der Beiträge zur ArblV auch
nach dem 1.1.2000 (weiterhin) nach 80 vH des der Leistung zugrunde liegenden
Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens.
9 1. Im Revisionsverfahren war nur noch über den mit der Anfechtungsklage angegriffenen
Bescheid der Beklagten vom 1.6.2004 in der Fassung ihres nach § 96 Abs 1 SGG alter
Fassung in das Klageverfahren einbezogenen Änderungsbescheids vom 9.7.2004 zu
entscheiden, nachdem die Klägerin ihr Begehren im Revisionsverfahren hierauf beschränkt
und sich die Beklagte verpflichtet hatte, ihren Bescheid vom 19.10.2005 über die
Festsetzung von Säumniszuschlägen entsprechend dem Ausgang des Revisionsverfahrens
zur Beitragsforderung ohne Berufung auf die Bestandskraft zu ändern.
10 2. Im Rahmen der von ihr durchgeführten Prüfung war die Beklagte nach § 349 Abs 3 und 5
SGB III iVm den für Einzugsstellen geltenden Vorschriften befugt, über die Beitragshöhe in
der ArblV durch Verwaltungsakte gegenüber der Klägerin als Leistungsträgerin zu
entscheiden.
11 Die Bemessung der Beiträge zur ArblV für Personen, die wie hier als Bezieher von Krg in der
ArblV versicherungspflichtig sind (vgl § 26 Abs 2 Nr 1 SGB III) , richtete sich in der streitigen
Zeit nach § 345 Nr 5 1. Halbsatz SGB III in der bis heute unverändert geltenden Fassung.
Danach galten als beitragspflichtige Einnahme 80 vH des der Leistung zugrunde liegenden
Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens, wobei 80 vH des beitragspflichtigen
Arbeitsentgelts aus einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis abzuziehen
waren. Die Beklagte hat in Anwendung dieser Vorschrift unter Berücksichtigung des der
Bemessung der Alhi zugrunde liegenden Arbeitsentgelts die Beiträge rechnerisch zutreffend
festgesetzt. Insoweit werden Einwendungen von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Bestimmung auch entsprechend ihrem Wortlaut auf
solche Bezieher von Krg, die zuvor Alhi erhalten hatten und während der Zeit ihrer
Arbeitsunfähigkeit Krg in Höhe des Betrags der Alhi bezogen (vgl zur Höhe und Berechnung
des Krg § 47b Abs 1 Satz 1 SGB V in der seit dem 1.1.1998 bis zum 31.12.2004 unverändert
geltenden Fassung), anzuwenden. Dafür spricht der Wortlaut der Vorschrift (dazu a). Eine
hiervon abweichende Auslegung ist ab 1.1.2000 weder aufgrund eines - möglicherweise -
veränderten Normzusammenhangs (dazu b) noch von Verfassungs wegen (dazu c) geboten.
12 a) Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass eine Berechnung der Beiträge zur ArblV
nach dem Zahlbetrag der vor dem Bezug des Krg erhaltenen Alhi (oder gar nur eines
bestimmten Prozentsatzes hiervon) mit dem Wortlaut des § 345 Nr 5 SGB III nicht in Einklang
zu bringen ist. So sind die in der Bestimmung verwandten Begriffe "Arbeitsentgelt" und
"Arbeitseinkommen" im Sozialversicherungsrecht - als Anknüpfungspunkte für die
Beitragsbemessung - so deutlich begrenzt, dass eine Subsumtion des Zahlbetrags der Alhi -
als einer Sozial- bzw Entgeltersatzleistung - hierunter den Gesetzeswortlaut überdehnen
würde. Eine solche Subsumtion ist - umgekehrt - nicht etwa deshalb geboten, weil als
beitragspflichtige Einnahme nach dem Wortlaut der Vorschrift nur eine solche in Betracht
kommt, die der Leistung Krg "zugrunde liegt". Daraus ergibt sich nicht, dass
Bemessungsgrundlage der Beiträge zur ArblV nur eine Einnahme sein kann, auf deren
Grundlage das Krg unmittelbar berechnet wird. Auch in der Vergangenheit sind
vergleichbare beitragsrechtliche Regelungen nicht so verstanden worden. Vielmehr hat das
Bundessozialgericht (BSG) in einem Fall, in dem Übergangsgeld (Übg) in Höhe des zuvor
bezogenen Arbeitslosengeldes (Alg) bezogen wurde, schon entschieden, dass das bei der
Berechnung des Alg berücksichtigte Arbeitsentgelt dem Übg auch dann "zugrunde liegt",
wenn es nur mittelbar nach ihm bemessen wird (Urteil vom 31.1.1980, 8a RK 10/79, SozR
2200 § 385 Nr 3 S 7 f) .
13 b) Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung steht einer "wörtlichen Auslegung"
des § 345 Nr 5 1. Halbsatz SGB III seit dem 1.1.2000 nicht die "Gesetzesentwicklung"
entgegen. Der Sache nach will die Revision den Anwendungsbereich dieser Vorschrift im
Hinblick auf einen aus ihrer Sicht ab Januar 2000 veränderten Normzusammenhang auf
Bezieher von Krg im Übrigen beschränken. In der Folge unterstellt sie sodann für Bezieher
von Krg, die zuvor Alhi erhielten, eine Regelungslücke, die sie im Wege der Analogie in der
Weise schließen möchte, dass die für Bezieher von Alhi in der GRV und der GKV und damit
auch in der SPV geltende Beitragsbemessungsgrundlage (vgl § 166 Abs 1 Nr 2a SGB VI, §
232a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V, jeweils in der vor dem 1.1.2005 geltenden Fassung) auf
solche Bezieher von Krg in der ArblV übertragen wird. Diese Auffassung teilt der Senat nicht.
14 aa) Vor dem Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes (RRG) 1992 (zum 1.1.1992) gab es in
der GRV, der GKV und der ArblV keine einheitliche Systematik für die Bemessung der
Beiträge bei Bezug von Lohnersatzleistungen. In der Folgezeit wurde die Systematik der
Beitragsberechnung jedoch umgestellt und eine Vereinheitlichung der
Bemessungsgrundlagen herbeigeführt. Ausgangspunkt für diese Vereinheitlichung waren
die Reformen im Rentenrecht durch das RRG 1992, in deren Verlauf in der GRV ua die
Bewertung von Zeiten des Bezuges von Lohnersatzleistungen neu geregelt wurde.
Gleichzeitig sollte für den Bereich der GRV die Beitragsleistung aus Lohnersatzleistungen
zur GRV weder nach der vollen Höhe des vorher bezogenen und der Lohnersatzleistung
zugrunde liegenden Arbeitsentgelts noch nach der Höhe der Lohnersatzleistung selbst
bemessen werden, sondern nach einer etwas abgesenkten Höhe (vgl BT-Drucks 11/4124 S
141, 185) . Einerseits begrenzte der Gesetzgeber so die Einbußen bei einer späteren Rente,
andererseits wurde berücksichtigt, dass die beitragsauslösenden Lohnersatzleistungen nicht
vollständig lebensstandardsichernd waren. Entsprechend waren in der GRV
beitragspflichtige Einnahmen bei Personen, die Alg, Alhi, Unterhaltsgeld (Uhg), Übg, Krg,
Verletztengeld oder Versorgungskrankengeld bezogen, nach § 166 Abs 1 Nr 2 (und Nr 2a)
SGB VI (in der vor dem 1.1.2000 geltenden Fassung; bis zum 31.3.1995 § 161 Abs 1 SGB VI
iVm § 166 Nr 2 SGB VI idF des RRG 1992) 80 vH des der Leistung zugrunde liegenden
Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens, wobei 80 vH des beitragspflichtigen
Arbeitsentgelts aus einem nicht geringfügigen Beschäftigungsverhältnis abzuziehen waren.
Mit dem Ziel der Anpassung an die Neuregelung der Berechnung auf Lohnersatzleistungen
beruhender Beiträge im SGB VI wurden auch die Bemessungsgrundlagen in der GKV und
ArblV umgestellt (vgl BT-Drucks 11/4124 S 230 f) . In der GKV (§ 232a Abs 1 Satz 1 SGB V
in der vor dem 1.1.2001 geltenden Fassung; bis zum 31.12.1997 § 157 Abs 3
Arbeitsförderungsgesetz ) wurden nunmehr bei Personen, die Alg, Alhi oder Uhg
bezogen, und in der ArblV (§ 345 Nr 4 SGB III in der vor dem 1.1.2000 geltenden Fassung;
bis zum 31.12.1997 § 186 Abs 1 AFG) bei Personen, die Krg, Versorgungskrankengeld,
Verletztengeld oder Übg erhielten, grundsätzlich 80 vH des der Leistung zugrunde liegenden
Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens als Bemessungsgrundlage ihrer Beiträge
berücksichtigt. Hiermit im Einklang regelte ab 1.1.1995 § 57 SGB XI in seiner damaligen
Fassung auch die Beitragsbemessungsgrundlage in der SPV.
15 Galt danach in der Zeit nach Inkrafttreten des RRG 1992 zunächst eine einheitliche
Bemessungsgrundlage für Beiträge aus allen Lohnersatzleistungen in Höhe eines gleichen
Prozentsatzes des der Leistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelts oder
Arbeitseinkommens, so wurde durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz
vom 25.9.1996 (BGBl I 1461) mit Wirkung ab 1.1.1997 nur für Bezieher von Alhi eine
Änderung der Regelungen über die Beitragsberechnung in der GRV, GKV und SPV
vorgenommen. Wenn wegen der Anrechnung von Einkommen Alhi nur in geringer Höhe
gezahlt wurde, sollte künftig die Bemessungsgrundlage für die Beitragszahlung zur GRV,
GKV und SPV herabgesetzt werden (vgl BT-Drucks 13/4610 S 23 f, 28 f) . Nach der neu
eingefügten Nr 2a des § 166 Abs 1 SGB VI und dem geänderten § 157 Abs 3 Satz 1 AFG
erfolgte die Herabsetzung der Bemessungsgrundlage in der GRV, GKV und - über § 57 Abs
1 SGB XI - der SPV in dem Verhältnis, in dem die zu zahlende Alhi zu der Alhi stand, die
ohne das anzurechnende Einkommen zu zahlen war. Fiskalisch sollten diese
Neuregelungen für Bezieher von Alhi zu einer Entlastung des Bundeshaushalts von 600 Mio
DM führen (vgl BT-Drucks 13/4610 S 31) .
16 Mit dieser ersten Änderung der bis dahin einheitlichen Bemessungsregeln hat der
Gesetzgeber aber für Bezieher von Krg keine vergleichbare Regelung geschaffen, nach der
etwa für Bezieher von Krg im Anschluss an Alhi - wegen des gleichen Zahlbetrags beider
Leistungen (vgl § 47b Abs 1 SGB V in der vor dem 1.1.2005 geltenden Fassung; bis zum
31.12.1997 § 158 Abs 1 AFG) - eine herabgesetzte Bemessungsgrundlage der Beiträge aus
dem Krg zur ArblV und/oder GRV gelten sollte. Die Absenkung der
Beitragsbemessungsgrundlage und die daraus folgende Minderung der Beitragslast kam
ausschließlich dem für die Alhi zuständigen Leistungsträger und damit dem Bund zugute.
17 bb) Mit dem Haushaltssanierungsgesetz (HSanG) vom 22.12.1999 (BGBl I 2534) hat der
Gesetzgeber erneut die Grundlagen der Beitragsbemessung (nur) für Bezieher von Alhi
verändert. § 166 Abs 1 Nr 2a SGB VI wurde mit Wirkung ab 1.1.2000 geändert (Art 22 Nr 2
Buchst b HSanG; nach Ablösung der Alhi durch das Arbeitslosengeld II erneut geändert
durch das RVNG vom 21.7.2004, BGBl I 1791) . Fortan war beitragspflichtige Einnahme in
der GRV bei Personen, die Alhi bezogen, nur noch die "gezahlte Arbeitslosenhilfe". Gleiches
galt nach einer Änderung des § 57 Abs 1 SGB XI ab 1.1.2000 für die beitragspflichtige
Einnahme in der SPV (Art 24 HSanG) . Die Reduzierung der Bemessungsgrundlage auf den
tatsächlichen Zahlbetrag der Alhi sollte als eine von mehreren Maßnahmen den
Bundeshaushalt entlasten (vgl BT-Drucks 14/1523 S 163 f) . Solange es weiterhin Ziel sei,
Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren, müssten sich auch die
Konsolidierungsbemühungen in der ArblV und in der Alhi daran ausrichten mit der Folge,
dass begrenzte und zum Teil auch befristete Eingriffe bei Entgeltersatzleistungen
vorzunehmen seien, während auf Eingriffe bei Leistungen der aktiven Arbeitsförderung
verzichtet werde (vgl BT-Drucks 14/1523 S 205) . Die Anknüpfung an die "gezahlte
Arbeitslosenhilfe" wurde als Maßnahme angesehen, die in einer sozialpolitisch vernünftigen
Weise der Tatsache Rechnung trage, dass die Alhi eine bedürftigkeitsabhängige staatliche
Leistung sei, die der teilweisen Aufrechterhaltung des früheren Lebensstandards diene, und
bei langjährigen Beziehern von Alhi durch die Einführung einer bedarfsorientierten sozialen
Grundsicherung im Alter kompensiert werden könne (S 205; vgl zu den mit dem HSanG
verfolgten Regelungszwecken auch BSG, Urteil vom 8.12.2005, B 13 RJ 49/04 R, SozR 4-
2600 § 166 Nr 1 RdNr 24, und Urteil vom 14.3.2006, B 4 RA 55/04 R, SozR 4-2600 § 166 Nr
2 RdNr 18) .
18 Soweit es die Beiträge aus der Alhi zur GKV betraf, wurde die Absenkung der
Beitragsbemessungsgrundlage auf den Zahlbetrag der Alhi in zwei Schritten - zunächst
(teilweise) ab 1.1.2001 durch das Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz vom 21.12.2000
(BGBl I 1971) , sodann (vollständig) ab 1.1.2003 durch das Erste Gesetz für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl I 4607) - nachvollzogen. Durch Art
2 Nr 3 des Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetzes wurde im Wege einer Änderung des §
232a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V die Beitragsbemessungsgrundlage für Bezieher von Alhi auf
58 vH des der Leistung zugrunde liegenden, durch sieben geteilten wöchentlichen
Arbeitsentgelts nach § 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V … gemindert. Durch Art 2 des Ersten
Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt erhielt § 232a Abs 1 Satz 1 Nr 2
SGB V erneut eine andere Fassung. Beitragsbemessungsgrundlage war nun die durch
sieben geteilte wöchentlich gezahlte Alhi. In der Gesetzesbegründung zum Einmalzahlungs-
Neuregelungsgesetz wird darauf hingewiesen, dass eine Absenkung der
Bemessungsgrundlage für die Beiträge in der GKV im HSanG unterblieben sei. Die
Rahmenbedingungen auf der Einnahmeseite der gesetzlichen Krankenkassen hätten sich
jedoch verbessert, sodass unter Abwägung der Belastung für die Krankenkassen einerseits
und den Bundeshaushalt andererseits die Absenkung der Bemessungsgrundlage auch für
die Beiträge zur GKV aus Alhi zumindest teilweise nachvollzogen werden könne (vgl BT-
Drucks 14/4371 S 17) . In der Begründung zur Neufassung des § 232a Abs 1 Satz 1 Nr 2
SGB V ab 1.1.2003 heißt es, die Beiträge zur GKV der Bezieher von Alhi sollten sich künftig
- wie die Beiträge zur GRV - nach der Höhe der "tatsächlich gezahlten Arbeitslosenhilfe"
richten (vgl BT-Drucks 15/25 S 37) .
19 cc) Dass die für Bezieher von Krg in der ArblV geltende Berechnungsregelung jedenfalls ab
1.1.2000 in einem Normzusammenhang gestanden hat, der sie, wie die Revision meint,
einer vom Wortlaut abweichenden Interpretation "zugänglich" mache, die Bemessung der
Beiträge nach dem Zahlbetrag der Entgeltersatzleistung für die hier betroffene
Personengruppe als "nur folgerichtig" und letztlich als "systematischen Abschluss der
gesetzlichen Entwicklung aller im Kontext mit § 345 Nr 5 SGB III stehenden Normen"
erscheinen lasse, kann danach nicht bestätigt werden. Entgegen der von ihr vertretenen
Auffassung kann § 345 Nr 5 SGB III schon nicht - mit dem Wortlaut im Widerspruch stehend -
teleologisch eingeschränkt werden mit der Folge, dass Bezieher von Krg im Anschluss an
Alhi ihm nicht (mehr) unterfielen. Bei der Regelung der Beitragsmessungsgrundlagen für
Bezieher von Alhi (in der GRV, GKV und SPV) einerseits und Beziehern von Krg (in der
ArblV, GRV und SPV) andererseits hat der Gesetzgeber bewusst an die unterschiedliche
Leistungsträgerschaft angeknüpft.
20 Zutreffend legt die Revision allerdings dar, dass bei Beziehern von Alhi unabhängig davon,
ob sie arbeitsfähig oder arbeitsunfähig waren (und Krg bezogen), zunächst sowohl die Höhe
der Leistung als auch die Beitragsbemessung "einheitlich" geregelt waren, und die Frage,
wer die Beiträge letztlich trug und zahlte, ohne Bedeutung war. Wie bereits erörtert (siehe
oben 2. b), bb), wurde jedoch bereits mit Wirkung ab 1.1.1997 - und nicht erst mit dem
HSanG - für arbeitsfähige Bezieher von Alhi in Anknüpfung an die Leistungsträgerschaft eine
beitragsrechtliche Sonderregelung geschaffen, auch wenn die für alle
Entgeltersatzleistungen geltende Beitragsbemessungsgrundlage im Prinzip (noch)
beibehalten wurde. Diese hiermit eingeleitete und durch das HSanG fortgeführte
beitragsrechtliche Entkoppelung der Alhi und die "Ankopplung" der Beitragsbemessung an
die jeweilige Leistungsträgerschaft ist nicht, was die Revision annimmt, versehentlich
"systemwidrig" erfolgt, sondern beruhte - zunächst weniger deutlich, später explizit - auf
fiskalischen Erwägungen zugunsten des Bundeshaushalts. Wie die Revision im Verfahren
selbst mitgeteilt hat, ist trotz entsprechender Anregungen, die Berechnungsvorschrift im SGB
III anzupassen, eine Rechtsänderung - etwa mit dem Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz
oder dem Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt - unterlassen
worden.
21 In diesem Zusammenhang trägt das von der Revision angeführte Argument nicht, der vom
SG hervorgehobene "fiskalische Zweck" des HSanG sei von untergeordneter Bedeutung
gewesen, vielmehr habe der Gesetzgeber mit der beitragsrechtlichen Behandlung der Alhi
hauptsächlich deren Rechtscharakter als Fürsorgeleistung des Staates betonen wollen.
Diese Bewertung trifft angesichts der auf eine strukturelle Konsolidierung des
Bundeshaushalts gerichteten Maßnahmen des HSanG (siehe oben 2. b), bb) nicht zu.
Jedenfalls trägt sie die hieraus gezogene Schlussfolgerung der Revision nicht, weil Alhi eine
(steuerfinanzierte) staatliche Fürsorgeleistung sei, müsse das in gleicher Höhe gezahlte Krg
beitragsrechtlich in gleicher Weise behandelt werden. Krg stellt eine (beitragsfinanzierte)
Versicherungsleistung dar, sodass vor dem Hintergrund dieser Differenzierung (gerade) kein
Anlass besteht, Regelungen für die Alhi auf das Krg zu übertragen.
22 Andere aus dem Gesetzeszusammenhang folgende Gründe, die zu einer vom Wortlaut des §
345 Nr 5 1. Halbsatz SGB III abweichenden Auslegung veranlassten, benennt die Revision
nicht. Allein der Umstand, dass die Höhe des Krg sich im Anschluss an den Bezug von Alhi
nach der Höhe der zuletzt bezogenen Alhi richtet, dokumentiert einen solchen engen
(systematischen) Zusammenhang nicht, zumal das Krg nach § 47b Abs 1 SGB V auch in
anderen Fällen in Höhe der zuvor bezogenen Entgeltersatzleistung gewährt wurde (und
wird). Auch ein von der Revision hervorgehobener "Grundsatz der Kontinuität von
Versicherungsverhältnissen" steht der hier vorgenommenen Auslegung des § 345 Nr 5 SGB
III nicht entgegen. Es ist schon nicht erkennbar, auf welches Versicherungsverhältnis die
Revision einen solchen Grundsatz anwenden will und worin sie trotz des Wechsels von der
Arbeitsfähigkeit in die Arbeitsunfähigkeit und des damit verbundenen Wechsels in den
Entgeltersatzleistungen einen "identischen Lebenssachverhalt" erblickt, der unterschiedliche
Rechtsfolgen bei der Beitragsbemessung ausschließen soll.
23 c) Das so gefundene Ergebnis ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin
kann sich als öffentlich-rechtliche Körperschaft insoweit nur auf das allgemeine
Willkürverbot, das aus dem Rechtsstaatsprinzip ebenso wie aus Art 3 Abs 1 GG abzuleiten
ist, berufen. Dass das Gesetz mit dem Ziel, die Beitragslast des Bundes zu reduzieren, bei
Beziehern von Alhi die Bemessungsgrundlage der Beiträge hieraus zur GRV, GKV und SPV
(zur Verfassungsmäßigkeit der Beitragsbemessungsgrundlage in der GRV im Hinblick auf
ihre Folgen im Leistungsrecht vgl BSG SozR 4-2600 § 166 Nr 1 RdNr 20 ff; SozR 4-2600 §
166 Nr 2 RdNr 15 ff) anders regelte als die - zu Lasten der Klägerin als
Sozialversicherungsträger gehende, für den Versicherten indessen leistungsrechtlich
möglicherweise günstigere - Bemessungsgrundlage der Beiträge aus dem Krg zur ArblV, ist
indes nicht willkürlich. Insoweit braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob, wie die Revision
meint, der von ihr aus dem - die Beitragslast von Versicherten betreffenden - Beschluss des
BVerfG vom 11.1.1995 (1 BvR 892/88, BVerfGE 92, 53 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6)
entnommene Satz, wonach durch die Berechnung der laufenden Lohnersatzleistungen die
wirtschaftliche Situation des Versicherten allerdings nicht verzerrt oder dieser gar besser
gestellt werden dürfe, als er ohne Eintritt des Versicherungsfalles stünde, über die - dort
beurteilte - Berechnung von Lohnersatzleistungen hinaus auch auf die Berechnung der
daraus von Sozialversicherungsträgern wie der Klägerin zu entrichtenden Beiträge
anzuwenden ist. Nicht zu beantworten ist demgemäß auch, ob eine "beitragsrechtliche
Besserstellung" von arbeitsunfähigen Beziehern von Alhi, die Krg erhielten, gegenüber
arbeitsfähigen Beziehern in der ArblV (später) auch zu einer leistungsrechtlichen
Besserstellung führen und dieser Umstand einen rechtfertigenden Grund für die durch das
HSanG bewirkte unterschiedliche beitragsrechtliche Behandlung von Alhi einerseits und im
Anschluss an Alhi gewährtes Krg andererseits darstellen könnte.
24 Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1
Verwaltungsgerichtsordnung.
25 Der Streitwert für das Revisionsverfahren war gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG
iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz unter Berücksichtigung
der von der Beklagten geforderten Beiträge und Säumniszuschläge festzusetzen.