Urteil des BSG vom 27.01.2010
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BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 27.1.2010, B 12 KR 20/08 R
Krankenversicherung der Rentner - Vorversicherungszeit - Ende der Rahmenfrist -
Zeitpunkt der Rentenantragstellung - Geschäftsunfähigkeit - Fristhemmung
Leitsätze
Die Rahmenfrist, die für die Berechnung der für die Pflichtversicherung in der
Krankenversicherung der Rentner erforderlichen Vorversicherungszeit maßgebend ist, endet
mit dem Zeitpunkt des Rentenbeginns, wenn der Rentenversicherungsträger wegen der
Geschäftsunfähigkeit und der zunächst fehlenden gesetzlichen Vertretung des Rentners einen
früheren Zeitpunkt der Rentenantragstellung für den Rentenbeginn zugrunde legt.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin als Rentnerin in der gesetzlichen
Krankenversicherung pflichtversichert ist.
2 Die im September 1939 geborene Klägerin war nach Aufnahme ihrer Erwerbstätigkeit am
17.10.1955 bis zum Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld am 28.9.1998 in der
gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Im Anschluss hieran erhielt sie wegen
vorhandenen Vermögens keine Arbeitslosenhilfe und erklärte auch nicht ihren Beitritt als
freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichertes Mitglied.
3 Das Amtsgericht bestellte mit Beschluss vom 21.12.2005 einen Betreuer ua zur Vertretung
der Klägerin gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern.
Dieser beantragte für die Klägerin beim beigeladenen Rentenversicherungsträger am
27.12.2005 eine Altersrente für Frauen. Mit Schreiben vom 3.1.2006 stellte er einen Antrag
auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der für den Rentenbeginn
maßgebenden Frist des § 99 Abs 1 Satz 1 SGB VI, weil die Klägerin bereits im Jahre 1998
krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage gewesen sei, ihre Angelegenheiten mit Behörden,
Versicherungen und ärztlichen Stellen zu regeln. Der beigeladene
Rentenversicherungsträger ging davon aus, dass die Klägerin bereits seit September 1999
durchgehend geschäftsunfähig und damit an der wirksamen Rentenantragstellung gehindert
gewesen sei, und gewährte ihr mit Bescheid vom 15.2.2006 eine Altersrente für Frauen ab
dem 1.10.1999.
4 Die beklagte Krankenkasse stellte mit Bescheid vom 12.1.2006 fest, dass die Klägerin nicht
pflichtversichert sei, weil sie in der zweiten Hälfte des Zeitraums seit der erstmaligen
Aufnahme ihrer Erwerbstätigkeit bis zur Rentenantragstellung am 27.12.2005 (sog
Rahmenfrist) nicht mindestens während 9/10 dieses Zeitraums in der gesetzlichen
Krankenversicherung versichert gewesen sei. Den Widerspruch der Klägerin wies sie mit
Widerspruchsbescheid vom 9.5.2006 zurück.
5 Das SG hat mit Urteil vom 11.7.2007 den Bescheid der Beklagten vom 12.1.2006 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 aufgehoben und festgestellt, dass ab
1.10.1999 eine Pflichtversicherung der Klägerin in der gesetzlichen Krankenversicherung als
Rentnerin bei der Beklagten bestanden habe. Die erforderliche Vorversicherungszeit sei
erfüllt, weil die Rahmenfrist nicht zum Zeitpunkt der tatsächlichen Rentenantragstellung am
27.12.2005, sondern in dem Monat geendet habe, in dem die Klägerin bei Geschäftsfähigkeit
einen Rentenantrag gestellt hätte. Das Bayerische LSG hat auf die Berufung der Beklagten
mit Urteil vom 4.9.2008 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es ua ausgeführt, für das Ende der Rahmenfrist sei auf den Zeitpunkt des
tatsächlich gestellten Rentenantrags abzustellen, weil nur so das Bestehen einer
Pflichtversicherung und deren Beginn schnell und eindeutig festgestellt werden könnten.
6 Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 5 Abs 1 Nr
11 SGB V. Entsprechend dem Sinn und Zweck der Vorversicherungszeiten, nur diejenigen
in die Krankenversicherungspflicht einzubeziehen, die während ihres Erwerbslebens
hinreichend am Solidarausgleich der gesetzlichen Krankenversicherung teilgenommen
hätten, stelle das Gesetz für die Beendigung der Rahmenfrist auf den Zeitpunkt des
Rentenantrags ab, weil der Versicherte damit die Beendigung seines Erwerbslebens zum
Ausdruck bringe. Einen Rentenantrag könnten jedoch Geschäftsunfähige ohne gesetzliche
Vertreter trotz Beendigung ihres Erwerbslebens nicht wirksam stellen und wären deshalb bei
Verzögerung der wirksamen Rentenantragstellung infolge Geschäftsunfähigkeit trotz einer
während ihres gesamten Erwerbslebens in der gesetzlichen Krankenversicherung
bestehenden Versicherung von der Pflichtversicherung als Rentner ausgeschlossen.
Deshalb sei in diesem Fall für das Ende der Rahmenfrist der vom
Rentenversicherungsträger zu Grunde gelegte fiktive Zeitpunkt des Rentenantrags
maßgebend.
7 Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4.9.2008 aufzuheben und die
Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11.7.2007
zurückzuweisen.
8 Die Beklagte und die beigeladene Pflegekasse beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
9 Die Revision sei bereits mangels hinreichender Begründung unzulässig. Im Übrigen halten
sie das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend.
10 Der beigeladene Rentenversicherungsträger hält das angefochtene Urteil ebenfalls für
zutreffend.
Entscheidungsgründe
11 Die Revision der Klägerin ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das LSG das der Klage
stattgebende Urteil des SG im vollen Umfang aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die
Klägerin ist seit dem 27.12.2005 in der gesetzlichen Krankenversicherung als Rentnerin
pflichtversichert und Mitglied der Beklagten.
12 1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das mit einer Anfechtungs- und einer
Feststellungsklage verfolgte Begehren der Klägerin, unter Abänderung der Bescheide der
Beklagten das Bestehen von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung
ab 27.12.2005 festzustellen. Soweit die Klägerin zunächst auch die Feststellung der
Versicherungspflicht für die Zeit vor dem 27.12.2005 beantragt hatte, hat sie ihre Klage im
Revisionsverfahren zurückgenommen. Damit sind das Urteil des SG, soweit es für die Zeit
vor dem 27.12.2005 die Versicherungspflicht festgestellt hat, und das Urteil des LSG, soweit
es insoweit das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen hat, gegenstandslos
geworden. Das noch im Berufungsverfahren hilfsweise verfolgte Begehren, das Bestehen
einer freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung ab 29.9.1998
festzustellen, hat die Klägerin im Revisionsverfahren ebenfalls nicht mehr aufrechterhalten.
13 2. Die Revision ist zulässig. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat die Klägerin die
Revision hinreichend begründet. Die Revisionsbegründung muss gemäß § 164 Abs 2 Satz 1
und 3 SGG einen bestimmten Antrag enthalten und die verletzte Rechtsnorm bezeichnen.
Sie muss sorgfältig sowie nach Umfang und Zweck zweifelsfrei ausführen, weshalb eine
Vorschrift des materiellen Rechts vom LSG nicht oder nicht richtig angewandt worden ist(vgl
Urteil des Senats vom 21.9.2005 - B 12 KR 1/05 R - USK 2005-27 mwN). Diesen
Anforderungen genügt die Begründung der Klägerin. Sie legt dar, dass und warum anders
als nach der Rechtsauffassung des LSG für die Prüfung der Voraussetzungen der
Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V ein vom tatsächlichen Zeitpunkt
abweichender, für den Rentenbeginn vom Rentenversicherungsträger als maßgebend
angenommener fiktiver Zeitpunkt der Rentenantragstellung zugrunde zu legen ist.
14 3. Die Revision ist auch begründet. Die Klägerin erfüllt die für die Versicherungspflicht als
Rentnerin und die Mitgliedschaft bei der Beklagten geltenden Voraussetzungen seit dem
27.12.2005.
15 Nach der seit dem 1.1.1993 bis zum 31.3.2002 geltenden Fassung des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB
V (vgl Art 1 Nr 1 des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992, BGBl I 2266),
soweit sie hier von Interesse ist, waren versicherungspflichtig Personen, die die
Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen
Rentenversicherung erfüllten und diese Rente beantragt hatten, wenn sie seit der
erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags (sog
Rahmenfrist) mindestens 9/10 der zweiten Hälfte des Zeitraums aufgrund einer
Pflichtversicherung Mitglied oder aufgrund einer Pflichtversicherung nach § 10 SGB V
versichert waren. Änderungen der Vorschrift betrafen nicht die Anknüpfungspunkte für die
Rahmenfrist, sondern nur die Art der Versicherungszeiten, die für die Vorversicherung
anrechenbar waren. So setzte vor Änderung der Vorschrift durch das GSG zum 1.1.1993 § 5
Abs 1 Nr 11 SGB V in der seit dem 1.1.1989 geltenden Fassung des Gesundheits-
Reformgesetzes (GRG) für die Pflichtmitgliedschaft lediglich voraus, dass innerhalb der
Rahmenfrist mindestens 9/10 der zweiten Hälfte des Zeitraumes eine Mitgliedschaft oder
eine Versicherung nach § 10 SGB V bestanden hatte. Das BVerfG hat § 5 Abs 1 Nr 11 Halbs
1 SGB V idF des GSG für mit Art 3 Abs 1 GG unvereinbar erklärt, soweit die erforderliche sog
9/10-Belegung nicht mehr durch Zeiten einer freiwilligen Versicherung erfüllt werden konnte.
Es hat gleichzeitig entschieden, dass die Vorschrift dennoch bis zum 31.3.2002 angewendet
werden konnte und dass sich bei fehlender gesetzlicher Neuregelung bis zu diesem Datum
der Zugang von Rentnern zur Krankenversicherung ab 1.4.2002 wieder nach § 5 Abs 1 Nr
11 SGB V idF des GRG bestimmt (Beschluss vom 15.3.2000 - 1 BvL 16/96 ua - BVerfGE
102, 68 = SozR 3-2500 § 5 Nr 42; vgl hierzu auch Urteil des Senats vom 7.12.2000 - B 12
KR 29/00 R - SozR 3-2500 § 5 Nr 44). Weil der Gesetzgeber bis zum 1.4.2002 eine
Neuregelung unterlassen hatte, kam seit diesem Zeitpunkt wieder § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V
idF des GRG zur Anwendung. Durch Art 1 Nr 2 Buchst a aa) des GKV-
Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007 (BGBl I 378) hat der Gesetzgeber den
Wortlaut des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V mit Wirkung ab 1.4.2007 der materiell-rechtlichen
Rechtslage angepasst, die infolge der Rechtsprechung des BVerfG seit dem 1.4.2002
bestand.
16 Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V in der hier
anwendbaren ab 1.4.2002 geltenden Fassung des GRG. Nach den Feststellungen des LSG
hat sie am 17.10.1955 erstmalig eine Erwerbstätigkeit aufgenommen und war seitdem bis
zum 28.9.1998 in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Damit hat sie die
Vorversicherungszeit erfüllt, weil die Rahmenfrist hier abweichend vom Wortlaut des
Gesetzes nicht erst zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung, also am 27.12.2005, sondern
bereits am 1.10.1999, dem Tag des Rentenbeginns, endete.
17 Der Gesetzgeber hat für das Ende der Rahmenfrist in § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V an den
Zeitpunkt der Rentenantragstellung angeknüpft, weil dieser in den Fällen der Altersrente in
einer für alle Rentner gleichen Weise typisierend das Ende einer vorausgegangenen
eigenen oder abgeleiteten Erwerbsbiografie markiert. Durch die Rentenantragstellung gibt
der Versicherte zu erkennen, dass er aus dem Erwerbsleben ausscheiden will (vgl Urteil des
Senats vom 4.6.2009 - B 12 KR 26/07 R - BSGE 103, 235 = SozR 4-2500 § 5 Nr 8). Mit der
Rentenantragstellung kann auch in der Regel ohne größere Schwierigkeiten das Ende der
Rahmenfrist ermittelt und das Vorliegen von Versicherungspflicht geprüft werden.
18 Wird als Ende der Rahmenfrist ausnahmslos auf den Zeitpunkt des wirksam gestellten
Rentenantrags abgestellt, kann jedoch der Zeitpunkt des Rentenantrags und der Zeitpunkt
der Beendigung der Erwerbstätigkeit unter Umständen für einen größeren Zeitraum
auseinanderfallen, wenn eine Erwerbstätigkeit nicht mehr ausgeübt wird und auch die
Voraussetzungen für eine Altersrente erfüllt sind, ein wirksamer Rentenantrag aber wegen
bestehender Geschäftsunfähigkeit und fehlender gesetzlicher Vertretung nicht im zeitlichen
Zusammenhang mit dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gestellt werden kann. Wird
hier die fehlende rechtsgeschäftliche Handlungsmacht erst später - etwa durch Bestellung
eines Betreuers - (wieder) hergestellt, kann dann zwar zum Zeitpunkt der Beendigung der
Erwerbstätigkeit die notwendige Vorversicherungszeit für eine Pflichtversicherung als
Rentner erfüllt gewesen sein, aber zu dem Zeitpunkt, in dem ein wirksamer Rentenantrag
gestellt werden kann, die erforderliche Vorversicherungszeit für die Versicherungspflicht als
Rentner innerhalb der nach diesem Antrag berechneten - längeren - Rahmenfrist für eine
Pflichtversicherung nicht mehr gegeben sein. Soweit Regelungen bestehen, die
Geschäftsunfähige ohne gesetzlichen Vertreter vor Rechtsverlusten schützen sollen, sind sie
hier nicht direkt einschlägig. So können die Regelungen über die Wiedereinsetzung in den
vorherigen Stand gemäß § 27 SGB X sowie über die Hemmung des Fristablaufes gemäß §
206 BGB aF bzw ab 1.1.2002 gemäß § 210 BGB nicht unmittelbar angewandt werden, weil
die die Rahmenfrist bestimmende Rentenantragstellung in Bezug auf die
Versicherungspflicht als Rentner keine fristgebundene Erklärung ist.
19 Im Rentenversicherungsrecht besteht ein vergleichbares Problem in Bezug auf den von der
Rentenantragstellung abhängigen Rentenbeginn. Hier liegt es nahe, zum Schutz des
Geschäftsunfähigen eine nach Wegfall der Geschäftsunfähigkeit bzw nach Bestellung eines
Betreuers wirksam erfolgte Rentenantragstellung auf den Zeitpunkt der an sich sinnvollen
zeitnahen Beantragung zurückwirken zu lassen. Rechtlich wird dies dadurch erreicht, dass
der Ablauf der Frist des § 99 Abs 1 Satz 1 SGB VI während der Geschäftsunfähigkeit in
entsprechender Anwendung des § 206 BGB bzw seit dem 1.1.2002 des § 210 BGB bis zu
deren Wegfall oder der Bestellung eines Vertreters gehemmt ist (vgl BSG Urteil vom
28.11.1973 - 4 RJ 159/72 - BSGE 36, 267 = SozR Nr 18 zu § 1290 RVO). Damit wird dem
Schutz der geschäftsunfähigen Rentenberechtigten Rechnung getragen. Die Rente wird
gemäß § 99 Abs 1 Satz 1 SGB VI von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn
ihre Anspruchsvoraussetzungen erfüllt waren, der Versicherte jedoch wegen fehlender
Geschäftsfähigkeit und mangelnder gesetzlicher Vertretung den Rentenantrag nicht
innerhalb der Frist des § 99 Abs 1 Satz 1 SGB VI stellen konnte.
20 Diese Rechtsprechung ist auf § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V zu übertragen, soweit nach dieser
Vorschrift der Zeitpunkt der Rentenantragstellung für die Bestimmung der Rahmenfrist
maßgebend ist. Die geschäftsunfähigen Rentner bedürfen auch im Hinblick auf die
Zugehörigkeit zur gesetzlichen Krankenversicherung eines Schutzes vor Rechtsverlust,
wenn sie andernfalls wegen ihrer Geschäftsunfähigkeit und fehlenden gesetzlichen
Vertretung die Voraussetzungen für die Pflichtversicherung in der gesetzlichen
Krankenversicherung nicht erfüllen würden. Entgegen dem Sinn und Zweck der Vorschrift
des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V, die Pflichtversicherung auf Personen zu erstrecken, die vorher
hinreichend lange in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren, wären
geschäftsunfähige Versicherte ohne Betreuer, die zwar zum Zeitpunkt eines möglichen
Rentenbeginns die Vorversicherungszeiten für eine Pflichtversicherung erfüllten, jedoch
anders als die übrigen Versicherten keinen zeitnahen wirksamen Rentenantrag stellen
konnten, andernfalls vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.
21 Bei einem geschäftsunfähigen Rentner ohne Betreuer ist deshalb nicht der Zeitpunkt des
später wirksam gestellten Rentenantrags, sondern der Zeitpunkt des aufgrund dieses
Antrags vom Rentenversicherungsträger festgelegten Rentenbeginns für das Ende der
Rahmenfrist zugrunde zu legen. Dies ist der Zeitpunkt, zu dem jedenfalls ein Ausscheiden
aus dem Erwerbsleben anzunehmen ist. Die Anknüpfung an die Entscheidung des
Rentenversicherungsträgers über den Zeitpunkt des Rentenbeginns auch als Zeitpunkt des
fiktiven Rentenantrags ist geboten, weil die Krankenversicherungsträger hinsichtlich des
Eintritts von Versicherungspflicht ebenfalls an die Entscheidungen der
Rentenversicherungsträger über die Gewährung der Rente und deren Beginn gebunden
sind. Dies rechtfertigt es, auch für das Ende der Rahmenfrist dann auf den vom
Rentenversicherungsträger festgestellten Rentenbeginn abzustellen, wenn dieser
seinerseits in entsprechender Anwendung von § 206 BGB aF bzw § 210 BGB den
Rentenbeginn auf einen Zeitpunkt vor der tatsächlichen Rentenantragstellung festlegt, ohne
dass die Krankenkasse verpflichtet oder befugt ist, diese Entscheidung des
Rentenversicherungsträgers zu überprüfen. Deshalb bedurfte es auch keiner Feststellungen
des LSG dazu, ob die Klägerin im Jahr 1999 tatsächlich geschäftsunfähig war.
22 Allerdings können damit in Fällen wie dem der Klägerin die Voraussetzungen für die
Versicherungspflicht nicht allein anhand des wirksam durch einen gesetzlichen Vertreter
gestellten Rentenantrags geprüft werden. Gründe der Verwaltungsvereinfachung können
jedoch eine andernfalls nicht gerechtfertigte Benachteiligung geschäftsunfähiger
Versicherter nicht rechtfertigen. Die Voraussetzungen für die Pflichtversicherung als Rentner
sind auch sonst nicht in jedem Fall sofort bei Rentenantragstellung sicher feststellbar, weil
uU weitere Ermittlungen des Krankenversicherungsträgers zu den erforderlichen
Vorversicherungszeiten erfolgen müssen. Ebenso können gerade bei einem möglicherweise
Geschäftsunfähigen weitere Ermittlungen des Rentenversicherungsträgers zum Zeitpunkt
der Rentenantragstellung und zu dessen Wirksamkeit erforderlich sein.
23 Im hier zu entscheidenden Fall beginnt die Versicherungspflicht schon wegen der
Begrenzung des Antrags der Klägerin nicht mit dem Ende der Rahmenfrist, sondern erst mit
dem tatsächlichen Rentenantrag. Insoweit hat die Klägerin selbst die Regelung über den
Beginn der Versicherungspflicht in § 186 Abs 9 SGB V beachtet. Ein Auseinanderfallen von
Ende der Rahmenfrist und Beginn der Versicherungspflicht hat der Senat bereits früher für
eine vergleichbare Fallgestaltung als rechtlich geboten erachtet (vgl Urteil des Senats vom
25.2.1997 - 12 RK 4/96 - BSGE 80, 102 = SozR 3-2500 § 5 Nr 33 mwN), weil die
Begründung von Versicherungspflicht für in der Vergangenheit liegende Zeiträume
vermieden werden soll. Soweit sowohl in § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V als auch in § 186 Abs 9
SGB V auf den Rentenantrag abgestellt wird, sind damit unterschiedliche Rechtsfolgen
verbunden. Von daher ist es auch zulässig, in § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V den Rentenantrag
durch einen anderen Tatbestand zu ersetzen, in § 186 Abs 9 SGB V jedoch für den Beginn
der Versicherungspflicht auf den tatsächlichen Rentenantrag abzustellen.
24 Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.