Urteil des BSG vom 20.03.2013
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BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 20.3.2013, B 12 KR 14/11 R
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 19.
Mai 2011 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1 Die Klägerin begehrt die Feststellung ihrer Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V.
2 Die 1918 in Sachsen-Anhalt geborene Klägerin war nach ihrer Übersiedlung in die
Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1953 zunächst versicherungspflichtig beschäftigt.
1959 heiratete sie einen amerikanischen Soldaten und verzog in die USA, deren
(ausschließliche) Staatsangehörigkeit sie annahm. Nach dem Tod ihres Ehemannes kehrte
sie 1987 nach Deutschland zurück, wo sie seither nicht mehr versicherungspflichtig war.
Sie besitzt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis ohne Verpflichtung zur Sicherung des
Lebensunterhalts. Seit 1984 bezieht sie eine Altersrente aus der gesetzlichen
Rentenversicherung sowie eine amerikanische Witwenrente, von der Beiträge für eine
amerikanische Krankenversicherung (TRICARE) in Höhe von monatlich 177 US-Dollar
abgezogen werden. Seit ihrer Rückkehr ist die Klägerin weder gesetzlich noch privat bei
einer deutschen Versicherung kranken- oder pflegeversichert gewesen. Sie bezieht keine
Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten oder Siebten Kapitel des SGB XII.
3 TRICARE ist dem amerikanischen Verteidigungsministerium unterstellt und führt die
medizinische Versorgung des US-Militärpersonals sowie deren Angehöriger und
Hinterbliebener durch. Für die Klägerin gilt ein Auslandstarif, nach dem sie neben ihren
monatlichen Beiträgen einen jährlichen Eigenanteil von bis zu 3000 US-Dollar zu leisten
hat. Die Versicherung deckt ambulante und stationäre Krankenbehandlung, klinische
Prävention sowie Heil-, Hilfs- und Arzneimittel ab; nicht enthalten sind Zahnbehandlungen
und eine Pflegeversicherung.
4 Die im März 2007 beantragte Feststellung der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13
SGB V lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3.12.2007 ab, weil die Klägerin durch
TRICARE über eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall verfüge. Widerspruch,
Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid vom 3.4.2008,
Urteil des SG vom 16.3.2010, Urteil des LSG vom 19.5.2011). Das LSG hat die Ansicht der
Beklagten bestätigt: Die Klägerin habe mit TRICARE einen anderweitigen Anspruch auf
Absicherung im Krankheitsfall im Sinne eines der deutschen GKV wertungsmäßig
entsprechenden Vollschutzes. Der Selbstkostenanteil sowie fehlender Schutz gegen
Pflegebedürftigkeit und zahnärztlichen Behandlungsbedarf stünden dem nicht entgegen,
weil Ähnliches auch in der vom Gesetzgeber als der GKV gleichwertig angesehenen
deutschen privaten Krankenversicherung (PKV) anzutreffen sei. So gestatte etwa § 193 Abs
3 S 1 Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG) zur
Erfüllung der Versicherungspflicht auch Selbstbehalte bis zu 5000 Euro; dieser Betrag
werde selbst bei Berücksichtigung der monatlichen Beiträge der Klägerin vorliegend nicht
erreicht.
5 Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V.
TRICARE sei keine "anderweitige Absicherung im Krankheitsfall" im Sinne der Regelung,
denn es biete keine den Leistungen der GKV entsprechende Vollversicherung. Das LSG
stelle insoweit zu Unrecht auf die deutsche PKV als Vergleichsmaßstab ab statt
richtigerweise auf die GKV.
6 Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 19. Mai 2011 und des
Sozialgerichts Halle vom 16. März 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3.
Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. April 2008 aufzuheben
und festzustellen, dass sie seit dem 1. April 2007 Mitglied der Beklagten ist.
7 Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
8 Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil des LSG.
9 Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche
Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 165 S 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
10 Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat ihre Berufung gegen
das klageabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen, denn die angefochtenen
Bescheide der beklagten AOK sind rechtmäßig. Zutreffend hat die Beklagte festgestellt,
dass die Klägerin - anders als von ihr begehrt - nicht seit 1.4.2007 der Versicherungspflicht
in der GKV unterliegt.
11 Die Voraussetzungen des § 5 Abs 1 Nr 13 iVm Abs 8a und Abs 11 SGB V liegen nicht vor.
Die Klägerin verfügt durch ihre Einbeziehung in die US-amerikanische
Krankenversicherung TRICARE, deren Leistungen sie auch in Deutschland erhält, über
einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall, der die
Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V ausschließt.
12 1. Nach § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V (eingefügt mit Wirkung vom 1.4.2007 durch das
Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung
Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG> vom 26.3.2007, BGBl I 378) sind seit 1.4.2007
in der GKV versicherungspflichtig Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf
Absicherung im Krankheitsfall haben und - was nach den nicht mit Revisionsrügen
angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG
bei der Klägerin der Fall ist - zuletzt gesetzlich krankenversichert waren. Ein die
Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V ausschließender anderweitiger
Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall kann auch aufgrund einer ausländischen
Krankenversicherung bestehen (hierzu im Folgenden 2.). Dabei ist nicht erforderlich, dass
diese Krankenversicherung im Leistungsumfang mit demjenigen der GKV vergleichbar ist,
vielmehr reicht es aus, dass sie den qualitativen Anforderungen des § 193 Abs 3 S 1 VVG
genügt (hierzu 3.).
13 2. Zu den anderweitigen Ansprüchen auf Absicherung im Krankheitsfall iS des § 5 Abs 1
Nr 13 SGB V zählen auch Leistungsansprüche gegen ausländische
Krankenversicherungen. Dies folgt aus einer an Systematik und Regelungszweck
orientierten Auslegung, die durch die Gesetzesmaterialien bestätigt wird.
14 Der Wortlaut des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V selbst gibt zwar keinen Aufschluss darüber, ob
auch ausländische Versicherungen als anderweitige Absicherungen in Betracht kommen,
schließt dies aber auch nicht aus. Dies gilt auch für § 5 Abs 8a SGB V, durch den das
(negative) Tatbestandsmerkmal "kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im
Krankheitsfall" konkretisiert wird (vgl BSGE 107, 26 = SozR 4-2500 § 5 Nr 12, RdNr 13;
BSGE 107, 177 = SozR 4-2500 § 5 Nr 13, RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 5 Nr 15 RdNr
14). So bestimmt § 5 Abs 8a SGB V, dass nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V nicht
versicherungspflichtig ist, wer nach § 5 Abs 1 Nr 1 bis 12 SGB V versicherungspflichtig,
als freiwilliges Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert ist, Empfänger laufender
Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII oder
Empfänger laufender Leistungen nach § 2 AsylbLG ist. Dass ausländische
Krankenversicherungen in § 5 Abs 8a SGB V nicht genannt werden, steht deren
Qualifizierung als anderweitige Absicherung nicht entgegen, denn die dortige Aufzählung
ist nicht abschließend (stRspr des Senats, aaO). Systematisch ergibt sich hieraus jedoch,
dass § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V erst dann eingreifen soll, wenn alle anderen denkbaren
Absicherungsmöglichkeiten ausscheiden. Es handelt sich also um eine subsidiäre
Absicherung (BSG SozR 4-2500 § 5 Nr 10 RdNr 17; BSGE 107, 26 = SozR 4-2500 § 5 Nr
12, RdNr 24; BSGE 107, 177 = SozR 4-2500 § 5 Nr 13, RdNr 12) für Personen, die
anderenfalls die im Krankheitsfall entstehenden Aufwendungen selbst tragen müssten
(Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum GKV-WSG Nr 01 <§ 178a> Abs 5). Für die Nachrangigkeit des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V kann
Fraktionsentwurf>, BT-Drucks 16/3100 S 94 zu Art 1 Nr 2 Buchst a Doppelbuchst bb und
cc). Trotz seiner Nachrangigkeit gegenüber anderweitigen Ansprüchen auf Absicherung
genügt § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V - jedenfalls in Verbindung mit der zeitgleich eingeführten
Versicherungspflicht im PKV-System - dem danach zentralen Regelungsziel, wonach in
Deutschland niemand ohne Schutz im Krankheitsfall sein sollte (vgl Fraktionsentwurf,
aaO, sowie Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 16/4247 S 66 zu Art 43
es jedoch keine Rolle spielen, ob eine anderweitige Absicherung auf der Grundlage
ausländischen oder deutschen Rechts besteht; entscheidend ist allein, dass eine dem
Regelungsziel entsprechende Entlastung von den im Krankheitsfall entstehenden
Aufwendungen erfolgt. Dass dies nicht nur durch Absicherungen nach deutschem Recht
möglich sein sollte, zeigt sich schon daran, dass die Begründung zum Entwurf des GKV-
WSG ausdrücklich auch Personen, "für die aufgrund über- und zwischenstaatlichen
Rechts ein Anspruch auf Sachleistungen besteht" als Personen ansieht, die über eine
anderweitige Absicherung im Krankheitsfall verfügen (Fraktionsentwurf, BT-Drucks
16/3100, aaO, ebenda).
15 3. Die Absicherung der Klägerin durch TRICARE genügt auch nach dem Leistungsumfang
dieses Systems den Anforderungen an einen "anderweitigen Anspruch auf Absicherung
im Krankheitsfall" iS des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass
die anderweitige Absicherung qualitativ dem Versicherungsschutz in der GKV entspricht,
maßgeblich ist vielmehr ein die Voraussetzungen des § 193 Abs 3 S 1 VVG erfüllendes
Sicherungsniveau (hierzu a). Dieses Sicherungsniveau wird durch TRICARE erreicht;
hierfür bedarf es weder einer Absicherung von Zahnbehandlungen und Zahnersatz noch
von Pflegeleistungen im Sinne der Pflegeversicherung, unschädlich sind auch die
Eigenanteile der Klägerin von bis zu 3000 US-Dollar jährlich (hierzu b).
16 a) Eine anderweitige Absicherung iS des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V muss kein dem
Versicherungsschutz in der GKV entsprechendes Sicherungsniveau gewährleisten. Bei
fehlenden diesbezüglichen Anhaltspunkten im Wortlaut sowohl des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB
V als auch des - wie schon ausgeführt nicht abschließenden - § 5 Abs 8a SGB V folgt dies
aus der gleichzeitigen Schaffung des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V und des § 178a Abs 5 S 1
VVG (dieser zum 1.1.2009 inhaltsgleich in Kraft getreten als § 193 Abs 3 S 1 VVG idF
durch Gesetz vom 23.11.2007, BGBl I 2631) durch das GKV-WSG. Der hiermit angestrebte
Versicherungsschutz aller in Deutschland lebenden Menschen (vgl erneut
Fraktionsentwurf, BT-Drucks 16/3100, S 94 zu Art 1 Nr 2 Buchst a Doppelbuchst bb und
cc; Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 16/4247 S 66 zu Art 43 Nr
01 <§ 178a> Abs 5) wird durch diese Regelungen ab 1.1.2009 - sofern nicht bereits eine
Absicherung besteht - nach der gesetzlichen Systematik je nach rechtlicher Zuordnung
entweder durch die Versicherungspflicht in der GKV (§ 5 Abs 1 Nr 13 SGB V) oder durch
eine Versicherungspflicht in der (deutschen) PKV (§ 193 Abs 3 S 1 VVG) gewährleistet
(BSGE 107, 177 = SozR 4-2500 § 5 Nr 13, RdNr 16 unter Bezugnahme auf den
Allgemeinen Teil der Begründung zum GKV-WSG, Fraktionsentwurf, aaO, S 86 f unter
A.II.1.). Danach steht die jeweilige Versicherungspflicht in beiden Sicherungssystemen
gleichwertig nebeneinander, wenn auch die Versicherungspflicht in der PKV erst später
einsetzte und der hierfür vorgeschriebene Umfang der Mindestabsicherung hinter dem
Sicherungsniveau der GKV zurückbleibt. Dennoch genügte dieses Sicherungsniveau dem
Gesetzgeber zur Erreichung des von ihm formulierten Ziels einer ausreichenden
Versorgung im Bedarfsfall (Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 16/4247
S 66 f zu Art 43 Nr 01 <§ 178a> Abs 5).
17 Vor diesem Hintergrund können an eine "anderweitige Absicherung" iS des § 5 Abs 1 Nr
13 SGB V keine höheren Anforderungen gestellt werden als an die Erfüllung der
Versicherungspflicht nach § 193 Abs 3 S 1 VVG. Wegen der subsidiären Ausgestaltung
des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V wie auch des § 193 Abs 3 S 1 VVG kann mit Rücksicht auf
den dargestellten historischen und systematischen Kontext insbesondere nicht
angenommen werden, dass mit der Einführung der Versicherungspflicht Absicherungen
außerhalb von GKV und PKV, die die Mindestvoraussetzungen der Versicherungspflicht
nach § 193 Abs 3 S 1 VVG bereits erfüllten, abgelöst und durch die Versicherung in der
PKV oder der GKV ersetzt werden sollten. Hierfür spricht vor allem auch die nicht auf
Verträge in der PKV beschränkte (vgl BGH Urteil vom 4.4.2012 - IV ZR 125/11 - VersR
2012, 752) Altvertragsregelung des § 193 Abs 3 S 3 VVG, wonach ein vor dem 1.4.2007
vereinbarter Krankheitskostenversicherungsvertrag den Anforderungen an die Erfüllung
der Versicherungspflicht genügt, unabhängig davon, ob die tariflichen PKV-Leistungen,
welche dem Versicherungsnehmer gewährt werden, den gesetzlichen Mindestumfang
nach § 193 Abs 3 S 1 VVG abdecken (vgl BGH Urteil vom 4.4.2012, aaO).
18 Der Ansicht der Klägerin, die unter Hinweis auf Kommentarliteratur (Just in
Becker/Kingreen, SGB V, 3. Aufl 2012, § 5 RdNr 61; ebenso Gerlach in Hauck/Noftz, SGB
V, K § 5 RdNr 474a, Stand Einzelkommentierung 02/13) meint, eine anderweitige
Absicherung iS des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V könne nur dann anerkannt werden, wenn
diese einen "Vollschutz" vermittele, ist aus den vorstehenden Gründen nicht zu folgen
(jedenfalls für die Zeit ab 1.1.2009 im Ergebnis ebenso Peters in Kasseler Komm, § 5 SGB
V RdNr 162, Stand Einzelkommentierung August 2012). Dem steht nicht entgegen, dass
Unternehmen der Versicherungswirtschaft bereits seit 1.7.2007 nach § 315 SGB V und
seit 1.1.2009 nach § 12 Abs 1a Gesetz über die Beaufsichtigung der
Versicherungsunternehmen - Versicherungsaufsichtsgesetz - VAG - (beide Regelungen
ebenfalls eingefügt durch das GKV-WSG, aaO, dort Art 1 Nr 213 bzw Art 44 Nr 5 Buchst b)
einem Kontrahierungszwang in Bezug auf einen am Leistungsumfang der GKV
orientierten Standard- bzw Basistarif unterliegen. In diesem Tarif können ua Personen
Versicherung verlangen, die weder in der GKV versichert oder versicherungspflichtig sind,
einen Anspruch auf freie Heilfürsorge, eine Beihilfeberechtigung oder vergleichbare
Ansprüche - bzw hierzu nicht nur ergänzenden Versicherungsschutz zur Erfüllung der
Versicherungspflicht benötigen - noch Ansprüche nach dem AsylbLG oder dem Dritten,
Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel SGB XII haben und auch nicht über eine private
Krankheitsvollversicherung verfügen (§ 315 Abs 1 SGB V) bzw nicht bereits eine private
Krankheitskostenversicherung mit einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb
zugelassenen Versicherungsunternehmen vereinbart haben, die der Pflicht nach § 193
Abs 3 VVG genügt (§ 12 Abs 1b VAG). Dieser Verpflichtung des
Versicherungsunternehmens steht nämlich keine Verpflichtung des
Versicherungsnehmers gegenüber, eine solche Krankenversicherung im Standard- bzw
Basistarif auch abzuschließen. Vielmehr ist es zur Erfüllung der Versicherungspflicht
erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Versicherung die Voraussetzungen des §
193 Abs 3 S 1 VVG erfüllt, dh, dass sie unter Einhaltung bestimmter
Selbstbeteiligungsgrenzen ambulante und stationäre Heilbehandlung abdeckt, wodurch
das Sicherungsniveau der GKV nicht erreicht wird.
19 b) Durch TRICARE werden die Mindestanforderungen nach § 193 Abs 3 S 1 VVG erfüllt,
weswegen die Klägerin mit dieser Versicherung über einen die Versicherungspflicht in der
GKV ausschließenden anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall iS des
§ 5 Abs 1 Nr 13 SGB V verfügt. Denn TRICARE deckt nach den Feststellungen des LSG,
an die der Senat mangels hierauf bezogener zulässiger und begründeter Revisionsrügen
gebunden ist (§ 163 SGG), ua die Kosten für ambulante und stationäre
Krankenbehandlung ab. Eine Absicherung von Zahnbehandlungen oder Zahnersatz ist für
die Erfüllung der Mindestanforderungen nach § 193 Abs 3 S 1 VVG hingegen ebenso
wenig erforderlich (hierzu aa) wie eine Absicherung von Pflegeleistungen im Sinne der
Pflegeversicherung (hierzu bb); unschädlich sind auch die Eigenanteile der Klägerin von
bis zu 3000 US-Dollar jährlich (hierzu cc).
20 aa) Durch Leistungen ua für die Kosten für ambulante und stationäre Krankenbehandlung
erreicht TRICARE das nach § 193 Abs 3 S 1 VVG maßgebliche Mindestsicherungsniveau.
Nach dieser Norm muss eine der Versicherungspflicht genügende
Krankheitskostenversicherung mindestens eine Kostenerstattung für ambulante und
stationäre Heilbehandlung umfassen; eine Kostenerstattung für Zahnbehandlungen und
Zahnersatz ist hingegen nicht erforderlich. Mit den Begriffen ambulante und stationäre
Heilbehandlung wird bewusst an Begriffe aus dem Tarifrecht der PKV angeknüpft (vgl
Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 16/4247 S 67 zu Art 43 Nr 01
<§ 178a> Abs 5), die in § 12 Kalkulationsverordnung - KalV - (vom 18.11.1996, BGBl I
1783) verwendet werden: Dort wiederum wird in Abs 1 ua zwischen ambulanter
Heilbehandlung (Nr 1), stationärer Heilbehandlung (Nr 2) und Zahnbehandlungen und
Zahnersatz (Nr 3) unterschieden. Leistungen für Zahnbehandlung und Zahnersatz fallen
demnach nicht unter die Begriffe ambulante und stationäre Heilbehandlung und gehören
daher nicht zum geforderten Mindestumfang einer Krankheitskostenversicherung nach §
193 Abs 3 S 1 VVG (so auch zB Boetius, Die Systemveränderung der privaten
Krankenversicherung durch die Gesundheitsreform, 2008, S 23; ders, Private
Krankenversicherung, 2010, § 193 VVG RdNr 101; Grote/Bronkars, VersR 2008, 580, 581;
Marlow/Spuhl, VersR 2009, 593, 596 mwN; dies, Das Neue VVG kompakt, 4. Aufl 2010, S
586 RdNr 1324; Voit in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl 2010, § 193 RdNr 11 mwN; Reinhard
in Looschelders/Pohlmann, VVG-Kommentar, 2. Aufl 2011, § 193 RdNr 8 mwN; aA
Brömmelmeyer in Schwintowski/Brömmelmeyer, Praxiskommentar zum
Versicherungsvertragsrecht, 2. Aufl 2011, § 193 RdNr 18 f). Angesichts der eindeutigen
Bezugnahme auf § 12 Abs 1 S 1 Nr 1 und 2 KalV in den Gesetzesmaterialien (vgl Bericht
des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 16/4247, aaO) lässt sich dem nicht mit Erfolg
das - primär sozialpolitisch zu verortende - Argument entgegenhalten, das dort ebenfalls
genannte Ziel, die Inanspruchnahme steuerfinanzierter staatlicher Leistungen wegen
eines nicht ausreichenden Versicherungsschutzes im Krankheitsfall zu verhindern (aaO, S
66; diesen Aspekt betonend etwa Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, K § 5 RdNr 474a, Stand
Einzelkommentierung 2/13), werde durch die mangelnde Berücksichtigung von
Zahnbehandlungen und Zahnersatz verfehlt, weil diese häufig sehr kostenintensiv seien
und daher die Finanzkraft vieler Menschen überstiegen.
21 bb) Das nach § 193 Abs 3 S 1 VVG maßgebliche Mindestsicherungsniveau wird auch
nicht dadurch unterschritten, dass die Klägerin durch TRICARE keinen Schutz gegen das
Risiko der Pflegebedürftigkeit erhält. Denn die in § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V allein geregelte
Versicherungspflicht in der GKV verlangt nur einen fehlenden anderweitigen Anspruch auf
Absicherung "im Krankheitsfall". Die Absicherung im Pflegefall und darauf bezogene
Leistungen der Pflegeversicherung fallen nicht hierunter; vielmehr sieht der Gesetzgeber
hierfür eine gegenüber der Versicherungspflicht in der GKV oder PKV (vgl hierzu § 23 Abs
1 S 1 SGB XI) verselbstständigte Pflegeversicherungspflicht vor, die - bezogen auf den
vorliegenden Kontext - nach § 20 Abs 1 S 2 Nr 12 SGB XI erst eingreift, wenn - insoweit
vorgreiflich - eine Versicherungspflicht in der GKV nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V besteht.
Von der (befristeten) Beitrittsmöglichkeit zur Pflegeversicherung nach § 26a Abs 1 SGB XI
hat die Klägerin im Übrigen keinen Gebrauch gemacht.
22 cc) Auch die Belastung der Klägerin mit Beiträgen in Höhe von 177 US-Dollar monatlich
(entspricht zur Zeit der Entscheidung durch den Senat ca 135 Euro) und
Selbstkostenanteilen von bis zu 3000 US-Dollar jährlich (entspricht ca 2300 Euro) führt
nicht dazu, dass das maßgebliche Mindestsicherungsniveau nach § 193 Abs 3 S 1 VVG
verfehlt wird. Denn selbst unter Einbeziehung der von der Klägerin für ihre Absicherung zu
leistenden monatlichen Beiträge liegt die jährliche finanzielle Eigenbelastung im Rahmen
der Absicherung gegen die Kosten ambulanter und stationärer Heilbehandlungen durch
TRICARE mit rund 3920 Euro deutlich unter dem nach § 193 Abs 3 S 1 VVG noch
statthaften Höchstbetrag von 5000 Euro. Insoweit nicht zu berücksichtigen sind die Kosten,
die die Klägerin monatlich für Pflegeleistungen aufwendet, denn der Höchstbetrag des §
193 Abs 3 S 1 VVG bezieht sich nur auf Leistungen der Krankenversicherung.
23 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.