Urteil des BSG vom 13.11.2012
BSG: Krankenversicherung, Krankenhaus, Bauchspeicheldrüsentransplantation, Kodierung eines Versagens oder einer Abstoßung des Transplantats, Krankenkasse
BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 13.11.2012, B 1 KR 14/12 R
Krankenversicherung - Krankenhaus - Bauchspeicheldrüsentransplantation - Kodierung eines
Versagens oder einer Abstoßung des Transplantats - Krankenkasse - Befragung des
Versicherten über stationäre Behandlung - Offenlegung der Rechnungsstellung durch
Krankenhaus bei zweifelhafter und umstrittener Kodierung
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom
12. August 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 23 711,50 Euro festgesetzt.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Zahlung von
Krankenhausbehandlungskosten.
2 Der Kläger, ein Universitätsklinikum, nahm den bei der beklagten Krankenkasse (KK)
versicherten W. (im Folgenden: Versicherter) am 30.4.2007 wegen einer simultanen Nieren-
und Bauchspeicheldrüsentransplantation stationär auf und operierte ihn am nächsten Tag.
Der Versicherte war sofort dialysefrei, bedurfte alsbald jedoch einer Insulintherapie und
erhielt wegen des Verdachts einer Abstoßung des Bauchspeicheldrüsentransplantats auch
eine Cortisonstoßtherapie. Danach war der sonografische Befund regelrecht. Auch das
organgerecht arbeitende Nierentransplantat zeigte keine Abstoßungsreaktion. Fünf Tage
vor der Entlassung (28.5.2007) war der Versicherte insulinfrei. Der Kläger berechnete der
Beklagten für die Behandlung des Versicherten nach der Fallpauschale (Diagnosis Related
Group) DRG A02A (Transplantation von Niere und Pankreas mit Transplantatabstoßung)
einschließlich weiterer Leistungen und Zuschläge insgesamt 57 996,37 Euro (Rechnung
vom 14.6.2007). Die Beklagte ging nach Befragung des Versicherten von der niedriger
bewerteten DRG A02B (Transplantation von Niere und Pankreas ohne
Transplantatabstoßung) aus. Die Abrechnung des Klägers beruhe auf einer Fehlkodierung.
Das Pankreastransplantat habe weder versagt noch sei es abgestoßen worden. Sie machte
dies gegenüber dem Kläger geltend und zahlte lediglich 34 284,87 Euro. Das SG hat die
Klage auf Zahlung weiterer 23 711,50 Euro abgewiesen (Urteil vom 13.10.2009). Das LSG
hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem Kläger
stehe kein weitergehender Anspruch zu, weil eine verzögerte Funktionsaufnahme des
Transplantats kein Versagen darstelle. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die
Beklagte mit ihrem Vorbringen nicht gemäß § 275 Abs 1c S 2 SGB V ausgeschlossen. Die
Regelung finde auf Fragen der richtigen Kodierung bei unstreitigem Sachverhalt keine
Anwendung. Der Anspruch des Klägers könne auch nicht aus § 19 des auf § 112 Abs 2 S 1
SGB V beruhenden Landesvertrages (LV) hergeleitet werden (Urteil vom 12.8.2011).
3 Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung des § 109 Abs 4 S 3 SGB V iVm der auf
Bundesebene getroffenen Fallpauschalenvereinbarung (FPV) 2007 und ihrer Anlage 1
(Fallpauschalen-Katalog), des § 19 LV sowie des § 275 Abs 1 und Abs 1c S 2 SGB V. Die
Vergütungsforderung bestehe zu Recht. ICD-10 T86.82 sei auch bei einer verzögerten
Funktionsaufnahme des Transplantats und bei einem Abstoßungsverdacht zu kodieren. Die
Beklagte sei im Übrigen nach § 275 Abs 1c S 2 SGB V und § 19 Abs 2 LV mit ihrem
Vorbringen ausgeschlossen.
4 Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. August 2011 und das
Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen, an den Kläger für die stationäre Behandlung des Versicherten W. vom 30. April
bis 28. Mai 2007 weitere 23 711,50 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Juli 2007 zu zahlen.
5 Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
6 Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
7 Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend
entschieden, dass das klagende Krankenhaus gegen die beklagte KK keinen Anspruch
auf Zahlung weiterer 23 711,50 Euro hat.
8 Die vom Kläger im Gleichordnungsverhältnis erhobene (echte) Leistungsklage ist zulässig
(vgl BSGE 90, 1 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 20; BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr
12, RdNr 10 mwN; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN; BSGE 104,
15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12), aber unbegründet. Der Kläger hat gegen die
Beklagte keinen Anspruch auf weitere 23 711,50 Euro Vergütung. Weder hat er diesen
Anspruch aufgrund der von ihm für den Versicherten erbrachten Leistungen erworben
(dazu 1.) noch ist die Beklagte mit dem Vorbringen der fehlerhaft kodierten ICD-10-
Diagnose gegen den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ausgeschlossen. Die
Beklagte war berechtigt, die Auskunft des Versicherten, der die Funktionsfähigkeit seiner
Transplantate bestätigte, zu verwerten. Die vom Kläger in das gerichtliche Verfahren
eingeführte Epikrise vom 28.5.2007 unterliegt keinem Verwertungsverbot (dazu 2.).
9 1. Der Kläger hat der Beklagten 23 711,50 Euro Krankenhausvergütung zu viel in
Rechnung gestellt. Der Kläger hat zwar gegen die Beklagte einen Vergütungsanspruch für
die Behandlung ihres Versicherten erworben (dazu a). Der Anspruch ist aber nicht höher
als die von der Beklagten bereits gezahlten 34 284,87 Euro. Die konkrete Anspruchshöhe
ergibt sich aus der niedriger vergüteten DRG A02B und nicht aus der vom Kläger in
Rechnung gestellten DRG A02A (dazu b). Weitere vom Kläger abgerechnete und von der
Beklagten bezahlte Vergütungsbestandteile sind nicht Gegenstand des Rechtsstreits
(allgemein zu weiteren Vergütungsbestandteilen vgl § 7 S 1 Nr 2 - 8
Krankenhausentgeltgesetz ; idF durch Art 2 Nr 5 Zweites Gesetz zur Änderung
der Vorschriften zum diagnose-orientierten Fallpauschalensystem für Krankenhäuser und
zur Änderung anderer Vorschriften
FPÄndG> vom 15.12.2004, BGBl I 3429). Streitig ist allein die zu vergütende DRG.
10 a) Die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung sind erfüllt.
Die Beklagte ist - was sie auch nicht bestreitet - verpflichtet, die stationäre
Krankenhausbehandlung ihres Versicherten im Universitätsklinikum des Klägers vom
30.4. bis 28.5.2007 zu vergüten. Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht -
unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung
durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem
zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB V
erforderlich ist (stRspr, vgl BSGE 70, 20, 22 = SozR 3-2500 § 39 Nr 1 S 3; BSG SozR 3-
2500 § 39 Nr 4 S 19; BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 3; BSGE 90, 1, 2 =
SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 20; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11;
BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr
11; BSG SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 11; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2,
RdNr 13). Die Vorinstanzen sind zu Recht hiervon ausgegangen und haben festgestellt,
dass diese Voraussetzungen erfüllt sind.
11 Die vom Kläger geltend gemachte Krankenhausvergütung bemisst sich nach vertraglichen
Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für
Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich
gesetzlich aus § 109 Abs 4 S 3 SGB V (idF durch Art 1 Nr 3 Gesetz zur Einführung des
diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser vom 26.3.2007, BGBl I 378; vgl Fallpauschalen-Katalog
FPG> vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 KHEntgG (idF durch 2. FPÄndG vom
15.12.2004, BGBl I 3429) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG; idF durch Art
18 Nr 4 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung
entsprechend BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 14 RdNr 15). Der Anspruch wird auf
Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge) konkretisiert. Im
vorliegenden Fall sind die am 19.9.2006 getroffene Vereinbarung zum
Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2007 (Fallpauschalenvereinbarung
2007 - FPV 2007) einschließlich der Anlagen 1 bis 6 (insbesondere Anlage 1 Teil a)
2007) und die von den Vertragspartnern auf Bundesebene am 19.9.2006 getroffene
Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2007 (Ergänzungsvereinbarung 2007 zur
Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien Version 2002 für das G-DRG-System
gemäß § 17b KHG, zuletzt geändert durch die Ergänzungsvereinbarung 2006
2007>) maßgebend (zu deren normativer Wirkung vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 §
17b Nr 2, RdNr 18).
12 Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem
schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen
von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches
Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (zur rechtlichen Einordnung des
Groupierungsvorgangs vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 19 ff). Nach §
1 Abs 6 S 1 FPV 2007 sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalls in die
jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen
sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im
Krankenhaus, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 S 1 KHG und § 9 Abs 1
S 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind.
13 Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf
Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart
sind (zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten
Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle
vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst,
aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom
Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des
Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung (hier in
der Version 2007 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur
Anwendung des Diagnosenschlüssels vom 1.11.2006, BAnz Nr 212 vom 11.11.2006, S
6919, in Kraft getreten am 1.1.2007 ) sowie die Klassifikation des vom
DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels
(hier in der Version 2007 einschließlich Erweiterungskatalog vom 25.10.2006 idF der
Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des
Operationen- und Prozedurenschlüssels vom 1.11.2006, BAnz Nr 212 vom 11.11.2006, S
6920, in Kraft getreten am 1.1.2007 ). Die Verbindlichkeit der in dem
jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem
Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (vgl BSGE 109, 236 =
SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 24).
14 Die Anwendung der DKR und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des
ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der
prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter
Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der
Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer
Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines
vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch
systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die
routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren
Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu
vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere
Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets
eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen
Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer
Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-
5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; zur Auslegung von medizinischen Begriffen im OPS vgl BSG
Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - RdNr 12 ff, zur Veröffentlichung in SozR
vorgesehen). Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich
weiterzuentwickelndes (§ 17b Abs 2 S 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist,
sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die
Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSGE 109, 236
= SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27 mwN).
15 b) Der Kläger durfte die erfolgte stationäre Behandlung des Versicherten - ausgehend von
den dargelegten generellen Vorgaben - nicht nach DRG A02A (Transplantation von Niere
und Pankreas mit Transplantatabstoßung), sondern nur nach der niedriger vergüteten
DRG A02B (Transplantation von Niere und Pankreas ohne Transplantatabstoßung)
abrechnen. Die Behandlung des Versicherten erfüllt die Voraussetzungen des ICD-10-GM
2007 T86.82 (Versagen und Abstoßung sonstiger transplantierter Organe und Gewebe -
Pankreastransplantat), der DRG A02B ansteuert (dazu aa), im vorliegenden Fall nicht
(dazu bb).
16 aa) Nach der Entscheidungslogik des Groupierungsvorgangs (vgl dazu BSGE 109, 236 =
SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 29) führt die Hauptdiagnose ICD-10-GM 2007 N18.0
(Terminale Niereninsuffizienz) zur Hauptdiagnosegruppe 11 "Krankheiten und Störungen
der Harnorgane" (Major Diagnostic Category 11 ). Im vorliegenden Fall
bewirken jedoch die zu kodierenden OPS eine Zuweisung zu einer Prä-MDC. OPS 2007
5-528.2 (Transplantation des Pankreas ) und 5-555.1
(Nierentransplantation - Allogen, Leichenniere) steuern ADRG A02 (Transplantation von
Niere und Pankreas) an, die ihrerseits Bestandteil der Prä-MDC ist. Aus der ADRG A02 ist
wie folgt die endgültige DRG zu ermitteln (vgl zum Ganzen G-DRG-Version 2007,
Definitionshandbuch, Kompaktversion Bd I, S 49 und 53):
17
A02A
Ja
Transplantation von Niere und Pankreas Transplantat-
Abstoßung
Nein A02B
18 Die hier allein in Betracht kommende Diagnose ICD-10-GM 2007 T86.82 (Versagen und
Abstoßung sonstiger transplantierter Organe und Gewebe - Pankreastransplantat) vermag
A02A anzusteuern.
19 bb) Die Voraussetzungen des ICD-10-GM 2007 T86.82 lagen hier nicht vor. Weder
versagte das Pankreastransplantat des Versicherten noch wurde es abgestoßen.
20 Der Wortlaut der Diagnose ICD-10-GM 2007 T86.82 benennt das Versagen und die
Abstoßung als alternative Transplantationsergebnisse. Dies folgt schon daraus, dass ICD-
10-GM 2007 eingangs zu T86.- (Versagen und Abstoßung von transplantierten Organen
und Geweben) folgenden Hinweis gibt: "Das Versagen der abgestoßenen Organe und
Gewebe (z.B. ein akutes Nierenversagen bei Abstoßung eines Nierentransplantates) ist in
der Schlüsselnummer enthalten und daher nicht gesondert zu kodieren." Danach kann
eine akute oder perakute Abstoßungsreaktion das sofortige Versagen des Transplantats
einschließen. Hingegen muss nicht jedes Versagen eines Transplantats auf einer
Abstoßungsreaktion beruhen. Auch kann bei einer chronisch verlaufenden
Abstoßungsreaktion das Versagen des Transplantats das Ergebnis eines längeren,
progredienten Prozesses sein. Hingegen bedeutet Versagen nach seinem Wortlaut den
Verlust der physiologischen Funktionen des transplantierten Organs als Dauerzustand.
Ein vorübergehender Funktionsausfall ist hingegen nur eine Funktionsstörung.
21 Maßgeblich gestützt wird diese Wortlautauslegung durch die Binnensystematik des Titels
"Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, anderenorts
nicht klassifiziert (T80-T88)". So unterscheidet die vierstellige Ebene zB beim
Nierentransplantat (ICD-10-GM 2007 T86.1- Funktionsstörung, Versagen und Abstoßung
eines Nierentransplantates) zwischen verzögerter Aufnahme der Transplantatfunktion,
akuter und chronischer Funktionsverschlechterung, akuter und chronischer Abstoßung
sowie sonstiger und nicht näher bezeichneter Funktionsstörung, Versagen und
Abstoßung. Eine ähnliche Differenzierung umschreibt unterschiedliche Komplikationen
bei Lebertransplantaten (ICD-10-GM 2007 T86.4- Funktionsstörung, Versagen und
Abstoßung eines Lebertransplantates). Dergleichen findet sich beim Pankreastransplantat
(ICD-10-GM 2007 T86.82) nicht. Diese Regelung ist einer erweiternden Auslegung oder
gar Analogiebildung im Sinne der Gleichstellung der Funktionsstörung mit dem Versagen
des Transplantats nicht zugänglich.
22 Nach den unangegriffenen und deshalb den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) versagte die transplantierte Bauchspeicheldrüse während des stationären
Aufenthalts in diesem Sinne nicht. Sie funktionierte nur zeitweise nicht oder in nicht
hinreichendem Maße. Hingegen erhielt der Versicherte bei Entlassung aus der stationären
Behandlung bereits seit fünf Tagen keine Insulingaben mehr. Ebensowenig kam es zu
einer Abstoßung. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, es habe der
Verdacht einer Abstoßungsreaktion bestanden. Zwar erhielt der Versicherte tatsächlich
wegen des Verdachts einer Abstoßungsreaktion eine Cortisonstoßtherapie. Dies erfüllte
aber nicht die Voraussetzungen einer Verdachtsdiagnose im Rechtssinne. Die vom Kläger
angeführte Kodierregel D008b der DKR 2007 bestimmt nämlich, dass
Verdachtsdiagnosen nur solche Diagnosen sind, die am Ende eines stationären
Aufenthaltes weder sicher bestätigt noch sicher ausgeschlossen sind.
Verdachtsdiagnosen sind nur unter dieser Voraussetzung kodierfähig. Der Verdacht einer
Abstoßung bestand beim Versicherten im Zeitpunkt der Entlassung aber gerade nicht
mehr. Infolgedessen kommt es auch nicht auf die weitere Frage an, ob ICD-10-GM 2007
T86.82 als Nebendiagnose kodierfähig ist.
23 Soweit der Kläger vorbringt, es sei falsch, davon auszugehen, dass der medizinische
Sachverhalt geklärt sei, wendet er sich letztlich nicht gegen die Feststellung, dass der
Versicherte mit einer funktionierenden, nicht abgestoßenen Bauchspeicheldrüse aus der
stationären Behandlung entlassen worden ist. Er verwahrt sich vielmehr gegen die
Auffassung der Beklagten und der Vorinstanzen, dass eine Hinzuziehung des MDK zur
Klärung des konkreten Krankheitsverlaufs während der stationären Behandlung nicht
erforderlich gewesen sei. Hiermit rügt der Kläger nicht einen Verstoß des LSG gegen die
Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 103 SGG), sondern greift lediglich
die zutreffende Rechtsauffassung des LSG zur Auslegung des ICD-10-GM 2007 T86.82
und der Anwendbarkeit des § 275 Abs 1c S 2 SGB V an (zu letzterem sogleich unter 2. b).
24 2. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung weiterer 23 711,50 Euro ergibt sich auch weder
aus den Vorschriften des Landesvertrags (Vertrag nach § 112 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V -
Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung - geschlossen zwischen der
Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft einerseits und der Beklagten und
den übrigen Krankenkassenverbänden im Land Baden-Württemberg andererseits mit dem
durch die Entscheidung der Landesschiedsstelle vom 21.9.2005 festgesetzten Inhalt, im
Folgenden: LV; dazu a) noch infolge von Beweisverwertungsverboten auf gesetzlicher
Grundlage, die Einwendungen gegen die Abrechnung ausschließen (dazu b).
25 a) § 19 Abs 1 S 1 LV gibt für den Kläger nichts her. Die Norm bestimmt lediglich, dass die
KK die Rechnung innerhalb von 30 Tagen nach Übermittlung des Rechnungssatzes zu
bezahlen hat. Hierbei handelt es sich um eine bloße Fälligkeitsvorschrift, wie das LSG
zutreffend festgestellt hat. Es kann offenbleiben, ob es sich bei dem LV um revisibles
Recht handelt (§ 162 SGG), da der erkennende Senat in diesem Falle zu keiner anderen
Auslegung kommt als das LSG.
26 § 19 Abs 2 S 2 LV regelt unter anderem, dass Einwendungen gegen die Art der
Abrechnung nur innerhalb von sechs Monaten nach Rechnungszugang geltend gemacht
werden können. Hieraus kann der Kläger indes nichts für den von ihm geltend gemachten
Anspruch ableiten. Die Regelung verstößt gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot und ist
nichtig (vgl dazu Urteil des erkennenden Senats vom 13.11.2012 - B 1 KR 27/11 R - RdNr
35 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
27 b) Der Beklagten ist es nicht aufgrund von § 275 Abs 1c S 2 SGB V verwehrt, die in der
Abrechnung des Klägers erlöswirksam berücksichtigte Diagnose ICD-10-GM 2007 T86.82
- zu Recht wie unter 1. b) dargestellt - aufgrund der Auskunft des Versicherten und der vom
Kläger im Berufungsverfahren übersandten Epikrise als falsch kodiert anzusehen und
deswegen unberücksichtigt zu lassen. Der Kläger kann dieses Vorbringen der Beklagten
gegen die Abrechnung weder wegen eines Verstoßes gegen das prüfrechtliche (dazu aa)
noch gegen das kompensatorische Beschleunigungsgebot (dazu bb) abwehren. Ein
Verwertungsverbot der beim Versicherten eingeholten Auskunft ergibt sich auch nicht aus
datenschutzrechtlichen Vorschriften. Ein daraus abzuleitendes Verwertungsverbot der
vom Kläger in das gerichtliche Verfahren eingeführten Epikrise besteht nicht (dazu cc).
28 aa) Der erkennende 1. Senat des BSG sieht in Übereinstimmung mit dem 3. Senat des
BSG in § 275 Abs 1c SGB V ein prüfrechtliches Beschleunigungsgebot. § 275 Abs 1c S 1
SGB V ordnet in Bezug auf die Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V an, dass eine
Prüfung nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V "zeitnah" durchzuführen ist. Dieses wird in § 275
Abs 1c S 2 SGB V für den ersten Prüfabschnitt dahin präzisiert, dass eine Prüfung
spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der KK einzuleiten und
durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen ist (vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 §
275 Nr 3, RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 4 RdNr 10; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B
3 KR 14/11 R - Juris RdNr 11, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 109 Nr 24
vorgesehen). Leitet die KK die Prüfung nicht spätestens sechs Wochen nach Eingang der
Abrechnung bei ihr ein und zeigt der MDK die Einleitung der Prüfung dem Krankenhaus
nicht oder nicht rechtzeitig nach § 275 Abs 1c S 2 SGB V an, bewirkt dies ein sich auch
auf Gerichtsverfahren erstreckendes Beweisverwertungsverbot (vgl BSG Urteil vom
16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R - Juris RdNr 30, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-
2500 § 109 Nr 24 vorgesehen). Das Beweisverwertungsverbot des § 275 Abs 1c S 2 SGB
V knüpft an die Einleitung eines MDK-Prüfverfahrens mit dem Ziel einer
Abrechnungsminderung an (zum Regelungszusammenhang vgl BSGE 106, 214 = SozR
4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 15), das auch zum Gegenstand hat, dass das Krankenhaus im
Rahmen einer Einzelfallprüfung Sozialdaten des nach § 39 SGB V behandelten
Versicherten dem MDK zur Verfügung stellt. Die Beklagte hat dem MDK keinen
Prüfauftrag erteilt (dazu unter (1)). Die Beklagte muss sich auch nicht entgegenhalten
lassen, sie hätte dem MDK zur rechtmäßigen Informationsbeschaffung einen Prüfauftrag
erteilen müssen. Die Einleitung eines MDK-Prüfverfahrens zu diesem Zweck setzt voraus,
dass das Krankenhaus überhaupt seine primären Informationspflichten ordnungsgemäß
erfüllt hat und danach noch Ungewissheiten im Tatsächlichen verbleiben, die nicht durch
die zulässige Erhebung von Daten bei Dritten beseitigt werden können. Hier erfüllte der
Kläger seine Informationspflichten erst im Berufungsverfahren. Danach war der
Sachverhalt geklärt (dazu unter (2)).
29 (1) Wie der erkennende 1. Senat seiner Rechtsprechung zugrunde legt (vgl BSGE 106,
214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 13, 21) und der 3. Senat des BSG bereits mehrfach
entschieden hat (vgl nur BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R - Juris RdNr 18 ff
mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 109 Nr 24 vorgesehen; BSG
Urteil vom 16.5.2012 - B 3 KR 12/11 R - Juris RdNr 14 mwN, zur Veröffentlichung in SozR
4-2500 § 275 Nr 5 vorgesehen), bestehen im Verhältnis zwischen Krankenhäusern, KKn
und dem MDK Auskunfts- und Prüfpflichten auf drei Ebenen: Auf der ersten Stufe der
Sachverhaltserhebung hat das Krankenhaus zunächst alle Angaben nach § 301 Abs 1
SGB V zu machen, und zwar zutreffend und vollständig. Erschließen sich die
Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung oder weitere Abrechnungsvoraussetzungen
den - medizinisch in der Regel nicht besonders ausgebildeten - Mitarbeitern der KK
aufgrund der gebotenen Angaben nach § 301 SGB V oder eines etwaigen Kurzberichts
nicht selbst, ist auf der zweiten Stufe der Sachverhaltserhebung ein Prüfverfahren nach §
275 Abs 1 Nr 1 SGB V einzuleiten. Danach ist beim MDK eine gutachtliche
Stellungnahme einzuholen, wenn die vom Krankenhaus erteilten und ansonsten zur
Verfügung stehenden Informationen zur Prüfung insbesondere von Voraussetzung, Art
und Umfang der Krankenhausbehandlung nicht ausreichen. Dazu hat die KK dem MDK
gemäß § 276 Abs 1 S 1 SGB V alle in ihrem Verfügungsbereich befindlichen und zur
Begutachtung erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Im Rahmen einer nach diesen
Voraussetzungen ordnungsgemäß eingeleiteten Prüfung hat das Krankenhaus schließlich
auf der dritten Stufe der Sachverhaltserhebung - wenn sich also unter Auswertung der auf
der ersten und zweiten Stufe verfügbaren Sozialdaten kein abschließendes Ergebnis
finden lässt - nach § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB V dem MDK auch über die Daten nach §
301 SGB V und einen etwaigen Kurzbericht hinaus alle weiteren Angaben zu erteilen und
Unterlagen vorzulegen, die im Einzelfall zur Beantwortung der Prüfanfrage der KK benötigt
werden. MDK-Prüfungen nach § 275 Abs 1c S 1 SGB V, die sich auf von den
Krankenhäusern zur Verfügung gestellte Sozialdaten der Versicherten stützen sollen,
betreffen nur diese dritte Stufe (zur Möglichkeit der gezielten Abrechnungsprüfung durch
den MDK wegen Auffälligkeiten vgl BSG Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R - RdNr
18, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
30 Die Beklagte hat hier schon die erste Stufe nicht überschritten. Unerheblich ist insoweit,
dass die Beklagte sich selbst beim Versicherten nach dessen Gesundheitszustand
erkundigte. Auch Schritte der KK, die im Vorfeld bloß abklären sollen, ob überhaupt ein
Prüfverfahren iS von § 275 Abs 1c S 1 SGB V einzuleiten ist, rechnen noch zur ersten
Stufe. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Informationsbeschaffung ohne Mithilfe des MDK
- wie hier - datenschutzrechtlich zulässig (dazu unter 2 b cc) und die Auswertung der
gewonnenen Informationen ohne Hilfe des MDK möglich ist. Dies ist hier der Fall. Der
Beklagten kam es ausgehend von ihrer zutreffenden Auslegung des ICD-10-GM 2007
T86.82 nur darauf an, in Erfahrung zu bringen, dass die Transplantate weder abgestoßen
wurden noch versagt haben.
31 (2) Der 1. Senat des BSG sieht wie der 3. Senat des BSG die ordnungsgemäße
Information der KK über die vom Krankenhaus abgerechnete Versorgung nach Maßgabe
der Mitwirkungsobliegenheiten insbesondere aus § 301 SGB V sowie ggf ergänzenden
landesvertraglichen Bestimmungen als verfahrensrechtliches Gegenstück an zur
Verantwortung der KKn für die beschleunigte Prüfung und Bezahlung der
Krankenhausrechnungen. Eine ordnungsgemäße Information der KK ist unverzichtbare
Grundlage und Bestandteil einer ordnungsgemäßen Abrechnung. Fehlt es an einer dieser
Angaben, so tritt mangels formal ordnungsgemäßer Abrechnung bereits die Fälligkeit der
abgerechneten Forderung nicht ein. Die Frist des § 275 Abs 1c S 2 SGB V beginnt nicht
zu laufen (vgl BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R - Juris RdNr 32 f, zur
Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 109 Nr 24 vorgesehen). In Fällen, in denen
die vom Krankenhaus vorgenommene Auslegung und Anwendung von
Abrechnungsvorschriften - wie hier - offenkundig zweifelhaft (oder gar offen umstritten) ist,
gebietet § 301 Abs 1 SGB V dem Krankenhaus, der KK die entsprechenden Sachverhalte
nachvollziehbar mitzuteilen, die es zu seiner Auslegung der Abrechnungsvorschriften
veranlasst haben. Nur so wird das Krankenhaus seinen Informationspflichten gerecht und
schafft damit die unerlässliche Basis dafür, dass die KK der Abrechnung vertrauen kann.
32 Der Kläger erfüllte diese Informationspflichten jedenfalls mit der Einführung der Epikrise
vom 28.5.2007 in das Berufungsverfahren. Hiermit bestätigte er die beim Versicherten
eingeholte Information, dass das Pankreastransplantat bei Entlassung aus der stationären
Behandlung organgerecht funktionierte und es keine Hinweise auf eine Abstoßung im
dargelegten Rechtssinne gab.
33 Mit ihrer Vorgehensweise umging die Beklagte nicht etwa den mit § 275 Abs 1c SGB V
verfolgten Regelungszweck, sondern entsprach ihm gerade in besonderer Weise. Sie darf
sich auf die vom Versicherten erlangte Kenntnis berufen. § 275 Abs 1c SGB V soll das
Krankenhaus nur vor einem unangemessenen Mehraufwand durch MDK-Prüfungen
schützen (vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 23 f; BSG Urteil des
erkennenden Senats vom 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R - RdNr 32 mwN, zur
Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Es widerspräche hingegen dem Sinn
der Vorschrift und dem Regelungssystem, wenn die KK gezwungen wäre, auch in solchen
Fällen den MDK zur Datenerhebung beim Krankenhaus einzuschalten, in denen das
Krankenhaus seinen primären Informationspflichten nicht ausreichend nachgekommen ist
und die KK das Krankenhaus sogar durch anderweit in datenschutzrechtlich zulässiger
Weise eingeholte Sozialdaten auf diesen Missstand hingewiesen hat, wie dies hier durch
die Bezugnahme auf die beim Versicherten eingeholten Auskünfte geschehen ist.
34 bb) Auch das kompensatorische Beschleunigungsgebot, das die Vorleistungspflicht der
Krankenhäuser durch kurze Zahlungsfristen für KKn ohne Beweislastumkehr ausgleicht
(vgl dazu Urteil des erkennenden Senats vom 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R - RdNr 27 f,
zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), begründet kein Verwertungsverbot.
Fehlt es an einer der notwendigen Angaben nach § 301 SGB V, so wird - wie dargelegt -
die abgerechnete Forderung bereits mangels formal ordnungsgemäßer Abrechnung nicht
fällig. Das kompensatorische Beschleunigungsgebot hindert KKn lediglich daran,
Abschlagszahlungen mit dem bloßen Argument zu verweigern, es sei nicht
auszuschließen, dass eine - noch nicht abgeschlossene - Prüfung künftig ergeben könnte,
die erbrachte Leistung sei nicht erforderlich gewesen.
35 cc) Die vom Versicherten erlangten Sozialdaten sind auch datenschutzrechtlich eine
zulässige und geeignete Grundlage dafür, die ordnungsgemäße Erfüllung der
Informationspflichten nach § 301 SGB V zu überprüfen. Die Epikrise vom 28.5.2007, die
der Kläger - zu Recht - wegen der Angaben des Versicherten in das gerichtliche Verfahren
eingeführt hat, unterliegt keinem Verwertungsverbot, das an Auskunftsregelungen für
Versicherte anknüpft. Ein solches Verwertungsverbot ergibt sich nämlich aus
datenschutzrechtlichen Vorschriften nicht. Datenschutzrechtlich war es der Beklagten
erlaubt, sich bei ihrem Versicherten nach seinem Gesundheitszustand zu erkundigen und
von ihm Sozialdaten zu erheben. Das Gesetz lässt diese Form der Datenerhebung zu. So
verlangt § 67a Abs 2 S 1 SGB X, dass Sozialdaten beim Betroffenen zu erheben sind. §
276 Abs 1 S 2 SGB V setzt mittelbar voraus, dass ein Versicherter über seine
Mitwirkungspflicht nach den §§ 60, 65 SGB I hinaus seiner KK freiwillig (medizinische)
Unterlagen überlassen darf. Dies erfasst auch eine - wie hier - telefonisch erteilte Auskunft.
Die Befugnis zur Erhebung und Speicherung als solche ist durch § 67b Abs 1 S 1 SGB X
iVm § 284 Abs 1 S 1 Nr 8 SGB V gedeckt. Hiernach dürfen die KKn Sozialdaten erheben
und speichern, soweit diese für die Abrechnung mit den Leistungserbringern
einschließlich der Prüfung der Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnung
erforderlich sind. Die Beklagte durfte auf dieser Grundlage die Angaben des Versicherten
über das Ergebnis der Transplantation erheben und die erhobenen Daten gemäß § 284
Abs 3 S 1 SGB V auch verarbeiten und nutzen (zu den Begriffen vgl § 67 Abs 6 und 7 SGB
X), indem sie die erhobenen Daten auswertete und dem Kläger zum Zwecke der
Rechnungsminderung übermittelte. Die Beklagte handelte nämlich, um ihre Aufgaben
nach § 284 Abs 1 S 1 Nr 8 SGB V zu erfüllen. Lediglich die Weitergabe an den hier (auch
nicht auf der zweiten Stufe) beauftragten MDK hätte gemäß § 276 Abs 1 S 3 SGB V der
wirksamen, grundsätzlich Schriftform erfordernden Einwilligung nach § 67b Abs 2 SGB X
bedurft.
36 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2
VwGO, diejenige über den Streitwert aus § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2,
§ 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 und 2 GKG.