Urteil des BSG vom 30.08.2007
BSG (tierhaltung, abgabe, tierzucht, unternehmen, landwirtschaft, bewg, treu und glauben, rente, schweinemast, beteiligung)
BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 30.8.2007, B 10 LW 4/06 R
Alterssicherung der Landwirte - Ruhen einer Altersrente - Beteiligung an einer
gewerblichen Tierhaltung
Leitsätze
Die Beteiligung an einer gewerblichen Tierhaltung auf Flächen, die zuvor nicht zum
landwirtschaftlichen Unternehmen des Rentenbeziehers oder seines Ehegatten gehört haben,
führt nicht zum Ruhen der Altersrente.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Altersrentenbewilligung und Rückforderung
überzahlter Beträge wegen Beteiligung der Klägerin an einem gewerblichen
Schweinemastbetrieb.
2 Nachdem der Ehemann der Klägerin bereits zum 1.7.1998 sein landwirtschaftliches
Unternehmen abgegeben und die Klägerin ihr 65. Lebensjahr vollendet hatte, erkannte die
Beklagte ihr ab 1.4.2000 Altersrente zu (Bescheid vom 24.2.2000) .
3 Vom 1.5.2000 bis 31.12.2003 betrieb die Klägerin zusammen mit ihrem Sohn im Rahmen
einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) auf von einem Dritten neu gepachteten
Flächen eine gewerbliche Schweinemast. Davon erfuhr die Beklagte im Zusammenhang mit
einem von der Klägerin nach dem Tod des Ehemannes im August 2003 gestellten
Witwenrentenantrag. Die Beklagte bewertete die Beteiligung der Klägerin an dem
Schweinemastbetrieb als Ruhenstatbestand, hob nach Anhörung der Klägerin die
Bewilligung der Altersrente für die Zeit vom 1.6.2000 bis 31.12.2003 wegen wesentlicher
Änderung der Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 Satz 1, Satz 2 Nr 4 SGB X auf und forderte die
für diesen Zeitraum gezahlten 10.315,03 Euro gemäß § 50 Abs 1 SGB X zurück (Bescheid
vom 8.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.8.2004).
4 Das Sozialgericht (SG) hat der Anfechtungsklage der Klägerin stattgegeben und die
vorgenannten Verwaltungsakte aufgehoben (Urteil vom 7.4.2006). Es hat seine Entscheidung
damit begründet, dass durch die gewerbliche Tierhaltung ein Ruhenstatbestand iS des § 30
Abs 2 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) nicht ausgelöst worden sei. Nach
der allein in Betracht kommenden dritten Variante dieser Vorschrift sei es rentenschädlich,
wenn die Abgabe nach § 21 Abs 2 ALG vor Ablauf von neun Jahren ende. Dies sei hier nicht
der Fall, denn die GbR habe sich für die Schweinemast neuer Pachtflächen bedient. Eine
analoge Anwendung scheide wegen fehlender planwidriger Unvollständigkeit des Gesetzes
aus.
5 Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom
16.11.2006). Es hat sich den Entscheidungsgründen des SG angeschlossen und weiter
ausgeführt: Die Rente der Klägerin ruhe auch nicht nach Maßgabe der ersten beiden
Varianten des § 30 Abs 2 Satz 1 ALG, wonach der Betrieb eines Unternehmens der
Landwirtschaft unter Leitung bzw Beteiligung eines Rentenempfängers einem
Rentenanspruch entgegenstehe. Eine gewerbliche Tierzucht oder Tierhaltung, die wie der
vorliegende Schweinemastbetrieb die Grenzwerte des § 51 Bewertungsgesetz (BewG)
überschreite, sei kein Unternehmen der Landwirtschaft iS des § 1 Abs 4 ALG.
6 Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung der
§§ 21 und 30 ALG. Den Ausführungen der Vorinstanz könne nicht gefolgt werden. Bei der
streitgegenständlichen Fallgestaltung müsse der Ruhenstatbestand des § 30 Abs 2 Satz 1
erste Variante ALG um die Regelung des § 21 Abs 2 Satz 4 und Abs 7 Satz 3 ALG ergänzt
werden. Flächen, deren landwirtschaftliche Nutzung auf längere Dauer dadurch unmöglich
sei, weil sie mit einem zur gewerblichen Tierhaltung genutzten Stall überbaut seien, würden
nach § 21 Abs 2 Satz 4 ALG - entgegen § 21 Abs 2 Satz 1 Nr 3 ALG - nicht als abgegeben
gelten. Außerdem setze § 21 Abs 7 Satz 3 ALG die Möglichkeit eines Rückbehalts dieser
Flächen außer Kraft. Der Gesetzgeber habe sich zur Einführung dieser Regelungen
veranlasst gesehen, weil die gewerbliche Tierhaltung bzw Tierzucht die agrarstrukturelle
Zielsetzung der Abgabe konterkariere. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers solle nur
derjenige eine Rente erhalten, der nicht mehr als Konkurrent flächenabhängig produzierender
Betriebe in Erscheinung trete, weil er außer der Landbewirtschaftung auch die Produktion
solcher Erzeugnisse aufgegeben habe, die bei entsprechender Flächenausstattung
landwirtschaftliche Erzeugnisse wären. Hinsichtlich einer gewerblichen Tierhaltung auf
gepachteten bzw gemieteten Stallflächen gelte nichts anderes. Würde diese als
rentenunschädlich betrachtet, könne die Hofabgabeklausel durch wechselseitige
Stallvermietung umgangen werden. Es müsse deshalb von einem Ruhen der Rente
ausgegangen werden, sobald ein Rentenbezieher eine gewerbliche Tierhaltung in hierfür
angemieteten Stallungen aufnehme. Vor diesem Hintergrund rechtfertige sich die Übertragung
des Rechtsgedankens des § 21 Abs 2 Satz 4 ALG auf die Ruhensregelung des § 30 Abs 2
Satz 1 ALG. Eine Anwendung der Abgaberegelung sei auch deswegen geboten, weil viele
Betriebe bestrebt seien, die nach § 51 BewG bzw § 13 Abs 1 Nr 1 Satz 2
Einkommensteuergesetz (EStG) wegen zu geringer Flächenausstattung nicht
landwirtschaftlichen, sondern gewerblichen Tierbestände auszugliedern.
7 Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 16.11.2006 und das Urteil des SG Oldenburg
vom 7.4.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
8 Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
9 Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Es bestehe keine gesetzliche Regelungslücke. § 21
Abs 2 Satz 4 ALG sei nur auf gewerbliche Tierhaltung anwendbar, die auf Flächen erfolge, die
zu dem ehemaligen Unternehmen der Landwirtschaft gehört hätten und bei der Abgabe
zurückbehalten worden seien. Die Schweinemast sei hier aber nicht auf Flächen des früheren
Unternehmens betrieben worden. Die Auffassung der Beklagten, nur derjenige solle eine
Rente aus der Alterssicherung der Landwirte (AdL) erhalten, der nicht nur die
Landbewirtschaftung, sondern jegliche Produktion von Erzeugnissen einstelle, die bei
entsprechender Flächenausstattung landwirtschaftliche Erzeugnisse wären, könne nicht
nachvollzogen werden. Der Gesetzgeber habe das Begehren der Beklagten zu einer
Gesetzesänderung, die deren Auffassung stütze, abgelehnt. Die Beklagte wolle mit ihrer
Gesetzesauslegung eine unzulässige Normerweiterung erreichen. Hätte der Gesetzgeber
Entsprechendes gewollt, hätte er dies zB im Rentenversicherungs-
Altersgrenzenanpassungsgesetz festlegen können. Dies sei jedoch nicht geschehen.
Entscheidungsgründe
10 Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
11 Die Revision, mit der die Beklagte begehrt, die der isolierten Anfechtungsklage der Klägerin
(§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) stattgebenden Entscheidungen des LSG und SG aufzuheben und
die Klage abzuweisen, hat keinen Erfolg, denn das LSG hat Bundesrecht nicht verletzt (§§
162, 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Dieses und auch schon das SG haben zutreffend entschieden,
dass die Beklagte nicht ermächtigt war, wegen der Beteiligung der Klägerin als
Gesellschafterin einer GbR an dem betreffenden gewerblichen Schweinemastbetrieb die
Bewilligung der Altersrente rückwirkend für die Zeit vom 1.6.2000 bis 31.12.2003
aufzuheben und die für diesen Zeitraum gezahlten Geldbeträge von insgesamt 10.315,03
Euro zurückzufordern.
12 Als Ermächtigungsgrundlage kommt im vorliegenden Fall allein § 48 Abs 1 SGB X in
Betracht. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft
aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass
eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung
eintritt. Nach Satz 2 soll der Verwaltungsakt rückwirkend vom Zeitpunkt der Änderung der
Verhältnisse aufgehoben werden, soweit bestimmte weitere Voraussetzungen vorliegen.
13 § 30 Abs 2 Satz 1 ALG enthält keine § 48 Abs 1 SGB X verdrängende Spezialvorschrift.
Diese gesetzliche Bestimmung ordnet nach ihrem Wortlaut lediglich unter bestimmten
Voraussetzungen das Ruhen des (monatlichen Zahlungs-)Anspruchs auf Rente aus der AdL
an, sie ermächtigt die landwirtschaftlichen Alterskassen als zuständige Träger jedoch nicht,
die Bewilligungen von Renten mit Wirkung für die Zukunft bzw rückwirkend aufzuheben;
ebenso wenig setzt sie diese - sich selbst vollziehend - unmittelbar außer Kraft (zum sog
Selbstvollzug von Gesetzen eingehend: BSG, Urteil vom 30.1.1996 - 4 RA 16/95, BSGE 77,
253, 258 f = SozR 3-8570 § 13 Nr 1 S 6 f; BSG, Urteil vom 4.7.1989 - 9 RVs 3/88, BSGE 65,
185, 188 f = SozR 1300 § 48 Nr 57 S 174) . Eine Aufhebung der Bewilligung wegen
nachträglich eingetretenen Ruhens kann deshalb nur nach Maßgabe des § 48 Abs 1 SGB X
erfolgen.
14 Rechtsfehlerfrei sind LSG und SG davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen der
Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs 1 SGB X in diesem Fall nicht vorliegen. Denn in den
tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die dem Bewilligungsbescheid vom 24.2.2000
zugrunde lagen, ist entgegen der Auffassung der Beklagten ab 1.6.2000 keine
rechtserhebliche und damit wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X
eingetreten. Die Beteiligung der Klägerin als Gesellschafterin einer GbR an einem
gewerblichen Schweinemastbetrieb auf von einem Dritten neu gepachteten Flächen erfüllt
keinen der Ruhenstatbestände des § 30 Abs 2 Satz 1 ALG (1.). Entgegen der Auffassung der
Beklagten liegt insoweit auch keine durch entsprechende Anwendung des § 30 Abs 2 Satz 1
ALG iVm § 21 Abs 2 Satz 4 und Abs 7 Satz 3 ALG zu schließende Lücke vor (2.). Eine
Analogie dieser Vorschriften zu Lasten der Klägerin würde zudem gegen § 31 SGB I sowie
das Freiheitsrecht der Klägerin aus Art 2 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Demokratie- und
dem Rechtsstaatsprinzip (Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes) verstoßen (3.).
15 1. Zutreffend ist das LSG zu dem Ergebnis gelangt, dass der vorliegende Sachverhalt die
Voraussetzungen des § 30 Abs 2 Satz 1 Regelung 1 und 2 ALG (von der Beklagten und den
Vorinstanzen als erste und zweite Variante bezeichnet) mangels eines auf
Bodenbewirtschaftung beruhenden Unternehmens der Landwirtschaft, das die Klägerin
allein als Landwirt übernommen bzw an dem sie sich im Rahmen einer GbR als
Mitunternehmerin beteiligt hat, nicht erfüllt. Ebenso hat das LSG, dem SG folgend,
rechtsfehlerfrei entschieden, dass auch die Voraussetzungen des § 30 Abs 2 Satz 1
Regelung 3 ALG ("dritte Variante") nicht erfüllt sind, weil die gewerbliche Schweinemast auf
von einem Dritten neu gepachteten Flächen erfolgt ist.
16 § 30 Abs 2 Satz 1 ALG idF des Art 1 des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung
(Agrarsozialreformgesetz 1995 - ASRG 1995) vom 29.7.1994 (BGBl I 1890) regelt drei
Tatbestände, in denen die monatlichen Zahlungsansprüche des Beziehers einer Rente aus
der AdL vom Beginn des folgenden Kalendermonats an ruhen:
- die Übernahme eines oder mehrerer Unternehmen der Landwirtschaft oder von
Unternehmensteilen, deren Wirtschaftswert allein oder zusammen mit demjenigen nicht
abgegebener Unternehmensteile die Grenzwerte nach § 21 Abs 7 ALG überschreitet
(Regelung 1, dazu unter a),
- die Beteiligung an einem Unternehmen der Landwirtschaft als Mitunternehmer oder als
Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft oder die Mitgliedschaft bei einer
juristischen Person, die ein Unternehmen der Landwirtschaft im Sinne des § 1 Abs 2 ALG
betreibt (Regelung 2, dazu unter b),
- die vorzeitige Beendigung (dh vor Ablauf des Mindestabgabezeitraums von neun Jahren)
einer Abgabe nach § 21 Abs 2 und 4 ALG (Regelung 3, dazu unter c).
17 a) Die Voraussetzungen des Ruhenstatbestands des § 30 Abs 2 Satz 1 Regelung 1 ALG
liegen vor, wenn der Bezieher einer Rente aus der AdL nachträglich, also nach Erlass des
bewilligenden Verwaltungsaktes, erneut (mindestens) ein landwirtschaftliches Unternehmen
oder Unternehmensteile "übernimmt", welche allein oder zusammen mit nicht abgegebenen
Unternehmensteilen die Höchstgrenzen des zulässigen Rückbehalts überschreiten.
Ausgehend von der Definition des Landwirts in § 1 Abs 2 Satz 1 und 2 ALG als
Unternehmer, der in Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit ein auf Bodenbewirtschaftung
beruhendes Unternehmen der Landwirtschaft betreibt, liegt eine "Übernahme" nur vor, wenn
auf den übernommenen Flächen unter Leitung eines selbstständig Tätigen
Bodenbewirtschaftung betrieben wird. Dieser Ruhenstatbestand scheidet hier schon deshalb
aus, weil die Klägerin nicht allein ein Unternehmen übernommen, sondern sich lediglich im
Rahmen einer GbR an einem Unternehmen beteiligt hat. Eine Mitunternehmerschaft wird
nicht von § 30 Abs 2 Satz 1 Regelung 1 ALG, sondern von § 30 Abs 2 Satz 1 Regelung 2
ALG erfasst.
18 b) Die Voraussetzungen des Ruhenstatbestands des § 30 Abs 2 Satz 1 Regelung 2 ALG
liegen vor, wenn der Bezieher einer Rente aus der AdL gemeinsam mit Anderen erneut ein
Unternehmen der Landwirtschaft betreibt, entweder als Mitunternehmer, als Gesellschafter
einer Personenhandelsgesellschaft oder als Mitglied einer ein landwirtschaftliches
Unternehmen betreibenden juristischen Person. Mitunternehmer sind insbesondere die
Gesellschafter einer GbR, denn diese haften unbeschränkt für die Verbindlichkeiten des
Unternehmens und sind am Gewinn und Verlust persönlich beteiligt (§§ 705 ff, 722 BGB;
zum Gesellschafter einer Landwirtschaft betreibenden GbR als Mitunternehmer: BSG, Urteil
vom 17.7.2003 - B 10 LW 9/02 R, SozR 4-5868 § 85 Nr 1; zum Begriff des Mitunternehmers
im einkommensteuer- und bewertungsrechtlichen Sinn: § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG, § 97
Abs 1 Satz 1 Nr 5 BewG) .
19 Im vorliegenden Fall war die Klägerin zwar Gesellschafterin einer GbR und damit als
Mitunternehmerin an einem Unternehmen beteiligt. Dieses betrieb jedoch keine
Landwirtschaft.
20 Eine ein Unternehmen der Landwirtschaft betreibende GbR muss nach § 1 Abs 2 und 4 ALG
den Boden bewirtschaften. Zur Bodenbewirtschaftung gehören nach § 1 Abs 4 Satz 2 ALG
"diejenigen wirtschaftlichen Tätigkeiten von nicht ganz kurzer Dauer, die der Unternehmer
zum Zwecke einer überwiegend planmäßigen Aufzucht von Bodengewächsen ausübt, sowie
die mit der Bodennutzung verbundene Tierhaltung, sofern diese nach den Vorschriften des
BewG zur landwirtschaftlichen Nutzung rechnet".
21 Nach § 51 BewG hängt die Abgrenzung der landwirtschaftlichen Tierhaltung von der
gewerblichen Tierhaltung - ebenso wie nach § 13 Abs 1 Nr 1 Satz 2 EStG - vom Verhältnis
des Tierbestandes zur regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Fläche, also der Anzahl der
Vieheinheiten (VE) je Hektar der landwirtschaftlich genutzten Fläche ab. Werden bestimmte
in Abs 1a und Abs 2 dieser Vorschrift geregelte Grenzen der VE nicht überschritten, gehören
die Tierbestände zur landwirtschaftlichen Nutzung. Der Umrechnungsschlüssel der
Tierbestände in VE richtet sich nach dem (regelmäßig objektiv bestimmten) Futterbedarf der
einzelnen Tierart und der Ertragsfähigkeit der landwirtschaftlichen Nutzfläche (vgl im
Einzelnen § 51 Abs 1a Satz 2 und Abs 4 Satz 1 iVm Anlage 1 und 2 BewG). Das BewG geht
davon aus, dass eine Tierzucht oder Tierhaltung nur dann als Urproduktion zur
Landwirtschaft gehört, wenn sie im Zusammenhang mit einer Bodenbewirtschaftung und
einer eigenen (für die einzelne Tierart objektiv bestimmten) Futtergrundlage betrieben wird
oder betrieben werden könnte. Werden die in § 51 BewG genannten Grenzen nachhaltig, dh
während mehrerer Wirtschaftsjahre, überschritten, wird immer ein gesamter
Tierbestandszweig aus der Landwirtschaft ausgegliedert. Der gewerblichen Tierhaltung
zuzurechnen sind zunächst die weniger flächenabhängigen Zweige des Tierbestandes, wie
zB die Schweinemast (§ 51 Abs 2 Satz 2 und Abs 4 Satz 1 iVm mit Anlage 2 Nr 2 BewG).
Beschränkt sich der Betrieb in der Tierhaltung ausschließlich auf einen Zweig, wie zB auf
Schweinemast, wird der gesamte Tierbestand zur gewerblichen Tierhaltung gerechnet. Wird
die Tierzucht oder Tierhaltung gemeinschaftlich betrieben, kommt es darauf an, in welchem
Betrieb die Tiere stehen. Werden diese von der Gesellschaft oder Gemeinschaft unmittelbar
gehalten, liegt ein selbständiger Betrieb der Gesellschaft oder Gemeinschaft vor. Für die
Abgrenzung ist dann auf die Verhältnisse des gemeinschaftlichen Betriebs abzustellen,
wobei die Sonderregelungen in § 51a BewG zu beachten sind, die unter bestimmten
persönlichen und sachlichen Voraussetzungen die Tierzucht oder Tierhaltung der
landwirtschaftlichen Nutzung zuordnen (Zur Abgrenzung der landwirtschaftlichen von der
gewerblichen Tierhaltung nach dem BewG: Kessler in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht,
§ 51 BewG RdNr 1 ff; Eisele in Rössler/ Troll, BewG, 14. Aufl, § 51 RdNr 1 ff; Friebel in
Kreutziger/Lindberg/Schaffner, BewG, § 51 RdNr 1 ff).
22 Zwar hat das LSG keine konkreten Feststellungen zu den Verhältnissen des
Schweinemastbetriebes getroffen, an dem die Klägerin beteiligt gewesen ist, der Senat hat
jedoch keine Bedenken, davon auszugehen, dass es sich tatsächlich nicht um einen
landwirtschaftlichen, sondern um einen gewerblichen Betrieb gehandelt hat. Zu dieser
Beurteilung ist nicht nur die Beklagte aufgrund ihrer Ermittlungen im Verwaltungsverfahren
gelangt, sondern es sind auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die
betreffende GbR über hinreichende landwirtschaftliche Flächen verfügt haben könnte.
Vielmehr handelt es sich gerade um einen außerhalb des (vom Ehemann der Klägerin auf
den Sohn übergegangenen) landwirtschaftlichen Unternehmens in angemieteten Stallungen
tätigen Schweinemastbetrieb.
23 c) Rechtsfehlerfrei hat das LSG, dem SG folgend, auch angenommen, dass wegen der im
Jahre 2000 erfolgten Beteiligung der Klägerin an einer gewerblichen Schweinemast auf von
einem Dritten neu gepachtetem Grund die bereits 1998 abgeschlossene Abgabe des
landwirtschaftlichen Unternehmens nicht vorzeitig (vor Ablauf von neun Jahren) beendet
worden ist und damit auch nicht der Ruhenstatbestand des § 30 Abs 2 Satz 1 Regelung 3
ALG erfüllt ist.
24 Die Voraussetzungen des Ruhenstatbestands des § 30 Abs 2 Satz 1 Regelung 3 ALG liegen
vor, wenn der Bezieher einer Rente aus der AdL bestimmte Abgabeformen (Abgabe nach §
21 Abs 2 oder Abs 4 ALG) vorzeitig beendet, also diese Abgabehandlungen vor Ablauf des
Mindestabgabezeitraums von neun Jahren rückgängig macht.
25 Eine Abgabe des Unternehmens, die nach § 11 Abs 1 Nr 3 ALG Voraussetzung für einen
Anspruch auf Altersrente aus der AdL ist, setzt nach § 21 Abs 1 ALG grundsätzlich die
Übertragung des Eigentums voraus (hierzu zB BSG, Urteil vom 7.12.2000 - B 10 LW 17/99
R, SozR 3-5868 § 21 Nr 3 S 17) . Dem stehen nach § 21 Abs 2 und Abs 4 ALG Tatbestände
gleich, die eine langjährige Unmöglichkeit, Flächen landwirtschaftlich zu nutzen,
umschreiben: eine mindestens neunjährige Verpachtung (Abs 2 Satz 1 Nr 1 und Satz 2),
eine mindestens neunjährige Belastung mit einem Nießbrauch (Abs 2 Satz 1 Nr 2 und Satz
2), eine Stilllegung (Abs 4) und ein Auffangtatbestand, der verwirklicht wird, wenn "in
ähnlicher Weise die landwirtschaftliche Nutzung auf eigenes Risiko auf längere Dauer
(mindestens neun Jahre) unmöglich gemacht ist" (Abs 2 Satz 1 Nr 3 und Satz 2). Hiervon
sieht § 21 Abs 2 Satz 4 ALG für den Fall der einzelbetrieblich oder gemeinschaftlich
betriebenen gewerblichen Tierzucht oder gewerblichen Tierhaltung eine Ausnahme vor.
Nach § 21 Abs 8 ALG gilt ein Unternehmen der Landwirtschaft, das ua von mehreren
gemeinsam betrieben wird, nur dann als abgegeben, wenn der (Mit-)Unternehmer aus dem
Unternehmen ausgeschieden ist, also sich gesellschaftsrechtlich vollständig von der
Gesellschaft gelöst hat. Gemäß § 21 Abs 7 ALG steht die Zurückbehaltung von Flächen bis
zu der dort genannten Höchstgrenze (25 vH der Mindestgröße nach § 1 Abs 5 ALG) einer
Abgabe grundsätzlich nicht entgegen (Satz 1), es sei denn, auf den zurückbehaltenen
Flächen wird einzelbetrieblich oder gemeinschaftlich gewerbliche Tierzucht oder
gewerbliche Tierhaltung betrieben (Satz 3 iVm Abs 2 Satz 4).
26 Im Hinblick auf die hier im Rahmen der Ruhensregelung des § 30 Abs 2 Satz 1 ALG von der
Beklagten herangezogenen Bestimmungen über die Abgabeschädlichkeit der gewerblichen
Tierzucht und Tierhaltung in § 21 Abs 2 Satz 4 und Abs 7 Satz 3 ALG ist zum einen zu
prüfen, ob eine nach § 21 Abs 2 Satz 1 Nr 3 ALG erfolgte Abgabe durch eine
einzelbetrieblich oder gemeinschaftlich betriebene gewerbliche Tierzucht oder gewerbliche
Tierhaltung iS des § 21 Abs 2 Satz 4 ALG vorzeitig (vor Ablauf von neun Jahren) beendet
worden ist. Zum anderen ist zu prüfen, ob iS des § 21 Abs 7 Satz 3 (iVm Abs 2 Satz 4) ALG
auf den bei der Abgabe zulässig zurückbehaltenen Flächen vorzeitig (vor Ablauf von neun
Jahren) eine gewerbliche Tierzucht oder gewerbliche Tierhaltung einzelbetrieblich oder
gemeinschaftlich betrieben worden ist. Beide Fallgestaltungen liegen hier nicht vor.
27 Eine Abgabe iS des Auffangtatbestands des § 21 Abs 2 Satz 1 Nr 3 ALG ist gegeben, wenn -
verglichen mit den Abgabeformen der langjährigen Verpachtung und der Belastung mit
einem Nießbrauch - "in ähnlicher Weise" die landwirtschaftliche Nutzung auf eigenes Risiko
für längere Dauerunmöglich gemacht ist, wenn es also dem bisherigen Landwirt verwehrt ist,
aus eigener Rechtsmacht alsbald oder jederzeit die (landwirtschaftliche) Bewirtschaftung
(der Flächen) wieder aufzunehmen. Mit der gesetzlich vorgegebenen Langfristigkeit der
Abgabe soll das Ziel erreicht werden, für den Abgebenden in Zukunft eine
(landwirtschaftliche) Bewirtschaftung der Flächen auszuschließen und so eine sinnvolle
Weiterbewirtschaftung durch den Übernehmer zu gewährleisten (vgl BSG, Urteil vom
6.5.1999 - B 10 LW 3/98 R, SozR 3-5868 § 21 Nr 1 S 3 f; BSG, Urteil vom 19.10.2000 - B 10
LW 21/99 R, SozR 3-5868 § 21 Nr 2 S 9; zum prinzipiell endgültigen Verlust der
Unternehmereigenschaft iS des § 2 Abs 3 Satz 1 GAL: BSG SozR 5850 § 2 Nr 15 S 34).
Eine Abgabe iS dieser Vorschrift liegt ua dann vor, wenn die bisherige landwirtschaftliche
Nutzung von bestimmten Flächen für längere Dauer dadurch unmöglich gemacht wird, dass
die Flächen mindestens neun Jahre lang einer ausschließlich nichtlandwirtschaftlichen
Nutzung ("Entwidmung"), zB einer Bebauung oder gewerblichen Nutzung, zugeführt werden
(dazu: BSG SozR 5850 § 2 Nr 16 S 39) . Hiervon nimmt § 21 Abs 2 Satz 4 ALG die
einzelbetrieblich oder gemeinschaftlich betriebene gewerbliche Tierzucht oder gewerbliche
Tierhaltung aus und sieht, wie sich aus der Wortwahl "weiterhin" ergibt, den Übergang zu
dieser nichtlandwirtschaftlichen Nutzung(ausnahmsweise) nicht als Abgabe an, "da
anderenfalls die agrarstrukturelle Zielsetzung (der Abgabe) konterkariert würde" (so die
Begründung des Gesetzesentwurfs: BT-Drucks 12/5700 S 73 zu § 21). Das Gesetz stellt also
hinsichtlich der abgegebenen Flächen die einzelbetrieblich oder gemeinschaftlich
betriebene gewerbliche Tierzucht oder gewerbliche Tierhaltung der landwirtschaftlichen
Nutzung gleich.Von dieser Vorschrift wird der vorliegende Sachverhalt jedoch nicht erfasst,
denn nach den für den Senat bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) des LSG erfolgte die
gewerbliche Schweinemast auf anderen als den abgegebenen Flächen, nämlich auf neu
von einem Dritten gepachteten Flächen.
28 Abgabeschädlich ist es auch, wenn auf den zulässig zurückbehaltenen Flächen gewerbliche
Tierzucht oder gewerbliche Tierhaltung einzelbetrieblich oder gemeinschaftlich betrieben
wird, denn § 21 Abs 7 Satz 3 ALG erklärt § 21 Abs 2 Satz 4 ALG für entsprechend
anwendbar. Diese Fallgestaltung liegt hier ebenfalls nicht vor, weil die GbR, wie das LSG
bindend festgestellt hat, für die gewerbliche Schweinemast keine zulässig zurückbehaltenen
Flächen in Anspruch genommen hat.
29 Eine erweiternde Auslegung des § 21 Abs 2 Satz 4 ALG und des § 21 Abs 7 Satz 3 ALG
dahingehend, dass eine gewerbliche Tierzucht oder gewerbliche Tierhaltung, unabhängig
von der Fläche, auf der sie betrieben wird, aus Gründen des Konkurrentenschutzes generell
abgabeschädlich sein solle, lässt sich mit dem Wortlaut und der systematischen Stellung
dieser Bestimmungen sowie deren Zielsetzung nicht vereinbaren. Als Ausnahmeregelungen
sind diese Bestimmungen dem Wortlaut entsprechend eng auszulegen. Ziel der bereits im
bis zum 31.12.2004 geltenden Gesetz über eine Altershilfe der Landwirte (GAL) als spezielle
Anspruchsvoraussetzung geforderten Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens war
es, mit dazu beizutragen, dass landwirtschaftliche Unternehmen zu einem wirtschaftlich
sinnvollen Zeitpunkt an jüngere Kräfte übergeben werden (dazu etwa BVerfG, Beschluss
des Dreier-Ausschusses vom 18.12.1981 - 1 BvR 943/81, SozR 5850 § 2 Nr 8 unter Hinweis
auf die Rechtsprechung des BSG). Diese Zielsetzung verfolgt der Gesetzgeber auch mit den
Vorschriften über die Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft in § 11 Abs 1 Nr 3, § 13
Abs 1 Satz 1 Nr 4, § 14 Abs 1 Satz 1 Nr 1 iVm § 21 ALG (hierzu BT-Drucks 12/5700 S 73 zu
§ 21). Mit der gesetzlich vorgeschriebenen Langfristigkeit der Abgabe soll eine künftige
(landwirtschaftliche) Bewirtschaftung der Flächen durch den bisherigen Landwirt
ausgeschlossen werden ("prinzipiell endgültiger Verlust"; vgl BSG SozR 5850 § 2 Nr 15 S
34; BSG SozR 3-5850 § 2 Nr 1 S 3; BSG SozR 3-5868 § 21 Nr 1 S 4; BSG SozR 3-5868 §
21 Nr 2 S 9) .
30 Mit diesen gesetzgeberischen Zielen unvereinbar ist es nach dem Willen des Gesetzgebers
auch, dass auf den abgegebenen oder zulässig zurückbehaltenen Flächen weiterhin
einzelbetrieblich oder gemeinschaftlich gewerbliche Tierzucht oder gewerbliche Tierhaltung
(als in der Regel eigentlich nicht abgabeschädliche nichtlandwirtschaftliche Nutzung)
betrieben wird (§ 21 Abs 2 Satz 4 und Abs 7 Satz 3 ALG). Es entspricht jedoch nicht dem
erkennbaren gesetzgeberischen Willen, dass die Produktion aller Erzeugnisse der
gewerblichen Tierzucht oder der gewerblichen Tierhaltung, die bei entsprechender
Flächenausstattung landwirtschaftliche Erzeugnisse wären, auch auf nachträglich von einem
Dritten gepachteten Flächen "abgabeschädlich" sein soll. Nur der Übergang von
landwirtschaftlicher Nutzung zu einzelbetrieblich oder gemeinschaftlich betriebener
gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung auf den abzugebenden Flächen sollte nach den
Gesetzesmaterialien im Wege einer Fiktion nicht als Abgabe angesehen werden (vgl BT-
Drucks 12/5700 S 73 zu § 21) . Entsprechendes hat das Gesetz für die einzelbetrieblich oder
gemeinschaftlich betriebene gewerbliche Tierzucht oder Tierhaltung auf Flächen bestimmt,
die bei der Abgabe zulässig zurückbehalten wurden. Flächen, die zu keinem Zeitpunkt zum
landwirtschaftlichen Unternehmen gehört haben, können von der Regelung des § 21 ALG
zur Abgabe landwirtschaftlicher Flächen von vorneherein nicht erfasst werden. Hätte der
Gesetzgeber den Betrieb einer gewerblichen Tierhaltung oder Tierzucht generell als
rentenschädlich angesehen, wäre zu erwarten gewesen, dass er dies bei den
Rentenanspruchsvoraussetzungen ausdrücklich geregelt hätte.
31 2. Rechtsfehlerfrei ist das LSG weiter davon ausgegangen, dass die Nichtberücksichtigung
des vorliegenden Lebenssachverhalts (gewerbliche Tierhaltung auf von einem Dritten neu
gepachteter Fläche) als Ruhenstatbestand iS des § 30 Abs 2 Satz 1 ALG nicht auf einer
planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes beruht, die mittels Analogie geschlossen
werden müsste (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl, S 370 ff).
32 Der Senat hat bereits im Zusammenhang mit der Versicherungspflicht und der
Versicherungsfreiheit bzw der Befreiung auf Antrag entschieden, dass nach dem ALG
insoweit ein differenziertes System von Regel und Ausnahme besteht, das grundsätzlich
keiner gesetzesergänzenden, lückenschließenden Auslegung zugänglich ist (BSG, Urteil
vom 25.7.2002 - B 10 LW 12/01 R, SozR 3-5868 § 2 Nr 2 S 14; BSG, Urteil vom 17.7.2003 -
B 10 LW 9/02 R, SozR 4-5868 § 85 Nr 1 RdNr 10) . Ebenso hat der Senat mangels
planwidriger Regelungslücke eine rechtsergänzende Auslegung des § 3 Abs 2 Nr 1 des
Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (FELEG)
abgelehnt, wenn nach der Abgabe an sich abgabeschädliche Umstände (hier: Heirat der
Tochter des Abgebenden) eintreten (BSG, Urteil vom 24.4.2003 - B 10 LW 6/02 R, SozR 4-
5864 § 3 Nr 1) .Nichts anderes gilt für die im ALG geregelten Ruhenstatbestände. Sie
bedürfen jedenfalls für den hier vorliegenden Sachverhalt keiner aus Gründen der
Gleichbehandlung im Wege einer Analogie zu schließenden Ergänzung. Eine Lücke läge
allenfalls dann vor, wenn ein für den Anspruch auf Rente aus der AdL schädlicher Umstand
im Rahmen der Ruhensregelung nicht berücksichtigt würde. Dies ist jedoch nicht der Fall.
33 Das ASRG 1995 hat in § 30 ALG ua das Ruhen von Renten unter Berücksichtigung der
Besonderheiten der AdL geregelt (vgl BT-Drucks 12/5700 S 76 zu § 30). Das GAL hatte
bereits in § 10 Abs 6 Ruhenstatbestände geregelt, die für den Fall einer erneuten
unternehmerischen Betätigung als Landwirt ein Ruhen der monatlichen Zahlungsansprüche
vorsahen. Wie die Anspruchsvoraussetzung der Abgabe des landwirtschaftlichen
Unternehmens dienten auch diese Ruhenstatbestände speziellen agrarstrukturellen Zielen,
nämlich dazu die Einstellung der landwirtschaftlichen Unternehmertätigkeit auf Dauer
(endgültig) zu gewährleisten (vgl Noell, Die Altershilfe für Landwirte, 10. Aufl, S 382) . Die
durch die Hofabgabe schutzbedürftig gewordenen Landwirte sollten jedenfalls dann nicht
durch eine Einkommensersatzleistung angemessen für das Alter versorgt werden, wenn sie
erneut als Unternehmer landwirtschaftliche Flächenbewirtschaften oder sich ua als
Mitunternehmer an einem landwirtschaftlichen Unternehmenbeteiligen, denn in diesem Fall
ist deren Schutzbedürftigkeit wieder entfallen. Diese Erwägungen gelten auch für die in § 30
Abs 2 Satz 1 Regelung 1 und 2 ALG geregelten Ruhenstatbestände.
34 Der im ASRG 1995 erstmals geregelte Ruhenstatbestand der vorzeitigen Beendigung
bestimmter Abgabeformen (§ 30 Abs 2 Satz 1 Regelung 3 ALG) verfolgt ebenfalls das Ziel,
die Einstellung der landwirtschaftlichen Unternehmertätigkeit, also der
Bodenbewirtschaftung (§ 1 Abs 4 Satz 2 ALG) bestimmter Flächen, bei bestimmten
Abgabeformen für einen Mindestabgabezeitraum von neun Jahren sicherzustellen. Vor
Ablauf von neun Jahren darf auf den früheren landwirtschaftlichen Flächen
rentenunschädlich aber auch keine gewerbliche Tierzucht oder gewerbliche Tierhaltung
einzelbetrieblich oder gemeinschaftlich betrieben werden (§ 30 Abs 2 Satz 1 Regelung 3
ALG iVm § 21 Abs 2 Satz 4 und Abs 7 Satz 3 ALG) . Eine analoge Anwendung dieser
Ruhensregelung dahingehend, dass aus Gründen des Konkurrentenschutzes vor Ablauf von
neun Jahren die Produktion aller Erzeugnisse der gewerblichen Tierzucht oder Tierhaltung,
die bei entsprechender Flächenausstattung landwirtschaftliche Erzeugnisse wären, auch auf
nachträglich von einem Dritten gepachteten Flächen zum Ruhen der monatlichen
Zahlungsansprüche führen soll, wie dies die Beklagte meint, entspricht demnach weder dem
erkennbaren gesetzgeberischen Willen noch der Zielsetzung der im Gesetz geregelten
Ruhenstatbestände. Im Übrigen wäre es widersinnig, einen Umstand, der einer
Rentengewährung nicht entgegenstehen würde, dann, wenn er nach dem Rentenbeginn
eintritt, als Ruhenstatbestand anzusehen.
35 Soweit die Beklagte meint, eine analoge Anwendung der vorgenannten Vorschriften sei
auch deshalb geboten, weil ansonsten die Hofabgabeklausel durch wechselseitige
Stallvermietung umgangen werden könnte, hat der Senat bereits in seinen Entscheidungen
vom 17.4.2002 - B 10 LW 4/01 R (SozR 3-5868 § 1 Nr 5 S 38) und vom 24.4.2003 - B 10 LW
6/02 R (SozR 4-5864 § 3 Nr 1 RdNr 20) darauf hingewiesen, dass denkbaren
Missbrauchsfällen mit dem Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) begegnet
werden könne. Anhaltspunkte für die Annahme eines treuwidrigen Umgehungsgeschäftes
finden sich hier indessen nicht.
36 3. Eine Anwendung des § 30 Abs 2 Satz 1 iVm § 21 Abs 2 Satz 4 und Abs 7 Satz 3 ALG auf
den vorliegenden Lebenssachverhalt zu Lasten der Klägerin würde zudem gegen § 31 SGB
I und das Freiheitsrecht der Klägerin aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Demokratie- und dem
Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 und Abs 3 GG) verstoßen.
37 Der sich einfachgesetzlich aus § 31 SGB I und verfassungsrechtlich aus dem Demokratie-
und dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 und Abs 3 GG ergebende Grundsatz des
Vorbehalts des Gesetzes verlangt, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden
Bereichen durch ein förmliches Gesetz legitimiert ist, das ausreichend bestimmt sein muss
(vgl stellvertr BVerfGE 95, 267, 307 f; 98, 218, 251 f) . Insbesondere bedürfen
Grundrechtseingriffe der Exekutive durch belastende Verwaltungsakte - wie hier die
Aufhebung zuerkannter subjektiver Rechte wegen nachträglicher rechtserheblicher
Änderung aufgrund des Vorliegens eines Ruhenstatbestands - einer gesetzlichen
Ermächtigung. Die Legislative muss der Exekutive dafür hinreichend klare gesetzliche
Maßstäbe bereitstellen, damit der normunterworfene Bürger die Rechtslage so konkret
erkennen kann, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag, sowie die Judikative in
die Lage versetzt wird, die Exekutive anhand klarer rechtlicher Maßstäbe zu kontrollieren
(hierzu stellvertr BVerfGE 110, 33, 53 ff) .
38 Dementsprechend regelt § 31 SGB I: "Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen
dieses Gesetzbuchs dürfen nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden,
soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt." Zu diesen Rechten gehören nach § 23 Abs 1
Nr 2 SGB I auch die Ansprüche aus der AdL.
39 Zur Handlungsfreiheit des Einzelnen, die durch Art 2 Abs 1 GG geschützt ist, gehört auch
das Recht, nur aufgrund solcher Rechtsvorschriften mit einem Nachteil belastet zu werden,
die formell und materiell der Verfassung gemäß sind, und deshalb zur verfassungsmäßigen
Ordnung gehören (vgl BVerfGE 42, 20, 27 f) . Die Verwaltung ist deshalb nicht befugt, selbst
neue Eingriffstatbestände zu schaffen, auch nicht im Wege der analogen Anwendung einer
Norm (vgl BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14.8.1996 - 2 BvR
2088/93, NJW 1996, 3146) . Die Beklagte war mithin auch in diesem Fall nicht ermächtigt, §
48 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr 4 SGB X iVm § 30 Abs 2 Satz 1 ALG analog auf den
vorliegenden Lebenssachverhalt anzuwenden. Ob es dem Parlament von Verfassungs
wegen freisteht, einen umfassenden Schutz der Landwirtschaft vor der Konkurrenz durch
gewerbliche Tierzucht oder gewerbliche Tierhaltung als weitere negative
Anspruchsvoraussetzung für Renten zu regeln, braucht hier nicht entschieden zu werden.
40 Da die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung der Rentenbewilligung nicht
vorliegen, war die Beklagte auch nicht berechtigt, nach § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X einen
Geldbetrag von 10.315,03 Euro zurückzufordern.
41 Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.