Urteil des BSG vom 25.05.1998

BSG (gutachten, sgg, kläger, rechtliches gehör, faires verfahren, zpo, beweismittel, daten, verwertung, stellungnahme)

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 5.2.2008, B 2 U 10/07 R
Sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensfehler - Nichtbeachtung eines
Beweisverwertungsverbots - Verstoß gegen das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung - Berücksichtigung eines unzulässigen Beweismittels - Datenschutz
- gesetzliche Unfallversicherung - Verstoß gegen § 200 SGB 7 - Gutachtenbegriff -
Auswahlrecht - Widerspruchsrecht - Waffengleichheit - laufendes Gerichtsverfahren -
Heilung
Tatbestand
1 Umstritten ist die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall und die Gewährung einer
Verletztenrente.
2 Der im Jahr 1952 geborene Kläger wollte am 12. April 1996 anlässlich eines Büroumzugs
Leitzordner aus einem Schrank nehmen. Als der Einlageboden kippte, versuchte er, ca 20
schwere Leitzordner aufzufangen, konnte sie jedoch nicht halten und sackte zusammen.
Seitdem leidet er an Wirbelsäulenbeschwerden, die zu zahlreichen ambulanten und
stationären Behandlungen führten. Die Rechtsvorgängerin der beklagten
Berufsgenossenschaft (BG) zog Berichte über diese Behandlungen, ein Gutachten von Prof.
Dr. P., der eine richtungsgebende Verschlimmerung des vorbestehenden
Wirbelsäulenleidens des Klägers durch das Ereignis bejahte, und eine zwischenzeitlich aus
den Verwaltungsakten entfernte schriftliche Äußerung von Dr. L. nach Aktenlage bei. Die
Anerkennung eines Arbeitsunfalls und die Übernahme der Heilbehandlungskosten lehnte die
BG aufgrund der Vorschäden des Klägers unter Bezugnahme auf die "fachärztliche,
gutachterliche Stellungnahme von Dr. L." ab (Bescheid vom 25. Mai 1998;
Widerspruchsbescheid vom 3. November 1998).
3 Das angerufene Sozialgericht (SG) hat nach Einholung ua von Gutachten nach § 109 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bei Dr. B. und von Amts wegen bei Dr. F., denen die BG unter
Vorlage von gutachterlichen Stellungnahmen von Dr. L. vom 9. Februar 2001, 10. Mai 2002
und 16. Juli 2002 entgegentrat, die BG verurteilt, "chronisch rezidivierende Lumboischialgien
bds. bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Spondylisthese LWK 5
über SWK 1 Meyerding Grad 1 und linkskonvexer Lumbalskoliose als Folgen des
Arbeitsunfalls vom 12. April 1996 anzuerkennen" und dem Kläger "hieraus" Leistungen der
gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, insbesondere eine Verletztenrente nach einer
Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 vH vom 13. Oktober 1996 bis zum 30.
November 1996 und von 20 vH ab 1. Dezember 1996 bis auf weiteres. Unfallbedingte
Arbeitsunfähigkeit habe bis zum 12. Oktober 1996 bestanden (Urteil vom 30. September
2002).
4 Auf die Berufung der BG, die mit einer schriftlichen Äußerung von Dres. T./S. und
ergänzender Stellungnahme derselben begründet wurde, hat das Landessozialgericht (LSG)
Gutachten bei Prof. Dr. Pf. und nach § 109 SGG bei Prof. Dr. W. eingeholt. Der Kläger
beantragte unter Vorlage einer Stellungnahme des Bundesbeauftragten für den Datenschutz
die Löschung der von der BG eingeholten "Gutachten" bei Dr. L. und Dres. T./S. und wandte
sich gegen deren Verwertung sowie die Verwertung der weiteren im Laufe des
Gerichtsverfahrens eingeholten Gutachten. Durch Urteil vom 27. Juni 2006 hat das LSG das
Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung und
Entschädigung des Ereignisses vom 12. April 1996 als Arbeitsunfall. Denn dieses Ereignis
sei keine wesentliche Ursache für die bei ihm seitdem bestehenden Gesundheitsstörungen
weder im Sinne der Entstehung noch der Verschlimmerung. Dies ergebe sich aus der
Würdigung sämtlicher eingeholter Sachverständigengutachten. Die Würdigung der von der
BG eingeholten Gutachten von Dr. L. und Dres. T./S. unterbleibe im Einverständnis mit den
Beteiligten. Nach der übereinstimmenden Beurteilung der Sachverständigen Prof. Dr. P., Dr.
B. und Dr. F. habe der Kläger eine vorgeschädigte Wirbelsäule gehabt, wie sich aus den
Computertomogrammen vor und nach dem Ereignis ergebe. Prof. Dr. W. sei ebenfalls davon
ausgegangen, dass eine Schädigung der Wirbelsäule oder begleitender Strukturen durch das
Ereignis nicht erfolgt sei. Dieses habe auch keinen vorbestehenden Gesundheitsschaden des
Klägers verschlimmert, weil die beim Kläger nun bestehenden chronisch rezidivierenden
Lumboischialgien in ihrer jetzigen Form vor dem Ereignis nicht bestanden hätten. Dies hätten
die Sachverständigen Prof. Dr. P., Dr. B. und Dr. F. verkannt, denen sich Prof. Dr. Pf.
angeschlossen habe. Überzeugend seien vielmehr die Ausführungen von Prof. Dr. W., dass
eine schicksalhafte Erkrankung durch das Ereignis manifestiert worden sei. Dem
Beweisantrag des Klägers, ein Gutachten auf Schmerzfachgebiet einzuholen, habe nicht
gefolgt zu werden brauchen, weil schon die Ursache des Schmerzes nicht durch das Ereignis
wesentlich bedingt worden seien.
5 Mit der - vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen - Revision rügt der Kläger die
Verletzung formellen und materiellen Rechts und macht ua geltend: Das Urteil stütze sich im
Wesentlichen auf das Gutachten von Prof. Dr. W. Dieses habe jedoch nicht verwertet werden
dürfen, weil Prof. Dr. W. sich den Gutachten von Dr. L. und Dres. T./ S. angeschlossen habe,
die aber aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht verwertet werden dürften. Diese
Gutachten seien unter Verstoß gegen § 200 Abs 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch -
Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) eingeholt worden. Er - der Kläger - habe einen
Anspruch auf Löschung dieser Gutachten, daher dürften diese Gutachten auch keinen
Einfluss auf das weitere Verfahren haben. Zudem habe Prof. Dr. W. ihn nie persönlich
gesehen (Verstoß gegen § 118 SGG iVm §§ 404, 407, 410, 411 der Zivilprozessordnung
) und der Sachverhalt müsse weiter aufgeklärt werden.
6 Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. Juni 2006 aufzuheben und die
Berufung der Rechtsvorgängerin der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg
vom 30. September 2002 zurückzuweisen.
7 Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
8 Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. § 200 Abs 2 SGB VII sei im sozialgerichtlichen
Verfahren nicht anwendbar, weil sonst eine sachverständige Beratung des
Unfallversicherungsträgers und eine Wahrnehmung seiner Rechte aus Art 103 Abs 1 des
Grundgesetzes (GG) durch den Kläger blockiert werden könnte.
Entscheidungsgründe
9 Das Urteil des LSG ist aufzuheben, weil ihm ein Verfahrensmangel zugrunde liegt (§ 170
Abs 2, § 162 SGG). Der Verfahrensmangel liegt in der Nichtbeachtung eines
Beweisverwertungsverbotes, was zu einer mangelhaften Tatsachenfeststellung wegen der
Berücksichtigung unzulässiger Beweismittel geführt hat (vgl Bundesverfassungsgericht
Beschluss vom 19. Dezember 1991 - 1 BvR 382/85 - NJW 1992, 815;
Bundesgerichtshof Urteil vom 12. Februar 1985 - VI ZR 202/83 - NJW 1985, 1470 =
VersR 1985, 573; Gummer/Heßler, in Zöller, ZPO, 26. Aufl 2007, § 538 RdNr 27).
10 Das LSG hat sein Urteil auf das Gutachten von Prof. Dr. W. gestützt, der seinerseits
ausdrücklich ua auf das Gutachten von Dres. T./S. Bezug genommen und ihnen zugestimmt
hat (nachfolgend 1.). Dieses Gutachten von Dres. T./S. ist aufgrund eines Verstoßes gegen §
200 Abs 2 SGB VII in rechtlich unzulässiger Weise zu Stande gekommen (nachfolgend 2.).
Dieser Rechtsverstoß zieht ein Beweisverwertungsverbot - auch für das Gutachten von Prof.
Dr. W. nach sich (nachfolgend 3.). Die Rüge dieses Verfahrensmangels ist nicht
ausgeschlossen und das Rügerecht ist nicht durch Heilung verloren gegangen (nachfolgend
4.). Angesichts dessen ist eine Entscheidung über die weiteren Rügen des Klägers
entbehrlich und die Sache an das LSG zurückzuverweisen (nachfolgend 5.).
11 1. Das Urteil des LSG beruht auf dem Gutachten von Prof. Dr. W. sowie dem Gutachten von
Dres. T./S. Das LSG stützt sein Urteil ausdrücklich auf das Gutachten von Prof. Dr. W., in
dem es ausführt, auch Prof. Dr. W. sei davon ausgegangen, dass eine Schädigung der
Wirbelsäule oder begleitender Strukturen durch das Ereignis vom 12. April 1996 beim Kläger
nicht erfolgt sei. Des Weiteren zeigt die Auseinandersetzung mit der Rüge des Klägers, der
vom Gericht ernannte Sachverständige Prof. Dr. W. habe ihn - den Kläger - nicht selbst
gesehen, dass das LSG das Gutachten von Prof. Dr. W. seinem Urteil zugrunde legte.
Zudem verweist das LSG zur Begründung, dass der Vorschaden des Klägers für die im
Anschluss an das Unfallereignis eingetretene Beschwerdepersistenz ursächlich sei,
ebenfalls auf das Gutachten von Prof. Dr. W.
12 Das Gutachten von Prof. Dr. W. beruht ua auf dem Gutachten von Dres. T./S., weil Prof. Dr.
W. bei der Abfassung seines Gutachtens wiederholt ausdrücklich deren Gutachten
zugestimmt hat. Dies ergibt sich aus seiner Bezugnahme auf dieses Gutachten bei seiner
Aussage, dass ein Erstschadensbild nicht gesichert sei, und bei der Verneinung einer
unfallbedingten Entstehung der Spondylolyse des Klägers, weil die in dem Gutachten von
Dres. T./S. geäußerte Argumentationskette dem aktuellen wissenschaftlichen
Erkenntnisstand entspreche.
13 2. Das Gutachten von Dres. T./S. ist aufgrund eines Verstoßes gegen § 200 Abs 2 SGB VII in
rechtlich unzulässiger Weise zu Stande gekommen. Das Gutachten fällt unter den
Anwendungsbereich dieser Vorschrift (nachfolgend a). Insbesondere gilt § 200 Abs 2 SGB
VII auch für von den Unfallversicherungsträgern im Laufe eines Gerichtsverfahrens
eingeholte Gutachten (nachfolgend b). Bei der Einholung der schriftlichen Äußerung von
Dres. T./S. hat die BG die gesetzlichen Vorgaben nicht beachtet (nachfolgend c).
14 § 200 SGB VII ist Teil des Achten Kapitels "Datenschutz" des SGB VII und trägt die
Überschrift "Einschränkung der Übermittlungsbefugnis". Sein Abs 2 lautet: "Vor Erteilung
eines Gutachtenauftrages soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere
Gutachter zur Auswahl benennen; der Betroffene ist außerdem auf sein Widerspruchsrecht
nach § 76 Abs 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren (SGB X)
hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren."
15 Die Vorschrift enthält in ihren zwei Halbsätzen zwei verschiedene, wenn auch im
Zusammenhang miteinander stehende Regelungen: Halbsatz 1 regelt das Auswahlrecht des
Versicherten vor Erteilung eines Gutachtenauftrages; Halbsatz 2 betont sein
Widerspruchsrecht gegen die Übermittlung besonders schutzwürdiger Daten wie ärztliche
Unterlagen, das bei der Erteilung eines Gutachtenauftrages zu beachten sein kann, zB bei
Beauftragung eines freiberuflich tätigen ärztlichen Sachverständigen, aber nicht sein muss,
zB bei Beauftragung eines bei einem Unfallversicherungsträger beschäftigten Arztes, weil in
letzterem Fall keine Übermittlung iS des § 76 SGB X vorliegt (§ 67 Abs 6, 10 SGB X).
16 a) Nach ihrem Wortlaut und dem Regelungszusammenhang mit den §§ 67 ff SGB X gilt die
zitierte Vorschrift für Gutachten, die der Unfallversicherungsträger zur Erfüllung seiner
gesetzlichen Aufgaben in Auftrag gibt. Der Begriff des Gutachtens wird im Gesetz selber
nicht definiert. Dem allgemeinen Sprachverständnis folgend fällt darunter nicht jedwede
Äußerung oder Stellungnahme eines medizinischen oder technischen Sachverständigen zu
einzelnen Aspekten des Verfahrensgegenstandes, sondern nur die umfassende
wissenschaftliche Bearbeitung einer im konkreten Fall relevanten fachlichen Fragestellung
durch den Sachverständigen. Diese Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte und
den Zweck der Regelung gestützt.
17 § 200 Abs 2 SGB VII hatte keine Vorläufervorschrift in der Reichsversicherungsordnung
(RVO), sondern ist mit dem SGB VII im Rahmen des Unfallversicherungs-
Einordnungsgesetzes (UVEG) vom 7. August 1996 (BGBl I 1254) geschaffen worden und
zum 1. Januar 1997 in Kraft getreten. Das Auswahlrecht des Versicherten nach § 200 Abs 2
Halbs 1 SGB VII war noch nicht im Regierungsentwurf des UVEG (BT-Drucks 13/2204)
enthalten. Dieser lautete damals vielmehr: "§ 76 Abs 2 SGB X gilt mit der Maßgabe, dass der
Unfallversicherungsträger auch auf ein gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger
bestehendes Widerspruchsrecht hinzuweisen hat, wenn dieser nicht selbst zu einem
Hinweis nach § 76 Abs 2 Nr 1 SGB X verpflichtet ist. Rechtzeitig vor der Erteilung eines
Gutachtenauftrages ist dem Betroffenen unter Hinweis auf sein Widerspruchsrecht nach § 76
Abs 2 SGB X der Zweck des Gutachtens und die Person des Gutachters mitzuteilen." Zur
Begründung des Satzes 2 wird ausgeführt: "Satz 2 erweitert die Hinweispflicht nach § 76
Abs 2 Nr 1 SGB X, damit der Betroffene die Möglichkeit hat, einer Übermittlung seiner Daten
an einen Gutachter zu widersprechen. Dies berücksichtigt die Besonderheiten des
berufsgenossenschaftlichen Verwaltungsverfahrens, in dem häufig außenstehende
Gutachter eingeschaltet werden" (BT-Drucks 13/2204 S 118).
18 Seine heutige Fassung erhielt § 200 Abs 2 SGB VII im Rahmen der Beratungen des
Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung. In dessen Bericht werden die
intensiven Beratungen mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz hervorgehoben
(BT-Drucks 13/4853 S 11 f), und es wird ergänzend ausgeführt: "Die Vorschrift begründet bei
der Bestellung von Gutachtern ein Auswahlrecht für den Versicherten und dient damit der
Transparenz des Verfahrens. Das Auswahlrecht setzt voraus, dass der
Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere geeignete Gutachter vorschlägt; auch
der Versicherte hat das Recht, einen oder mehrere Gutachter vorzuschlagen. ..." (Es folgen
Ausführungen zu den Schwierigkeiten geeignete Gutachter ggf zu finden; BT-Drucks
13/4853 S 22).
19 Die Ausführungen in der Gesetzesbegründung zeigen, dass mit der um ein Auswahlrecht
ergänzten speziellen Datenschutzregelung des SGB VII auf die von den anderen Zweigen
der Sozialversicherung abweichende Praxis der Unfallversicherungsträger reagiert werden
sollte, die für Leistungsansprüche der Versicherten bedeutsamen medizinischen Fragen zum
Zusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einem Unfallereignis oder mit schädlichen
Einwirkungen am Arbeitsplatz durch externe ärztliche Sachverständige beantworten zu
lassen. Der Gesetzgeber hatte mithin bei der Formulierung der Vorschrift Gutachten im
klassischen Wortsinn vor Augen. Nur auf solche umfassenden Gutachten kann sich auch
das in § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII normierte Auswahlrecht beziehen. Denn es wäre mit
einer geordneten und funktionsfähigen Verwaltungspraxis schwerlich zu vereinbaren, wenn
die BGen bei jeder Einschaltung eines externen Arztes, etwa zur Klärung einer Detailfrage,
zur Beratung über das weitere Vorgehen oder zur Bewertung der Schlüssigkeit eines
anderweit eingeholten Gutachtens, den Versicherten beteiligen und ihm eine Auswahl unter
mehreren hierfür geeigneten Ärzten ermöglichen müssten.
20 Der Begriff des Gutachtens in § 200 Abs 2 SGB VII muss schließlich nicht deshalb in einem
weiten, auch bloße Stellungnahmen oder Auskünfte umfassenden Sinne verstanden
werden, weil die im Halbsatz 2 der Vorschrift geregelte Pflicht des Versicherungsträgers, den
Versicherten auf sein Widerspruchsrecht gegen die Übermittlung sensibler persönlicher
Daten an einen außenstehenden Gutachter hinzuweisen, bei jeder Datenübermittlung
unabhängig davon besteht, zu welchem Zweck dieser Arzt eingeschaltet wird. Dieser
Gesichtspunkt würde nur dann zu einer anderen Auslegung zwingen, wenn § 200 Abs 2
SGB VII für die dort geregelten Fälle ein originäres Widerspruchsrecht des Versicherten und
eine damit verknüpfte Belehrungspflicht des Unfallversicherungsträgers begründen würde.
Das ist jedoch nicht der Fall, denn die in Rede stehenden Rechte und Pflichten ergeben sich
dem Grunde nach bereits unmittelbar aus den allgemeinen datenschutzrechtlichen
Regelungen des SGB X, hier insbesondere aus dem in § 200 Abs 2 SGB VII in Bezug
genommenen § 76 Abs 2 SGB X.
21 § 76 SGB X regelt die "Einschränkung der Übermittlungsbefugnis bei besonders
schutzwürdigen Sozialdaten". Nach seinem Abs 1 ist die Übermittlung von Sozialdaten, die
einem Leistungsträger - wie der beklagten BG - zB von einem Arzt zugänglich gemacht
worden sind, nur unter den Voraussetzungen zulässig, unter denen dieser Arzt selbst
übermittlungsbefugt wäre. Eine solche Übermittlungsbefugnis kann sich insbesondere aus
der Einwilligung des Betroffenen oder aus einer gesetzlichen Mitteilungspflicht (zB nach §§ 6
ff Infektionsschutzgesetz, vgl im Übrigen: Seidel in Sozialgesetzbuch X -
Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz, 2. Aufl 2007 , § 76 RdNr
9 ff) ergeben. Absatz 1 bewirkt damit eine Verlängerung zB der ärztlichen Schweigepflicht
auf den Leistungsträger, dem ein Arzt bestimmte medizinische Informationen übermittelt hat.
Dieser Leistungsträger darf diese medizinischen Informationen nur dann weiterübermitteln,
wenn er eine Übermittlungsbefugnis hat, insbesondere eine Einwilligung des Betroffenen,
oder wenn eine Ausnahme nach § 76 Abs 2 SGB X vorliegt. Ohne eine solche
Übermittlungsbefugnis oder Ausnahme darf zB ein Unfallversicherungsträger die ihm - im
Rahmen eines Verwaltungsverfahrens auf Anerkennung von Gesundheitsstörungen als
Unfallfolge - vom behandelnden Arzt übermittelten medizinischen Daten nicht an eine
andere Stelle weitergeben.
22 Nach § 76 Abs 2 Nr 1 SGB X gilt dieses verlängerte Übermittlungsverbot nicht im Rahmen
des § 69 Abs 1 Nr 1 und 2 SGB X für Sozialdaten, die im Zusammenhang mit einer
Begutachtung wegen der Erbringung von Sozialleistungen oder wegen der Ausstellung
einer Bescheinigung übermittelt worden sind, es sei denn, dass der Betroffene der
Übermittlung widerspricht; auf dieses Widerspruchsrecht ist er hinzuweisen. § 69 Abs 1 SGB
X erklärt eine Übermittlung von Sozialdaten ua für zulässig, soweit sie erforderlich ist
1. für die Erfüllung der Zwecke, für die sie erhoben worden sind, oder die Erfüllung einer
gesetzlichen Aufgabe nach dem SGB der ermittelnden Stelle oder des Dritten, an den die
Daten übermittelt werden, wenn er eine in § 35 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch -
Allgemeiner Teil (SGB I) genannte Stelle ist, und
2. für die Durchführung eines mit der Erfüllung dieser Aufgabe zusammenhängenden
gerichtlichen Verfahrens.
23 Dies bedeutet, wenn der Betroffene ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt
worden ist und von ihm keinen Gebrauch gemacht hat, dass zB ein im Rahmen eines
berufsgenossenschaftlichen Verwaltungsverfahrens über die Folgen eines Arbeitsunfalls
eingeholtes medizinisches Gutachten ohne Einwilligung des Betroffenen an dessen
Rentenversicherungsträger im Rahmen eines dort anhängigen Verfahrens auf Gewährung
einer Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch -
Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) übermittelt werden kann. Dasselbe gilt auch für
ein sich anschließendes Rentenverfahren vor dem SG. Unzulässig ist aber zB die
Übermittlung der Daten bzw eines solchen Gutachtens an eine andere Stelle oder Person,
die kein Leistungsträger iS des SGB I ist, also zB an einen freiberuflich tätigen Arzt, der den
Betroffenen behandelt - es sei denn, der Betroffene hat eingewilligt.
24 Zulässig ist hingegen die Übermittlung an einen solchen Arzt, wenn diese im Rahmen des
bei dem Unfallversicherungsträger anhängigen Verwaltungsverfahrens erfolgt, zB um ein
weiteres Gutachten zu einem schon vorliegenden medizinischen Gutachten über die bei
dem Betroffenen vorliegenden Unfallfolgen einzuholen (1. bzw 2. Alternative des § 69 Abs 1
Nr 1 SGB X). Hat der Betroffene jedoch von seinem Widerspruchsrecht nach § 76 Abs 2
SGB X Gebrauch gemacht und zB der Übermittlung eines eingeholten Gutachtens
widersprochen, ist die Übermittlung dieses Gutachtens an einen anderen
Sozialleistungsträger oder einen weiteren Sachverständigen zur Einholung eines weiteren
Gutachtens unzulässig.
25 Aus diesen Regelungen wird deutlich, dass ein Widerspruchsrecht des Versicherten und
eine daran gekoppelte Belehrungspflicht des Versicherungsträgers bereits nach allgemeinen
Vorschriften in allen Fällen bestehen, in denen besonders schutzwürdige persönliche Daten
an einen außenstehenden Fachmann übermittelt werden sollen, einerlei ob dieser Experte
ein Gutachten erstatten oder sich lediglich zu einzelnen Aspekten eines Leistungsfalls
sachverständig äußern soll. Die eigenständige Bedeutung der Regelung in § 200 Abs 2
Halbs 2 SGB VII besteht allein darin, dass der Unfallversicherungsträger bei der Einholung
von Gutachten wegen der besonderen Bedeutung für das Verfahren nochmals einen
gesonderten, auf die konkrete Maßnahme bezogenen Hinweis auf das Widerspruchsrecht
des Versicherten erteilen muss.
26 Aus alledem folgt, dass der Begriff des Gutachtens in § 200 Abs 2 SGB VII eng auszulegen
ist. Ein Gutachten liegt vor, wenn ein solches angefordert oder - wie vorliegend - ausweislich
seiner Selbstbezeichnung "Zusammenhangsgutachten" erstellt und übersandt oder
abgerechnet wurde. Unabhängig von dieser rein äußerlichen Bezeichnung ist zur weiteren
Unterscheidung vom Bezugspunkt der schriftlichen Äußerung des Sachverständigen
auszugehen: Enthält sie vornehmlich eine eigenständige Bewertung der
verfahrensentscheidenden Tatsachenfragen, zB des umstrittenen Ursachenzusammenhangs
- wie vorliegend der Frage, ob entsprechend dem Urteil des SG beim Kläger bestimmte
Gesundheitsstörungen als Unfallfolge anzuerkennen sind -, ist es ein Gutachten (vgl zB zum
Begriff des Zusammenhangsgutachtens iS der §§ 5, 4 Abs 4 Berufskrankheiten-Verordnung:
P. Becker, BG 1998, 558, 559 f; O. Blome, BG 1998, 364). Setzt sich die schriftliche
Äußerung des Sachverständigen im Wesentlichen mit dem eingeholten Gerichtsgutachten
auseinander, insbesondere im Hinblick auf dessen Schlüssigkeit, Überzeugungskraft und
Beurteilungsgrundlage (vgl zB zum aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand als
Beurteilungsgrundlage bei Kausalitätsfragen: Urteil des Senats vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05
R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 17 ff), ist es nur eine beratende
Stellungnahme. Dass eine derartige Stellungnahme, wenn der Ursachenzusammenhang
zwischen einem Ereignis und einer Gesundheitsstörung umstritten ist, auch Aussagen zu
diesem Ursachenzusammenhang und dem einschlägigen aktuellen wissenschaftlichen
Erkenntnisstand enthält, ergibt sich aus der Materie. Entscheidend sind daher der
Bezugspunkt der umstrittenen ärztlichen Äußerung, die an den Arzt gestellten Fragen und
die von ihm gegebenen Antworten. Gerade bei einer ärztlichen Stellungnahme zu einem
Gerichtsgutachten hilft es nur eingeschränkt weiter, wenn der Verfasser der Stellungnahme
bloß seine von dem Gerichtsgutachten abweichende Sicht der Dinge wiedergibt. Prozessual
zielgenau verwertbar für den auftraggebenden Beteiligten und das Gericht wird sie erst,
wenn sie Einwendungen und Ergänzungsfragen iS des § 411 Abs 4 ZPO zu dem
Gerichtsgutachten formuliert.
27 b) § 200 Abs 2 SGB VII gilt auch für von den Unfallversicherungsträgern im Laufe eines
Gerichtsverfahrens eingeholte Gutachten. Für die dem Datenschutz dienende Regelung im
zweiten Halbsatz der Vorschrift leuchtet dies unmittelbar ein. Denn ein Gerichtsverfahren ist
kein datenschutzfreier Raum, wie aus der umfassenden Geltung des Rechts auf
informationelle Selbstbestimmung folgt. Im Übrigen ergibt sich dies aus den für seine
Anwendung sprechenden Gründen (nachfolgend aa), zumal die gegen seine Anwendung
erhobenen Bedenken nicht durchgreifen (nachfolgend bb) und keine unlösbaren praktischen
Probleme in der Rechtswahrnehmung durch die Beklagte zu erkennen sind (nachfolgend cc)
(im Ergebnis ebenso die neuere Rechtsprechung des 17. Senats des LSG Nordrhein-
Westfalen Urteil vom 20. Juni 2007 - L 17 U 125/04 - S 21, der damit seine frühere
gegenteilige Auffassung - vgl Urteile vom 14. Juli 2004 - L 17 U 15/02 - RdNr 33 und - 16/02 -
RdNr 27 aufgegeben hat; Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand März 2007, § 200
SGB VII Anm 4.8; Schömann, SGB 2006, 78).
28 aa) Aus Wortlaut, Gesetzesgeschichte und Zweck des § 200 Abs 2 SGB VII ist kein
Anhaltspunkt für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift oder eines der
beiden Halbsätze auf das Verwaltungsverfahren herleitbar. Aufgrund teilweise gegenteiliger
Darstellungen (vgl zB LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 14. Juli 2004 - L 17 U 15/02 -
RdNr 33; Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand Juni 2007, § 200 RdNr 2) ist insbesondere
darauf hinzuweisen, dass den Gesetzesmaterialien keine Beschränkung auf das
Verwaltungsverfahren, sei es im engeren Sinne (vgl die Legaldefinition in § 8 SGB X) oder
im weiteren Sinne einschließlich des Widerspruchsverfahrens (vgl Vogelgesang in
Hauck/Noftz, SGB X, Stand September 2007, § 8 RdNr 2 bis 11; von Wulffen in dsl, SGB X 5.
Aufl 2005, § 8 RdNr 7; vgl Ricke, Kasseler Kommentar, Stand September 2007, SGB VII, §
200 RdNr 3) zu entnehmen ist.
29 Systematische Gründe wie die Überschrift des § 200 SGB VII und seine Stellung im Kapitel
Datenschutz sprechen vielmehr für eine Anwendung auch auf das Handeln der
Unfallversicherungsträger in Gerichtsverfahren. Nach dem vom BVerfG im sog
Volkszählungsurteil (BVerfGE 65, 1 ff) als Ausprägung des in Art 1, 2 des Grundgesetzes
(GG) verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannten Recht auf informationelle
Selbstbestimmung kann der Einzelne grundsätzlich selbst über die Preisgabe und
Verwendung seiner persönlichen Daten bestimmen. Da das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung nicht schrankenlos ist, muss der Einzelne Einschränkungen im
überwiegenden Interesse anderer oder der Allgemeinheit hinnehmen, die jedoch einer
gesetzlichen Grundlage bedürfen (vgl zuletzt BVerfG Urteil vom 13. Februar 2007 - 1 BvR
421/05 - NJW 2007, 753 RdNr 66 f). Dementsprechend ist nach allgemeinen
datenschutzrechtlichen Grundsätzen die Übermittlung von Daten nur zulässig, wenn ein
Gesetz sie erlaubt oder der Betroffene einwilligt (vgl für das Sozialrecht: § 35 Abs 1, 2 SGB I
iVm § 67b Abs 1 Satz 1, § 67c Abs 2, § 67d Abs 1 SGB X).
30 Das SGG sieht über die allgemeinen für die Unfallversicherungsträger geltenden
gesetzlichen Regelungen und Befugnisse zur Datenverarbeitung, insbesondere nach § 35
Abs 1 SGB I, §§ 67 ff SGB X, §§ 199 ff SGB VII keine weiterreichenden Befugnisse zur
Datenverarbeitung durch die Unfallversicherungsträger als Beteiligte eines
Gerichtsverfahrens vor. Dementsprechend können die Unfallversicherungsträger in einem
Gerichtsverfahren nicht beliebig über die Daten der klagenden Versicherten verfügen,
insbesondere wenn es sich um besonders schutzwürdige medizinische Daten handelt. Als
Beteiligter in einem Gerichtsverfahren bleibt ein Unfallversicherungsträger bezogen auf
seine eigene Datenverarbeitung den Regelungen des SGB unterworfen. Sein Handeln als
Beteiligter im Rahmen eines Gerichtsverfahrens ist keine privatrechtliche Angelegenheit,
sondern Verwaltungshandeln, wenn auch nicht im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens
nach § 8 SGB X, und unterliegt der Bindung an Gesetz und Recht nach Art 20 Abs 3 GG.
31 Im Übrigen würde, wenn die Anwendung des § 200 Abs 2 SGB VII als Konkretisierung des
Rechts auf informationelle Selbstbestimmung für das Handeln der Unfallversicherungsträger
in Gerichtsverfahren abgelehnt würde, dies nicht zwingend dazu führen, dass diese an
beliebige Personen oder Stellen die ärztlichen Unterlagen der klagenden Versicherten
versenden dürften, vielmehr wäre ihr Handeln dann unmittelbar im Lichte des Rechts auf
informationelle Selbstbestimmung aus Art 1, 2 GG zu prüfen. Die intensiven Beratungen des
§ 200 Abs 2 SGB VII iVm § 76 Abs 2 SGB X im Gesetzgebungsverfahren sprechen jedoch
für eine bestimmte gesetzgeberische Gesamtkonzeption, zumal de lege ferenda auch andere
Regelungen oder Ausnahmen möglich gewesen wären, wie insbesondere § 76 Abs 3 SGB
X mit den Sonderregelungen für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen zeigt.
32 bb) Die gegen die Anwendung des § 200 Abs 2 SGB VII auf Gutachten, die
Unfallversicherungsträger als Beteiligte in einem Gerichtsverfahren einholen, neben der
Beklagten vor allem von berufsgenossenschaftlichen Praktikern (insbesondere Ricke,
Kasseler Kommentar, SGB VII, § 200 RdNr 3 f) erhobenen Bedenken greifen nicht durch.
33 (1) Die allgemeine Überlegung, § 200 Abs 2 SGB VII sei als Ausnahmevorschrift eng
auszulegen, ist schon methodisch dem Grunde nach unzutreffend (vgl nur Larenz,
Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl 1991, S 355 f mwN) und in der Sache,
bezogen auf den Untersuchungsgrundsatz nach § 20 Abs 1 SGB X im Verhältnis zu dem
grundrechtlich geschützten Recht auf informationelle Selbstbestimmung, nicht begründet.
Denn der Untersuchungsgrundsatz gilt nicht uneingeschränkt (vgl nur Urteil des Senats vom
15. Februar 2005 - B 2 U 3/04 R - BSGE 94, 149 = SozR 4-2700 § 63 Nr 2, jeweils RdNr 7 f
zum Verwaltungsverfahren) und der verfassungsrechtliche Hintergrund des § 200 Abs 2
SGB VII ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, wie der oben
wiedergegebenen Gesetzgebungsgeschichte entnommen werden kann. Die Wahrung von
Grundrechten ist jedoch im Verhältnis zum Untersuchungsgrundsatz nicht die Ausnahme.
34 (2) Weitere Gesichtspunkte werden aus der Rolle des Unfallversicherungsträgers als
Beteiligter in einem Gerichtsverfahren hergeleitet: Der Anwendung des § 200 Abs 2 SGB VII
stehe der Anspruch des Unfallversicherungsträgers auf rechtliches Gehör gemäß Art 103
Abs 1 GG und § 62 SGG entgegen, sie verstoße gegen das Gebot der prozessualen
Waffengleichheit und verhindere eine wirksame Rechtsverteidigung des
Unfallversicherungsträgers, die nur möglich sei, wenn dieser sich durch Ärzte seines
Vertrauens beraten lassen könne, was der klagende Versicherte aber mittels § 200 Abs 2
SGB VII verhindern könne. Auch diese Gesichtspunkte führen zu keinem anderen Ergebnis.
35 Die hohe Bedeutung des rechtlichen Gehörs nicht nur als ein "prozessuales Urrecht" des
Menschen, sondern als objektiv-rechtliches Verfahrensprinzip, das für ein rechtsstaatliches
Verfahren iS des GG schlechthin konstitutiv ist, steht dem nicht entgegen. Der Grundsatz des
rechtlichen Gehörs, der auch in dem Anspruch auf ein faires Verfahren gemäß Art 6 Abs 1
der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
(EMRK) sowie in Art 47 Abs 2 der Europäischen Grundrechte-Charta anerkannt wird, soll
sicherstellen, dass der Einzelne nicht nur Objekt der richterlichen Entscheidung ist, sondern
vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommt, um als Subjekt Einfluss auf
das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können. Das rechtliche Gehör sichert den
Beteiligten ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung. Es zielt auf einen
angemessenen Ablauf des Verfahrens: Wer bei Gericht formell ankommt, soll auch
substantiell ankommen, also wirklich gehört werden (vgl zusammenfassend nur: BVerfG vom
30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395 = SozR 4-1100 Art 103 Nr 1). Es gilt als
Verfahrensgrundrecht auch für Behörden wie den beklagten Unfallversicherungsträger (vgl
nur BVerfGE 61, 82, 104; Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl 2005, § 62 RdNr 5).
36 Für seine Konkretisierung im sozialgerichtlichen Verfahren nach § 62 SGG bedeutet dies,
dass die Beteiligten sich zu neuen entscheidungserheblichen Gesichtspunkten, wie vom
Gericht eingeholten Gutachten, medizinisch und rechtlich beraten lassen können und eine
sachgerechte Stellungnahme abgeben können (vgl nur Krasney/Udsching, Handbuch des
sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl 2005, III, RdNr 19, 72; Keller in Meyer-Ladewig, SGG,
§ 62 RdNr 10). Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein Verfahrensbeteiligter zur Stützung
seiner Position alle beliebigen Maßnahmen ergreifen darf - unabhängig von der
Rechtsstellung der anderen Beteiligten und der Rechtsordnung insgesamt. Das rechtliche
Gehör beinhaltet eine "Gehörsgarantie" gegenüber dem zur Entscheidung berufenen
Gericht, aber keine Ermittlungsgarantie gegenüber den anderen Beteiligten (vgl auch zB
seine Einschränkung bei der Prüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen für die
Gewährung von Prozesskostenhilfe in § 117 Abs 2 Satz 2 ZPO). Zur Wahrung des
Anspruchs des beklagten Unfallversicherungsträgers auf rechtliches Gehör ist auch aus
praktischen Gründen keine Einschränkung des § 200 Abs 2 SGB VII notwendig (vgl
nachfolgend (3).
37 Der Grundsatz der Waffengleichheit, der aus dem Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) iVm dem
Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) und dem außerdem auf Art 6 Abs 1 EMRK gestützten
Anspruch auf ein faires Verfahren abgeleitet wird, soll eine nicht nur formale Gleichheit der
prozessualen Rechtspositionen der Beteiligten an einem Gerichtsverfahren gewährleisten,
sondern - weiter gehend - auch ihre durch den Richter zu verwirklichende materielle
Gleichwertigkeit iS einer prozessualen Chancengleichheit (vgl EGMR Entscheidung vom
15.02.2005 - 68416/01 - NJW 2006, 1255, RdNr 59; BVerfG vom 19. September 2006 - 2
BvR 2115/01 ua - NJW 2007, 499, RdNr 50 ff; Vollkommer in Zöller, ZPO, Einleitung 102;
jeweils mwN). Aus diesem Gesichtspunkt kann die beklagte BG vorliegend nichts gegen
eine Anwendung des § 200 Abs 2 SGB VII herleiten. Denn das sozialgerichtliche Verfahren
ist durch ein hohes Maß an Ungleichheit zwischen den Beteiligten zu Gunsten der
Verwaltung geprägt, weil meistens ein "normaler" Mensch gegen eine Sozialverwaltung
klagt, die eine von ihm begehrte Feststellung oder Sozialleistung abgelehnt hat. Diesem
"normalen" Menschen, der oftmals durch Armut, Alter, Arbeitslosigkeit oder körperliche
Gebrechen eingeschränkt ist, steht eine spezialisierte Fachverwaltung mit nahezu
unbegrenzten finanziellen Ressourcen, besonders ausgebildeten Sachbearbeitern,
entsprechend geschulten Juristen und oftmals Ärzten sowie weiteren Fachwissenschaftlern
gegenüber (vgl von Wulffen/P. Becker, SGB 2004, 507 ff). Im Bereich der
Unfallversicherungsträger ist darüber hinaus hervorzuheben, dass diese mittels ihrer
Zusammenschlüsse über eigene Kliniken und große spezialisierte naturwissenschaftliche
und technische Forschungseinrichtungen verfügen.
38 Wieso ein Unfallversicherungsträger zur Wahrung der Chancengleichheit der Beteiligten als
Ausdruck seines Anspruchs auf ein faires Verfahren im Rahmen eines Gerichtsverfahrens
gegenüber einem solchem Kläger, wie dem des vorliegenden Verfahrens, das Recht
besitzen muss, Ermittlungen ohne die Beschränkungen des § 200 Abs 2 SGB VII
vorzunehmen, ist nicht zu erkennen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, wieso er im
Gerichtsverfahren als Beteiligter mehr Rechte haben muss, verglichen mit seiner Stellung als
zur Entscheidung berufener Leistungsträger im Verwaltungsverfahren.
39 (3) Der letztlich auf Praktikabilitätsüberlegungen beruhende Gesichtspunkt einer wirksamen
Rechtsverteidigung der beklagten BG vermag nicht durchzudringen, weil die aufgezeigten
praktischen Probleme im vorgegebenen rechtlichen Rahmen lösbar sind. Die gegenteilige
Auffassung verkennt den "Rollenwechsel" des Unfallversicherungsträgers von der zur
Entscheidung berufenen Behörde im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zum Beteiligten
im sozialgerichtlichen Verfahren. Im Gerichtsverfahren ist es Aufgabe des Gerichts, den
Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären und Beweise zu erheben - nicht die des beklagten
Unfallversicherungsträgers. Ist in einem Gerichtsverfahren ein Gutachten durch das Gericht
eingeholt worden, können die Beteiligten sich als Ausfluss ihres Anspruchs auf rechtliches
Gehör, wie oben ausgeführt, zu diesem Gutachten fachkundig beraten lassen und eine
Stellungnahme abgeben. Dies entspricht auch der gesetzlichen Konzeption des § 118 Abs 1
SGG iVm § 411 Abs 4 ZPO, die nicht von Gegengutachten der Beteiligten zu den
Gerichtsgutachten ausgeht, sondern von Einwendungen und Ergänzungsfragen der
Beteiligten zu den Gerichtsgutachten.
40 Es bedarf keiner weitergehenden Erörterung, dass der für die Bearbeitung eines
Gerichtsverfahrens bei dem beklagten Unfallversicherungsträger zuständige Sachbearbeiter
dies nicht aus Datenschutzgründen völlig alleine machen muss, sondern sich mit Kollegen,
Vorgesetzten usw, die ebenfalls bei diesem Unfallversicherungsträger beschäftigt sind,
beraten darf oder ggf auch muss - zB Vorlage an den Vorgesetzten vor Abgabe eines
Vergleichsvorschlages oder Anerkenntnisses. Zu diesen ihn ggf hinsichtlich rechtlicher, aber
auch technischer oder medizinischer Gesichtspunkte beratenden anderen Mitarbeitern des
Unfallversicherungsträgers können selbstverständlich auch dort beschäftigte Ärzte gehören.
Denn es handelt sich bei der Weitergabe von Daten an diese internen "Berater" um keine
Übermittlung von Daten an einen Dritten bzw eine andere Stelle außerhalb des
Unfallversicherungsträgers iS des § 67 Abs 6, 10 SGB X.
41 Dass diese Beratungsmöglichkeiten nicht auf Ärzte, die in einem Beschäftigungsverhältnis
iS des § 7 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die
Sozialversicherung (SGB IV) bei dem jeweiligen Unfallversicherungsträger stehen,
beschränkt ist, zeigt auch die Auslegung der Parallelvorschrift des § 67 Abs 10 Satz 3 SGB
X in § 3 Abs 8 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) iVm § 5 BDSG, nach der
freie Mitarbeiter, Praktikanten usw ebenfalls unter diese Regelung fallen (vgl
Gola/Schomerus, BDSG, 9. Aufl 2007, § 3 RdNr 54, § 5 RdNr 8; Dammann in Simitis,
Bundesdatenschutzgesetz, 6. Aufl 2006, § 3 RdNr 234; Walz in Simitis, BDSG, § 5 RdNr 15).
Entscheidend ist die Ausgestaltung der Rechtsbeziehung zu ihnen (vgl Walz, aaO), sodass
zB der Abschluss entsprechender Dienst- oder Beratungsverträge höherer Art mit sog
Beratungsärzten möglich ist, die dann als Teil des Unfallversicherungsträgers tätig werden.
42 Die Beratung und Meinungsbildung eines Unfallversicherungsträgers zu einem
Gerichtsgutachten, um eine Stellungnahme abzugeben, wird nur ausnahmsweise die
Einholung eines Gutachtens erforderlich machen und damit überhaupt zur Anwendung des §
200 Abs 2 SGB VII führen, wenn eine umfassende Überprüfung des Sachverhalts und
eigenständige Bewertung erforderlich ist und eine Auseinandersetzung mit einem schon
vorliegenden Gerichtsgutachten nicht ausreicht (zur Abgrenzung siehe oben 2. a). Was in
diesen eher seltenen Fällen der Einhaltung des Verfahrens nach § 200 Abs 2 SGB VII
entgegenstehen sollte, ist nicht zu erkennen. Insbesondere kann es entgegen
entsprechenden Befürchtungen (Schömann, SGB 2006, 78 und ihm folgend LSG Nordrhein-
Westfalen Urteil vom 20. Juni 2007 - L 17 U 125/04) nicht zu einer "Blockade" des
Unfallversicherungsträgers durch den Kläger kommen oder dazu, dass dieser die
Sachverständigen, die sich mit dem für ihn positiven Gutachten nach § 109 SGG kritisch
auseinandersetzen sollen, selbst aussuchen kann.
43 Denn trotz der in § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII statuierten Pflicht der
Unfallversicherungsträger, dem klagenden Versicherten mehrere Sachverständige zur
Auswahl vorzuschlagen, verbleibt die Entscheidung, bei wem er das Gutachten einholt,
letztlich immer bei dem beklagten Unfallversicherungsträger, wenn auch unter
Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers (P. Becker, MedSach 2006, 74, 75; Burchardt
in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd 3 Gesetzliche Unfallversicherung,
Stand Juli 2007, § 200 RdNr 19; Ricke in Kasseler Kommentar, SGB VII, § 200 RdNr 6).
Hierfür spricht auch die zwischenzeitliche Normierung eines Auswahlrechts des
Leistungsberechtigten in § 14 Abs 5 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation
und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX), der über das Auswahlrecht in Satz 3
hinausgehend in Satz 4 vorschreibt, dass dem Wunsch des Leistungsberechtigten
Rechnung zu tragen ist.
44 Zwar kann der Kläger durch einen Widerspruch nach § 200 Abs 2 Halbs 2 SGB VII iVm § 76
Abs 2 SGB X verhindern, dass das Gerichtsgutachten an einen bestimmten
Sachverständigen, dessen Meinung der Unfallversicherungsträger gerne hören würde,
übersandt werden darf. Aber dies ist kein spezielles Problem des Gerichtsverfahrens,
sondern gilt auch im Verwaltungsverfahren. Im Übrigen kann der Unfallversicherungsträger
das Gegengutachten bei einem Arzt einholen, der bei ihm beschäftigt ist, bzw in einer
entsprechenden Rechtsbeziehung steht (s oben), sodass schon keine Übermittlung iS des §
76 SGB X vorliegt und § 200 Abs 2 Halbs 2 SGB VII nicht zur Anwendung kommt. Denkbar
erscheint des Weiteren auch die Übersendung des Gerichtsgutachtens in anonymisierter
Form.
45 Zudem wird anscheinend von der beklagten BG ebenso wie von dem Kläger verkannt, dass
ein Kläger selbst nach einem für ihn positiven Urteil des SG und einem für ihn positiven
Gutachten in dem von der Beklagten angestrengten Berufungsverfahren nicht eine Art
"Anspruch" auf eine für ihn positive Entscheidung des Rechtsstreits durch das LSG hat.
Denn das SGG und die ZPO enthalten keine Beweisregeln, von wenigen Ausnahmen im
Bereich des Urkundenbeweises abgesehen, sondern sind durch die freie Beweiswürdigung
des erkennenden Gerichts nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG geprägt (vgl nur Urteil des Senats
vom 11. November 2003 - B 2 U 41/02 R - SozR 4-2700 § 4 Nr 1 RdNr 12; Bolay in Lüdtke,
Sozialgerichtsgesetz, 2. Aufl 2006 (HK-SGG), § 128 RdNr 5; Meyer-Ladewig, SGG, § 128
RdNr 4 aF). Ebenso wenig wie das Gericht den übereinstimmenden Aussagen von zwei
oder drei Zeugen folgen muss, wenn es diese zB für unglaubwürdig oder ihre Aussagen
nicht für glaubhaft hält, muss es den Ergebnissen eines oder mehrerer übereinstimmender
Gutachten folgen, wenn diese zB nicht dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand
(vgl dazu Urteil des Senats vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 §
8 Nr 17; jeweils RdNr 17 ff) entsprechen. Letzteres kann die Beklagte ggf relativ kurz und klar
zB mit Hilfe einer beratungsärztlichen Stellungnahme und Hinweisen auf den in
Standardwerken dargestellten aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand belegen, zumal
es für ihre Rechtsverteidigung in aller Regel ausreicht, die Überzeugungskraft des für den
klagenden Versicherten positiven Gutachtens zu erschüttern, weil dieser die sog objektive
Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt (vgl nur BSGE 6, 70, 73;
Krasney/Udsching, aaO, III RdNr 27).
46 c) Gegen diese Anforderung des § 200 Abs 2 SGB VII hat die beklagte BG bei der Einholung
der schriftlichen Äußerung von Dres. T./S. verstoßen.
47 Die umstrittene schriftliche Äußerung von Dres. T./S. vom 28. Januar 2003 ist ein Gutachten
iS des § 200 Abs 2 SGB VII, wie sich schon aus der Selbstbezeichnung "orthopädisch-
traumatologisches Zusammenhangsgutachten nach Aktenlage" ergibt. Die Beurteilung von
Dres. T./S. und auch ihre zusammenfassende Beantwortung der Fragestellung war nicht
bezogen auf die schon in dem Verfahren vorliegenden Gutachten von Dr. B. und Dr. F.,
sondern auf die Frage, "ob das Ereignis vom 12. April 1996 als Ursache eines
Bandscheibenschadens bei dem Versicherten anzusehen ist bzw ob hierdurch eine
vorübergehende oder richtunggebende Verschlimmerung bewirkt wurde" (Gutachten Bl 7 =
Bl 27 der LSG-Akte). Mit den schon vorliegenden Gutachten von Dr. B. und Dr. F. setzen sich
Dres. T./S. nur am Rande auseinander. Im Vordergrund ihrer Ausführungen steht ihre
Beurteilung des strittigen Ursachenzusammenhangs.
48 Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang des Verfahrens ergibt, wurden dem Kläger durch
die beklagte BG vor Erteilung des Gutachtenauftrages an Dres. T./S. nicht mehrere
Sachverständige zur Auswahl benannt und, dass ein Hinweis des Klägers auf sein
Widerspruchsrecht nach § 200 Abs 2 Halbs 2 SGB VII iVm § 76 Abs 2 SGB X entbehrlich
wäre, weil Dres. T./S. als Sachverständige innerhalb der Beklagten bzw ihrer
Rechtsvorgängerin tätig gewesen wären, ist vom LSG nicht festgestellt und von der
Beklagten nicht behauptet worden. Der von Dres. T./S. verwandte Briefkopf, nach dem sie
ein "Institut für medizinische Begutachtung" betreiben, und die Stellungnahme der Beklagten
zur Verwertbarkeit des Gutachtens sprechen vielmehr dagegen.
49 3. Der Rechtsverstoß gegen § 200 Abs 2 SGB VII hinsichtlich des Gutachtens von Dres.
T./S. zieht ein Beweisverwertungsverbot nach sich (nachfolgend a), das sich auch auf das
Gutachten von Prof. Dr. W. erstreckt (nachfolgend b).
50 Das SGG kennt im Gegensatz zur ZPO, trotz des Verweises in § 118 Abs 1 SGG, keinen
abgeschlossenen Katalog der Beweismittel, wie der Aufzählung in § 106 Abs 3 SGG zu
entnehmen ist (vgl nur Krasney/Udsching, aaO, III RdNr 30; Meyer-Ladewig, SGG, § 118
RdNr 8; Roller in HK-SGG, § 118 RdNr 8). Ein im Wege des Urkundenbeweises zu
verwertendes Beweismittel sind die von den Leistungsträgern im Verwaltungsverfahren
schon eingeholten Gutachten, aber auch die von ihnen im Laufe des Gerichtsverfahrens
vorgelegten ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen (vgl nur Krasney/Udsching, aaO, III
RdNr 35, 49 f; Meyer-Ladewig, SGG, § 118 RdNr 12b f). Ein solches Beweismittel ist das von
der beklagten BG eingeholte und vorgelegte Gutachten von Dres. T./S.
51 In einem Gerichtsverfahren darf jedoch nicht jedes Beweismittel unabhängig von der Frage,
wie es erlangt wurde, verwertet und der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Zwar regeln
weder das SGG noch die ZPO oder die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ausdrücklich
die Verwertung bzw ein Beweisverwertungsverbot für unzulässig erlangte Beweismittel, aber
in Rechtsprechung und Literatur ist allgemein anerkannt, dass die Verwertung unzulässig
erlangter Beweismittel unter bestimmten Voraussetzungen verboten ist (vgl BVerfG
Beschluss vom 19. Dezember 1991 - 1 BvR 382/85 - NJW 1992, 815; BVerfG Urteil vom 13.
Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - BVerfGE 117, 202 = NJW 2007, 753, jeweils RdNr 90, 94;
BGH Urteil vom 12. Februar 1985 - VI ZR 202/83 - NJW 1985, 1470 = VersR 1985, 573; BGH
Urteil vom 4. Dezember 1990 - IX ZR 310/89 - NJW 1991, 1180; BGH Urteil vom 1. März
2006 - XII ZR 210/04 - BGHZ 166, 283 = NJW 2006, 1657; Meyer-Ladewig, SGG, § 118
RdNr 8a; Greger in Zöller, ZPO, § 286 RdNr 15a ff; Hartmann in
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl 2008, Übers § 371 RdNr 12 f, § 286
RdNr 68; Prütting in Münchener Kommentar, ZPO, 2. Aufl 2000 , § 284 RdNr 63 ff;
Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl 2007, § 68 RdNr 4; Dawin in Schoch ua, VwGO, Stand
September 2007, § 86 RdNr 106 f; vgl zum Verwaltungsverfahren: Urteil des Senats vom 15.
Februar 2005 - B 2 U 3/04 R - BSGE 94, 149 = SozR 4-2700 § 63 Nr 2 = SGB 2005, 709 mit
Anm Spickhoff, jeweils RdNr 25 mwN). Dies bedeutet, dass ein unzulässiges - dh in
rechtswidriger Weise entstandenes oder erlangtes - Beweismittel nicht automatisch ein
Verwertungsverbot nach sich zieht, sondern ausgehend von der verletzten Rechtsnorm zu
beurteilen ist, welche Folgen der Verstoß hat (vgl insbesondere Prütting, aaO, der auf den
Schutzzweck der verletzten Norm verweist). Zum Teil wird auch eine Güterabwägung
zwischen der Rechtsverletzung und dem im Streit stehenden Recht gefordert
(Kopp/Schenke, VwGO, § 98 RdNr 4, Greger in Zöller, ZPO, § 286 RdNr 15a) oder als
Leitlinie unterschieden zwischen Verstößen gegen einfaches Recht, die nicht grundsätzlich
ein Verwertungsverbot zur Folge haben, und Verstößen gegen Verfassungsrecht,
insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art 2 Abs 1 GG, die zu einem
Verwertungsverbot führen (Greger, aaO).
52 a) Aufbauend auf diesen Grundlagen ist bei einem Verstoß gegen das verfassungsrechtlich
geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung von einem
Beweisverwertungsverbot auszugehen (BVerfG Beschluss vom 19. Dezember 1991 aaO;
Kopp/Schenke, VwGO, § 98 RdNr 4; Greger in Zöller, ZPO, § 286 RdNr 15a ff; Hartmann in
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Übers § 371 RdNr 12 f; Prütting in MK-ZPO §
284 RdNr 66). Eine Ausnahme ist nur zu machen, wenn das Interesse an der Verwertung
über das schlichte Beweisinteresse hinaus und trotz der Beeinträchtigung des
Persönlichkeitsrechts schutzbedürftig ist (BVerfG Urteil vom 13. Februar 2007 aaO RdNr 94).
53 Ein solches Beweisverwertungsverbot gilt auch bei einer Verletzung der im
Widerspruchsrecht des § 200 Abs 2 Halbs 2 SGB VII iVm § 76 Abs 2 SGB X zum Ausdruck
kommenden Konkretisierung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Denn
dieses Widerspruchsrecht gibt - so schon die oben wieder gegebenen Gesetzesmaterialien
(BT-Drucks 13/2204 S 118) - dem Betroffenen die Möglichkeit, einer Übermittlung seiner
Daten an einen Gutachter zu widersprechen, und beinhaltet damit die zentrale
Gewährleistung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung für den Einzelnen,
grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu
bestimmen und zu entscheiden (BVerfGE 65, 1).
54 Dass seitens der beklagten BG durch die Einholung des Gutachtens von Dres. T./S. im Laufe
des Gerichtsverfahrens gegen dieses Widerspruchsrecht des Klägers nach § 200 Abs 2
Halbs 2 SGB VII verstoßen wurde, wurde schon festgestellt.
55 Ein Grund für eine spezifische rechtfertigende Ausnahme ist nicht zu erkennen.
Insbesondere hätte die BG ihr Recht auf prozessuale Chancengleichheit und Abgabe einer
Stellungnahme zu den eingeholten Gerichtsgutachten durch die aufgezeigten anderen
Instrumentarien (s oben 2. b) bb) (3) wahren können.
56 Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Entscheidung, ob der gleichzeitige Verstoß gegen
das Auswahlrecht nach § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII ebenfalls zu einem
Beweisverwertungsverbot führt. Zumal die Rechtsposition des Versicherten beim
Auswahlrecht verglichen mit seinem Widerspruchsrecht erheblich schwächer ist, weil er sich
zwar zu den vorgeschlagenen Gutachtern äußern und ggf einen Gegenvorschlag machen
kann, die Beklagte dem aber nicht folgen muss (s oben 2. b) bb) (3), und nicht zu erkennen
ist, wieso das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zwingend zu einem Auswahlrecht
hinsichtlich des Sachverständigen gegenüber dem beklagten Unfallversicherungsträger
führen muss. Entbehrlich ist damit auch eine Stellungnahme zu dem langjährigen und mit
viel Engagement geführten Konflikt zwischen dem Bundesbeauftragten für Datenschutz und
den Unfallversicherungsträgern um die Handhabung dieses Teils des § 200 Abs 2 SGB VII
(vgl nur die von den Beteiligten in das Verfahren eingeführten und im Internet unter
www.bundesdatenschutzbeauftragter.de zu findenden Materialien: 18. Tätigkeitsbericht des
Bundesbeauftragten für Datenschutz, BT-Drucks 14/5555 S 154 zu Nr 23.1.3.2; 19.
Tätigkeits-bericht, BT-Drucks 15/888 S 141 zu Nr 26.1.3; 20. Tätigkeitsbericht, BT-Drucks
15/5252 S 175 zu Nr 19.1.3).
57 Aus den allgemeinen Überlegungen von Ricke zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen
§ 200 Abs 2 SGB VII im Verwaltungsverfahren folgt nichts anderes. Ricke (NZS 2002, 357 ff)
meint, ein solcher Verstoß sei nach § 42 Satz 1 SGB X unbeachtlich, weil nach dieser
Vorschrift die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nichtig sei, nicht allein wegen
eines Verfahrensverstoßes beansprucht werden könne, wenn offensichtlich sei, dass der
Verfahrensverstoß die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe. Ob letzteres der
Fall sei, müsse ohne Rückgriff auf das inkorrekt eingeholte Gutachten in einem weiteren
Gutachten geklärt werden (Ricke, NZS 2002, 357, 359 linke Spalte). Bestätige das zweite
Gutachten das erste Gutachten, liege kein Verfahrensmangel vor. Dies führt im Ergebnis
zunächst zu einem Verwertungsverbot für das inkorrekt eingeholte Gutachten; wird es jedoch
durch das zweite Gutachten bestätigt, ist das erste letztlich überflüssig, sodass nicht zu
erkennen ist, wofür es noch benötigt wird. Den speziellen datenschutz- und
verfassungsrechtlichen Anforderungen im Hinblick auf das durch eine solche Anwendung
tangierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung werden diese Ausführungen nicht
gerecht.
58 Seine früheren Überlegungen, dass ein Verstoß gegen § 200 Abs 2 SGB VII nach § 41 SGB
X geheilt werden könne, hat Ricke zu Recht aufgegeben (NZS 2002, 357, 359 bei Fn 22).
Denn Verstöße gegen das Widerspruchsrecht nach § 200 Abs 2 Halbs 2 SGB VII iVm § 76
Abs 2 SGB X bei der Übermittlung besonders schutzwürdiger Daten sind mit den dort
aufgeführten Verfahrensverstößen nicht vergleichbar. Diese Verfahrensverstöße betreffen im
Wesentlichen die Antragstellung sowie Mitwirkungs-, Anhörungs- und
Begründungserfordernisse. Ihre Nachholung im Laufe eines Verwaltungsverfahrens oder in
einem sich anschließenden Vor- oder Gerichtsverfahren ist möglich und die sich aus ihnen
ergebenden Gesichtspunkte können bei der abschließenden Entscheidung berücksichtigt
werden.
59 Verstöße gegen das Widerspruchsrecht können hingegen nur dadurch geheilt werden, dass
das entsprechende Gutachten aus den Akten entfernt wird, weil anderenfalls die
Rechtsverletzung und der Verstoß gegen das auf Art 1, 2 GG beruhende Recht auf
informationelle Selbstbestimmung perpetuiert werden. Nur so ist die aus dem allgemeinen
Verwaltungsrecht bekannte Folgenbeseitigung oder Herstellung des Zustandes, der ohne
die Rechtsverletzung bestehen würde, möglich.
60 b) Dieses Beweisverwertungsverbot für das Gutachten von Dres. T./S. führt auch zu einem
Beweisverwertungsverbot für das Gutachten von Prof. Dr. W.
61 Ebenso wenig wie ein in rechtswidriger Weise entstandenes oder erlangtes Beweismittel
automatisch ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht, wirkt sich das für ein solches
Beweismittel geltende Verwertungsverbot automatisch auf alle späteren Beweismittel aus
(BGH Urteil vom 1. März 2006 - XII ZR 210/04 - BGHZ 166, 283 = NJW 2006, 1657, RdNr 17
ff; vgl Greger in Zöller, ZPO, § 286 RdNr 15e). Auf die vom BGH in seiner Entscheidung
erörterten Fragen der Schlüssigkeit des Parteivortrags ohne das rechtswidrig erlangte
Beweismittel und die Berücksichtigung prozessordnungswidrig eingeholter Beweismittel bei
der Entscheidung kommt es für das im Unterschied zur ZPO auf dem
Untersuchungsgrundsatz beruhende Verfahren nach dem SGG nicht an. Maßstab für die
Reichweite oder "Fernwirkung" eines Beweisverwertungsverbotes muss vielmehr sein, ob
durch das weitere Beweismittel das Beweisverwertungsverbot hinsichtlich des ersten
Beweismittels umgangen würde, ob das zweite Beweismittel auch ohne das erste -
unzulässige und verbotene - Bestand hätte oder inwieweit das zweite Beweismittel auf dem
ersten aufbaut. Denn beim Vorliegen einer dieser Voraussetzungen würde der Verstoß
gegen das grundrechtlich geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die
Verwertung des weiteren Beweismittels perpetuiert, ohne dass ein rechtfertigender Grund zu
erkennen ist (ähnlich der BGH aaO RdNr 25 ff im Hinblick auf die in Abstammungsprozessen
betroffenen Grundrechte mehrerer Beteiligter).
62 Auf dieser Grundlage muss vorliegend das Beweisverwertungsverbot für das Gutachten von
Dres. T./S. auf das Gutachten von Prof. Dr. W. erstreckt werden. Denn das Gutachten von
Prof. Dr. W. baut ganz entscheidend auf dem Gutachten von Dres. T./S. auf, wie sich aus
seinen Ausführungen zur Beantwortung der ersten Beweisfrage ergibt, in der er dem
Gutachten von Dres. T./S. ausdrücklich zustimmt, dass ein Erstschadensbild nicht gesichert
sei. Auch bei der Verneinung einer unfallbedingten Entstehung der Spondylolyse des
Klägers wird Dres. T./S. ausdrücklich zugestimmt, weil die dort geäußerte
Argumentationsebene dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entspreche.
63 Zwar haben die Beteiligten sich in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG mit einer
Entscheidung einverstanden erklärt, ohne dass auf die Gutachten von Dr. L. und Dres. T./S.
Bezug genommen wird, hieraus kann jedoch gerade nicht abgeleitet werden, dass sie mit
einer mittelbaren Verwertung dieser Gutachten einverstanden waren.
64 4. Die Rüge dieses Verfahrensmangels ist nicht ausgeschlossen (nachfolgend a), und das
Rügerecht ist nicht durch Heilung verloren gegangen (nachfolgend b).
65 a) Die Rüge eines Verfahrensmangels ist ausgeschlossen, wenn sie sich gegen eine
unanfechtbare Vorentscheidung richtet (§ 202 SGG iVm § 557 Abs 2 ZPO), also zB gegen
einen verfahrensleitenden Beschluss oder eine Zwischenentscheidung des LSG (vgl § 177
SGG). Eine derartige Fallgestaltung ist vorliegend nicht gegeben, weil der Kläger sich mit
seiner Rüge gegen die Verwertung des Gutachtens von Prof. Dr. W. und mittelbar des
Gutachtens von Dres. T./S. im Urteil des LSG wendet.
66 b) Das Rügerecht darf nicht verloren gegangen sein (§ 202 SGG iVm §§ 556, 295 ZPO). Die
Vorschriften der ZPO und die Rüge von Verfahrensmängeln der Berufungsinstanz im
Revisionsverfahren und die Heilung dieser Verfahrensmängel sind im sozialgerichtlichen
Verfahren entsprechend anzuwenden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 61; Lüdtke in HK-SGG, §
160 RdNr 23). Gemäß §§ 556, 295 ZPO kann die Verletzung einer das Verfahren der
Berufungsinstanz betreffenden Vorschrift in der Revisionsinstanz nicht mehr gerügt werden,
wenn das Rügerecht verloren gegangen ist, weil auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet
wurde oder in der auf den Mangel folgenden nächsten mündlichen Verhandlung, in welcher
der betreffende Beteiligte vertreten war, der Mangel nicht gerügt worden ist, obgleich er
bekannt war oder bekannt sein musste.
67 Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, weil der Kläger mit Schreiben vom
6. März 2006 die Löschung des Gutachtens von Dres. T./S. beantragte und dessen
Verwertung widersprach sowie mit Schreiben vom 8. April 2006 sich gegen die Verwertung
der weiteren Gutachten mit Ausnahme der von Prof. Dr. P., Dr. F. und Dr. B. wandte, womit er
einer Verwertung des später eingeholten Gutachtens von Prof. Dr. W. entgegentrat. Aus der
Vereinbarung der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG, mit einer
Entscheidung einverstanden zu sein, ohne dass auf die Gutachten von Dr. L. und Dres. T./S.
Bezug genommen werde, kann nicht abgeleitet werden, dass der Kläger mit einer
mittelbaren Verwertung dieser Gutachten oder einer uneingeschränkten Verwertung des
Gutachtens von Prof. Dr. W. einverstanden war. Aus einer Vereinbarung beider Beteiligten
über die Nichtverwertung der Gutachten von Dr. L. und Dres. T./S. kann nicht auf die
Zustimmung beider Beteiligten zur Verwertung des Gutachtens von Prof. Dr. W. geschlossen
werden. Dass der Kläger die gegen das von Prof. Dr. W. erstellte Gutachten gerichtete Rüge
bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhalten hat, zeigt der
von ihm gestellte und mit der Unzulässigkeit der Verwertung des Gutachtens von Prof. Dr. W.
begründete Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG.
68 5. Die weiteren vom Kläger erhobenen Rügen, die sich im Wesentlichen ebenfalls gegen
das Gutachten von Prof. Dr. W. richten und auf eine weitere Beweiserhebung abzielen, sind
nicht mehr entscheidungserheblich, weil das Urteil des LSG aus den dargelegten Gründen
aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen ist.
69 Eine Entscheidung in der Sache über die vom Kläger begehrte Anerkennung von
Unfallfolgen aufgrund des Ereignisses vom 12. April 1996 und die Gewährung einer
Verletztenrente nach §§ 8, 56 SGB VII ist mangels ausreichender Feststellungen des LSG
zur Verursachung der umstrittenen Gesundheitsstörungen durch das Ereignis nicht möglich
und eine weitere Sachverhaltsaufklärung erscheint angesichts der widersprüchlichen und
unklaren Ergebnisse der Gutachten von Dr. B., Dr. F. und Prof. Dr. Pf. angezeigt (vgl § 170
Abs 2 SGG).
70 Im weiteren Verfahren wird das LSG zu beachten haben, dass zur Sicherstellung des Rechts
des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung nach § 200 Abs 2 Halbs 2 SGB VII iVm §
76 Abs 2 SGB X neben den Gutachten von Dres. T./S. und Prof. Dr. W. alle weiteren
Gutachten und Stellungnahmen, die sich auf diese Gutachten beziehen oder sie verwerten,
aus der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte entfernt werden, ehe diese zur Einholung
eines weiteren Gutachtens versandt werden. Hinsichtlich der weiteren von der beklagten BG
im Laufe des Gerichtsverfahrens vorgelegten ärztlichen Äußerungen ist zu prüfen, inwieweit
sie nach den obigen Ausführungen Gutachten iS des § 200 Abs 2 SGB VII sind und ob
mögliche Verstöße gegen diese Vorschrift zwischenzeitlich geheilt wurden. Waren es
derartige Gutachten und sind die Verstöße nicht geheilt, sind diese Äußerungen ebenfalls
aus den Akten zu entfernen.
71 Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.