Urteil des BSG vom 12.11.2003

BSG: bildende kunst, werbung, künstler, unternehmen, abgabepflicht, public relations, unternehmer, fotografie, gestaltungsspielraum, ausbildung

Bundessozialgericht
Urteil vom 12.11.2003
Sozialgericht Karlsruhe S 3 KR 3932/98
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 4 KR 1525/01
Bundessozialgericht B 3 KR 8/03 R
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 8. November 2002 wird
zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das von der Klägerin betriebene Unternehmen der Pflicht zur
Künstlersozialabgabe (KSA) nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) unterliegt.
Die Klägerin betreibt ein Versandhandelsunternehmen überwiegend im Bekleidungsbereich. Zur Erstellung der
Versandkataloge beauftragt sie freiberufliche Werbefotografen und Layouter. Allein die Erstellung der Fotografien für
den Modeteil des Hauptkatalogs Herbst/Winter 2002 verursachte Kosten in Höhe von 1,1 Millionen Euro. Mit Bescheid
vom 11. November 1988 stellte die Beklagte die Künstlersozialabgabepflicht der Klägerin fest. Den hiergegen
eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 1989 zurück und verwies darauf,
dass nach § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG ab dem 1. Januar 1988 zur KSA auch Unternehmer verpflichtet seien, die für
Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung betrieben, wenn diese Werbung nach Art und Umfang der Tätigkeit der
in der Nr 5 genannten Unternehmen entspreche und sie nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler
oder Publizisten erteilten. Die von der Klägerin beauftragten Fotografen seien künstlerisch tätig.
Hiergegen hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhoben. Mit Urteil vom 23. Februar 2001 hat das
SG der Klage stattgegeben und den Bescheid vom 11. November 1988 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
20. April 1989 aufgehoben. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Werbefotograf habe auf die Motivwahl und
Motivgestaltung nach ästhetischen Gesichtspunkten keinen wesentlichen Einfluss. Das Werbefoto sei im
Wesentlichen durch die technisch-handwerkliche Aufnahme ohne entscheidenden eigenen gestalterischen Ansatz
geprägt, was ebenso auf Modefotografie wie auf Hartwarenfotografie zutreffe.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 8. November 2002 das Urteil des
SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin sei
durch ihre regelmäßige Katalogwerbung im Versandhandel gemäß § 24 Abs 1 Satz 2 iVm § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 7
KSVG ein künstlersozialabgabepflichtiges Unternehmen. Zu Unrecht habe das SG angenommen, dass infolge der von
der Klägerin dargestellten genauen Vorgaben für die Katalogfotografie kein Gestaltungsspielraum für die
Werbefotografen bestehe. Es sei davon auszugehen, dass die überwiegende Zahl der im Künstlerbericht der
Bundesregierung aufgeführten Berufsgruppen sowie der im Bereich "Wort" tätigen Autoren grundsätzlich zu den
Künstlern und Publizisten im Sinne des KSVG gehörten. Bei ihnen könne die Künstler- bzw Publizisteneigenschaft
unterstellt werden. Auf dieser Grundlage und in Anbetracht der ausdrücklichen Nennung des Werbefotografen im
Zusammenhang mit dem Grafik-, Mode-, Textil- und Industrie-Designer sowie dem Layouter könne die Künstler- bzw
Publizisteneigenschaft hier unterstellt werden. Nur bei der Festsetzung der Abgabehöhe komme es darauf an, ob die
Werbefotografen im Einzelfall einen künstlerischen Gestaltungsspielraum besessen hätten.
Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 2, 24 KSVG sowie
Verfahrensmängel der unzureichenden Sachaufklärung und Beweiswürdigung. Sie trägt vor, die Katalogherstellung sei
keine Eigenwerbung. Denn bei der klassischen Werbung, von welcher der Gesetzgeber ausgegangen sei, handele es
sich um die Erregung von Aufmerksamkeit für bestimmte Produkte, ohne damit ein konkretes Kaufangebot zu
verbinden, während es sich bei dem Versandhandelskatalog um eine "bebilderte Preisliste" handele, in der das
konkrete Warenangebot wie in einem Schaufenster oder einer Verkaufsauslage dargestellt werde. Soweit das LSG die
Auffassung vertrete, für den Abgabetatbestand sei bereits das Betreiben von Eigenwerbung ausreichend,
widerspreche dies eindeutig dem Gesetzeswortlaut, der neben der Eigenwerbung auch die Beauftragung
selbstständiger Künstler erfordere. Wenn das LSG aber von der widerleglichen Vermutung ausgegangen sei, dass
Katalogfotografen und Layouter künstlerisch tätig seien, so hätte es die ihm vorliegenden Beweismittel zur Kenntnis
nehmen und bewerten müssen. Die Überprüfung hätte jedenfalls dazu geführt, dass bei allen mit der
Katalogherstellung befassten Fotografen und Layoutern kein künstlerischer Entscheidungsspielraum gegeben sei.
Unrichtig und mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht in Einklang zu bringen sei die
Auffassung, dass wegen der Aufnahme des Werbefotografen in die Durchführungsverordnung zum KSVG (KSVGDV)
unter "bildender Kunst" die unwiderlegliche Vermutung begründet sei, ein Werbefotograf sei künstlerisch tätig. Das
BSG habe vielmehr deutlich gemacht, dass bei der Abgrenzung für den Bereich der Fotografie ganz allgemein
entscheidend sei, ob dem Schaffen eines Fotografen eine schöpferische Leistung in einem Umfang zu Grunde liege,
die über das in diesem Beruf durch eine schöpferische bzw gestalterische Komponente gekennzeichnete
Handwerkliche deutlich hinausgehe. Bei den Katalogfotografien sei keines der für eine künstlerische Fotografie
maßgeblichen Kriterien erfüllt. Dasselbe gelte für die Layouter.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des LSG vom 8. November 2002 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen
das Urteil des SG vom 23. Februar 2001 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat ihre Klage zu Recht abgewiesen.
Nach dem mit Wirkung zum 1. Januar 1988 eingeführten § 24 Abs 1 Satz 2 Buchst a KSVG idF des Gesetzes zur
finanziellen Sicherung der Künstlersozialversicherung vom 18. Dezember 1987 (BGBl I 2794), der durch das Gesetz
zur Änderung des KSVG vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2606) mit Wirkung ab dem 1. Januar 1989 lediglich in der
Bezeichnung geändert worden ist (nunmehr § 24 Abs 1 Satz 2 Nr 1 KSVG), sind zur KSA Unternehmer verpflichtet,
die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung betreiben, wenn diese Werbung nach Art und Umfang der
Tätigkeit der in Satz 1 Nr 5 (jetzt Nr 7) genannten Unternehmen entspricht und sie nicht nur gelegentlich Aufträge an
selbstständige Künstler oder Publizisten erteilen. Mit Wirkung ab dem 1. Juli 2001 ist das Erfordernis entfallen, dass
die Werbung nach Art und Umfang der Tätigkeit eines der in Satz 1 Nr 7 genannten Unternehmen entsprechen muss.
Nach der Fassung des Gesetzes vom 13. Juni 2001 (BGBl I 1027) sind nunmehr Unternehmer zur KSA verpflichtet,
die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung betreiben und dabei nicht nur gelegentlich Aufträge an
selbstständige Künstler oder Publizisten erteilen.
Unveränderte Voraussetzung ist nach allen Fassungen geblieben, dass der Unternehmer für Zwecke seines eigenen
Unternehmens Werbung betreibt. Das LSG hat den Begriff der Werbung nicht erläutert, sondern lediglich festgestellt,
die Klägerin betreibe "regelmäßige Katalogwerbung". Wenn die Klägerin dem entgegenhält, bei dem
Versandhandelskatalog handele es sich lediglich um eine "bebilderte Preisliste", in der das konkrete Warenangebot
wie in einem Schaufenster oder einer Verkaufsauslage dargestellt werde, nicht aber um klassische Werbung, misst
sie dem Begriff der Werbung jedoch einen zu engen Bedeutungsgehalt bei. Insbesondere liegt Werbung auch dann
vor, wenn damit, abgesehen vom Erwecken allgemeiner Aufmerksamkeit, auch die Aufforderung zu einem konkreten
Kaufangebot verbunden ist. Werbung umfasst nach allgemeinem Sprachverständnis alle Maßnahmen der Herstellung,
Anwendung und Verbreitung von Werbemitteln, die dazu dienen sollen, einzelne Personen oder ganze
Konsumentengruppen zu beeinflussen und zum Kauf von Gütern bzw Dienstleistungen anzuregen (Meyers
Enzyklopädisches Lexikon, Band 25 (1979)). Zu den Werbeträgern, mit deren Hilfe die Werbebotschaft der Zielgruppe
nahe gebracht werden soll, gehören namentlich die Printmedien und hierzu wiederum Prospekte und Kataloge (vgl
Brockhaus Enzyklopädie, Band 24 (1999), unter "Werbung"). Soweit das BSG den Begriff der Werbung als "positive
Darstellung des Unternehmens in der Öffentlichkeit (sog Imagepflege) und seiner Leistungen zum Zwecke der
Gewinnung von Kunden" bezeichnet hat (BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 6 S 34), war dies nicht abschließend und in
engem Sinne zu verstehen; auch die Warenpräsentation der Klägerin mittels ihrer Versandkataloge fällt deshalb
darunter. Die Annahme des LSG, die Klägerin betreibe "regelmäßige Katalogwerbung", ist damit im Ergebnis
zutreffend.
Die Werbung für eigene Zwecke musste in dem Zeitraum vom 1. Januar 1988 bis zum 30. Juni 2001 darüber hinaus
nach Art und Umfang der Tätigkeit eines selbstständigen Werbeunternehmens entsprechen. Für diesen Zeitraum hat
das LSG allerdings keine gesonderten Feststellungen getroffen, sondern sich darauf beschränkt, Ausführungen zum
Kostenaufwand der Klägerin für ihren Hauptkatalog der Saison Herbst/Winter 2002 zu machen. Da sich der
Kostenaufwand in den Vorjahren in vergleichbaren Größenordnungen bewegt haben dürfte und die Klägerin insoweit
auch keine Revisionsrügen geltend gemacht hat, kann davon ausgegangen werden, dass die Werbung der Klägerin
während des hier streitgegenständlichen Zeitraums wegen ihres erheblichen Kostenaufwands nach ihrer Art und ihrem
Umfang der Tätigkeit eines selbstständigen Werbeunternehmens entsprochen hat.
Das LSG hat allerdings zu Unrecht darauf verzichtet zu prüfen, ob die Eigenwerbung betreibende Klägerin tatsächlich
auch Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilt, sondern gemeint, dies im Rahmen der Entscheidung
über die Abgabepflicht dem Grunde nach unterstellen zu können. Dies entspricht nicht der gesetzlichen Regelung,
erweist sich aber im Ergebnis als unschädlich.
Der Senat hat zu § 24 KSVG bereits entschieden, dass der in Abs 1 Satz 1 aufgeführte Katalog dem Anliegen des
Gesetzgebers entspreche, alle Unternehmen in die Abgabepflicht einzubeziehen, die zur Erreichung ihres
Unternehmensziels typischerweise regelmäßig künstlerische Leistungen verwerten (BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 19 S
122). Das Betreiben eines der in § 24 Abs 1 Satz 1 KSVG aufgeführten Unternehmen gilt kraft Gesetzes als
"professionelle" Kunstvermarktung (BSGE 80, 141, 143 = SozR 3-5425 § 24 Nr 16; BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 17 S
116). Für die Eigenwerbung betreibenden Unternehmen hat der Gesetzgeber aber einen besonderen Satz später
angefügt und darin weitere Voraussetzungen für eine Abgabepflicht verlangt.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte in seiner Entscheidung vom 8. April 1987 (BVerfGE 75, 108 = SozR
5425 § 1 Nr 1) Bedenken geltend gemacht, wenn der Gesetzgeber wie im KSVG 1981 weiterhin daran festhalte, die
Verwertung von Kunst oder künstlerischen Darbietungen zur Eigenwerbung von Unternehmen nicht der Abgabepflicht
zu unterwerfen. Handelten diese Unternehmen wie professionelle Vermarkter, gebiete es der Gleichheitssatz, sie
ebenfalls der Abgabepflicht zu unterwerfen. Der Gesetzgeber hat auf diese Rechtsprechung reagiert, indem er mit
Wirkung zum 1. Januar 1988 in § 24 Abs 1 KSVG den Satz 2 eingefügt und damit auch diejenigen Unternehmer in die
Abgabepflicht einbezogen hat, die "wie professionelle Vermarkter" Werbung für das eigene Unternehmen betreiben.
Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers sollen jedoch diejenigen Unternehmer nicht als professionelle
Vermarkter im Sinne des KSVG angesehen werden, die nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder
Publizisten erteilen (BT-Drucks 11/862, S 8). Erforderlich ist jedenfalls, dass überhaupt Aufträge an selbstständige
Künstler oder Publizisten erteilt werden. An dieser einschränkenden Voraussetzung hat der Gesetzgeber entgegen
dem Referentenentwurf auch in dem Zweiten Gesetz zur Änderung des KSVG und anderer Gesetze vom 13. Juni
2001 (BGBl I S 1027) festgehalten. In dem Referentenentwurf (abgedruckt bei Mestmäcker/Schulze,
Urheberrechtskommentar, Band 2, KSVG, Anhang Einleitung S 8 ff) war noch vorgesehen, die Abgabepflicht in § 24
Ab 1 Satz 2 KSVG auf alle Unternehmer zu erweitern, "die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens nicht nur
gelegentlich Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben". Mit dieser Formulierung sollte erreicht werden, dass die für
Zwecke des eigenen Unternehmens betriebene Werbung wie die Werbung für Dritte als typische Verwertung
anzusehen ist (Begründung zum Referentenentwurf, aaO, S 22). Da sich der Gesetzgeber der vorgeschlagenen
Formulierung jedoch nicht angeschlossen hat, ist (weiterhin) davon auszugehen, dass Unternehmer nicht schon allein
deshalb als "professionelle Vermarkter" gelten, weil sie Eigenwerbung betreiben. Bei ihnen kann also im Gegensatz
zu den in § 24 Abs 1 Satz 1 KSVG genannten Unternehmen nicht kraft Gesetzes davon ausgegangen werden, dass
sie typischerweise zu den regelmäßigen Verwertern künstlerischer Leistungen zählen. Vielmehr muss bei
Eigenwerbung betreibenden Unternehmern schon im Rahmen der Entscheidung über die grundsätzliche Abgabepflicht
als solche nach § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG zusätzlich geprüft werden, ob sie auch tatsächlich nicht nur gelegentlich
Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilen. Eine Unterscheidung dahingehend, dass im Rahmen
des § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG eine "abstrakte Künstlereigenschaft" ausreichend sein soll, während erst im
Zusammenhang mit § 25 KSVG konkret zu prüfen ist, ob eine künstlerische Leistung erbracht wird, lässt sich dem
Gesetz nicht entnehmen. Der Gesetzessystematik entspricht es zwar, dass ein unter den Katalog des § 24 Abs 1
Satz 1 KSVG fallendes Unternehmen der Abgabepflicht unterliegen kann, ohne nach § 25 KSVG tatsächlich eine KSA
zahlen zu müssen. Für § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG ist jedoch die Besonderheit zu beachten, dass es bereits bei der
Abgabepflicht dem Grunde nach auf die Auftragserteilung an selbstständige Künstler oder Publizisten ankommt.
Die getroffenen Feststellungen des LSG reichen aber aus, diese Frage zu bejahen. Das gilt zunächst ohne Weiteres
für das Merkmal "nicht nur gelegentlich", weil die Klägerin Werbekataloge regelmäßig und in erheblichem Umfang
unter Heranziehung freiberuflicher Fotografen und Layouter auf den Markt bringt. Aber auch die Künstlereigenschaft
dieser Personengruppen kann ohne weitere Feststellungen bejaht werden, insbesondere was den "künstlerischen"
Wert der Fotografien und den den Fotografen und Layoutern im Einzelfall verbliebenen Gestaltungsspielraum angeht.
Die Berufsgruppe der hier in Frage stehenden Art gehört kraft gesetzlicher Wertung zu den selbstständigen Künstlern.
Allerdings hat das LSG dem § 2 Abs 2 Nr 7 KSVGDV der den Werbefotografen dem Bereich "bildende Kunst"
zuordnet, insoweit eine zu weit reichende Bedeutung beigemessen. In seiner Entscheidung vom 30. Januar 2001 zum
Industriedesigner hat der Senat bekräftigt, es sei nicht entscheidend, dass Grafik-, Mode-, Textil- und
Industriedesigner in § 2 Abs 2 Nr 9 KSVGDV ausdrücklich als Künstler aufgeführt würden. Denn die Verordnung wolle
und könne mangels gesetzlicher Ermächtigung die Begriffe der Kunst und Publizistik nicht eigenständig definieren
(BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 11 S 45 mwN). Sie habe lediglich den Zweck, die verschiedenen künstlerischen und
publizistischen Tätigkeiten den Bereichen Wort, bildende Kunst, Musik und darstellende Kunst zuzuordnen und so
angesichts der in vielen Jahren unterschiedlichen Höhe der Abgabe in diesen vier Bereichen für Rechtssicherheit bei
der Erhebung der Künstlersozialabgabe zu sorgen (BSG, aaO). Das muss sinngemäß auch für die Werbefotografen
gelten. Für den Zeitraum ab dem 1. Juli 2001 kommt hinzu, dass der Gesetzgeber die KSVGDV durch Art 8 des
Zweiten Gesetzes zur Änderung des KSVG und anderer Gesetze vom 13. Juni 2001 (BGBl I S 1027) aufgehoben hat.
Maßgebend ist allein der Künstlerbegriff des Gesetzes. Nach § 2 KSVG ist Künstler, wer Musik, darstellende oder
bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Das KSVG hat damit eine an der Typologie der Ausübungsformen
orientierte Einteilung in Kunstgattungen vorgenommen, den Kunstbegriff aber materiell nicht definiert. Dieser ist
vielmehr aus dem Regelungszweck des KSVG unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung zu
erschließen (vgl BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 12 - Unterhaltungsshow - und BSGE 80, 136 = SozR 3-5425 § 2 Nr 5 -
Musikinstrumentenbauer -; zum Kunstbegriff des Art 5 GG: BVerfGE 30, 173, 188 ff und 81, 108, 116; zur Zielrichtung
des KSVG: BT-Drucks 9/26, S 18 zu § 2; BT-Drucks 8/3172, S 19 ff). Fotografie kann sowohl eindeutig künstlerischer
Natur sein als auch in handwerklicher Form ausgeübt werden. Sie ist sowohl Unterrichtsfach an Kunsthochschulen als
auch Gegenstand einer staatlich geregelten Ausbildung für einen Handwerksberuf. Damit weist sie Gemeinsamkeiten
mit anderen beruflichen Tätigkeiten auf, die sowohl in handwerklicher (vgl BSGE 80, 136 = SozR 3-5425 § 2 Nr 5 -
Musikinstrumentenbauer; BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 8 - Feintäschner; BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 14 - Restaurator) als
auch in künstlerischer Form ausgeübt werden können. Bei der Zuordnung zum Zwecke der Abgabenerhebung nach
dem KSVG hat es der Senat stets abgelehnt, die künstlerische Qualität der jeweiligen Arbeiten zu bewerten, sondern
als maßgebend angesehen, in welchem Tätigkeitsbereich und gesellschaftlichem Umfang die einzelnen Leistungen
erbracht werden: Wer sich auf dem herkömmlichen Berufsfeld eines Handwerks bewegt, wird auch nicht dadurch zum
Künstler im Sinne des KSVG, dass seine Leistungen einen eigenschöpferischen, gestalterischen Charakter
aufweisen, weil ein solcher bei diesen Handwerksberufen typisch ist. Als Künstler ist er vielmehr erst dann
einzuordnen, wenn er das typische handwerkliche Berufsfeld verlässt, sich mit seinen Produkten in einem
künstlerischen Umfeld bewegt und in künstlerischen Kreisen als gleichrangig anerkannt wird. Andererseits hat der
Senat bei Berufstätigkeiten, die nach dem gesetzgeberischen Willen den künstlerischen zuzuordnen sind, nicht als
entscheidend angesehen, ob im Einzelfall (zB wegen der Eigenart des Produkts oder wegen konkreter Vorgaben des
Auftraggebers) ein großer oder kleiner Gestaltungsspielraum bei der Auftragsdurchführung verbleibt (vgl BSG SozR 3-
5425 § 2 Nr 11 - Industriedesigner). Die Zweckgebundenheit der Produkte (Gebrauchsgegenstände, Werbung) steht
ihrer Einordnung als künstlerisch in keinem Fall entgegen.
Bei der Fotografie ist es für ihre Einordnung als künstlerisch sogar entscheidend, dass sie zu Werbezwecken erfolgt.
Für diese Auslegung spricht bereits der Katalog der typischen kunstvermarktenden Unternehmen in § 24 Abs 1 Satz 1
KSVG, der unter Nr 7 die Werbung betreibenden Unternehmen erfasst. Für die bildliche Gestaltung von Werbung und
Marketing ziehen Werbeagenturen und Public-Relations-Büros vielfach selbstständige Grafiker, Werbefotografen und
Designer heran (Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 2. Aufl 1992, § 24 RdNr 101 und 104). Die Einbeziehung der
Werbung betreibenden Unternehmen in den Kreis der Kunstverwerter lässt darauf schließen, dass gerade die von
diesen typischerweise herangezogenen "kreativen" Selbständigen zu dem Personenkreis zählen, der in § 2 KSVG mit
"bildende Kunst Schaffenden" bezeichnet worden ist.
Dass dies tatsächlich auch der Vorstellung des Gesetzgebers entspricht, folgt aus den Materialien zum KSVG,
wonach ausdrücklich alle Berufsgruppen als künstlerisch angesehen werden, die im Künstlerbericht der
Bundesregierung aufgeführt sind. Dort sind in der Berufsgruppe "Fotodesigner" künstlerische Fotografen, Lichtbildner,
Kameramänner und Werbefotografen genannt (BT-Drucks 7/3071, S 7). Der gesamte Bereich der "kreativen
Werbefotografie" ist damit als bildende Kunst im Sinne des KSVG einzustufen, ohne dass es auf den konkreten
Auftragsgegenstand ankommt.
Die von der Klägerin in den Vordergrund gestellte Abgrenzung der von ihr praktizierten, durch enge Vorgaben der
Kunden gekennzeichnete Art der Werbefotografie von der "künstlerischen Fotografie", wie sie im Urteil des Senats
vom 24. Juni 1998 - B 3 KR 11/97 R (BSG SozR 3-5425 § 25 Nr 11) - zur Tätigkeit der Gemäldefotografie für ein
Kunstdia-Archiv definiert worden ist, übersieht, dass die Berufsgattung der Werbefotografie vom Gesetzgeber
pauschal dem Bereich der bildenden Kunst iS des § 2 KSVG zugeordnet worden ist. Sie berücksichtigt nicht, dass die
Berufsgattung der Werbefotografie neben die Berufsgattung der (zweckfreien) künstlerischen Fotografie zu stellen ist
und aus der Verneinung dieser noch nicht folgt, dass es sich um eine handwerkliche Ausübung handelt. Die
Werbefotografie kann je nach der Art des Auftrags und des geforderten Ergebnisses zwar einen eigenschöpferischen
künstlerischen Ausdruck haben, der derjenigen der künstlerischen Fotografie im engeren Sinne nahe kommt; der
Gestaltungsspielraum kann aber auch stark eingeschränkt sein, ohne dass die Einordnung als "bildende Kunst" iS
des § 2 KSVG in Frage zu stellen ist. Allein der bei der Erstellung der Fotografie bestimmte Zweck, der Werbung zu
dienen, bewirkt, dass der Fotograf sich nicht auf eine bloße naturgetreue Ablichtung eines Bildobjekts beschränken
darf, sondern bemüht sein muss, dieses Objekt nach den Vorstellungen seines Auftraggebers möglichst vorteilhaft ins
Bild zu setzen. Wenn dem Auftraggeber eine Anzahl von Aufnahmen desselben Motivs zur Auswahl überlassen wird,
besagt dies nur, dass der Auftraggeber das Bild auswählen kann, das aus seiner Sicht sein Angebot für den Kunden
am vorteilhaftesten präsentiert, nicht aber, dass es darum ginge, die handwerklich gelungenste Aufnahme
herauszusuchen. Letzteres könnte ohne Weiteres dem Fotografen selbst als Fachmann überlassen werden. Die
Vielzahl der Aufnahmen eines Motivs bestätigt somit, dass es viele Möglichkeiten gibt, ein Objekt handwerklich
einwandfrei abzulichten, und dass es einer geschmacklich-ästhetischen Entscheidung bedarf, welches die beste Form
der Ablichtung ist. Diese Entscheidung muss zunächst vom Fotografen getroffen werden, was nicht ausschließt, dass
er seinem Auftraggeber mehrere Varianten zur Auswahl überlässt. Darin liegt der Unterschied zur bloßen Ablichtung
von Gemälden, die sich in einer möglichst originalgetreuen Wiedergabe, also der Erfüllung einer handwerklich-
technischen Vorgabe, erschöpft.
Die Ausbildung eines Werbefotografen als Fotografenhandwerker steht der Einstufung als "bildender Künstler" iS des
§ 2 KSVG ebenfalls nicht entgegen, weil er als Werbefotograf das rein handwerkliche Berufsfeld verlässt.
Werbefotografen sind damit Pressefotografen vergleichbar, die ebenfalls unabhängig von ihrer Ausbildung und der
künstlerischen Qualität ihrer Bilder allein deshalb - als Publizisten - von § 2 KSVG erfasst werden, weil ihre Tätigkeit
einem bestimmten Zweck dient (Pressefotografie, Bildjournalismus, Bildberichterstattung), der vom Berufsfeld des
Fotografenhandwerks nicht umfasst wird (BSGE 78, 118 = SozR 3-5425 § 26 Nr 2). Soweit Layouter im Rahmen der
Katalogherstellung herangezogen werden, gilt Entsprechendes wie für Fotografen. Insbesondere die Tatsache, dass
Layouter den Handwerkerberuf des Schriftsetzers weitgehend ersetzt haben, steht ihrer Einordnung als Künstler nicht
entgegen, wenn sie im Rahmen der Werbung tätig werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in seiner hier noch anwendbaren, bis zum 1.
Januar 2002 gültigen alten Fassung (vgl § 197a SGG iVm Art 17 Abs 1 Satz 2 6. SGG-ÄndG vom 17. August 2001,
BGBl I 2144).