Urteil des BSG vom 29.08.2012
BSG: Rentenversicherungspflicht, Geschäftsführer einer GmbH als Familienbetrieb, maßgeblicher rechtlicher oder tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft
BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 29.8.2012, B 12 R 14/10 R
Rentenversicherungspflicht - Geschäftsführer einer GmbH als Familienbetrieb - maßgeblicher
rechtlicher oder tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft - abhängige
Beschäftigung - selbständige Tätigkeit - Abgrenzung
Tenor
Auf die Revision der Beigeladenen zu 2. werden das Urteil des Landessozialgerichts
Niedersachsen-Bremen vom 5. November 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg
vom 22. Oktober 2009 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Rentenversicherungspflicht
des Klägers in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. in der Zeit vom 1. Februar 2003 bis
31. Dezember 2005 betrifft.
Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klage-
und Berufungsverfahrens zu erstatten. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 1.2.2003 bis
31.12.2005 als Beschäftigter in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV)
versicherungspflichtig war.
2 Der 1975 geborene Kläger war bereits während seines Gartenbaustudiums für die
Beigeladene zu 1. - eine GmbH & Co. KG mit dem Unternehmensgegenstand "Handel mit
Baumschulerzeugnissen" - tätig. Persönlich haftende Gesellschafterin war die " H
Verwaltungsgesellschaft mit beschränkter Haftung" (im Folgenden: Komplementär-GmbH).
Gesellschafter der Komplementär-GmbH waren ursprünglich die Eltern des Klägers mit
einer Einlage in Höhe von insgesamt 20 000 DM sowie Herr D (im Folgenden D.) mit einer
Einlage in Höhe von 30 000 DM. D. war zugleich Geschäftsführer der Komplementär-
GmbH. Kommanditisten der Beigeladenen zu 1. waren D. mit einer Kommanditeinlage von
15 000 DM und die Mutter des Klägers mit einer Kommanditeinlage von 10 000 DM. Die
Beigeladene zu 1. ist dem Einzelunternehmen "Baumschule H" (im Folgenden:
Baumschule) "vorgeschaltet", um die Baumschule von Haftungsrisiken aus dem Handel
mit den Erzeugnissen zu entlasten. Die Baumschule verkauft sämtliche Pflanzen an die
Beigeladene zu 1., die sie wiederum an Gartenzentren weiterverkauft. Die Baumschule ist
der einzige Lieferant der Beigeladenen zu 1. Sie verfügte über ca 100 Beschäftigte,
während die Beigeladene zu 1. als "Vertriebsgesellschaft" über neun Beschäftigte
verfügte. Die Baumschule ist ein Hof im Sinn der Höfeordnung. Der Kläger ist der einzige
Hoferbe. Die Nachfolge ist zum 1.1.2006 tatsächlich vollzogen worden. Der Kläger führt
seit diesem Zeitpunkt auch die Geschäfte der Baumschule und hat deren Bewirtschaftung
übernommen.
3 Der Kläger wurde durch einen zwischen ihm und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen
"Anstellungsvertrag" vom 27.1.2003 neben dem Geschäftsführer D. zum weiteren
Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. bestellt. In dem Vertrag wurde festgehalten, dass
der Geschäftsführer berechtigt und verpflichtet ist, die Gesellschaft nach Maßgabe der
Gesetze, des Gesellschaftsvertrages und einer etwaigen Geschäftsführerordnung allein zu
vertreten und die Geschäfte der Gesellschaft allein zu führen. Weiterhin wurde der
Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Als Monatsgehalt wurde
ein Betrag in Höhe von 2100 Euro brutto vereinbart. Im Krankheitsfall sollte eine
sechsmonatige Weiterzahlung der Bezüge erfolgen. Als Jahresurlaub wurden 24
Arbeitstage vereinbart. Zeitgleich mit der Übernahme der Leitung der Baumschule wurde
der Kläger am 1.1.2006 Gesellschafter der Beigeladenen zu 1.
4 Durch Bescheid vom 23.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.2.2007
stellte die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle aufgrund der Angaben des Klägers in
einem Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung fest, dass der Kläger
in der Zeit vom 1.2.2003 bis 31.12.2005 kranken-, pflege-, renten- und
arbeitslosenversicherungspflichtig sei.
5 Die dagegen erhobene Anfechtungsklage ist in beiden Vorinstanzen erfolgreich gewesen
(Urteil des SG vom 22.10.2009; Urteil des LSG vom 5.11.2010). Das LSG ist von fehlender
Versicherungspflicht des Klägers ausgegangen und hat ausgeführt: Für das Vorliegen
einer (abhängigen) Beschäftigung sprächen zwar der Anstellungsvertrag, die
Vereinbarung eines monatlichen festen Gehalts, der Anspruch auf Gehaltsfortzahlung im
Krankheitsfall sowie der Anspruch auf bezahlten jährlichen Erholungsurlaub; zudem habe
der Kläger mangels Kapitalbeteiligung im streitigen Zeitraum nicht die Rechtsmacht
gehabt, Beschlüsse der Gesellschaft herbeizuführen oder zu verhindern. Gleichwohl habe
der Kläger "in der Familiengesellschaft" wie ein Alleininhaber nach eigenem Gutdünken
das Geschäft geführt. Als Geschäftsführer sei er alleinvertretungsberechtigt und von den
Beschränkungen des § 181 BGB befreit gewesen. Er habe in weitaus größerem Maße als
der Mitgeschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter D. über die erforderlichen
Branchenkenntnisse verfügt. Er habe bereits seine Diplomarbeit über "die
Betriebswirtschaft und das Rating in seinem Unternehmen" geschrieben und konkrete
Vorstellungen über die zukünftige Entwicklung des Betriebs entwickelt. Wesentliche
Geschäftsbereiche habe er selbst wahrgenommen. Er habe die Verhandlungen mit
wichtigen Kunden geführt, neue Märkte erschlossen, mit Banken verhandelt und sei
Ansprechpartner für den Bilanzbuchhalter und den Steuerberater gewesen. Der Kläger
habe über Einstellungen und Entlassungen von Mitarbeitern entschieden, soweit sie in
seinem Geschäftsbereich - "dem Vertriebsunternehmen der Beigeladenen zu 1." - tätig
waren. Er habe die Verantwortung getragen und das Unternehmen weiter entwickelt.
Weder der Gesellschafter D. noch die Mutter des Klägers hätten seine Aktivitäten
tatsächlich kontrolliert. Darüber hinaus habe der Kläger regelmäßig auf einen Teil des
vertraglich vereinbarten Jahresurlaubs verzichtet. Besonders zu berücksichtigen seien die
familiären Umstände und die Verbindung der beiden Unternehmen. Der Kläger habe als
künftiger Mitgesellschafter der Beigeladenen zu 1. und künftiger Inhaber der Baumschule
und Hoferbe ein besonderes eigenes Interesse am wirtschaftlichen Erfolg der "miteinander
verbundenen Unternehmen" gehabt. Aufgrund der vorliegenden Konstellation sei der
Mitgeschäftsführer und Gesellschafter D. eher vom Kläger abhängig gewesen als
umgekehrt.
6 Mit der allein von ihm eingelegten Revision rügt der RV-Träger (Beigeladene zu 2.)
sinngemäß eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV, insbesondere eine Divergenz zur seit
dem Jahr 2006 ergangenen Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12
KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 66; BSG Urteil vom 24.1.2007 - B
12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 7), da nach der Rechtsauffassung des LSG eine
Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ausscheide, wenn die
tatsächlichen Verhältnisse (vorliegend eine familiäre Verbundenheit und eine Verbindung
von zwei Unternehmen) die für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses
sprechenden rechtlichen Aspekte überlagern. Dabei habe das LSG nicht die aktuelle
Rechtsprechung des BSG berücksichtigt, wonach maßgeblich die Rechtsbeziehung sei,
wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Bei
einem Geschäftsführer, der wie der Kläger nicht Gesellschafter der GmbH ist, sei auf die
ihm eingeräumte Rechtsmacht abzustellen. Sowohl der Anstellungsvertrag als auch der
Gesellschaftsvertrag unterwürfen jedoch Änderungen der Vertragsbestimmungen der
Schriftform. Entsprechende Änderungen seien nicht dokumentiert, weshalb davon
auszugehen sei, dass der Kläger Beschlüsse der Gesellschafterversammlung weder habe
herbeiführen noch verhindern können.
7 Die Beigeladene zu 2. beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. November 2010 und
des Sozialgerichts Oldenburg vom 22. Oktober 2009 aufzuheben, soweit sie die
Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung
in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 1. Februar 2003 bis 31. Dezember
2005 betreffen und die Klage insoweit abzuweisen.
8 Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen.
9 Er verteidigt die angefochtenen Urteile. Er habe in Bezug auf die Beigeladene zu 1. ohne
Beschränkungen handeln können. Ein nach dem Gesellschaftsvertrag eventuell
erforderliches Zustimmungserfordernis der Kommanditisten für außergewöhnliche
Geschäfte sei stillschweigend abbedungen worden. Die Schriftformklausel sei hierfür ohne
Belang, da auch sie stillschweigend abbedungen worden sei.
10 Die Beklagte hat sich dem Antrag der Beigeladenen zu 2. angeschlossen. Die
Beigeladenen zu 1., 3. und 4. äußern sich nicht.
Entscheidungsgründe
11 Die auf die Feststellung von Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV im
Zeitraum 1.2.2003 bis 31.12.2005 beschränkte Revision der Beigeladenen zu 2. ist
zulässig und begründet. Bescheid und Widerspruchsbescheid der beklagten
Krankenkasse (als Einzugsstelle) erweisen sich insoweit als rechtmäßig. In diesem
Umfang sind die Urteile des SG und des LSG aufzuheben und ist die Klage abzuweisen.
12 1. Obwohl die Beigeladene zu 2. in der Revisionsbegründung entgegen § 164 Abs 2 S 3
SGG keine Rechtsnorm ausdrücklich bezeichnet hat, die sie durch das Urteil des LSG als
verletzt ansieht, ist die Revision noch zulässig. Denn es reicht aus, wenn sich aus dem
Inhalt der Darlegungen des Revisionsklägers ergibt, dass er sich mit den Gründen der
angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt hat und inwieweit er bei der Auslegung
der angewandten Rechtsvorschriften anderer Meinung ist (BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S
2 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 9c,
11 mwN). Die Revisionsbegründung macht hinreichend deutlich, dass die Beigeladene zu
2. zum einen die Auffassung des LSG angreift, bei der Abgrenzung von Beschäftigung und
selbstständiger Tätigkeit komme den familiären Umständen und der besonderen
wirtschaftlichen Verbindung zwischen zwei Unternehmen ausschlaggebende Bedeutung
zu, und zum anderen dadurch § 7 Abs 1 SGB IV als verletzt ansieht.
13 2. Die Revision der Beigeladenen zu 2. ist auch begründet.
14 Zu Unrecht hat das LSG die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV
verneint und die Berufung der Beklagten gegen das die Bescheide der Beklagten
aufhebende SG-Urteil zurückgewiesen. Das LSG ist zunächst zutreffend von den in der
Rechtsprechung des BSG zum Typus der Beschäftigung aufgestellten Rechtssätzen
ausgegangen, hat in diesem Rahmen aber die jüngere Rechtsprechung zum Vorrang der
tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den individualvertraglichen sowie handels- und
gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen nicht hinreichend berücksichtigt (hierzu a).
Zutreffend hat das LSG Merkmale der konkret vom Kläger ausgeübten Tätigkeit festgestellt
(hierzu b). Die hierauf aufbauende rechtliche Würdigung und Beurteilung des Gesamtbilds
der Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit kann jedoch aufgrund der fehlerhaften
Maßstabsbildung keinen Bestand haben (hierzu c). Damit sind auch die vom LSG
entscheidungserheblich in den Fokus gerückten familiären Umstände und die Verbindung
der beiden Unternehmen miteinander nicht geeignet, die Annahme von Selbstständigkeit
zu rechtfertigen (hierzu d).
15 a) Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind,
der Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV (vgl § 1 Nr 1 SGB VI idF des Gesetzes
vom 19.2.2002, BGBl I 754). Nach § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert
geltenden Fassung ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in
einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine
Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist.
Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte
in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung
umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit
kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht
dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine
selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das
Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene
Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit
gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich
ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und
hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG
SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe
insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils
mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit
der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl
BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).
16 Die Beigeladene zu 2. weist in ihrer Revisionsbegründung zu Recht darauf hin, dass bei
der Feststellung des Gesamtbilds den tatsächlichen Verhältnissen nicht
voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zukommt. Zwar hat
der Senat noch im Urteil vom 22.6.2005 (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 7) ausgeführt,
dass beim Abweichen der Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen letztere
den Ausschlag geben. Jedoch hat er diese Aussage in Zusammenfassung älterer
Entscheidungen nachfolgend präzisiert (insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr
17; ebenso Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = ZIP 2006, 678 = Die
Beiträge, Beilage 2006, 66, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge,
Beilage 2008, 333, 341 f): Danach sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen
Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende
Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung"
vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des
rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst
das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen
Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im
Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche
Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur
der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose -
Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts
unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den
tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer
Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass
die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen
abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die
praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Hieran hat der Senat seither
festgehalten (vgl zB BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG
Urteil vom 29.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125 = Juris RdNr 17; ferner auch BSG
Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr 17, auch zur
Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
17 Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken: Die
tatsächlichen Verhältnisse weichen hier nach den Feststellungen des LSG zwar
insbesondere von den Regelungen des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1.
geschlossenen Anstellungsvertrags ab, jedoch führt dies mit Blick auf die Frage des
Vorliegens einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit zu keinem anderen
Ergebnis (hierzu c). Daher vermögen auch die Gesichtspunkte "familiäre Umstände" und
"Verbindung der beiden Unternehmen" kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen (hierzu d).
18 b) Die dargestellten Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall maßgebend, denn der
Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen, sondern in einem fremden
Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Beigeladene zu
1., die als GmbH & Co. KG ein Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und
deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder
natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21
mwN) und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet
werden muss.
19 Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Geschäftsführertätigkeit des Klägers für die
Beigeladene zu 1. im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist
der "Anstellungsvertrag" vom 27.1.2003, der deren Vertragsverhältnis bestimmte. Dieser
Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG festgestellten
Inhalt - monatliches festes Gehalt, Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie
Anspruch auf bezahlten jährlichen Erholungsurlaub - ein Arbeitsverhältnis zum
Gegenstand. Auf der Grundlage dieses Vertrages wurde der Kläger als weiterer
Geschäftsführer neben dem Geschäftsführer D. der Beigeladenen zu 1. tätig. Rechtlich
relevante Änderungen des schriftlichen "Anstellungsvertrags" - unabhängig von der Frage
insoweit einzuhaltender Formerfordernisse - hat das LSG nicht festgestellt.
20 c) Der Kläger verrichtete seine Geschäftsführertätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. im
Zeitraum vom 1.2.2003 bis 31.12.2005 im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung.
21 Der Kläger war im streitigen Zeitraum weder an der Beigeladenen zu 1. noch an deren
Komplementär-GmbH beteiligt. Er war weder Kommanditist der Beigeladenen zu 1. noch
Gesellschafter der Komplementär-GmbH. Vielmehr war er insoweit als
Fremdgeschäftsführer anzusehen. Bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH hat das BSG
jedoch regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen und diese nur unter
besonderen Umständen verneint (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 79 mwN).
22 Der Kläger war auch in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1. eingebunden.
Nach § 2 Abs 1 des Anstellungsvertrags hatte er seine Arbeitskraft und seine gesamten
Kenntnisse und Erfahrungen der Beigeladenen zu 1. zur Verfügung zu stellen.
23 Der Kläger war zudem auch nicht alleiniger Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1.
Vielmehr war neben ihm D. als weiterer Geschäftsführer tätig. Eine Einschränkung der
Befugnisse von D. als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. hat das LSG nicht
festgestellt. Zwar ergibt sich aus dem vom Kläger ausgefüllten Feststellungsbogen aus
dem Jahr 2006, dass er für die Geschäftsbereiche "Kredit, Steuern, Werbung, Investition"
exklusiv zuständig war. Die Geschäftsbereiche "Einkauf, Vertrieb, Personal" fielen danach
aber sowohl in die Zuständigkeit des Klägers als auch in die Zuständigkeit des D. Auch in
der praktischen Zusammenarbeit bewahrte sich D. einen eigenen Aufgabenbereich: Nach
den Feststellungen der Vorinstanzen beschränkte er seine Tätigkeit mehr auf den
praktischen Bereich des Unternehmens, insbesondere auf die Verpackung und
Übersendung der Ware. Auch ist ausdrücklich festgestellt worden, dass D. dem Kläger
lediglich "in seinen Geschäftsbereichen" völlig freie Hand gelassen habe. Schließlich
haben die Vorinstanzen auch bei der Feststellung, dass der Kläger über die Einstellung
und Entlassung von Mitarbeitern entschieden habe, ausdrücklich darauf hingewiesen,
dass dies nur für den Geschäftsbereich galt, für den er zuständig war.
24 Weder die dem Kläger im Anstellungsvertrag eingeräumte Handlungsfreiheit noch die
darin eingeräumte Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot können eine
Selbstständigkeit des Klägers im Rechtssinne rechtfertigen. Dies gilt schon deshalb, weil
sich nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen die Handlungsfreiheit des
Klägers von vornherein nur auf bestimmte Geschäftsbereiche der Beigeladenen zu 1.
bezog. Zudem hat das BSG bereits entschieden, dass die Befreiung vom
Selbstkontrahierungsverbot nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen
Tätigkeit spricht (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 1 RdNr 11 und Nr 8 RdNr 17). Im Übrigen ist
die Wahrnehmung von Handlungsfreiheiten für leitende Angestellte, die in einem Betrieb
höhere Dienste leisten, geradezu charakteristisch. Sie werden dennoch im Rahmen einer
abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie
in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit
BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu §
2 AVG S 4; in jüngerer Zeit zB BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 9 mwN; BSGE 66, 168 =
SozR 3-2400 § 7 Nr 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 80; vgl - zum Fehlen einer
Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG Urteil vom 28.9.2011 -
B 12 R 17/09 R - USK 2011-125 = Juris RdNr 22; vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG
SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der
Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als
Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur
Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der RV und
Arbeitslosenversicherung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III), die regelmäßig
abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu
leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr
BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 65;
BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6,
RdNr 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten",
der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem gemilderten
Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbstständigen. Auch der
von den Vorinstanzen ohne konkrete Feststellungen angeführte Verzicht des Klägers auf
einen Teil des Jahresurlaubs spricht per se nicht für Selbstständigkeit, da es auch unter
(abhängig) Beschäftigten vorkommt, dass diese auf einen Teil ihres Jahresurlaubs
verzichten. Der Verzicht auf einen Teil des Jahresurlaubs hat somit lediglich indiziellen
Charakter (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 60).
25 Eine solche, noch dem Typus der Beschäftigung zuzuordnende Eingliederung des
Klägers in eine vorgegebene Ordnung des Betriebes der Beigeladenen zu 1. bestand
während des gesamten streitigen Zeitraums. Als Mitgeschäftsführer blieb er in die
vorgegebene Organisation der Beigeladenen zu 1. eingebunden. Der Kläger besaß keine
rechtliche Möglichkeit, auf die konkrete Ausgestaltung der betrieblichen Organisation der
Beigeladenen zu 1. Einfluss zu nehmen. Die Organe einer juristischen Person können
nicht in einem rechtsfreien bzw der Beliebigkeit der Beteiligten unterstehenden Raum
agieren. Vielmehr sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, wie sie insbesondere durch
das Zivilrecht ausgestaltet sind, zu beachten. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass
diese Rahmenbedingungen keinen bloßen, auf den Innenbereich der juristischen Person
beschränkten Anwendungsbereich haben, sondern vielfältige und umfangreiche weitere
Konsequenzen, etwa zum Schutz von Gläubigern, bei Haftungsfragen oder beispielsweise
im Steuerrecht nach sich ziehen. So macht § 164 S 1 HGB bei einer KG Handlungen, die
über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen, von
der Zustimmung der grundsätzlich von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft
ausgeschlossenen Kommanditisten abhängig. Zwar ist § 164 HGB dispositiv. Der
Kernbereich der Kommanditistenrechte ist jedoch unantastbar (vgl hierzu zB Hopt in Hopt
ua, HGB, 35. Aufl 2012, § 164 RdNr 6). Hinzu kommt, dass sog Grundlagengeschäfte, die
das Gesellschaftsverhältnis und seine Gestaltung betreffen, stets der Zustimmung aller
Gesellschafter bedürfen (vgl § 114 HGB; BGHZ 132, 263, 266). Angesichts dieser
rechtlichen Rahmenbedingungen kann vorliegend aus der vom LSG angenommenen
faktischen Nichtwahrnehmung von Aufsichts-, Kontroll- und Weisungsrechten durch die
dazu gesellschaftsrechtlich berufenen Organe nicht ohne Weiteres geschlossen werden,
dass dadurch die ihnen zugrundeliegenden Rechte und Pflichten "stillschweigend"
abbedungen worden seien. Dabei kommt es auch auf die Frage des Einhaltens der in dem
Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Schriftform nicht an. Vor dem Hintergrund der
umfangreichen gesellschaftsrechtlichen Verfahrens- und Formvorschriften (vgl §§ 114, 119
Abs 1 HGB) ist eine "stillschweigende" Änderung der grundlegenden rechtlichen
Verhältnisse der Gesellschaft ausgeschlossen. Darüber hinaus sieht § 3 Abs 1 des
Gesellschaftsvertrags, der der Gründung der Beigeladenen zu 1. zugrunde lag,
ausdrücklich vor, dass zur Geschäftsführung und Vertretung die Komplementärin
berechtigt und verpflichtet ist. Änderungen des Gesellschaftsvertrags oder
Gesellschafterbeschlüsse der Beigeladenen zu 1. oder der Komplementär-GmbH, die eine
Änderung der Geschäftsführerbefugnisse oder eine Definition der Wahrnehmung von
Aufsichts-, Kontroll- und Weisungsrechten innerhalb der Beigeladenen zu 1.
dokumentieren würden, haben SG und LSG nicht festgestellt. Der Kläger hatte auch weder
rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit, wie ein beherrschender oder zumindest mit
einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme
Weisungen jederzeit abzuwenden (vgl hierzu allgemein zB BSGE 66, 69 = SozR 4100 §
104 Nr 19; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 13 f; aus jüngerer Zeit BSG <12. Senat> SozR 4-
2400 § 7 Nr 7 RdNr 28 und <11a. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 8 RdNr 15, jeweils mwN).
Hierzu fehlte es bereits an einer Beteiligung des Klägers am Stammkapital der
Beigeladenen zu 1.
26 d) Entgegen der Auffassung des LSG sind auch weder die familiären Umstände (hierzu im
Folgenden aa) noch die Verbindung der beiden Unternehmen (hierzu bb) geeignet, die
Selbstständigkeit des Klägers zu bejahen.
27 aa) Das BSG hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung - überwiegend zu
Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts - auch für den
Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität
verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen
Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme
aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (BSG Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85 -
USK 86145; BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170; BSG Urteil vom
14.12.1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975; BSG SozR 2100 § 7 Nr 7 S 6; BSG Urteil vom
28.1.1992 - 11 RAr 133/90 - USK 9201; BSG Urteil vom 11.2.1993 - 7 RAr 48/92 - USK
9347; im konkreten Fall abgelehnt: BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK
2007-53; umgekehrt allerdings
für möglich gehalten>: BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8 S 37). Ohne Geschäftsführerstellung
hat der 12. Senat eine - nach den allgemeinen Grundsätzen eigentlich ausgeschlossene -
selbstständige Tätigkeit für den Fall als gegeben erachtet, dass der in einer GmbH Tätige
neben seinem Ehegatten alleiniger oder gleichberechtigter Gesellschafter der GmbH ist
(BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17). Dabei hat der Senat jedoch nicht auf eine familiäre
Verbundenheit, sondern maßgebend auf die mit der Gesellschafterstellung verbundene
Rechtsmacht abgestellt (BSG, aaO, S 58, 60). Weitergehend hatte allerdings der 3. Senat
bereits 1971 die Selbstständigkeit eines nicht zum (ggf weiteren) Geschäftsführer
bestellten Minderheitsgesellschafters angenommen, weil dieser in der betrieblichen Praxis
der mit ihm verheirateten Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin vollständig
gleichgestellt gewesen sei sowie sich faktisch als zweiter Geschäftsführer betätigt und
neben der hauptamtlichen Geschäftsführerin die GmbH nach außen vertreten hatte (BSG
SozR Nr 68 zu § 165 RVO; vgl auch BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK
9448). Noch darüber hinausgehend hat der 11. Senat des BSG eine selbstständige
Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer
bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten
(BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; in Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe vgl aber
BSG SozR Nr 22 zu § 165 RVO). Dabei ist der 11. Senat davon ausgegangen, dass für
einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft, der mit den Gesellschaftern
familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht komme,
wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem
Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran
hinderten (unter Hinweis auf BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170). Diese
Ausnahme solle - so der 11. Senat - auch gelten, wenn der Alleingesellschafter zugleich
Alleingeschäftsführer ist und die Tätigkeit der faktischen Leitung des Betriebes formal auf
der Ebene unter dem Geschäftsführer ausgeübt werde. Indessen lasse eine bloß
"probeweise" Leitung des Betriebs durch den als Unternehmensnachfolger vorgesehenen
Sohn eine (abhängige) Beschäftigung nicht entfallen. Wollten die Eltern, dass der Sohn
den Betrieb in der bisherigen Art fortführe, und erlaube es ihre Mitarbeit im Betrieb
verbunden mit ihrer Rechtsstellung als Gesellschafter und Geschäftsführer, diesen Willen
durchzusetzen, so habe für den Sohn die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne
einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des durch die bisherige
Betriebsführung vorgegebenen Rahmens frei bewegen durfte (BSGE 66, 168, 170 ff =
SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4 f; zu einer solchen Konstellation vgl auch LSG Baden-
Württemberg Urteil vom 18.5.2010 - L 11 KR 1423/08).
28 Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob der vom 11. Senat des BSG formulierten
Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt)
bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann oder ob - wofür
einiges spricht - der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden
Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch der 11. Senat
ausdrücklich hingewiesen hat, maßgebende Bedeutung beizumessen ist. Für Letzteres
spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen
Tätigkeit anstelle einer (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit
Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw
Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange
der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines
familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen
Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den
gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde (kritisch
aus diesem Grunde auch Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 124). Eine
solche "Schönwetter-Selbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der
Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich
hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass
es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die
Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der
Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für
die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des
Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (vgl SozR Nr 6 zu § 168 RVO;
SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103; zuletzt Urteil des Senats vom
27.7.2011 - B 12 R 15/09 R - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16).
29 Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit die Grundsätze über die rechtliche Relevanz
familiärer Rücksichtnahme auf den vorliegenden Fall einer GmbH & Co. KG - bestehend
aus natürlichen Personen und einer juristischen Person - überhaupt übertragbar sind.
Vorliegend bestanden "familiäre" Beziehungen des Klägers lediglich zu einem der beiden
Kommanditisten der Beigeladenen zu 1., nämlich seiner Mutter. Zu D. als weiterem
Mehrheits-Kommanditisten und gleichzeitigem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH
sind keine verwandtschaftlichen Beziehungen festgestellt worden. Zur Komplementär-
GmbH der Beigeladenen zu 1. sind verwandtschaftliche Beziehungen von vornherein
ausgeschlossen. Selbst zu den Gesellschaftern der Komplementär-GmbH der
Beigeladenen zu 1. bestanden nur teilweise verwandtschaftliche Beziehungen des
Klägers, nämlich soweit diese seine Eltern waren bzw nach dem Ausscheiden des Vaters
aus der Gesellschaft seine Mutter war. Die Mehrheit der Geschäftsanteile in der
Komplementär-GmbH wie auch die Mehrheit der Kommanditeinlagen lagen bei D.
30 bb) Die konkrete wirtschaftliche Situation bzw die faktische Verbindung der Beigeladenen
zu 1. zur Baumschule als "vorgeschaltetem" Einzelunternehmen sind schließlich ebenfalls
nicht geeignet, eine Selbstständigkeit des Klägers zu bejahen. Eine auch
sozialversicherungsrechtlich - möglicherweise - relevante wirtschaftliche Verflechtung der
Beigeladenen zu 1. zu der im streitigen Zeitraum vom Vater des Klägers betriebenen
Baumschule - beispielsweise innerhalb einer Konzernstruktur (vgl § 18 AktG) - haben die
Vorinstanzen nicht festgestellt. Eine Verbindung beider Unternehmen miteinander bestand
nach den Feststellungen lediglich insoweit, als die Baumschule der einzige Lieferant der
Beigeladenen zu 1. war. Diese wirtschaftliche Situation legt zwar die Annahme einer
wirtschaftlichen Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. von der Baumschule nahe. Hieraus
allein ergäbe sich aber keine Änderung der Beurteilung der Tätigkeit des Klägers für die
Beigeladene zu 1., da der Kläger im streitigen Zeitraum nicht Eigentümer bzw
Betriebsinhaber der Baumschule war. Er hatte seinerzeit lediglich die Aussicht, als
Hoferbe die Baumschule zu übernehmen, was jedoch erst später zum 1.1.2006 erfolgte.
31 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Anteil der zu erstattenden Kosten
entspricht dem Verhältnis der im streitigen Zeitraum für den Kläger zur gesetzlichen RV
und zur Arbeitsförderung zu entrichtenden Beiträge.