Urteil des BSG vom 29.03.2017
BSG (psychotherapie, kläger, versorgung, behandlung, verhältnis zu, krankenversicherung, qualifikation, eintragung, eignung, anerkennung)
BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 28.10.2009, B 6 KA 45/08 R
Vertragspsychotherapeutische Versorgung - Übergangsrecht nach § 12 PsychThG -
Fachkundenachweises für Eintragung ins Arztregister - zugelassene
Behandlungsverfahren - Nichtberücksichtigung der Gesprächspsychotherapie -
Verfassungsmäßigkeit des § 95c S 2 Nr 3 SGB 5 - Unzulässigkeit eines erstmals im
Revisionsverfahren gestellten Antrages
Leitsätze
Die übergangsrechtlich nach § 12 des zum 1.1.1999 in Kraft getretenen
Psychotherapeutengesetzes approbierten Psychotherapeuten können den
Fachkundenachweis als Voraussetzung für ihre Eintragung in das Arztregister nur für die bis
Ende 1998 in der vertragsärztlichen Versorgung tatsächlich zugelassenen
Behandlungsverfahren führen; dazu gehört die Gesprächspsychotherapie nicht. Ob der
Gemeinsame Bundesausschuss diesem Behandlungsverfahren im Jahre 2008 zu Recht auch
weiterhin die Eignung für den Einsatz in der vertragsärztlichen Versorgung abgesprochen hat,
ist insoweit ohne Bedeutung.
Tatbestand
1 Umstritten ist eine Eintragung in das Arztregister.
2 Der 1950 geborene Kläger hat ein Fachhochschulstudium der Sozialpädagogik im Jahr
1978 abgeschlossen und ist seit dem 4.1.1999 als Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeut approbiert. Er ist als Gutachter für Familiengerichte und als
freier Mitarbeiter in einem kindertherapeutischen Zentrum tätig. Im Juni 2002 beantragte er
die Eintragung in das bei der Rechtsvorgängerin der beklagten Kassenärztlichen
Vereinigung geführte Arztregister. Zur Begründung verwies er auf seine Qualifikation im
Verfahren der personenzentrierten Psychotherapie (Gesprächspsychotherapie), die vom
"Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie" als Behandlungsverfahren anerkannt worden
sei. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die
Eintragung in das Arztregister setze neben der Approbation nach § 2 bzw § 12
Psychotherapeutengesetz (PsychThG) den Nachweis der Fachkunde voraus. Dieser sei nur
geführt, wenn ein übergangsrechtlich nach § 12 PsychThG approbierter Psychotherapeut die
für die Approbation geforderte Qualifikation in einem durch den zu 1. beigeladenen
Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) anerkannten Richtlinienverfahren erworben habe.
Mit den von ihm vorgelegten Unterlagen habe der Kläger seine Befähigung nicht
nachgewiesen. Den Widerspruch des Klägers wies die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit
der Begründung zurück, die Gesprächspsychotherapie sei nach Maßgabe der
Psychotherapie-Richtlinien (PsychThRL) kein anerkanntes Behandlungsverfahren.
3 Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Kläger könne den
Fachkundenachweis nach § 95c SGB V nicht führen, weil er seine Fachkunde lediglich für
die Gesprächspsychotherapie erworben habe. Diese habe der G-BA jedoch nicht als
Behandlungsverfahren im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannt, und
sie sei auch nach dem bis zum 31.12.1998 geltenden Rechtszustand nicht Gegenstand der
Leistungspflicht der Krankenversicherung gewesen. Der Kläger könne mit seinem Begehren
nur Erfolg haben, wenn der zu 1. beigeladene G-BA gesetzlich verpflichtet wäre, den Katalog
der anerkannten Behandlungsverfahren um die Gesprächspsychotherapie zu ergänzen. Ein
dahin gehender Rechtsanspruch stehe dem Kläger nicht zu, auch nicht unter dem
Gesichtspunkt des Systemversagens (Urteil vom 20.8.2003).
4 Das vom Kläger eingeleitete Berufungsverfahren hat von November 2005 bis Sommer 2008
im Einverständnis der Beteiligten geruht, weil die Entscheidung des zu 1. beigeladenen G-
BA über die Anerkennung der Gesprächspsychotherapie als Behandlungsverfahren im
Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung abgewartet werden sollte. Am 24.4.2008
bekräftigte der G-BA seinen bisher eingenommenen Standpunkt, dass die
Gesprächspsychotherapie nicht als ein zur Krankenbehandlung geeignetes Verfahren iS des
§ 92 Abs 6a iVm § 135 Abs 1 SGB V anerkannt werden könne. Dieser Beschluss wurde von
dem Gesundheitsministerium der zu 3. beigeladenen Bundesrepublik Deutschland nicht
beanstandet.
5 Das Landessozialgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat die
Entscheidung damit begründet, auf die vom Kläger in den Mittelpunkt seiner Argumentation
gerückte (vermeintliche) Rechtswidrigkeit der Entscheidung des zu 1. beigeladenen G-BA
vom 24.4.2008 komme es für das Begehren auf Eintragung in das Arztregister nicht an.
Selbst wenn der G-BA fehlerhaft zu Lasten der Gesprächspsychotherapie als
Behandlungsverfahren entschieden haben sollte, erfülle der Kläger die Voraussetzungen für
die Eintragung nicht. Nach wie vor sei die Gesprächspsychotherapie nicht positiv als ein im
Rahmen der Krankenbehandlung anzuwendendes Behandlungsverfahren anerkannt, und
solange das nicht der Fall sei, könne mit einer nachgewiesenen Qualifikation in
Gesprächspsychotherapie der Fachkundenachweis nicht geführt werden. Eine abweichende
Beurteilung komme nur in Betracht, wenn dem G-BA keinerlei Gestaltungsfreiheit verbliebe,
es also nach den vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen offensichtlich sei, dass die
Gesprächspsychotherapie die Voraussetzungen für die Anerkennung nach § 92 Abs 6a SGB
V erfülle. Davon könne im Hinblick auf die sehr kontroversen Beurteilungen der Eignung der
Gesprächspsychotherapie, auf die der G-BA in den "tragenden Gründen" seines
Beschlusses ausdrücklich hingewiesen habe, nicht die Rede sein.
6 Auf den Gesichtspunkt des Systemversagens, der in der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) im Hinblick auf (noch) nicht anerkannte Behandlungsmethoden
iS des § 135 Abs 1 SGB V sowie fehlende Entscheidungen des G-BA entwickelt worden sei,
könne der Kläger sein Begehren nicht stützen. Unter dem Gesichtspunkt des
Systemversagens könnten lediglich Versicherte gegenüber ihrer Krankenkasse Ansprüche
auf Übernahme der Kosten geltend machen, die ihnen entstanden seien, weil sie sich eine
medizinisch notwendige, ihnen aber zu Unrecht von der Krankenkasse nicht als
Sachleistung zur Verfügung gestellte Behandlungsmaßnahme selbst beschafft hätten.
Rechtspositionen der Leistungserbringer seien im Hinblick auf fehlende oder fehlerhafte
Entscheidungen des G-BA lediglich im Rahmen des Art 12 Abs 1 GG
berücksichtigungsfähig. Aus dieser Vorschrift ergebe sich jedoch kein unmittelbarer
Rechtsanspruch des Klägers auf Eintragung in das Arztregister. Eine Normerlassklage
gegen den Beigeladenen zu 1. im Hinblick auf dessen Beschluss vom 24.4.2008 sei nicht
Gegenstand des anhängigen Verfahrens, und dieser Beigeladene könne auch nicht zur
Ergänzung der PsychThRL um die Gesprächspsychotherapie verurteilt werden.
Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beigeladene zu 1. in dem jahrelangen Verfahren
unzureichend mit den unterschiedlichen Positionen zur Eignung der
Gesprächspsychotherapie und insbesondere auch mit der Rechtsauffassung des
"Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie" zur Anerkennung der
Gesprächspsychotherapie auseinandergesetzt habe, bestünden nicht. Der Beigeladene zu
1. habe den ihm als Normgeber zustehenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten
(Urteil vom 29.10.2008) .
7 Mit seiner Revision rügt der Kläger vorrangig, die Entscheidung des G-BA vom 24.4.2008,
die Gesprächspsychotherapie weiterhin in Anlage 1 Nr 3 der PsychThRL als Verfahren zu
führen, das die Erfordernisse der PsychThRL nicht erfüllte, sei rechtswidrig. Die auf diesen
Beschluss gestützte Versagung der begehrten Arztregistereintragung verletze ihn - den
Kläger - vor allem in seinem Grundrecht aus Art 12 Abs 1 GG. Der G-BA verfüge nicht über
eine hinreichende demokratische Legitimation für grundrechtsrelevante Regelungen. Die
entgegenstehende Rechtsprechung des BSG halte einer verfassungsrechtlichen Prüfung
nicht stand. Zu Unrecht habe sich zuletzt der 6. Senat des BSG in seinem Urteil vom
31.5.2006 (B 6 KA 13/05 R) auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) zu den Wasserverbänden (BVerfGE 107, 59) und den Festbeträgen iS des § 35
SGB V (BVerfGE 106, 275) berufen, um eine hinreichende Legitimation des G-BA zum
Erlass untergesetzlicher Rechtsnormen im Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG zu
begründen. Sollte der Senat erneut nicht zu einer von ihm - dem Kläger - ausdrücklich
angeregten Vorlage an das BVerfG nach Art 100 Abs 1 GG bereit sein, müsse dieses Gericht
im Wege der Verfassungsbeschwerde angerufen werden.
8 Soweit im Übrigen die für den Qualifikationsnachweis als Voraussetzung für die
Arztregistereintragung maßgeblichen Vorschriften des SGB V so zu verstehen seien, dass
Psychotherapeuten, die ihre Befähigung in einem vom Wissenschaftlichen Beirat
Psychotherapie (§ 11 PsychThG) anerkannten Behandlungsverfahren nachgewiesen hätten,
an der Ausübung ihres Berufs als Gesprächspsychotherapeut im Rahmen der Versorgung
der Versicherten der Krankenkassen gehindert werden könnten, seien diese Vorschriften mit
Art 74 Abs 1 Nr 12 und 19 GG nicht vereinbar. In diesen Bestimmungen werde der
Bundesgesetzgeber nicht zu berufsrechtlichen Regelungen ermächtigt. Jedenfalls sei der G-
BA verfassungsrechtlich nicht hinreichend legitimiert, einem seit Jahrzehnten praktizierten
und wissenschaftlich anerkannten Behandlungsverfahren die Eignung für den Einsatz
gegenüber Versicherten der Krankenkassen abzusprechen. Die Neufassung der PsychThRL
durch den Beschluss vom 24.4.2008 sei schon nicht in einem ordnungsgemäßen Verfahren
zustande gekommen. Insbesondere habe der G-BA in § 17 der neugefassten Richtlinien
("Schwellenwerte") Voraussetzungen für die Anerkennung psychotherapeutischer
Behandlungsverfahren aufgestellt, die gezielt eine Entscheidung zugunsten der
Gesprächspsychotherapie verhindern sollten. Würden die für die Nichtanerkennung der
Gesprächspsychotherapie als geeignetes Behandlungsverfahren vorgeblich zugrunde
gelegten Maßstäbe auf die bislang anerkannten psychotherapeutischen
Behandlungsverfahren angewandt, seien deren Eignung und Wirksamkeit in hohem Maße
fraglich. Mit der Schutzfunktion des Art 12 Abs 1 GG zugunsten des Klägers sei es nicht
vereinbar, dass der G-BA unter Anwendung eines sehr weiten Gestaltungsermessens die
staatlich anerkannte Berufs(ausbildungs)richtung Gesprächspsychotherapie gegenüber den
bisher anerkannten Behandlungsverfahren diskriminiere. Auch wettbewerbs- bzw
kartellrechtliche Belange stünden dem entgegen. Im G-BA seien auf Seiten der
Psychotherapeuten nur die Leistungserbringer repräsentiert, die ihre Fachkunde in einem
der anerkannten Behandlungsverfahren erworben hätten. Diese Angehörigen der
Berufsgruppe der Psychotherapeuten dürften nicht allein über den Marktzugang von anders
qualifizierten psychotherapeutischen Leistungserbringern entscheiden. Speziell mit dem
Einsatz der Gesprächspsychotherapie bei Kindern und Jugendlichen, die nach dem
beruflichen Werdegang des Klägers für diesen allein in Betracht komme, habe sich der G-BA
der Sache nach nicht befasst; deswegen gehe seine Entscheidung vom 24.4.2008, diese
generell als nicht geeignetes Behandlungsverfahren darzustellen, über die
Regelungskompetenz dieses Gremiums hinaus.
9 Soweit psychotherapeutische Verfahren wie die Gesprächspsychotherapie zur vertieften
Ausbildung der Psychotherapeuten iS des § 8 PsychThG zugelassen seien, sei der G-BA
daran gebunden. Seine auf § 92 Abs 6a SGB V beruhende Regelungskompetenz umfasse
nicht die Berechtigung, einem berufsrechtlich hinreichend qualifizierten Psychotherapeuten
mittelbar die Ausübung seines Berufs im Rahmen der Versorgung der Versicherten der
Krankenkassen zu versagen. Daraus folge, dass dann, wenn die für die Erteilung der
Approbation zuständige Behörde die Befähigung eines Bewerbers zur Ausübung der
Psychotherapie anerkannt habe, die Kompetenz des G-BA zur Regelung des "Näheren" iS
von § 92 Abs 6a Satz 1 SGB V beschränkt sei. Der G-BA habe lediglich das Nähere für die
psychotherapeutische Berufsausübung nach § 28 Abs 3 SGB V zu regeln; eine Kompetenz
zur Anerkennung von Behandlungsverfahren, die allein Gegenstand der Leistungspflicht der
gesetzlichen Krankenversicherung seien, stehe ihm dagegen nicht zu.
10
Der Kläger beantragt,
1. unter Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom
29. Oktober 2008 und des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. August 2003 sowie
des Bescheides der Kassenärztlichen Vereinigung Nordbaden vom 24. Juni 2002
idF des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2002 die Beklagte zu
verpflichten, den Kläger in das Arztregister einzutragen;
2. hilfsweise festzustellen, dass der Beschluss des Gemeinsamen
Bundesausschusses vom 24. April 2008 die Gesprächspsychotherapie weiterhin
in Anlage 1 Nr 3 der Psychotherapie-Richtlinien als Verfahren zu führen, das die
Erfordernisse dieser Richtlinie nicht erfüllt, rechtswidrig ist.
11 Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
12 Sie hält das Berufungsurteil für richtig. Der Kläger könne nicht in das Arztregister
eingetragen werden, weil er den Fachkundenachweis iS des § 95c SGB V allenfalls für das
Verfahren der Gesprächspsychotherapie geführt habe. Dieses Verfahren sei vom G-BA
zuletzt mit Beschluss vom 24.4.2008 nicht als ein für den Einsatz in der vertragsärztlichen
Versorgung geeignetes Verfahren anerkannt worden. Auch wenn es auf den Beschluss des
G-BA für die fehlende Begründetheit des Klagebegehrens nicht ankomme, sei darauf
hinzuweisen, dass er nicht zu beanstanden sei. Der G-BA habe nach § 92a Abs 6a SGB V
ausdrücklich das Recht und die Pflicht, mit konstitutiver Wirkung über die Eignung von
Behandlungsverfahren zu entscheiden. Auch auf der Grundlage des § 135 Abs 1 SGB V
bestehe eine Berechtigung des G-BA zur Prüfung und Bewertung von Verfahren, die bislang
nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung seien. Der G-BA habe die vorhandenen
Studien zur Gesprächspsychotherapie ausgewertet und sei im Rahmen seines zu
respektierenden Gestaltungsspielraums zu einem nachvollziehbaren Ergebnis gelangt.
13 Der zu 1. beigeladene G-BA hält die Revision ebenfalls für unbegründet und legt im
Einzelnen die maßgeblichen Rechtsgrundlagen seiner Entscheidung vom 24.4.2008 dar.
Soweit der Kläger rüge, er - der G-BA - habe sich mit der Eignung der
Gesprächspsychotherapie für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen nicht befasst,
sei das für das Klagebegehren ohne Bedeutung. Seit 1987 habe sein Rechtsvorgänger, der
Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, die Gesprächspsychotherapie generell für
die vertragsärztliche Versorgung ausgeschlossen. Der Überprüfungsantrag aus dem Jahre
2003 habe sich nur auf ihren Einsatz bei Erwachsenen bezogen; Hinweise auf die Eignung
der Gesprächspsychotherapie für die Behandlung von Kindern hätten sich im Zuge dieses
Verfahrens nicht ergeben.
14 Der Beigeladene zu 4. (GKV-Spitzenverband) schließt sich der Auffassung des G-BA an.
15 Die übrigen Beigeladenen äußern sich nicht.
Entscheidungsgründe
16 Die Revision hat keinen Erfolg. Während der Hauptantrag des Klägers auf Eintragung in das
Arztregister unbegründet ist (A), ist der Feststellungsantrag schon nicht zulässig (B).
17 A. 1. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen für die Eintragung in das Arztregister nach § 95
Abs 2 Satz 3 Nr 1 iVm § 95c Satz 2 SGB V nicht, weil er den Fachkundenachweis nicht
führen kann. Für ihn als übergangsrechtlich gemäß § 12 PsychThG approbierten Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten erfordert dieser Nachweis, dass die für eine Approbation
geforderte Qualifikation, Weiterbildung oder Behandlungsstunden, Behandlungsfälle und die
theoretische Ausbildung in einem durch den G-BA anerkannten Behandlungsverfahren
nachgewiesen werden (§ 95c Satz 2 Nr 3 SGB V) . Zu diesen Verfahren gehört die
Gesprächspsychotherapie nicht.
18 a. Der Fachkundenachweis nach § 95c Satz 2 Nr 3 SGB V für die nach der
übergangsrechtlichen Vorschrift des § 12 PsychThG approbierten Psychologischen
Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichentherapeuten kann nur in
Behandlungsverfahren geführt werden, die der Bundesausschuss der Ärzte- und
Krankenkassen in den bis zum 31.12.1998 geltenden PsychThRL als für den Einsatz bei der
Behandlung von Versicherten der Krankenkassen geeignet anerkannt hatte. Das ergibt sich
schon aus dem Wortlaut der Norm. Diese verweist auf § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V als
Rechtsgrundlage und nicht auf § 92 Abs 6a SGB V, wie dies in § 95c Satz 2 Nr 1 und 2 SGB
V der Fall ist. Das ist kein Redaktionsversehen, sondern ergibt sich zwingend aus der
Systematik der Vorschrift.
19 Die explizite Ermächtigung an den Bundesausschuss (BA), in Richtlinien ua das Nähere
über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten und die zur
Krankenbehandlung geeigneten Verfahren zu regeln, ist in § 92 Abs 6a SGB V enthalten,
der als Art 2 Nr 10 des "Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten
…" vom 16.6.1998 (BGBl I 1311) erlassen worden ist. Die Norm ist nach Art 15 Abs 3 dieses
Gesetzes am 1.1.1999 in Kraft getreten, die Verpflichtung des BA, die Richtlinien bis zum
31.12.1998 zu erlassen, schon am 17.6.1998 (Art 15 Abs 1 aaO) . Der BA sollte die
PsychThRL so rechtzeitig an die schon als Gesetz verkündeten Vorgaben des § 92 Abs 6a
SGB V anpassen, dass sie zeitgleich mit dessen Inkrafttreten in Geltung gelangen konnten.
Die auf der Basis dieses neuen Rechts erlassenen Richtlinien entfalteten Rechtswirkung
jedoch erst ab dem 1.1.1999 und konnten auch nur mit Wirkung für die Zukunft geändert
werden. Dementsprechend sind jeweils die aktuell geltenden Richtlinien des BA/G-BA für
den Fachkundenachweis nach § 2 Abs 1 PsychThG, also für die nach neuem Recht
approbierten Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten, maßgeblich. Wenn der G-BA - unterstellt - die
Gesprächspsychotherapie in den Katalog der "anerkannten Psychotherapieverfahren" iS des
§ 13 PsychThRL aufnehmen würde, könnten die nach den seit 1999 geltenden Vorgaben
des § 2 Abs 1 PsychThG approbierten Therapeuten wegen des dynamischen Charakters der
Verweisung des § 95c Satz 2 Nr 1 SGB V auf diese Richtlinien grundsätzlich den
Fachkundenachweis auch für dieses Verfahren führen. Im Anwendungsbereich des § 95c
Satz 2 Nr 3 SGB V ist das jedoch ausgeschlossen.
20 b. Diese Norm des § 95c Satz 2 Nr 3 SGB V verweist nicht dynamisch auf die jeweilige
Fassung der PsychThRL, sondern nimmt über die Erwähnung des § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 1
SGB V auf die bis zum 31.12.1998 geltenden (alten) Richtlinien Bezug (BSGE 95, 94 RdNr
10 = SozR 4-2500 § 95c Nr 1 RdNr 15) . § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V war alleinige
gesetzliche Grundlage der PsychThRL des BA bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom
16.6.1998 und insbesondere dessen § 92 Abs 6a SGB V. § 95c Satz 2 Nr 3 SGB V enthält
deshalb auch keine Ermächtigung an den BA/G-BA, für die Vergangenheit neue
Psychotherapieverfahren anzuerkennen, sondern verweist nur auf die Verfahren, die zum
31.12.1998 in den Richtlinien anerkannt waren. Den Inhalt der Richtlinien, soweit sie die
Anerkennung von Behandlungsverfahren zum Gegenstand hatten (Abschnitt B I Nr 1.1.,
1.1.1 und 1.2.: Psychoanalytisch begründete Verfahren, tiefenpsychologisch fundierte
Psychotherapie und Verhaltenstherapie) , hat der Gesetzgeber des § 95c Satz 2 Nr 3 SGB V
in seinen Willen aufgenommen und rechtstechnisch über eine statische Verweisung zum
Norminhalt gemacht (vgl BT-Drucks 13/9212 S 41) . Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen
der hinreichenden Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm (§ 92 Abs 6a SGB V) und der
Legitimation des G-BA zum Normerlass im Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG stellen sich
deshalb nicht, soweit die Arztregistereintragung eines Psychotherapeuten betroffen ist, der
seine Fachkunde (nur) bis Ende 1998 erworben haben kann.
21 Für diesen Personenkreis, zu dem auch der Kläger gehört, regelt § 12 Abs 3 und 4
PsychThG die Voraussetzungen, unter denen im Hinblick auf eine bis Ende 1998 erworbene
Qualifikation eine Approbation erteilt werden kann; nach § 12 Abs 5 PsychThG gelten die
Bestimmungen sinngemäß auch für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. An diesen
abgeschlossenen, vollständig in der Vergangenheit liegenden Zeitraum knüpft § 95c Satz 2
Nr 3 SGB V an, indem er für die Eintragung in das Arztregister über § 12 PsychThG hinaus
den Fachkundenachweis in einem Richtlinienverfahren fordert. Der Zusammenhang wird in
der Begründung der später Gesetz gewordenen Fassung der Norm durch den Ausschuss für
Gesundheit ausdrücklich betont (BT-Drucks 13/9212 S 41). Deshalb kommt es im
vergangenheitsbezogenen Kontext des § 95c Satz 2 Nr 3 SGB V allein darauf an, welche
Verfahren der BA in den PsychThRL tatsächlich anerkannt hatte, nicht darauf, welche er in
Zukunft (also ab 1.1.1999) auf der (neuen) normativen Basis des § 92 Abs 6a SGB V
anerkennen würde oder müsste. Nach Wortlaut und Systematik des Übergangsrechts im
Zusammenhang des Gesetzes vom 16.6.1998 ist die Annahme ausgeschlossen, von einer
Erweiterung des Katalogs der in der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannten
psychotherapeutischen Behandlungsverfahren im Jahr 2008 oder später könnte ohne neue
gesetzliche Regelungen auch ein Antragsteller profitieren, der seine Fachkunde allenfalls in
der Zeit vor dem 1.1.1999 erworben haben kann.
22 c. Bis Ende 1998 waren in den PsychThRL nur die drei oben genannten
Behandlungsverfahren anerkannt. Nur für diese Verfahren bestand eine gesicherte
Strukturqualität durch die Vorgabe von Maßstäben für die Qualifikation und Ausbildung der
Leistungserbringer. Vorgaben für Inhalte und Qualität einer psychotherapeutischen
Weiterbildung nach dem Abschluss des Psychologiestudiums bzw für Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten auch des Sozialpädagogikstudiums enthielten bis 1998 die
Psychotherapie-Vereinbarungen (BSGE 95, 94 RdNr 7 = SozR 4-2500 § 95c Nr 1 RdNr 12) .
Weil die Gesprächspsychotherapie kein vom BA anerkanntes Behandlungsverfahren war,
bestanden weder für den BA noch für die Vertragspartner der Psychotherapie-
Vereinbarungen Berechtigung und Anlass, normative Vorgaben für den Erwerb der
Fachkunde in Gesprächspsychotherapie zu treffen. Dazu bestand auch im Hinblick auf den
Grundrechtsschutz der Psychotherapeuten nach Art 12 Abs 1 GG keine Veranlassung. Der
zweite, sozialversicherungsrechtliche Teil des Gesetzes vom 16.6.1998 (BGBl I 1311) hat
die Psychotherapeuten, die allein für die Gesprächspsychotherapie qualifiziert waren, von
vornherein nicht betroffen. Sie konnten zu keinem Zeitpunkt in der Vergangenheit
(rechtmäßig) Leistungen für die Versicherten der Krankenkassen erbringen, weder im
Delegations- noch im Kostenerstattungsverfahren. Vertrauensschutzaspekte für
ausschließlich gesprächspsychotherapeutisch qualifizierte Psychotherapeuten und
Behandler von Kindern und Jugendlichen musste der Gesetzgeber des Gesetzes vom
16.6.1998 deshalb nicht berücksichtigen. So lagen die Dinge anders als vor dem
Inkrafttreten des Bayerischen Schwangerenhilfeergänzungsgesetzes, das Gegenstand des
Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 27.10.1998 (BVerfGE 98, 265)
gewesen ist. In diesem Urteil hat das BVerfG beanstandet, dass der Gesetzgeber ohne
zwingende Gründe Ärzte von der Erbringung von Schwangerschaftsabbrüchen
ausgeschlossen hat, die diese lange Zeit fachkundig durchgeführt hatten, ohne ihnen eine
zumutbare Nachqualifikation zu ermöglichen (BVerfGE aaO S 310 ff) . Für Personen, die ihre
vertiefte Ausbildung bis Ende 1998 nur in der Gesprächspsychotherapie absolviert hatten,
bedurfte es unter der Perspektive des Sozialversicherungsrechts keiner
Übergangsregelungen.
23 Weil in der für die (potenzielle) Qualifikation des Klägers allein maßgeblichen Zeit bis Ende
1998 im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung keinerlei Vorgaben für die
Ausbildung in Gesprächspsychotherapie und auch keine Regelungen über Struktur- und
Prozessqualität von Behandlungen in diesem Verfahren bestanden haben, ist es
ausgeschlossen, dass selbst dann, wenn der G-BA gehalten wäre, die
Gesprächspsychotherapie generell oder zumindest für bestimmte Indikationen als
Behandlungsverfahren positiv zu bewerten und als anerkanntes Verfahren in § 13
PsychThRL aufzunehmen, der Kläger daraus unmittelbar einen Anspruch auf Eintragung in
das Arztregister ableiten könnte. Unverzichtbar dafür wäre, dass der Gesetzgeber selbst - ggf
über eine Ermächtigung des G-BA - nähere Vorgaben zum Nachweis der Fachkunde für
dieses Verfahren machte, die die Bewerber um die Zulassung zur vertragsärztlichen
Versorgung nachweisen müssten. Für die Annahme einer Verpflichtung des G-BA bzw der
Partner der Psychotherapie-Vereinbarungen, entsprechende Regelungen auch für solche
Psychotherapeuten zu schaffen, die ihre Qualifikation zu einem Zeitpunkt erworben hatten,
als noch keinerlei sozialversicherungsrechtliche Regelungen für den Nachweis
gesprächspsychotherapeutischer Kompetenz bestanden, gibt es keinen rechtlichen
Ansatzpunkt.
24 d. Dem Verständnis des § 95c Satz 2 Nr 3 SGB V als abschließende Regelung des
Fachkundenachweises für die nach § 12 PsychThG übergangsrechtlich approbierten
Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten steht
nicht entgegen, dass durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen
Krankenversicherung (BGBl I 2190) zum 1.1.2004 die Wendung "Bundesausschuss der
Ärzte und Krankenkassen" durch "Gemeinsamer Bundesausschuss" ersetzt worden ist. Bei
isolierter Betrachtung des Normtextes könnte dies ein Indiz dafür sein, der Gesetzgeber halte
für möglich, dass der G-BA auch im Hinblick auf die Gruppe der Psychotherapeuten, die ihre
Weiterbildung bis 1998 schon abgeschlossen hatten, nachträglich andere Voraussetzungen
für den Fachkundenachweis einführt. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Wortlautänderung der
drei Nummern des § 95c Satz 2 SGB V ist im Zuge der Änderung des § 91 SGB V
schematisch vorgenommen worden. In allen Normen des SGB V ist der "Bundesausschuss
der Ärzte und Krankenkassen" durch den "Gemeinsamen Bundesausschuss" ersetzt
worden. Die Änderung in § 95c Satz 2 SGB V ist dann auch lediglich als redaktionelle
Folgeänderung zur Änderung des § 91 SGB V begründet worden (BT-Drucks 15/1525 S
109) . Auf die im maßgeblichen Gesetz vom 16.6.1998 enthaltenen Unterschiede bei der
Verweisung auf die Richtlinien hat der Gesetzgeber dabei nicht geachtet.
25 2. Da nach Wortlaut und Zielsetzung des § 95c Satz 2 Nr 3 SGB V der Kläger unabhängig
von der Rechtmäßigkeit der (negativen) Entscheidung des G-BA zur
Gesprächspsychotherapie vom 24.4.2008 nicht in das Arztregister der Beklagten
eingetragen werden kann, könnte seine Klage nur dann (vorläufigen) Erfolg haben, wenn die
Vorschrift verfassungswidrig wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Für eine Vorlage an das
BVerfG nach Art 100 Abs 1 GG besteht deshalb kein Anlass.
26 a. Der Kläger stützt seine grundrechtlich (Art 12 Abs 1 GG) wie kompetenzrechtlich (Art 74
Abs 1 Nr 12, 19 GG) begründete Annahme der Verfassungswidrigkeit (auch) des § 95c SGB
V im Kern darauf, der Gesetzgeber müsse die berufsrechtlichen Regelungen für die
Ausübung der Psychotherapie weitgehend deckungsgleich auf die Leistungserbringung im
Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung übertragen. Behandlungsverfahren, die iS
des § 8 Abs 3 Nr 1 PsychThG wissenschaftlich anerkannt seien, müssten auch im Rahmen
der Krankenbehandlung nach dem SGB V erbracht werden können, und wer als fachlich
versiert approbiert sei, dürfe durch Vorgaben des Sozialversicherungsrechts nicht faktisch an
der Ausübung seines gewählten Berufes gehindert werden. Diese Grundposition des
Klägers findet indessen weder im "einfachen" Recht noch im Verfassungsrecht eine
Grundlage.
27 b. Zunächst ist bereits nicht erkennbar, inwieweit der Kläger für sein Klagebegehren aus
dem von ihm geltend gemachten Vorrang der berufsrechtlichen Regelungen des § 8
PsychThG relevante Gesichtspunkte herleiten will. Der wissenschaftliche Beirat nach § 11
PsychThG hat im Jahre 2003 die wissenschaftliche Anerkennung der
Gesprächspsychotherapie für die Behandlung von Erwachsenen festgestellt. Eine
entsprechende Feststellung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen hat er nicht
getroffen. Das beruht nicht auf einem Versehen, sondern darauf, dass eine solche
Feststellung aus fachlichen Gründen nicht hat getroffen werden können. Das
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in seinem Urteil vom 30.4.2009 (3 C 4/08, NJW
2009, 3593 = SGb 2009,727) zur Anerkennung einer Ausbildungsstätte nach § 6 PsychThG
für das Vertiefungsgebiet "Gesprächspsychotherapie" ausgeführt, von der
wissenschaftlichen Anerkennung eines psychotherapeutischen Verfahrens zur Behandlung
Erwachsener lasse sich nicht ohne Weiteres auf die Wirksamkeit dieses Verfahrens zur
Behandlung von Kindern und Jugendlichen schließen (BVerfG aaO). Das hält auch der
erkennende Senat für richtig und findet im Übrigen seine Bestätigung in der umfassenden
Auswertung der vorhandenen Studien, die der zu 1. beigeladene G-BA in den Jahren
2006/2007 vorgenommen hat. Hinweise darauf, dass die Gesprächspsychotherapie ein zur
Krankenbehandlung bei Kindern und Jugendlichen geeignetes Behandlungsverfahren sein
könnte, haben sich nicht ergeben.
28 Danach steht hier sogar der vom Kläger postulierte Vorrang der berufsrechtlichen
Regelungen seinem Klagebegehren entgegen. Für das Behandlungsverfahren, das er als
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut anwenden will, liegt gerade keine
wissenschaftliche Anerkennung des Beirats nach § 11 PsychThG vor. Nach der Konzeption
des Gesetzes hindert das eine positive Empfehlung des G-BA (auch) auf der Basis des § 92
Abs 6a SGB V. Fehlt einem Verfahren (schon) die wissenschaftliche Anerkennung im
berufsrechtlichen Sinne, ist für eine positive Empfehlung für den Einsatz zur Behandlung
Versicherter nach § 28 Abs 3 SGB V kein Raum.
29 c. Im Übrigen ist durch das Gesetz vom 16.6.1998 eine vollständige Regelung des Rechts
der Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten auf der Grundlage des Art 74 Abs 1 Nr 19 GG (Zulassung
zu Heilberufen) erfolgt. Im zweiten Teil des Gesetzes ist auf der Grundlage des Art 74 Abs 1
Nr 12 (Sozialversicherung) eine begrenzte Einbeziehung der Psychotherapie in die
vertragsärztliche Versorgung iS des § 73 SGB V normiert. Eine Regelung des Inhaltes, dass
jede erlaubte psychotherapeutische Tätigkeit durch approbierte Psychologische
Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten eine
Krankenbehandlung iS des § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V, § 28 Abs 3 SGB V darstellt, und
dass jeder approbierte Psychologische Psychotherapeut bzw Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeut auch zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden
muss, hat der Gesetzgeber von vornherein nicht treffen wollen.
30 Im sozialversicherungsrechtlichen Teil des Gesetzes vom 16.6.1998 hat der Gesetzgeber auf
die 1998 bereits vorhandenen untergesetzlichen Regelungen über Psychotherapie als
Leistung der Krankenversicherung Bezug genommen. Er hat die Leistungspflicht der
gesetzlichen Krankenversicherung um "Psychotherapie" und den Kreis der
Leistungserbringer um Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten nicht schlechthin erweitert, sondern eine vorgefundene,
normativ durch die Richtlinien des Bundesausschusses und die Psychotherapie-
Vereinbarungen der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung geprägte Struktur grundlegend neu geordnet. Das kommt schon in der
Einweisungsvorschrift des § 28 Abs 3 SGB V zum Ausdruck. Danach wird die
psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch Psychologische
Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten "entsprechend der
Richtlinien nach § 92 durchgeführt". Eine vergleichbare Einschränkung enthält das SGB V
weder bei der ärztlichen noch bei der zahnärztlichen Behandlung. Die Fassung des § 28
Abs 3 SGB V idF der Beschlussempfehlung des Bundestagsausschusses für Gesundheit
(BT-Drucks 13/9212 S 18) enthielt den Verweis auf die Richtlinien des BA noch nicht. Dieser
ist vielmehr erst im Vermittlungsverfahren eingefügt worden (BT-Drucks 13/9770 S 2) .
Daraus ist abzuleiten, dass der Gesetzgeber zunächst nur das Leistungsspektrum der
Psychotherapie, das sich seit Mitte der 80er Jahre entwickelt hatte und in den Richtlinien des
BA und den Psychotherapie-Vereinbarungen näher bestimmt worden war, gesetzlich
abgesichert in die vertragsärztliche Versorgung eingliedern wollte.
31 d. Strukturell vergleichbar ist der Gesetzgeber auch bei der Einführung der
Pflegeversicherung verfahren. Die programmatisch gehaltene Grundnorm über die Aufgabe
der Pflegeversicherung (§ 1 Abs 1 SGB XI: Soziale Absicherung des
Pflegebedürftigkeitsrisikos) wird in den Vorschriften über die Leistungen der
Pflegeversicherung konkretisiert. Die Begrenzung der Leistungen in §§ 36, 37, 41 und 43
SGB XI auf bestimmte Geldbeträge kennzeichnet die typische begrenzte Risikoübernahme.
Der Heilbehandlungsanspruch nach § 27 Abs 1 SGB V ist dagegen - soweit die ärztliche
Behandlung iS des § 28 Abs 1 SGB V betroffen ist - prinzipiell unbegrenzt und nur in
bestimmten Bereichen gesetzlich oder auf der Grundlage gesetzlicher Ermächtigungen (§
135 Abs 1 SGB V) beschränkbar. Bei der zahnärztlichen Behandlung iS des § 28 Abs 2 SGB
V ist der Leistungsanspruch bei der konservierend-chirurgischen Versorgung nur durch die
Begrenzung auf ausreichende und zweckmäßige Maßnahmen beschränkt, ansonsten sind
wichtige Leistungsbereiche der zahnärztlichen Versorgung wie die Kieferorthopädie (für
Erwachsene) oder die Versorgung mit Implantaten von vornherein nicht Gegenstand des
Leistungsanspruchs der Versicherten. Bei der Psychotherapie wird die Beschränkung dieses
Anspruchs durch die Bindung an die Richtlinien des G-BA realisiert; dem Versicherten ist
von vornherein kein Anspruch auf alle tatsächlich verfügbaren und berufsrechtlich zulässig
erbringbaren Behandlungsverfahren eingeräumt worden. Entgegen der Vorstellung des
Klägers existiert im Bereich der Psychotherapie kein "Urzustand" eines nur durch die
allgemeinen Vorgaben des § 2 Abs 1 iVm § 12 SGB V begrenzten Versorgungsanspruchs,
sondern dieser ist von vornherein auf eine Behandlung nach Maßgabe der Richtlinien des
G-BA limitiert. Mehr billigt der Gesetzgeber den Versicherten aus ihrem Rechtsverhältnis
gegen die Krankenkasse nicht zu. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen dieses begrenzte
Leistungsversprechen liegen im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG zum
Leistungsanspruch der Versicherten (BVerfGE 115, 25, 45 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr
25 ff) fern.
32 Ähnlich wie bei der Bestimmung des Leistungsumfangs der psychotherapeutischen
Versorgung ist der Gesetzgeber auch hinsichtlich der Leistungserbringer im Bereich
Psychotherapie verfahren. Nur diejenigen Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder-
und Jugendlichenpsychotherapeuten, die ihre Befähigung in Verfahren erworben hatten, die
in den Richtlinien des BA anerkannt worden waren, konnten über § 95 Abs 10 SGB V,
dessen Satz 1 Nr 1 auf § 95c Satz 2 Nr 3 SGB V verweist, sofort bedarfsunabhängig zur
vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen werden. Für die Zukunft hat der
Gesetzgeber dem G-BA die Erweiterung des Leistungsspektrums im Bereich der
Psychotherapie eröffnet (§ 92 Abs 6a SGB V), bezogen auf den Rechtszustand bei
Inkrafttreten des PsychThG aber durch Verweisung auf bestehende und rückwirkend nicht
mehr änderbarer Vorschriften des BA den Inhalt der damals geltenden Richtlinien zum
integralen Bestandteil der gesetzlichen Regelung selbst gemacht.
33 e. Der Gesetzgeber hat bei Inkrafttreten des Gesetzes vom 16.6.1998 über die Verweisung
auf die zu diesem Zeitpunkt geltenden Richtlinien Leistungsangebot und
Leistungserbringung im Bereich Psychotherapie bestimmt. Von den drei Ende 1998 in den
Richtlinien anerkannten und in den Psychotherapie-Vereinbarungen näher umschriebenen
Verfahren (Psychoanalyse, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und
Verhaltenstherapie) hat der Gesetzgeber ersichtlich angenommen, sie seien theoretisch
fundiert und in der Praxis hinreichend bewährt. Angesichts des weiten
Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Neuordnung eines Leistungsbereichs in
der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16,
jeweils RdNr 31 mwN) ist es unerheblich, wenn die zum Ende 1998 bereits anerkannten
Verfahren - wie der Kläger geltend macht - den Anforderungen, die nach der
Verfahrensordnung des G-BA iVm § 17 der PsychThRL in der seit 2008 geltenden Fassung
an die Eignung von psychotherapeutischen Verfahren generell zu stellen sind, so wenig
gerecht würden wie die Gesprächspsychotherapie.
34 Verfassungsrechtlich ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die ihm obliegende
Bestimmung der psychotherapeutischen Leistungen, die zum 1.1.1999 in das System der
ambulanten vertragsärztlichen Versorgung eingegliedert werden sollten, so vorgenommen
hat, dass er die in der Praxis verbreiteten Behandlungsverfahren herangezogen und
zugleich diejenigen Leistungserbringer in das System der vertragsärztlichen Versorgung
einbezogen hat, die ihre Befähigung zur psychotherapeutischen Behandlung der
Versicherten in genau den Verfahren, die allein auch nach dem 1.1.1999 von den
Krankenkassen finanziert werden sollten, bereits nachgewiesen hatten. Gerade weil der
Gesetzgeber eine klare Vorstellung vom Leistungsbereich der Psychotherapie hatte, den er
nicht zur beliebigen Disposition des BA/G-BA stellen wollte, muss hinsichtlich der
Kompetenz des G-BA zwingend zwischen dem Rechtszustand bis Ende 1998 und späteren
Zeiträumen unterschieden werden. Normsetzungskompetenzen des BA/G-BA, die
rückwirkend die Versorgungsrealität und die Qualifikationsanforderungen aus der Zeit bis
zum 31.12.1998 modifizieren könnten, hat der Gesetzgeber nicht normiert und
verfassungsrechtlich wohl auch nicht normieren können. Der Normsetzungsauftrag an den
G-BA in § 92 Abs 6a SGB V ist zukunftsorientiert. Der G-BA bleibt aufgefordert zu prüfen, ob
die Definition des Leistungsbereichs und der Qualifikation der Leistungserbringer, die der
Gesetzgeber zum 1.1.1999 vorgegeben hat, ausgeweitet und die Leistungspflicht zB auf
weitere psychotherapeutische Behandlungsverfahren erstreckt werden soll. Angesichts der
Bedeutung, die der Gesetzgeber der Sicherung der Strukturqualität dieses
Versorgungsbereichs einräumt, wird der G-BA jede Erweiterung des Leistungsspektrums um
neue Behandlungsverfahren mit Regelungen über den Nachweis der Fachkunde für
diejenigen Leistungserbringer verbinden müssen, die in diesen neuen Verfahren tätig
werden. Rückwirkend ist dies jedoch kraft Natur der Sache nicht mehr möglich. Angesichts
der unterschiedlichen Gestaltungsspielräume des parlamentarischen Gesetzgebers und des
G-BA wäre es verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der G-BA seiner Prüfung der
Eignung solcher psychotherapeutischer Verfahren, die der Gesetzgeber 1999 (noch) nicht in
die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen hat, strengere
Maßstäbe zugrunde legt, als sie der Gesetzgeber bei Erlass des PsychThG seinerseits
möglicherweise angelegt hat. Deshalb kann eine (vermeintlich) fehlende Evaluation der
Ergebnisqualität von Psychoanalyse und tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie
nicht gegen die Prüfungsmaßstäbe ausgespielt werden, nach denen der G-BA die Eignung
der Gesprächstherapie als Verfahren im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung im Jahre
2008 bewertet hat.
35 f. Soweit der Kläger der Auffassung ist, der Gesetzgeber sei auch bei einer bewusst nur
beschränkten Inkorporation der Psychotherapie in die vertragsärztliche Versorgung
vollständig an die Vorgaben des Berufsrechts gebunden, trifft das nicht zu.
36 Im Gesetz vom 16.6.1998 wird an zahlreichen Stellen zwischen der berufsrechtlichen und
der sozialversicherungsrechtlichen Regelung differenziert. In § 8 PsychThG ist hinsichtlich
der "wissenschaftlich anerkannten Verfahren" iS des Abs 3 Nr 1 PsychThG bewusst auf eine
nähere Festlegung verzichtet worden (vgl BVerwG vom 30.4.2009 - 3 C 4/08, NJW 2009,
3593 = SGb 2009,727; Spellbrink in: Schnapp/Wigge Handbuch des Vertragsarztrechts, 2.
Aufl 2006, § 14 RdNr 12) . Stattdessen wird in § 11 Satz 1 PsychThG den Behörden, für
deren Entscheidungen die Bewertung eines Behandlungsverfahrens als "wissenschaftlich
anerkannt" von Bedeutung ist, aufgegeben, eine Stellungnahme des Wissenschaftlichen
Beirats Psychotherapie zu dem in Betracht kommenden Verfahren einzuholen. Der
Gesetzgeber ist hinsichtlich des sozialversicherungsrechtlichen Teils der Neuregelung der
psychotherapeutischen Leistungserbringung einen anderen Weg gegangen. § 95c SGB V ist
abweichend noch von der Fassung des Gesetzentwurfs der damaligen Regierungsfraktionen
explizit so gefasst worden, dass die Voraussetzungen für den Fachkundenachweis im
Gesetz selbst definiert werden (BT-Drucks 13/9212 S 41). Durch den Verweis auf die nach
der damals geltenden Fassung der PsychThRL anerkannten Verfahren hat der Gesetzgeber
selbst entschieden, welche Leistungserbringer mit welcher Qualifikation zum 1.1.1999
Zugang zur ambulanten psychotherapeutischen Behandlung der Versicherten erhalten
sollten. Wenn der Gesetzgeber einen Gleichklang von Berufsrecht und Zulassung zur
vertragsärztlichen Versorgung im Bereich Psychotherapie gewollt hätte, hätte er die
bedarfsunabhängige Zulassung bzw die Eintragung ins Arztregister allein von dem
Nachweis der Approbation und der Weiterbildung in einem "wissenschaftlich anerkannten
psychotherapeutischen Verfahren" iS des § 8 Abs 3 Nr 1 PsychThG abhängig machen
können. Dann hätten mittelbar die Empfehlungen des wissenschaftlichen Beirats
Psychotherapie sowohl den Umfang der Leistungspflicht der Krankenkassen (§ 28 Abs 3
SGB V) wie die notwendige Qualifikation für den Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung
gesteuert. Davon hat der Gesetzgeber bewusst Abstand genommen, weil er den
Leistungsumfang der Psychotherapie in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung
enger gesteckt hat als den berufsrechtlichen Status der Psychologischen Psychotherapeuten
und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und deren Qualifikation zur
Leistungserbringung außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese Abweichung
der gesetzlichen Regelung des sozialversicherungsrechtlichen Bereichs ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit bestehen weder formellrechtlich noch
materiellrechtlich durchgreifende Bedenken.
37 In der Rechtsprechung sowohl des Senats wie des BVerfG ist anerkannt, dass der
Bundesgesetzgeber, der insoweit von seiner Kompetenz nach Art 74 Abs 1 Nr 12 GG
(Sozialversicherung) Gebrauch macht, an berufsrechtliche Vorgaben nicht strikt gebunden ist
und aus Gründen der Sicherung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung dort
Regelungen treffen kann, die mit denen des ärztlichen Berufsrechts nicht notwendig
übereinstimmen (so insbesondere zuletzt BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, jeweils
RdNr 27 mwN) . Das hat der Senat mit Billigung des BVerfG insbesondere für die Trennung
der vertragsärztlichen Versorgung in eine hausärztliche und eine fachärztliche Versorgung
entschieden, die im ärztlichen Berufsrecht jedenfalls zum entscheidungserheblichen
Zeitpunkt (1997) keine Entsprechung hatte (BSGE 80, 256 = SozR 3-2500 § 73 Nr 1, BVerfG
staatlich approbierten Psychologischen Psychotherapeuten sowie Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten an die Befähigung in "wissenschaftlich anerkannten
Verfahren" dient dem Schutz der Bevölkerung vor unseriösen, fachlich nicht fundierten
Behandlungsangeboten, von denen kein Nutzen ausgeht und die sogar für die Patienten, die
sich in die Hände unqualifizierter Behandler begeben, schädlich sein können. Dieser
Zielsetzung liegt nicht notwendig eine eingehende Prüfung des einzelnen
Behandlungsverfahrens auf Wirksamkeit, Eignung und Wirtschaftlichkeit im Verhältnis zu
anderen zur Verfügung stehenden Verfahren zugrunde (vgl Spellbrink, aaO § 14 RdNr 21) .
Es wäre im Hinblick auf die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit der Psychotherapeuten
wie der mindestens über Art 2 Abs 1 GG geschützten Wahlfreiheit der Patienten hinsichtlich
eines ihnen geeignet erscheinenden Behandlers und Behandlungsverfahrens zumindest
begründungsbedürftig, wenn im Bereich der Ausübung der Heilkunde Verfahren
ausgeschlossen würden, von denen keinerlei schädliche Auswirkungen auf die betroffenen
Patienten ausgehen und deren Wirksamkeit zumindest nicht fernliegt.
38 Vor diesem Hintergrund kann die Aufnahme von Behandlungsverfahren in die
Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung und die darauf ausgerichtete
Qualifikation der Behandler anderen Maßstäben folgen, als sie in den berufsrechtlichen,
ganz anders motivierten Regelungen normiert sind. Die Aufnahme von neuen
Behandlungsverfahren gemäß § 92 Abs 6a SGB V - auch für psychotherapeutische
Behandlungsverfahren gilt § 135 Abs 1 SGB V - in den Kreis der Leistungen, die von den
gesetzlichen Krankenkassen zu finanzieren sind, ist an der Eignung des neuen Verfahrens,
seiner Wirksamkeit und der mit ihm verbundenen Kosten auch im Verhältnis zu den bislang
anerkannten Behandlungsverfahren zu messen (vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 18
zur neuropsychologischen Therapie). Je deutlicher die Ausweitung des Leistungsangebotes
im Bereich der Psychotherapie um ein bisher nicht anerkanntes Behandlungsverfahren
lediglich mit einem Pluralismuskonzept im Sinne einer möglichst großen Vielfalt
voneinander in der Wirkungsweise und Effektivität ähnlichen Verfahren begründet wird,
desto breiter ist der Spielraum des G-BA bei der Entscheidung über die Aufnahme dieses
Verfahrens in die PsychThRL. Dieser Spielraum verengt sich, wenn eine nennenswerte
Anzahl Versicherter, die an bestimmten seelischen Erkrankungen leiden, mit den bisher
anerkannten Verfahren nicht hinreichend wirksam behandelt werden kann, oder wenn die
wissenschaftliche Expertise ergibt, dass von dem Einsatz der neuen Behandlungsmethode
ein erheblicher Fortschritt zugunsten der Patienten zu erwarten ist (vgl näher Senatsurteil
vom 28.10.2009 - B 6 KA 11/09 R ) . Ob im Hinblick auf die Bedeutung der gesetzlichen
Krankenversicherung für die tatsächliche Berufsausübung (auch) der Psychotherapeuten
diese einen Anspruch darauf haben, dass sich der G-BA mit dem Nutzen und der Effizienz
von Behandlungsverfahren befasst, die bisher nicht Gegenstand der PsychThRL und
deshalb "neu" iS des § 135 Abs 1 SGB V sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Der G-BA
hat seine diesbezügliche Verpflichtung nicht in Abrede gestellt und sich intensiv mit der
Gesprächspsychotherapie befasst. Im Übrigen haben - wie oben ausgeführt - die
Entscheidungen des BA/G-BA in der Zeit nach dem 1.1.1999 für den hier allein
streitbefangenen Antrag des Klägers auf Eintragung in das Arztregister keine Relevanz.
39 B. Der erstmals im Revisionsverfahren gestellte Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit
des Beschlusses des G-BA vom 24.4.2008 zur Gesprächspsychotherapie ist unzulässig. Er
läuft auf eine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung (§ 168 Satz 1 iVm § 99
SGG) hinaus (1.); im Übrigen fehlt dem Kläger das Feststellungsinteresse (2.).
40 1. Im Revisionsverfahren kann der Klageantrag nicht erweitert werden, soweit nicht die
besonderen Konstellationen des § 99 Abs 3 SGG vorliegen, die hier nicht in Rede stehen.
Streitgegenstand und Gegenstand des Antrags im Berufungsrechtszug war allein der
Anspruch des Klägers auf Eintragung in das Arztregister. Zulässig wäre es, wenn der Kläger
neben diesem Antrag hilfsweise die Feststellung begehrt hätte, dass die Beklagte ihn in das
Register eintragen muss, wenn der G-BA künftig die Gesprächspsychotherapie zu den
anerkannten Behandlungsverfahren iS des § 13 PsychThRL zählen sollte. Die Feststellung
der Rechtswidrigkeit des Beschlusses des G-BA vom 24.4.2008 beruht dagegen auf
anderen Grundlagen als der Eintragungsanspruch des Klägers und ginge in ihren
Rechtswirkungen weit darüber hinaus. Eine solche Erweiterung des Streitgegenstandes ist
im Revisionsverfahren ausgeschlossen.
41 Im Übrigen ist nicht erkennbar, wie die begehrte Feststellung gegenüber der Beklagten
erreicht werden könnte. Diese hat die angegriffene Norm nicht erlassen und kann sie nicht
ändern. Soweit der Antrag gegen den zu 1. beigeladenen G-BA gerichtet wird, ist er -
erstmals im Revisionsrechtszug gestellt - unzulässig. Eine Verurteilung des Beigeladenen ist
im Übrigen ausgeschlossen, weil nur ein beigeladener Versicherungs- oder Leistungsträger
verurteilt werden kann (§ 75 Abs 5 SGG). Ein solcher ist der G-BA nicht.
42 2. Für den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Beschlusses des G-BA vom
24.4.2008 zur Belassung der Gesprächspsychotherapie in der Anlage 1 Nr 3 der PsychThRL
(nicht anerkannte Verfahren) fehlt dem Kläger zudem das erforderliche
Feststellungsinteresse (§ 55 SGG). In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass
Leistungserbringer in der gesetzlichen Krankenversicherung unter bestimmten
Voraussetzungen die Rechtmäßigkeit von untergesetzlichen Normen unmittelbar zum
Gegenstand eines Klageverfahrens machen können (BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr
5, jeweils RdNr 27 ff). Die Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 Satz 1 GG und die
Rechtsprechung des BVerfG zur Notwendigkeit der Rechtswegerschöpfung (§ 90 Abs 2
Bundesverfassungsgerichtsgesetz) vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde erfordern
die begrenzte Zulassung einer prinzipalen und nicht nur inzidenten Normenkontrolle auch im
sozialgerichtlichen Rechtsschutzsystem. Soweit ein (potenziell) Betroffener schlüssig
geltend machen kann, unmittelbar durch eine hinsichtlich ihrer Wirksamkeit umstrittene
untergesetzliche Norm in seiner grundrechtlich (Art 12 Abs 1 GG) geschützten
Betätigungsfreiheit betroffen zu sein, kann er die Wirksamkeit dieser Norm im Wege einer
Feststellungsklage überprüfen lassen (BSGE und SozR aaO, jeweils RdNr 30 ff). Diese
Voraussetzung erfüllt der Kläger hier jedoch nicht.
43 Das von ihm in Anspruch genommene und aus Art 12 Abs 1 GG abgeleitete Recht, Kinder
und Jugendliche gesprächspsychotherapeutisch behandeln zu dürfen, besteht unabhängig
von der Rechtmäßigkeit des Beschlusses des G-BA vom 24.4.2008 nicht. Die
Rechtsposition des Klägers im Hinblick auf die Eintragung in das Arztregister und in deren
Folge auf eine Zulassung nach § 95 Abs 2 SGB V würde sich durch die von ihm begehrte
Feststellung nicht ändern. Die (mögliche) Erwartung des Klägers, nach Ergehen der von ihm
begehrten Feststellung würde der Gesetzgeber tätig werden und die Zulassung der
übergangsrechtlich approbierten, nur gesprächspsychotherapeutisch qualifizierten
Behandler erleichtern, verbleibt notwendig im Bereich bloßer Spekulation. Damit kann eine
unmittelbare rechtliche Betroffenheit durch die angegriffene untergesetzliche Regelung
jedenfalls nicht dargetan werden. Im Übrigen gilt auch hier, dass für die Eignung der
Gesprächspsychotherapie zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen, die der Kläger
nach seiner beruflichen Qualifikation allein anbieten dürfte, nicht einmal eine
wissenschaftliche Anerkennung iS des § 11 PsychThG vorliegt.
44 Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2
Verwaltungsgerichtsordnung. Der Kläger hat die Kosten des von ihm ohne Erfolg
eingelegten Rechtsmittels zu tragen.