Urteil des BSG vom 08.07.2009
BSG: arbeitsentgelt, bemessungszeitraum, krankengeld, abrechnung, entstehung, arbeitsmarkt, begriff, veröffentlichung, teilung, krankenkasse
Bundessozialgericht
Urteil vom 08.07.2009
Sozialgericht Speyer S 5 AL 386/05
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz L 1 AL 47/07
Bundessozialgericht B 11 AL 14/08 R
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. Februar 2008 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe:
I
1
Streitig ist, in welcher Höhe dem Kläger für die Zeit vom 28. April 2005 bis zum 30. November 2006 Arbeitslosengeld
(Alg) zusteht.
2
Der seit Oktober 2000 als Schweißer beschäftigte Kläger bezog ein der Höhe nach wechselndes monatliches
Arbeitsentgelt, das jeweils zum 15. des Folgemonats abgerechnet und ausgezahlt wurde.
3
Für die Monate April bis Juli 2003 belief sich das Arbeitsentgelt des Klägers auf 3.013,07 Euro, 3.096,32 Euro,
2.973,62 Euro und 3.276,05 Euro. Ab 5. August 2003 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt, erhielt jedoch für die
Monate August und September 2003 noch Arbeitsentgelt in Höhe von 2.698,14 Euro bzw 1.441,16 Euro. Ab 16.
September 2003 bezog er von seiner Krankenkasse Krankengeld, ab 5. November 2003 vom
Rentenversicherungsträger Übergangsgeld, danach ab 4. Dezember 2003 wieder Krankengeld. Während des
Krankengeldbezugs zahlte ihm sein Arbeitgeber am 15. Dezember 2003 ein tarifliches Weihnachtsgeld in Höhe von
brutto 1.356,83 Euro aus.
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Am 26. April 2004 nahm der Kläger die Beschäftigung wieder auf und erzielte für April 2004 ein Arbeitsentgelt von
777,40 Euro und sodann für die Monate Mai bis Juli 2004 Entgelte von 3.228,32 Euro, 3.556,27 Euro und 2.337,07
Euro. Ab 21. Juli 2004 bezog der Kläger erneut vom Rentenversicherungsträger Übergangsgeld und ab 26. August
2004 bis einschließlich 27. April 2005 von der Krankenkasse Krankengeld. Am 15. Dezember 2004 erhielt er von
seinem Arbeitgeber das ihm tarifvertraglich zustehende Weihnachtsgeld in Höhe von brutto 1.359,34 Euro.
5
Nachdem sich der Kläger zum 28. April 2005 arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hatte, bewilligte ihm die Beklagte
zunächst mit Bescheid vom 14. April 2005 Alg für 780 Kalendertage nach einem täglichen Bemessungsentgelt von
45,85 Euro. Dem dagegen erhobenen Widerspruch half die Beklagte teilweise ab, legte der Bemessung einen
zweijährigen Bemessungsrahmen vom 28. April 2003 bis 27. April 2005 zu Grunde, berücksichtigte bei der
Berechnung des Bemessungsentgeltes die Entgeltzahlungen des Arbeitgebers für die Zeit von April bis September
2003 sowie von April bis Juli 2004 (insgesamt 254 Kalendertage) und bewilligte auf dieser Grundlage mit Bescheid
vom 30. Mai 2005 Alg nach einem täglichen Bemessungsentgelt von 103,93 Euro in Höhe von täglich 42,83 Euro. Im
Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2005).
6
Mit Bescheid vom 10. August 2006 wurde dem Kläger im Übrigen Alg nach unveränderten Berechnungsgrundlagen für
die Zeit ab 1. August 2006 bewilligt. Seit 1. Dezember 2006 bezieht der Kläger vom Rentenversicherungsträger eine
laufende Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit.
7
Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide teilweise aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger
ab 28. April 2005 ein tägliches Alg in Höhe von 43,92 Euro zu zahlen; im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen
(Urteil vom 28. März 2007). Gegen das Urteil des SG haben beide Beteiligte Berufung eingelegt. Das
Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG abgeändert und die Klage insgesamt
abgewiesen; die Berufung des Klägers hat das LSG zurückgewiesen (Urteil vom 28. Februar 2008).
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Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger erfülle die Voraussetzungen eines Anspruchs
auf Alg bei Arbeitslosigkeit, habe aber keinen Anspruch auf eine höhere als die ihm von der Beklagten bewilligte
Leistung. Nach den seit 2005 geltenden Bemessungsvorschriften des Sozialgesetzbuchs Drittes Buch (SGB III) sei
ein erweiterter Bemessungsrahmen vom 28. April 2003 bis zum 27. April 2005 zu Grunde zu legen, da der
Regelbemessungsrahmen von einem Jahr weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthalte. Für die
Bemessung zu berücksichtigen seien nur vollständig innerhalb des Bemessungsrahmens liegende und abgerechnete
Entgeltabrechnungszeiträume, also nicht der Zeitraum April 2003. Anzusetzen sei somit das in den
Entgeltabrechnungszeiträumen von Mai bis August 2003 sowie von April bis Juni 2004 erzielte und abgerechnete
Arbeitsentgelt. Dagegen seien die für September 2003 und Juli 2004 erzielten Arbeitsentgelte nicht einzubeziehen, da
sie beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis noch nicht abgerechnet gewesen seien. Nicht zu
berücksichtigen seien auch die Weihnachtsgeldzahlungen aus Dezember 2003 bzw Dezember 2004. Denn die vom
Gesetzgeber beabsichtigte Vereinfachung lasse nur noch die Berücksichtigung von Zeiten einer
versicherungspflichtigen Beschäftigung zu; außer Betracht blieben dagegen alle übrigen
Versicherungspflichtverhältnisse, denen ein besonderes Entgelt zugeordnet sei. Bei Teilung des im
Bemessungsrahmen insgesamt abgerechneten Arbeitsentgelts durch die Summe der berücksichtigungsfähigen
Arbeitstage ergebe sich ein Bemessungsentgelt in Höhe von 103,74 Euro. Dieses sei niedriger als das von der
Beklagten errechnete Bemessungsentgelt von 103,93 Euro.
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Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die an ihn ausgezahlten Weihnachtsgelder seien
bei der Bemessung zu berücksichtigen. Diese Jahressonderzahlungen seien beitragspflichtiges Arbeitsentgelt und
seien vom Bemessungszeitraum umfasst, da die jeweiligen Beschäftigungsverhältnisse nur als abgerechnet
anzusehen seien, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt vollständig errechnet habe. Eine vollständige Abrechnung
liege erst vor, wenn auch die Sonderzahlungen errechnet seien. Es sei auch nach § 131 Abs 1 Satz 2 SGB III zu
prüfen, ob die Sonderzahlungen Arbeitsentgelte darstellten, auf die der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem
Beschäftigungsverhältnis Anspruch gehabt habe.
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Der Kläger beantragt, die Urteile des SG und des LSG abzuändern und die Beklagte unter Zurückweisung ihrer
Berufung und unter Abänderung des Bescheids vom 14. April 2005 in der Gestalt des Bescheids vom 30. Mai 2005
und des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2005 sowie des Bescheids vom 10. August 2006 zu verurteilen, ihm
tägliches Alg in Höhe von 47,90 Euro vom 28. April 2005 bis 30. November 2006 zu zahlen.
11
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
12
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
13
Die Revision ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
14
Das LSG hat zu Recht der Berufung der Beklagten stattgegeben und die Klage in Abänderung des erstinstanzlichen
Urteils in vollem Umfang abgewiesen. Der Kläger hat für die Zeit ab 28. April 2005 keinen Anspruch auf höheres Alg.
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1. Zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg (§§ 117, 118 SGB III), ohne deren Vorliegen auch eine Klage auf
höhere Leistung keinen Erfolg hätte (vgl zuletzt Urteil des Senats vom 6. Mai 2009, B 11 AL 7/08 R, zur
Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 13 mwN), hat das LSG für das Bundessozialgericht (BSG) zunächst
bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass sich der Kläger am 4. April 2005 zum 28. April 2005 arbeitslos gemeldet hat
(§§ 118 Abs 1 Nr 2, 122 Abs 1 SGB III). Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Kläger nach dem
Auslaufen des Krankengeldbezugs im Rahmen seines gesundheitlichen Leistungsvermögens für die Vermittlung zur
Verfügung gestellt, sodass auch davon auszugehen ist, dass er ab 28. April 2005 arbeitslos iS der §§ 118 Abs 1 Nr 1,
119 ff SGB III war. Den Feststellungen des LSG ist ferner zu entnehmen, dass der Kläger die Anwartschaftszeit
erfüllt hatte (§§ 118 Abs 1 Nr 3, 123, 124 SGB III).
16
2. Zur Höhe des Anspruchs hat das LSG zu Recht entschieden, dass dem Kläger lediglich Alg nach einem
Bemessungsentgelt von 103,74 Euro zusteht. Die Leistungsbewilligung der Beklagten, der ein Bemessungsentgelt
von 103,93 Euro zu Grunde liegt, verletzt den Kläger somit nicht in seinen Rechten.
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a) Die Bemessung des dem Kläger ab 28. April 2005 zustehenden Alg richtet sich nach § 129 SGB III - hier
anwendbar in der seit 1. August 2001 geltenden Fassung durch das Gesetz vom 16. Februar 2001, BGBl I 266 - sowie
nach §§ 130 und 131 SGB III, die durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.
Dezember 2003, BGBl I 2848, mit Wirkung ab 1. Januar 2005 neu gefasst worden sind. Eine Anwendung der bis Ende
2004 geltenden Fassungen der §§ 130 und 131 SGB III kommt nicht in Betracht, da der Gesetzgeber des Dritten
Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt zur Alg-Bemessung eine Übergangsregelung nur für die
Neufestsetzung des Bemessungsentgelts bei vor dem 1. Januar 2005 entstandenen Ansprüchen auf Alg getroffen hat
(§ 434j Abs 5 SGB III). Für den am 28. April 2005 entstandenen Anspruch des Klägers ist diese Übergangsregelung
nicht einschlägig.
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Nach § 129 Nr 2 SGB III beträgt das Alg für Arbeitslose, für die - wie beim Kläger - keine Kinder zu berücksichtigen
sind, 60 vH (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem
Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Nach § 130 Abs 1
Satz 1 SGB III in der hier anwendbaren Fassung umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des
Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der
versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst regelmäßig ein
Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs
(§ 130 Abs 1 Satz 2 SGB III). Der Bemessungsrahmen wird jedoch auf zwei Jahre erweitert, wenn (ua) der
Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält (§ 130 Abs 3 Nr 1 SGB III).
Bemessungsentgelt ist nach § 131 Abs 1 Satz 1 SGB III das durchschnittlich auf den Tag entfallende
beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat.
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b) In Konsequenz der maßgeblichen Regelungen ist das LSG zunächst zutreffend von einem Bemessungsrahmen
ausgegangen, der mit dem 27. April 2005 endet. Denn der Kläger war vor Erfüllung der Voraussetzungen des
Anspruchs auf Alg als Bezieher von Krankengeld versicherungspflichtig gemäß § 26 Abs 2 Nr 1 SGB III. Unter einem
Versicherungspflichtverhältnis iS des § 130 Abs 1 Satz 2 SGB III ist sowohl eine versicherungspflichtige
Beschäftigung als auch ein anderes Versicherungspflichtverhältnis zu verstehen (vgl Behrend in Eicher/Schlegel,
SGB III, Stand Juni 2005, § 130 RdNr 38, 40 ff; Winkler, info also 2006, 147). Der 27. April 2005 war folglich der letzte
Tag des "letzten Versicherungspflichtverhältnisses" des Klägers vor der Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs 1
Satz 2 Halbsatz 2 SGB III). Da der vom 27. April 2005 aus zu berechnende Regelbemessungsrahmen von einem Jahr
(§ 130 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III) nach den getroffenen Feststellungen weniger als 150 Tage mit Anspruch auf
Arbeitsentgelt enthält (Beschäftigungstage allenfalls in der Zeit von Ende April bis Mitte Juli 2004), ist der
Bemessungsrahmen auf zwei Jahre zu erweitern (§ 130 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III). Er umfasst somit den Zeitraum
vom 28. April 2003 bis zum 27. April 2005.
20
c) In Anwendung des § 130 Abs 1 Satz 1 SGB III hat das LSG auch zu Recht bei der Bemessung des dem Kläger
zustehenden Alg nur die vollständig im Bemessungsrahmen liegenden abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume
der versicherungspflichtigen Beschäftigungen berücksichtigt. Derartige abgerechnete Entgeltabrechnungszeiträume im
Sinne des § 130 Abs 1 Satz 1 SGB III liegen unzweifelhaft bei den Monaten Mai, Juni, Juli und August 2003 sowie
den Monaten April, Mai und Juni 2004 vor.
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Nicht für die Alg-Bemessung herangezogen werden kann dagegen der Entgeltabrechnungszeitraum April 2003, da er
nicht vollständig von dem erst am 28. April 2003 beginnenden Bemessungsrahmen erfasst wird. Dass in den
Bemessungsrahmen lediglich hineinragende Entgeltabrechnungszeiträume unter Geltung des SGB III im Gegensatz
zum früheren Recht nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nicht zu berücksichtigen sind, hat das BSG schon
entschieden (vgl BSG SozR 4-4300 § 133 Nr 3). Die vorgenannte Entscheidung betrifft zwar noch die bis zum 31.
Dezember 2004 geltende Fassung des § 130 Abs 1 SGB III, in der bestimmt war, dass Entgeltabrechnungszeiträume
in den letzten 52 Wochen vor der Entstehung des Anspruchs "enthalten" sein mussten. Sie ist jedoch auch auf die
seit 1. Januar 2005 geltende Fassung des § 130 Abs 1 Satz 1 SGB III, die auf Entgeltabrechnungszeiträume "im
Bemessungsrahmen" abstellt, zu übertragen. Denn die Erwägungen des BSG, wonach die frühere Rechtsprechung zu
§ 112 AFG (ua BSGE 77, 244 = SozR 3-4100 § 112 Nr 24) auf einem anderen Gesetzeswortlaut bzw dem Umstand
eines äußerst kurzen dreimonatigen Bemessungsrahmens beruht (BSG SozR 4-4300 § 133 Nr 3 RdNr 21), gelten in
gleicher Weise (ebenso Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 130 RdNr 50, Stand Juni 2005; Coseriu/Jakob in NK-
SGB III, 3. Aufl, § 130 RdNr 27; Rolfs in Gagel, SGB III, § 130 RdNr 27, Stand Oktober 2008). Die ab 1. Januar 2005
geltende Fassung des § 130 Abs 1 Satz 1 SGB III ist also ebenfalls so zu verstehen, dass der Bemessungszeitraum
nur die vollständig im Bemessungsrahmen enthaltenen abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume umfasst.
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Nicht bei der Bemessung des Alg des Klägers zu berücksichtigen sind auch die Entgeltabrechnungszeiträume
September 2003 und Juli 2004, da diese keine beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis
abgerechnete Zeiträume im Sinne des § 130 Abs 1 Satz 1 SGB III sind. Nach den getroffenen Feststellungen waren
die Entgeltabrechnungen für die Monate September 2003 und Juli 2004 jeweils zu dem Zeitpunkt, ab dem der Kläger
Krankengeld bzw Übergangsgeld bezog, noch nicht erstellt. Der Kläger war aber bereits mit Beginn des Bezugs von
Krankengeld ab 16. September 2003 bzw von Übergangsgeld ab 21. Juli 2004 jeweils aus dem
Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden. Dies folgt bereits aus § 7 Abs 3 Satz 1 und 2 Sozialgesetzbuch Viertes
Buch (SGB IV), wonach bei Bezug von (ua) Krankengeld und Übergangsgeld eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt
nicht als fortbestehend gilt, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert.
Unabhängig von den genannten Regelungen des SGB IV ist jedoch der Zeitpunkt des Ausscheidens aus der
Beschäftigung anhand der Rechtsprechung des BSG zum leistungsrechtlichen Begriff des
Beschäftigungsverhältnisses zu beurteilen, also unabhängig vom rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses (vgl
Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 130 RdNr 57 und 59, Stand Juni 2005). Danach ist maßgebend, dass die
Arbeitsleistung tatsächlich nicht mehr erbracht wird, weil der Arbeitgeber auf seine Verfügungsbefugnis verzichtet (vgl
BSG SozR 4-4300 § 123 Nr 2 RdNr 9; SozR 4-4300 § 118 Nr 1 RdNr 22, jeweils mwN). Hiervon ist nach den
Feststellungen des LSG auszugehen.
23
d) Wegen des Ausscheidens des Klägers aus dem Beschäftigungsverhältnis im September 2003 bzw im Juli 2004
können entgegen der Auffassung der Revision auch die im Dezember 2003 bzw im Dezember 2004 vom Arbeitgeber
ausgezahlten Weihnachtsgelder von 1356,83 Euro bzw 1359,34 Euro nicht bei der Alg-Bemessung berücksichtigt
werden. Insoweit fehlt es sowohl an einer Entgeltabrechnung zur Zeit des Ausscheidens aus dem
Beschäftigungsverhältnis als auch am Vorliegen eines Entgeltabrechnungszeitraums einer versicherungspflichtigen
Beschäftigung im Sinne des § 130 Abs 1 Satz 1 SGB III.
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Die Revision wendet insoweit ohne Erfolg ein, die jeweiligen Beschäftigungsverhältnisse seien nur bei vollständiger
Abrechnung als abgerechnet im Sinne des § 130 Abs 1 Satz 1 SGB III anzusehen und eine vollständige Abrechnung
liege erst vor, wenn auch Jahressonderzahlungen errechnet seien. Denn erfasst werden nach § 130 Abs 1 Satz 1
SGB III nur die "beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis" abgerechneten
Zeiträume; bei jeder Beschäftigung müssen daher die Entgelte aus der jeweiligen Tätigkeit bereits mit ihrem Ende
abgerechnet sein (vgl Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 130 RdNr 58, Stand Juni 2005; Coseriu/Jakob in NK-
SGB III, 3. Aufl, § 130 RdNr 32). Spätere Abrechnungen können folglich nicht rückwirkend einem früheren
Abrechnungszeitraum zugeordnet werden. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn das Weihnachtsgeld - wie
vorliegend vom LSG festgestellt - nicht anteilig für einzelne Beschäftigungszeiträume, sondern als Sonderzuwendung
für das gesamte jeweilige Jahr gewährt wird.
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Eine andere Sichtweise ist nicht deshalb geboten, weil es sich bei den ausgezahlten Weihnachtsgeldern um
beitragspflichtiges Arbeitsentgelt handelt (vgl § 23a SGB IV). Denn bei der Prüfung, ob ein
Entgeltabrechnungszeitraum einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im Sinne des § 130 Abs 1 Satz 1 SGB III
vorliegt, ist wiederum auf den Begriff der Beschäftigung im leistungsrechtlichen Sinne abzustellen. Es kann danach
nicht auf die beitragsrechtliche Beurteilung ankommen; entscheidend ist allein, dass der Kläger tatsächlich nicht
beschäftigt worden ist (vgl BSG SozR 4-4300 § 123 Nr 2 RdNr 9; SozR 4-4300 § 118 Nr 1 RdNr 22; SozR 4-2400 § 7
Nr 9 RdNr 21).
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Ebenfalls nicht durchdringen kann die Revision mit dem Vorbringen, die Jahressonderzahlungen seien gemäß § 131
Abs 1 Satz 2 SGB III zu berücksichtigen, weil sie Arbeitsentgelt darstellten, auf das der Arbeitslose beim
Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis Anspruch gehabt habe. Denn § 131 Abs 1 Satz 2 SGB III modifiziert
nicht § 130 SGB III, sondern regelt nur die Frage, welches Arbeitsentgelt iS von § 129 SGB III iVm § 131 Abs 1 SGB
III als erzielt gilt (vgl Behrend in Eicher/Schlegel, § 131 RdNr 55 ff, Stand September 2005 bzw Oktober 2006 zum
Zuflussprinzip und RdNr 57 ff zur kombinierten Anspruchs- und Zuflusstheorie). Im vorliegenden Fall ist aber
überhaupt nicht streitig, dass dem Kläger die Weihnachtsgelder zugeflossen sind; auf die sich stellende Frage der
Zuordnung erzielter Entgelte zum Bemessungszeitraum gibt § 131 Abs 1 Satz 2 SGB III keine Antwort. Es kann
deshalb offen bleiben, ob der Kläger schon beim Ausscheiden aus den Beschäftigungen im September 2003 bzw Juli
2004 Anspruch auf die jeweilige Jahressonderzahlung hatte oder nicht.
27
Die Nichtberücksichtigung der dem Kläger erst nach seinem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis
zugeflossenen Sonderzahlungen entspricht dem Ziel des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt (vgl oben unter a), bei der Alg-Bemessung aus Vereinfachungsgründen nur noch Zeiten einer
versicherungspflichtigen Beschäftigung zu erfassen und alle übrigen Versicherungspflichtverhältnisse außer Betracht
zu lassen (vgl BT-Drucks 15/1515 S 85). In diesem Zusammenhang hat das LSG mit Recht auf die
Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers im Sinne der Typisierung und Pauschalierung sowie der zügigen
Leistungsbewilligung hingewiesen (vgl hierzu auch Urteile des Senats vom 29. Mai 2009, B 11a AL 23/07 R, BSGE
100, 295 = SozR 4-4300 § 132 Nr 1, RdNr 41 ff, und vom 6. Mai 2009, B 11 AL 7/08 R, zur Veröffentlichung in SozR
vorgesehen, RdNr 25). Ebenso zu Recht hat das LSG ausgeführt, dass die gesetzliche Regelung nicht schlechthin
zum Ausschluss der Berücksichtigung von Einmalzahlungen führt, sondern dass deren Einbeziehung von den
Umständen des konkreten Falles abhängt. Folglich kann keine Rede von einem planmäßigen Außerachtlassen
beitragspflichtiger Einmalzahlungen sein (vgl BVerfGE 92, 53 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6; BVerfGE 102, 127 = SozR
3-2400 § 23a Nr 1). Es ist somit nicht ersichtlich, inwiefern die gesetzliche Regelung verfassungswidrig sein könnte.
28
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Nichtberücksichtigung der Sonderzahlungen bei der Ermittlung des
Bemessungsentgelts bestehen unter den Umständen des vorliegenden Falles im Übrigen schon deshalb nicht, weil
eine Einbeziehung sich für den Kläger nicht als vorteilhaft erweisen würde. Denn nach § 23a Abs 2 SGB IV ist
einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, das nach Beendigung oder bei Ruhen des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt
wird, dem letzten Entgeltabrechnungszeitraum des laufenden Kalenderjahres zuzuordnen, auch wenn dieser nicht mit
Arbeitsentgelt belegt ist. Demnach wäre die jeweilige Sonderzahlung, wenn sie zu berücksichtigen wäre, dem Monat
Dezember zuzuordnen mit der Folge, dass der Berechnung des durchschnittlich auf den Tag entfallenden
Arbeitsentgelts gemäß § 131 Abs 1 Satz 1 SGB III zusätzlich 31 Tage für Dezember zu Grunde zu legen wären (vgl
Urteil des Senats vom 6. Mai 2009, B 11 AL 7/08 R, RdNr 19 mwN). Es ergäbe sich dann ein insgesamt geringeres
Bemessungsentgelt, da die ausgezahlten Weihnachtsgelder der Höhe nach deutlich unter den sonst für die
Bemessung maßgeblichen monatlichen Entgelten des Klägers liegen.
29
e) Das LSG hat somit zutreffend aus den nach § 130 Abs 1 Satz 1 SGB III einzubeziehenden
Entgeltabrechnungszeiträumen ein im Bemessungszeitraum insgesamt erzieltes Arbeitsentgelt von 19.606,12 Euro
errechnet. Da Bemessungsentgelt das durchschnittlich auf den Tag entfallende Arbeitsentgelt ist (§ 131 Abs 1 Satz 1
SGB III), ergibt sich nach Teilung der genannten Entgeltsumme durch die in den Abrechnungszeiträumen insgesamt
enthaltenen 189 Tage ein gerundetes Bemessungsentgelt von 103,74 Euro. Dieses ist niedriger als das von der
Beklagten errechnete Bemessungsentgelt. Die Leistungsbewilligung der Beklagten verletzt den Kläger somit nicht in
seinen Rechten.
30
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.