Urteil des BSG vom 16.05.2018

Behandlung in Hochschulambulanz - Verbindlichkeit eines Vertrags zwischen Hochschulklinik und den Verbänden der Krankenkassen in ihrem Sitzland

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 16.5.2018, B 6 KA 45/16
R
ECLI:DE:BSG:2018:160518UB6KA4516R0
Behandlung in Hochschulambulanz - Verbindlichkeit eines
Vertrags zwischen Hochschulklinik und den Verbänden der
Krankenkassen in ihrem Sitzland
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom
26. Oktober 2016, berichtigt durch Beschluss vom 20. Dezember
2016, und das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 29.
August 2012 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 127 103,60 Euro nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz aus weiteren 5273,84 Euro seit 12. Januar 2009,
aus weiteren 4896,32 Euro seit 14. April 2009,
aus weiteren 3858,40 Euro seit 16. Juli 2009,
aus weiteren 75 904,40 Euro seit 25. August 2009,
aus weiteren 3994,64 Euro seit 12. Oktober 2009,
aus weiteren 3910,40 Euro seit 15. Januar 2010,
aus weiteren 3598,40 Euro seit 16. April 2010,
aus weiteren 3796 Euro seit 16. Juli 2010,
aus weiteren 3671,20 Euro seit 18. Oktober 2010,
aus weiteren 3515,20 Euro seit 17. Januar 2011,
aus weiteren 3016 Euro seit 16. April 2011,
aus weiteren 2756 Euro seit 16. Juli 2011,
aus weiteren 2641,60 Euro seit 17. Oktober 2011,
aus weiteren 3140,80 Euro seit 16. Januar 2012 und aus
weiteren 3130,40 Euro seit 16. April 2012 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen trägt der
Kläger 3/7 und die Beklagte 4/7.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Laborleistungen in
Höhe von ca 226 000 Euro nebst Zinsen, die das klagende
Universitätsklinikum auf Überweisung überwiegend von Belegärzten
gegenüber Neugeborenen von Versicherten der beklagten AOK in
den Jahren 2005 bis 2011 erbracht hat.
2 Das sog erweiterte Neugeborenenscreening nach §§ 13 ff der
Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die
Früherkennung von Krankheiten bei Kindern bis zur Vollendung des
6. Lebensjahres (Kinder-Richtlinien) beinhaltet ua eine
labormedizinische Untersuchung auf bestimmte Stoffwechsel- und
Hormonerkrankungen bei Neugeborenen (§ 17 der Kinder-Richtlinie)
. Dieses besondere Screening darf nur in Einrichtungen
durchgeführt werden, die den Qualifikationsanforderungen der
Kinder-Richtlinie genügen. Von den zwölf Screeninglaboren, in
denen ab 2005 zunächst die Laborleistungen durchgeführt werden
konnten, befindet sich keines in Rheinland-Pfalz, in dem die
beklagte Krankenkasse (KK) ihren Sitz hat. Der für die
Krankenhausplanung zuständige Ausschuss dieses Landes hatte
im Jahr 2002 den Krankenhäusern und Ärzten empfohlen, die
Laboruntersuchungen im Rahmen des Neugeborenenscreenings
bei dem Kläger durchführen zu lassen, der ein anerkanntes
Screeninglabor ist und auf der Grundlage des § 117 Abs 1 SGB V
kraft Gesetzes an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt.
3
Wenn Kinder in hauptamtlich geleiteten Krankenhäusern zur Welt
kommen, veranlassen diese die Durchführung des
Neugeborenenscreenings bei dem Kläger. Der Kläger rechnet in
solchen Fällen direkt mit diesen Kliniken das Screening ab; für die
Kliniken gehören die insoweit anfallenden Kosten zu den
allgemeinen Krankenhausleistungen. Soweit die Kinder dagegen
nicht in hauptamtlich geführten Krankenhausabteilungen für
Gynäkologie und Geburtshilfe, sondern ambulant oder in
Belegabteilungen zur Welt gekommen sind, überweisen die für die
Leitung der Geburt verantwortlichen Personen - insbesondere die
Belegärzte, in einzelnen Fällen auch Hebammen - entsprechende
Leistungen an den Kläger. Streitgegenstand ist hier allein die
Vergütung der aufgrund einer vertragsärztlichen Überweisung
erbrachten Laborleistungen im Rahmen des
Neugeborenenscreenings in dem Labor des Klägers.
4 Hinsichtlich der Vergütung dieser Leistungen im Rahmen des
Neugeborenenscreenings bestehen keine vertraglichen
Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der beklagten AOK,
sondern lediglich solche zwischen den für den Sitz des Klägers in
Baden-Württemberg zuständigen Landesverbänden der KKn und
dem Kläger. Diese sehen - nach Jahren differenzierend -
unterschiedliche Regelungen über die Finanzierung der
Screeninglaborleistungen vor, ua für 2005 eine allgemeine
Behandlungspauschale je Kalendervierteljahr in Höhe von 68,62
Euro und für die Folgejahre eine Vergütung auf der Grundlage der
Nr 01708 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche
Leistungen (EBM-Ä) in Höhe von 11,44 Euro bzw 10,40 Euro.
5
Da nach § 120 Abs 2 S 1 SGB V in der ab 2003 geltenden Fassung
die Leistungen der Hochschulambulanzen unmittelbar von der KK
vergütet werden, stellte der Kläger - beginnend ab dem Jahre 2005 -
die auf Überweisung von Belegärzten, anderen Vertragsärzten und
in einzelnen Fällen von Hebammen erbrachten labormedizinischen
Leistungen im Rahmen des Neugeborenenscreenings der
Beklagten in Rechnung, soweit die Neugeborenen oder ihre Mütter
dort versichert waren. Die Beklagte beglich die ihr eingereichten
Rechnungen nicht. Sie machte geltend, es handele sich um
Leistungen, die das Belegkrankenhaus als Krankenhausleistung zu
erbringen habe und die entsprechend vom Kläger gegenüber
diesem Krankenhaus geltend zu machen seien. Die Fallpauschale
für die Entbindung habe sie - die Beklagte - bereits dem
Krankenhaus gezahlt, in dessen Belegabteilung das betreffende
Kind zur Welt gekommen sei. Diese Fallpauschale decke auch die
Kosten des Neugeborenenscreenings ab. Die Belegärzte seien
nicht berechtigt, diese als allgemeine Krankenhausleistung zu
qualifizierenden Laboruntersuchungen mittels vertragsärztlichen
Überweisungsscheins an den Kläger zu überweisen. Im Übrigen sei
insbesondere die für das Jahr 2005 geltend gemachte Forderung
überhöht; den Krankenhäusern sei diese Leistung zu einem Preis
angeboten worden, der weniger als ein Zehntel der ihr berechneten
Pauschale von ca 69 Euro pro Fall ausmache.
6
Mit der zum SG Mannheim erhobenen Klage hat der Kläger für jede
Screeningleistung im Jahre 2005 den gesamtvertraglich mit den
baden-württembergischen KKn-Verbänden vereinbarten Betrag von
68,62 Euro und ab 2006 die für die Laborleistungen des
Neugeborenenscreenings neu geschaffene und vereinbarte
Behandlungspauschale in Höhe von (zunächst) 11,44 Euro in
Rechnung gestellt und zusätzlich zu dieser Hauptforderung jeweils
Zinsen ab Fälligkeit gefordert. Das SG Mannheim hat - in der
Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der
Versicherten und der Arbeitgeber nach § 10 Abs 1, § 12 Abs 2 SGG
- die Klage abgewiesen. Es hat zunächst ein ärztliches Gutachten
zu der Frage eingeholt, ob das durch Belegärzte, Hebammen
und/oder niedergelassene Ärzte über einen Überweisungsschein
veranlasste Neugeborenenscreening unter die über DRG-
Fallpauschalen zu vergütenden voll- oder teilstationären Leistungen
der Entbindungskliniken fällt. Es hat sich der Auffassung des
Gutachters angeschlossen, dass es sich insoweit nicht um
allgemeine Krankenhausleistungen, sondern um Leistungen der
Belegärzte auf der Grundlage des § 18 Abs 1 S 2 Nr 4
Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) handele. Das habe zur
Folge, dass die Belegärzte diese Leistungen an Labore überweisen
dürften und grundsätzlich § 120 Abs 2 SGB V für die Vergütung
dieser Laborleistungen anwendbar sei; die KKn müssten die
entsprechenden Leistungen zusätzlich zu der Fallpauschale für die
eigentliche Entbindungsleistung vergüten. Der Anspruch des
Klägers scheitere jedoch daran, dass keine Vereinbarung nach §
120 Abs 2 S 2 SGB V in der zwischen 2005 und 2011 geltenden
Fassung abgeschlossen worden sei. Ohne Abschluss einer solchen
Vereinbarung zwischen dem Kläger und der beklagten KK aus
Rheinland-Pfalz sei eine Honorierung der Leistungen des Klägers
nicht möglich. Der Kläger hätte - statt die Beklagte unmittelbar auf
Zahlung in Anspruch zu nehmen - das Schiedsverfahren nach § 120
Abs 4 S 1 SGB V einleiten und die Schiedsstelle nach § 18a Abs 1
Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) anrufen müssen.
7 Im Berufungsverfahren hat der Kläger die Klage auf weitere
Leistungen aus der Zeit bis Ende 2011 - letzte Rechnung vom
16.4.2012 - erweitert. Das LSG hat - in der Besetzung nach § 10 Abs
2 SGG (Vertragsarztrecht) - seine Berufung zurückgewiesen und die
im Wege einer Klageerweiterung erhobenen Klagen abgewiesen. Es
hat diese Entscheidung allein darauf gestützt, dass zwischen den
Beteiligten keine vertragliche Vereinbarung bestehe.
8
Die Auffassung des Klägers, der zwischen ihm und den Verbänden
der KKn in Baden-Württemberg für die einzelnen streitbefangenen
Jahre geschlossene Vertrag binde auch die Beklagte, treffe nicht zu.
Anders als in verschiedenen anderen Regelungen des SGB V sei in
§ 120 Abs 2 gerade nicht bestimmt, dass die Vereinbarungen, die für
das Bundesland geschlossen werden, in denen das
Universitätsklinikum seinen Sitz hat, auch für alle anderen KKn und
deren Versicherten gelten. Aus dem Fehlen einer ausdrücklichen
Geltungsanordnung über das jeweilige Land der
vertragsschließenden Kassenverbände hinaus könne nur
geschlossen werden, dass im Anwendungsbereich des § 120 Abs 2
SGB V die Geltung von Verträgen über den Bereich des jeweiligen
Landes hinaus nicht gewollt sei. Deshalb habe für den Kläger nur
die Möglichkeit bestanden, die Schiedsstelle nach § 18a KHG
anzurufen mit dem Begehren, auch zulasten der beklagten KK
außerhalb seines Bundeslandes eine Vergütungsvereinbarung
festzusetzen. Da der Kläger diesen Weg nicht gegangen sei, sei die
Klage - entgegen der Auffassung des SG - zwar zulässig, aber
unbegründet (Urteil vom 26.10.2016).
9 Mit seiner Revision rügt der Kläger in erster Linie eine Verletzung
des § 120 Abs 2 S 2 SGB V. Nach seiner Auffassung gelten die
Vergütungsverträge, die auf dieser Grundlage geschlossen sind,
auch für KKn aus anderen Bundesländern mit der Folge, dass diese
die einzelnen Leistungen nach den Vergütungssätzen honorieren
müssen, die die Vertragspartner nach § 120 Abs 2 S 2 SGB V für
das Sitzland des Klinikums vereinbart haben. Dass eine Erstreckung
der im Sitzland des Universitätsklinikums geschlossenen
Vergütungsvereinbarungen auf alle anderen KKn der jeweiligen
Kassenart zumindest im streitbefangenen Zeitraum nicht
ausdrücklich gesetzlich normiert gewesen sei, ändere daran nichts.
Entgegen der Auffassung des LSG könne aus dem Umstand, dass
in § 83 SGB V für die Gesamtverträge und in § 109 Abs 1 S 3 SGB V
für die vertragliche Zulassung von Krankenhäusern ausdrücklich
eine Erstreckung auf alle KKn im Bundesgebiet bzw alle KKn der
jeweiligen Kassenart erfolgt sei, nicht abgeleitet werden, dass dies
im Anwendungsbereich des § 120 SGB V anders sein sollte.
10
Die Neufassung des § 120 Abs 2 SGB V durch das
Fallpauschalengesetz zum 1.1.2003 habe ua zur Folge gehabt,
dass die Leistungen der Hochschulambulanzen nicht mehr aus der
vertragsärztlichen Gesamtvergütung, sondern unmittelbar von den
KKn vergütet werden müssen. Damit habe der Gesetzgeber
einerseits eine Entlastung der vertragsärztlichen Gesamtvergütung
erreichen und andererseits die Vergütung der universitären
Hochschulambulanzen generell von speziellen Regelungen über die
vertragsärztliche Honorarverteilung abkoppeln wollen. Eine
grundlegende Änderung der Vertragsbeziehungen dahin, dass ab
dem 1.1.2003 jede KK im Bundesgebiet mit jeder
Hochschulambulanz einen eigenen Vertrag schließen müsse, damit
deren Versicherte dort behandelt werden können, sei zu keinem
Zeitpunkt im Rahmen der Gesetzesberatungen erwogen worden.
Insoweit habe die Ergänzung des § 120 Abs 2 S 2 SGB V durch das
Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung
(HHVG vom 4.4.2017, BGBl I 778) nur klarstellende Bedeutung.
Darin sei bestimmt, dass die Höhe der Vergütung für die Leistungen
der jeweiligen Hochschulambulanzen auch für alle anderen KKn im
Bundesgebiet gelte, wenn deren Versicherte in einer
Hochschulambulanz behandelt werden. Diese Klarstellung habe der
Gesetzgeber auf Anregung des Bundesrates vorgenommen, in die
auch die Erfahrungen aus dem hier zu entscheidenden
Streitverfahren eingeflossen seien.
11
Die Auffassung des Berufungsgerichts sei insgesamt unzutreffend,
wie sich auch schon daraus ergebe, dass er - der Kläger - eine
Möglichkeit haben müsse, die gegenüber Versicherten der
Beklagten erbrachten Leistungen vergütet zu erhalten. Das
Berufungsgericht verweise ihn insoweit auf den Abschluss von
Vereinbarungen mit allen KKn im Bundesgebiet und weiterhin
darauf, bei Verweigerung des Vertragsschlusses die Schiedsstelle
nach § 18a KHG auf der Grundlage des § 120 Abs 4 SGB V
anzurufen. Eine solche Möglichkeit gebe es jedoch in Wirklichkeit
nicht. Die Schiedsstelle Baden-Württemberg könne nicht angerufen
werden, weil zwischen den daran Beteiligten kein vertragsloser
Zustand bestehe. Die Schiedsstelle in Rheinland-Pfalz könne keine
Vereinbarung zulasten der Krankenhäuser aus Baden-Württemberg
treffen, weil Träger der Schiedsstelle ua die
Landeskrankenhausgesellschaft für Rheinland-Pfalz sei.
12
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 26.10.2016, berichtigt
durch Beschluss vom 20.12.2016, und des SG Mannheim vom
29.8.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
175 409,02 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 25.8.2009,
weitere 10 170,16 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von acht
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 5273,84
Euro vom 12.1.2009 bis 12.4.2009 und aus 10 170,16 Euro seit
13.4.2009,
weitere 15 563,60 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von acht
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3358,40
Euro vom 16.7.2009 bis 24.8.2009, 3904,16 Euro vom 25.8.2009 bis
11.10.2009, 7898,80 Euro vom 12.10.2009 bis 14.1.2010, 11 809,20
Euro vom 15.1.2010 bis 15.4.2010, 15 407,60 Euro vom 16.4.2010
bis 15.7.2010, 15 553,20 Euro vom 16.7.2010 bis 15.10.2010 und
aus 15 563,60 Euro seit 16.10.2010,
weitere 13 842,40 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von acht
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3650,40
Euro vom 16.7.2010 bis 15.10.2010, 7311,20 Euro vom 16.10.2010
bis 15.1.2011, 10 826,40 Euro vom 16.1.2011 bis 15.4.2011 und
aus 13 842,40 Euro seit 16.4.2011
und weitere 11 668,80 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von acht
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2756 Euro
vom 16.7.2011 bis 15.10.2011, 5397,60 Euro vom 16.10.2011 bis
15.1.2012, 8538,40 Euro vom 16.1.2012 bis 15.4.2012 und aus 11
668,80 Euro seit 16.4.2012 an den Kläger zu zahlen.
13
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
14
Sie hält daran fest, dass Laborleistungen des
Neugeborenenscreenings allgemeine Krankenhausleistungen iS
des § 2 Abs 2 Nr 1 KHEntgG seien und deshalb mit der von ihr für
die Durchführung der Geburt des jeweiligen Kindes entrichteten
Fallpauschale abgegolten seien. Soweit Belegärzte die
entsprechenden Leistungen erbrächten, gehöre auch das
Neugeborenenscreening selbst zu den belegärztlichen Leistungen.
Lediglich zur Bestimmung der Blutwerte bedürfe es des Einsatzes
des Krankenhauslabores während der stationären Behandlung.
Wenn das Krankenhauslabor der jeweiligen Belegklinik diese
Leistungen nicht vorhalten könne, müsse es sich die
Laborleistungen bei einer geeigneten Stelle beschaffen. Dafür sei
mit der Stelle, die die Untersuchung durchführen könne, eine
Vergütungsvereinbarung zu treffen. Eine Doppelbezahlung der
Laborleistungen durch sie - die Beklagte - scheide aus; sie habe die
Leistungen mittelbar durch die Entrichtung der Fallpauschale an das
jeweilige Krankenhaus, in dessen Räumlichkeiten das Kind geboren
sei, erfüllt. Im Übrigen entfalte der zwischen der AOK Baden-
Württemberg und dem Kläger geschlossene Vertrag keine
Bindungswirkung ihr gegenüber. Die Neufassung des § 120 Abs 2 S
2 SGB V durch das HHVG, die erkennbar auf das vorliegende
Verfahren zurückgehe, gelte nicht rückwirkend. Deshalb könne aus
dem Umstand, dass ab April 2017 klar sei, dass der
Vergütungsvertrag nach § 120 Abs 2 S 2 SGB V, den ua die AOK
Baden-Württemberg mit dem Kläger vereinbart habe, auch für sie -
die Beklagte - verbindlich sei, nicht geschlossen werde, dass dies
für die Zeit von 2005 bis 2011 entsprechend gelte. Schließlich sei
der für das Jahr 2005 geforderte Betrag von 68,62 Euro pro
Laborleistung offenkundig überhöht. Die Forderung des Klägers für
Leistungen aus 2008 sei überwiegend verjährt und Zinsen in Höhe
von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz stünden dem
Kläger nicht zu.
Entscheidungsgründe
15
Der Senat entscheidet - wie das LSG - über die Revision in einer
Angelegenheit des Vertragsarztrechts iS des § 10 Abs 2 SGG in der
Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der
Vertragsärzte und der KKn (§ 12 Abs 3 S 1 SGG). Die Zuordnung
von Streitigkeiten über Vergütungen nach § 120 SGB V zu den
Angelegenheiten des § 10 Abs 2 SGG ergibt sich unmittelbar aus §
10 Abs 2 S 2 Nr 3 SGG.
16
Die Revision des Klägers hat überwiegend Erfolg. Der Kläger hat
gegen die Beklagte Anspruch auf Vergütung der auf Überweisung
(überwiegend) von Belegärzten erbrachten Laborleistungen. Diese
sind keine allgemeine Krankenhausleistungen (1.). Die zwischen
dem Kläger und den Verbänden der KKn in Baden-Württemberg auf
der Grundlage des § 120 Abs 2 SGB V geschlossenen
Vereinbarungen gelten grundsätzlich auch gegenüber der Beklagten
(2.). Die Zahlungsansprüche des Klägers sind auch für das Jahr
2008 nicht verjährt (3.). Für die im Jahre 2005 erbrachten Leistungen
steht dem Kläger nicht die allgemeine Pauschale von 68,62 Euro,
sondern nur eine Vergütung in Höhe von 11,44 Euro je Fall zu (4.).
Zinsen hat die Beklagte in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz zu zahlen (5.).
17
1. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass die Beklagte die
Laborleistungen, die er gegenüber deren Versicherten auf
Überweisung erbracht hat, auf der Grundlage des § 120 Abs 2 S 1
SGB V in der ab 2003 geltenden Fassung vergütet. Nach dieser
Vorschrift werden die Leistungen ua der Hochschulambulanzen
unmittelbar von der KK vergütet. Die Auffassung der Beklagten, es
handele sich bei den Laborleistungen des
Neugeborenenscreenings um allgemeine Krankenhausleistungen,
die mit der Fallpauschale für die Entbindung abgegolten seien, trifft
nicht zu.
18
Wenn Kinder nicht in hauptamtlich geführten geburtshilflichen
Krankenhausabteilungen, sondern in Belegkrankenhäusern,
ambulant oder zB in Geburtshäusern zur Welt kommen, erfolgt die
Vergütung der in Zusammenhang mit der Geburt anfallenden
Leistungen differenziert. Die Leistung der Geburt obliegt dann in der
Regel einem Belegarzt iS des § 121 Abs 2 SGB V, dessen
Leistungen nach § 121 Abs 3 SGB V von der KÄV aus der
Gesamtvergütung honoriert werden
(näher BSG SozR 4-2500 § 121 Nr 1 RdNr 12 ff). Das
Neugeborenenscreening gehört wie die ärztliche Behandlung des
neugeborenen Kindes im Rahmen der Erstversorgung zu den
belegärztlichen Leistungen, die nicht das Krankenhaus selbst,
sondern der Belegarzt erbringt. Das ergibt sich aktuell ausdrücklich
aus § 19 Kinder-Richtlinie, wonach der Leistungserbringer, der die
Geburt des Kindes verantwortlich geleitet hat, auch für das
Neugeborenenscreening verantwortlich ist. Dasselbe ergibt sich aus
§ 18 Abs 1 S 2 Nr 4 KHEntgG. Danach gehören zu den Leistungen
des Belegarztes auch die von ihm veranlassten Leistungen von
Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des
Krankenhauses. Der Kläger ist eine solche ärztlich geleitete
Einrichtung. Wenn der Belegarzt bestimmte Leistungen im Rahmen
seiner belegärztlichen Behandlung nicht erbringen kann, hat er auf
der Grundlage des § 41 Abs 6 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä)
eine Überweisung an einen anderen Arzt oder an eine ärztlich
geleitete Einrichtung auszustellen, die die entsprechende Leistung
erbringen kann. Der Arzt oder die ärztlich geleitete Einrichtung, die
die Leistung auf Überweisung hin erbracht hat, rechnet sie als
eigene Leistung ab. Ob diese auf Überweisung erbrachte
Laborleistung gegenüber der KÄV abzurechnen und aus der
Gesamtvergütung zu honorieren oder unmittelbar von der KK zu
vergüten ist, hängt davon ab, wer die Leistung erbringt. Handelt es
sich dabei - wie hier - um eine nach § 117 Abs 1 SGB V kraft
Gesetzes ermächtigte Hochschulambulanz, greift § 120 Abs 2 S 1
SGB V mit der Folge einer unmittelbaren Verpflichtung der KK ein.
Diese Norm enthält keine Ausnahme für den Fall, dass eine
Hochschulambulanz auf Überweisung eines Belegarztes tätig wird,
dessen selbst erbrachte Leistungen nach § 121 Abs 3 S 1 SGB V
von der KÄV zu vergüten sind.
19
Der Senat hat mit Urteil vom 10.12.2003
(B 6 KA 43/02 R - SozR 4-2500 § 121 Nr 1) die maßgeblichen
Grundsätze für die Abgrenzung von Leistungen gynäkologischer
Belegärzte und Krankenhausleistungen entwickelt. Diese
Grundsätze gelten ungeachtet der grundlegenden Änderungen der
Finanzierung von Krankenhausleistungen auch nach Inkrafttreten
des Fallpauschalengesetzes vom 23.4.2002 (BGBl I 1412) weiter.
Danach obliegt die Erstversorgung des neugeborenen Kindes auch
im Kreißsaal einschließlich evtl notwendig werdender
Reanimationsleistungen dem Belegarzt. Sie ist insoweit eine
belegärztliche Leistung und gehört deshalb, auch soweit sie
gegenüber dem Neugeborenen und nicht gegenüber der Mutter als
der eigentlichen Patientin des Belegarztes erbracht wird, nicht zu
den vom Belegkrankenhaus geschuldeten allgemeinen
Krankenhausleistungen. Das gilt dann auch für notwendige
zusätzliche Leistungen, die der Belegarzt nicht selbst erbringen
kann, jedenfalls soweit sie das Belegkrankenhaus ebenfalls nicht
anbietet (§ 41 Abs 6 BMV-Ä). Das ist bei den Laborleistungen im
Rahmen des Neugeborenenscreenings der Fall, weil diese nur in
einer entsprechend qualifizierten Einrichtung durchgeführt werden
dürfen (§§ 23, 25 Kinder-Richtlinie).
20
2. Der dem Grunde nach aus § 120 Abs 2 S 1 SGB V folgende
Vergütungsanspruch des Klägers bedarf der Konkretisierung durch
einen Vertrag. Das ergibt sich aus § 120 Abs 2 S 2 SGB V und ist im
Übrigen selbstverständlich, weil sich ohne ergänzende
Vereinbarungen aus Satz 1 der Vorschrift kein bezifferbarer
Anspruch ableiten lässt. Die notwendige vertragliche Vereinbarung
enthält hier die Verträge, die der Kläger mit den Verbänden der KKn
in seinem Sitzland Baden-Württemberg geschlossen hat. Diese
gelten grundsätzlich auch für die Beklagte. Das entspricht der seit
dem Inkrafttreten der Änderung des § 120 Abs 2 SGB V durch das
HHVG ab dem 11.4.2017 geltenden Rechtslage (a), hat aber auch
schon zuvor so gegolten (b).
21
a. Durch Art 1 Nr 6b Buchst a DBuchst aa HHVG ist S 2 des § 120
Abs 2 SGB V um die Wendung ergänzt worden "die Höhe der
Vergütung für die Leistungen der jeweiligen Hochschulambulanz gilt
auch für andere Krankenkassen im Inland, wenn deren Versicherte
durch die Hochschulambulanz behandelt werden". Die im Zuge der
Ausschussberatungen des HHVG eingeführte Regelung geht auf
eine Initiative des Bundesrates zurück. Eine vom Wortlaut her
abweichende, aber auf ein vergleichbares Ergebnis zielende
Fassung ist vom Bundesrat vorgeschlagen worden. In der Drucks
681/1/16 (S 7) ist dazu ausgeführt: "Es handelt sich um eine
Klarstellung, dass die einzelnen
Hochschulambulanzvereinbarungen bundesweit Geltung haben,
also innerhalb einer Kassenart auch für Regionalkassen aus
anderen Ländern gelten, wenn deren Patienten in den
entsprechenden Universitätsklinika behandelt werden. Derzeit sind
Sozialgerichtsverfahren anhängig, weil einzelne Regionalkassen in
Frage stellen, dass die Hochschulambulanzvereinbarung über das
jeweilige Land hinaus für die Kassen der gleichen Kassenart gelten.
Im erstinstanzlichen Urteil ist die Rechtsprechung der Argumentation
der Kassen gefolgt. Würde sich die Auffassung der Kassen auch
letztinstanzlich durchsetzen, hätte dies erhebliche
Rechtsunsicherheit für die Universitätsklinika zur Folge. Deshalb ist
diese Klarstellung notwendig".
22
Die vom Bundestag beschlossene Änderung des Gesetzes weicht
allerdings von dem ursprünglichen Vorschlag des Bundesrates ab. §
120 Abs 2 S 2 SGB V sieht nunmehr keine auf die einzelnen
Kassenarten beschränkte Regelung vor, sondern bestimmt, dass
die von den Landesverbänden der KKn und Ersatzkassen
gemeinsam und einheitlich mit den Hochschulen oder
Hochschulkliniken vereinbarte Vergütung für die Leistungen der
einzelnen Hochschulambulanz auch für alle übrigen gesetzlichen
KKn im Inland gilt, wenn deren Versicherte in der entsprechenden
Hochschulambulanz behandelt werden
(BT-Drucks 18/11205 S 65 zu Art 1 Nr 6b).
23
b. Die Einbeziehung aller KKn in die auf der Grundlage des § 120
Abs 2 S 2 SGB V getroffenen Vereinbarungen galt auch in dem hier
maßgeblichen Zeitraum (2005 - 2011). Das ergibt sich nicht allein
daraus, dass der Bundestag dem Wunsch des Bundesrates
entsprochen hat, die Rechtslage im Sinne einer Erstreckung der
regionalen Vereinbarungen auf alle KKn im Bundesgebiet
klarzustellen, sondern vor allem aus Wortlaut und Systematik der
Norm in ihrer bis zum 10.4.2017 geltenden Fassung. Die
Vergütungsverträge haben die Landesverbände der KKn und der
Ersatzkassen "gemeinsam und einheitlich mit den Hochschulen
oder Hochschulkliniken, den Krankenhäusern oder den sie
vertretenden Vereinigungen im Land" zu vereinbaren. Da
Hochschulambulanzen typischerweise Versicherte nicht nur der
bundesweit tätigen Ersatzkassen, sondern auch "landesfremder"
Regionalkassen behandeln, kann aus dem Umstand, dass
ausschließlich die regionalen Kassenverbände zum Vertragsschluss
verpflichtet sind, geschlossen werden, dass die von ihnen
getroffenen Vereinbarungen für die Versicherten aller KKn in
Deutschland gelten sollen. Klar ist jedenfalls, dass der Gesetzgeber
auch der früheren Fassung des § 120 Abs 2 SGB V Vereinbarungen
nur auf "Landesebene" vorgesehen hat, und mit "Land" kann nach
der Systematik der Vorschrift nur das Bundesland gemeint sein, in
dem das jeweilige Universitätsklinikum bzw die sozialpädiatrische
Ambulanz ihren Sitz hat. Der Bezug auf den Rechtsbegriff "Land" ist
bisher vom BSG stets so verstanden worden, dass das Bundesland
gemeint ist, in dem die jeweilige Einrichtung ihren Sitz hat. So hat der
3. Senat des BSG in einem Urteil vom 21.8.1996
(3 RK 2/96 - SozR 3-2500 § 39 Nr 4 S 17 f) zu § 112 SGB V aF
entschieden, dass ein Vertrag, den ein Krankenhaus mit dem AOK-
Landesverband seines Sitzlandes geschlossen hat, auch für
Versicherte einer anderen AOK gilt und die Höhe der
Krankenhausvergütung verbindlich festlegt. Auch in § 112 SGB V aF
war lediglich bestimmt, dass die Landesverbände der KKn und die
war lediglich bestimmt, dass die Landesverbände der KKn und die
Verbände der Ersatzkassen gemeinsam mit der
Landeskrankenhausgesellschaft oder den Vereinigungen der
Krankenhausträger "im Land" Verträge schließen, um
sicherzustellen, dass Art und Umfang der Krankenhausbehandlung
den Anforderungen dieses Gesetzbuchs entsprechen. Auch das
vom Kläger angeführte Urteil des 3. Senats des BSG vom 17.1.1996
(3 RK 26/94 - BSGE 77, 194 = SozR 3-2500 § 129 Nr 1) zur
Vergütungspflicht der KK für Arzneimittel weist in diese Richtung.
Das BSG hat entschieden, dass mit der Übergabe eines von einem
Vertragsarzt ausgestellten Kassenrezeptes durch den Versicherten
an den Apotheker die KK des Versicherten auch dann zur Zahlung
verpflichtet wird, wenn diese KK dem Landesverband nicht
angehört, der den für die Apotheke maßgeblichen Landesvertrag
abgeschlossen hat.
24
Das LSG Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 27.11.2013 - L 11
KA 71/13 KL - im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen die
Entscheidung der Schiedsstelle nach § 120 Abs 4 SGB V
ausgeführt, dass die Vertragspartner im Bereich Westfalen-Lippe -
umstritten war die Vergütung einer sozialpädiatrischen Ambulanz in
B. nicht nur auf den Landesteil Westfalen-Lippe beschränkt sind und
der Geltungsbereich einer Vergütungsregelung nach § 120 Abs 2
SGB V auch die KKn aus anderen Bundesländern insoweit umfasst,
als sie an die Vereinbarung gebunden sind. Das Urteil ist
Gegenstand des Senatsurteils im Verfahren B 6 KA 20/14 R
(BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4) geworden, doch hatte
der Senat keinen Anlass, sich zu dieser Passage des
Berufungsurteils zu äußern.
25
Die Reichweite der Verträge nach § 120 Abs 2 S 2 SGB V kann für
die Leistungen der Hochschulambulanzen (§ 117 SGB V) und der
sozialpädiatrischen Zentren nur einheitlich bestimmt werden.
Deshalb hat die Überlegung, wie Leistungen dieser Zentren zu
honorieren sind, mittelbar Auswirkungen auf die Vergütung von
Überweisungsleistungen einer Hochschulambulanz. Im hier zu
entscheidenden Rechtsstreit hat sich die Beklagte zu Recht
ursprünglich nicht darauf berufen, die Leistungen des Screenings
überhaupt nicht vergüten zu müssen. Sie war bzw ist vielmehr der
Auffassung, die Laborleistung im Rahmen des
Neugeborenenscreenings bereits bezahlt zu haben, nämlich über
die Fallpauschale bzw das DRG gegenüber dem Krankenhaus, in
dem das jeweilige Kind geboren worden ist. Im Kern hat der Prozess
mit einem Streit um eine (mögliche) Doppelfinanzierung von
Laborleistungen begonnen; erst das SG Mannheim und - dem
folgend - das LSG Baden-Württemberg haben den Streit über § 120
Abs 2 S 2 SGB V unter dem Aspekt entschieden, dass insoweit gar
keine vertraglichen Beziehungen zwischen dem Kläger und der
Beklagten bestehen. Ein vergleichbarer Streit kann im Rahmen der
Vergütung sozialpädiatrischer Ambulanzen von vornherein nicht
aufkommen, denn das Problem möglicher Doppelfinanzierungen
stellt sich in diesem Kontext nicht. Hätte die beklagte AOK bei -
unterstellt - der Behandlung eines bei ihr versicherten Kindes in
einer sozialpädiatrischen Ambulanz außerhalb von Rheinland-Pfalz
auch den Standpunkt vertreten, mit dem Träger dieser Ambulanz
habe sie keinen Vertrag, wäre das tatsächlich auf die Position
hinausgelaufen, dass sie die entsprechende Leistung überhaupt
nicht bezahlen muss, obwohl sich aus § 120 Abs 2 S 1 SGB V -
jedenfalls dem Grunde nach - eine Zahlungspflicht der jeweiligen KK
ergibt. Dass der Gesetzgeber ein solches Ergebnis gewollt hat, kann
ausgeschlossen werden.
26
Die Alternative zu der vom Senat für richtig gehaltenen Auslegung
des § 120 Abs 2 S 2 SGB V aF im Sinne einer Verpflichtung aller
KKn im Bundesgebiet durch die regionalen Vereinbarungen könnte
nur darin bestehen, dass jede in § 120 Abs 2 S 1 SGB V genannte
Einrichtung zumindest mit allen KKn-Verbänden im Bundesgebiet
Verträge schließt. Das hält selbst die Beklagte für unrealistisch und
stünde im Übrigen diametral dem Regelungskonzept gegenüber, für
das sich der Gesetzgeber des HHVG bei der Neufassung des § 120
Abs 2 SGB V entschieden hat. Auch wenn diese Neufassung,
worauf die Beklagte zutreffend hinweist, nicht rückwirkend in Kraft
gesetzt worden ist, gibt sie doch die aktuelle Vorstellung des
Gesetzgebers zur Gestaltung der Vergütungsverhältnisse im
Bereich des § 120 Abs 2 SGB V wieder. Das spricht entscheidend
dagegen, rückwirkend ab Juli 2005 Verträge der Träger der
Hochschulambulanzen mit allen KKn in Deutschland zu fordern,
obwohl der Gesetzgeber für die Zeit ab April 2017 das
Erstreckungsmodell der regionalen Verträge präferiert hat.
27
3. Die Zahlungsforderung des Klägers ist entgegen der Auffassung
der Beklagten auch für das Jahr 2008 nicht verjährt. Nach § 8 Abs 1
des Grundvertrages nach § 120 Abs 2 SGB V vom 14.7.2004
zwischen den Verbänden der KKn in Baden-Württemberg und dem
Kläger hat die KK eine ihr übersandte Rechnung innerhalb von 30
Tagen zu begleichen (S 1). Die Verzugszinsberechnung erfolgt
entsprechend der geltenden Landesregelung nach § 112 Abs 2 Nr 1
SGB V (S 2). Nach § 19 Abs 1 dieser Landesregelung sind
Verzugszinsen "ab Fälligkeit" zu zahlen. Diese Regelung ist so zu
verstehen, dass die Zahlungsforderung des Klägers erst nach
Ablauf von 30 Tagen nach Übersendung der Rechnung fällig wird.
Die Rechnung über die Leistungen aus dem Quartal III/2008 datiert
vom 12.12.2008, die verzugsauslösende Fälligkeit trat daher am
11.1.2009 ein. Das ist nach § 199 Abs 1 BGB der maßgebliche
Zeitpunkt für die Bestimmung des Jahres, nach dessen Schluss die
- hier vierjährige - Verjährungsfrist zu laufen beginnt.
Verjährungsrechtliche Voraussetzung der Entstehung des
Anspruchs iS des § 199 Abs 1 Nr 1 BGB ist dessen Fälligkeit
(Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl 2017, § 199 RdNr 3). Die
Verjährungsfrist hat daher am 1.1.2010 begonnen und am
31.12.2013 geendet. Der Kläger hat diese Frist durch die am
26.6.2013 vorgenommene Klageerweiterung um 5273,84 Euro für
Leistungen aus dem Quartal III/2008 gewahrt.
28
4. Die Zahlungsansprüche des Klägers sind für die Jahre 2006 bis
2011 in der geltend gemachten Höhe begründet. Die Vergütung der
nach Nr 01708 EBM-Ä in der bis zum 31.3.2017 geltenden Fassung
mit 330 Punkten bewerteten Laborleistungen im Rahmen des
Neugeborenenscreenings belief sich für die Jahre 2006 bis 2008 auf
11,44 Euro je Fall und ab 2009 auf 10,40 Euro. Davon ist auch das
LSG ausgegangen und die Beklagte hat das nicht infrage gestellt.
29
Für das Jahr 2005 stehen dem Kläger allerdings nur 11,44 Euro pro
Fall und nicht die geltend gemachten 68,62 Euro zu. Der
letztgenannte Betrag entspricht der früheren sog
Poliklinikpauschale, also dem Betrag, mit dem ohne Rücksicht auf
den tatsächlichen Aufwand jeder Behandlungsfall in einer
Hochschulambulanz vergütet wird. Die Vertragspartner in Baden-
Württemberg haben nach den Feststellungen des LSG bewusst für
das Jahr 2005 diesen Betrag auch für die Laborleistungen im
Rahmen des Neugeborenenscreenings vereinbart, um einen
Finanzierungsbeitrag der KKn zum Aufbau des Labors des Klägers
zu generieren. Dass die - bei isolierter Betrachtung - angemessene
Vergütung dieser Leistungen deutlich niedriger war, folgt schon
daraus, dass die Position 01708 EBM-Ä schon zum 1.7.2005
eingeführt worden war, die - mit 330 Punkten bewertet - bei einem
realistischen Punktwert von 3,4 ct zu einem Preis von 11,30 Euro je
Laboruntersuchung geführt hätte. Wegen der spezifischen
Besonderheiten der im Vertrag zwischen den Verbänden der KKn in
Baden-Württemberg und dem Kläger getroffenen Vereinbarungen
ua zum Ausgleich des Budgets für stationäre Leistungen kann die -
isoliert betrachtet - unangemessen hohe Vergütung pro Fall nicht
zulasten der Beklagten gelten. Nach den Ausführungen des LSG
sollte eine Art Anschubfinanzierung des Labors des Klägers
gefunden und zum Ausgleich dafür das Budget für stationäre
Leistungen, aus dem das Screening in der Vergangenheit bezahlt
worden war, zugunsten der KKn in Baden-Württemberg vermindert
werden. Eine unmittelbare wirtschaftliche Verantwortung der
Beklagten für den Aufbau eines Labors für das
Neugeborenenscreenings beim Kläger besteht nicht, und dem
Vertrag ist nicht zu entnehmen, wie sichergestellt werden könnte,
dass die Vergütungen der Beklagten nicht über den Betrag
hinausgehen, den die Verbände der KKn in Baden-Württemberg in
ihrer Vereinbarung mit dem Kläger offenbar als ausreichend für die
Anschubfinanzierung angesehen haben.
30
Der Auffassung des Klägers, der Vertrag mit den KKn-Verbänden in
Baden-Württemberg müsse gleichwohl auch für das Jahr 2005
unmodifiziert zulasten der Beklagten gelten, folgt der Senat nicht.
Eine Ausstrahlungswirkung des § 120 Abs 2 SGB V auf
bereichsfremde KKn war bis zum 10.4.2017 nicht ausdrücklich
gesetzlich bestimmt; deshalb hatten die Vertragspartner in Baden-
Württemberg von vornherein keinen Anlass, eine Preisregelung zu
treffen, die auch gegenüber KKn passt, für die etwa Regelungen
über einen Budgetausgleich nicht eingreifen können. Das ist seit
dem 11.4.2017 anders und kann künftig bei den Verträgen
berücksichtigt werden. Insbesondere der Umstand, dass die
Vertragspartner in Baden-Württemberg trotz des Inkrafttretens der
EBM-Position 01708 zum 1.7.2005 für das gesamte Jahr 2005 auf
die Pauschale zurückgegriffen haben, die mehr als fünfmal so hoch
ist, zeigt, dass insoweit ein Finanzierungsbeitrag zugunsten des
Klägers gewollt war, zu dem die Beklagte nicht ohne Weiteres
verpflichtet war. Das hat zur Folge, dass jedenfalls die für die baden-
württembergischen KKn im Vertrag vereinbarte Vergütungshöhe für
2005 die Beklagte nicht bindet. Deshalb muss zur Preisfestsetzung
auf § 315 Abs 3, § 316 BGB iVm § 69 Abs 1 S 3 SGB V
zurückgegriffen werden.
31
Danach ist, wenn eine Vergütung nicht vereinbart und einer
Vertragspartei das Recht der Bestimmung der Höhe der Vergütung
zugewiesen ist, eine gerichtliche Billigkeitskontrolle geboten. Hier hat
mangels wirksamer Vereinbarung der Vergütungshöhe für das Jahr
2005 der Kläger grundsätzlich ein Vergütungsbestimmungsrecht,
das jedoch auf den Widerspruch der Beklagten gerichtlich auf die
Billigkeit seiner Ausübung hin zu überprüfen ist. Diese Kontrolle
ergibt, dass jedenfalls eine Vergütung pro Screening von ca 69 Euro
ersichtlich unbillig ist. Dieser Betrag macht das Sechsfache des
Betrages aus, der ab 2006 vereinbart worden ist und - nach
Schaffung der Nr 01708 EBM-Ä zum 1.7.2005 - ohne die
Bezugnahme der Vertragspartner auf die allgemeine Pauschale für
die Hochschulkliniken auch 2005 maßgebend gewesen wäre.
32
Die Unbilligkeit der Leistungsbestimmung durch den Kläger für das
Jahr 2005 hat zur Folge, dass die Bestimmung durch das Gericht
vorzunehmen ist (§ 315 Abs 3 S 2 BGB). Zentraler Ansatzpunkt für
diese gerichtliche Bestimmung ist der Preis, der üblicherweise für die
Leistung zu zahlen ist. Dabei kommt der Höhe der Vergütung, die
der Kläger für die Laborleistungen im Rahmen des
Neugeborenenscreenings bei solchen Kindern enthält, die in
hauptamtlich geführten Krankenhausabteilungen geboren werden,
maßgebliche Bedeutung zu. Die Leistungen, die der Kläger erbringt,
unterscheiden sich nicht danach, ob der Kläger sie 2005 gegenüber
Krankenhäusern mit hauptamtlich geführten Geburtshilfeabteilungen
(auch außerhalb von Baden-Württemberg) oder gegenüber
Belegärzten bei von diesen geleiteten Geburten erbracht hat.
Deshalb hat der Senat den Kläger um Mitteilung gebeten, welche
Vergütung dieser den Krankenhäusern in Rechnung gestellt hat, in
deren hauptamtlich geführten gynäkologischen Abteilung Kinder
geboren worden sind und die die entsprechenden Laborleistungen
des Neugeborenenscreenings ebenfalls von dem
Universitätsklinikum H. haben durchführen lassen.
33
Der Kläger hat die Frage im Schriftsatz vom 6.3.2018 ausdrücklich
nicht beantwortet. Er räumt ein, dass er direkt mit den Kliniken
abgerechnet hat, in deren hauptamtlich geführten Abteilungen
Kinder geboren werden, weigert sich aber zu erklären, was er
insoweit pro Fall im Jahr 2005 erhalten hat. Das hat zur Folge, dass
kein Anlass besteht, den Rechtsstreit zur Klärung der
Angemessenheit der Vergütung im Jahr 2005 an das LSG
zurückzuverweisen. Wenn der Kläger den maßgeblichen
Referenzpreis nicht nennen will, auch nachdem er vom Senat darauf
hingewiesen worden ist, dass es darauf ankommen kann, hat er
sinngemäß auf eine weitere Sachaufklärung zur "Billigkeit" iS des §
315 Abs 3 BGB verzichtet.
34
Der Senat geht zugunsten des Klägers davon aus, dass die
Beklagte für 2005 11,44 Euro pro Fall zahlen muss - wie für 2006
vereinbart - und nicht den von der Beklagten höchstens für
zutreffend gehaltenen Betrag von 5,11 Euro. Zwar hätte sich der
Kläger zur Behauptung der Beklagten, den niedrigeren Preis habe er
2002 den Krankenhäusern für jedes Labor-Screening angeboten,
äußern müssen, was ebenfalls nicht geschehen ist. Selbst wenn
dieser Vortrag der Beklagten deshalb als zutreffend unterstellt wird,
kann der Senat nicht ausschließen, dass der niedrigere Betrag auf
Besonderheiten beruht, die im Rahmen des § 120 Abs 2 SGB V
keine Rolle spielen, etwa Rabatte oder Zusatzvereinbarungen.
Maßgeblich ist deshalb der Preis, der sich an der punktzahlmäßigen
Bewertung der Nr 01708 EBM-Ä ab 1.7.2005 orientiert.
35
5. Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 8 Abs 1 des
Vertrages nach § 120 Abs 2 SGB V (Grundvertrag) für das Land
Baden-Württemberg. Danach hat die KK die Rechnung innerhalb
von 30 Tagen nach Rechnungsstellung zu bezahlen (S 1); für die
Verzugszinsberechnung verweist S 2 auf die Landesregelung nach
§ 112 Abs 2 Nr 1 SGB V. § 19 Abs 3 dieser Landesregelung für die
Vergütung stationärer Leistungen sieht als Zinssatz fünf
Prozentpunkte über dem Basiszinssatz vor.
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Diese vertragliche Vereinbarung ist hier maßgeblich. Das entspricht
der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG zur Verzinsungspflicht
der KKn bei fälligen Krankenhausrechnungen, soweit
entsprechende Vereinbarungen bestehen
(BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 7; SozR 4-5562 § 11 Nr 2). Dieser
Grundsatz gilt auch, soweit von § 120 Abs 2 SGB V erfasste,
ambulante Leistungen auf der Basis von vertraglichen
Vereinbarungen unmittelbar von den KKn zu vergüten sind. Der
Senat hält allerdings daran fest, dass Nachzahlungen
vertragsärztlicher Honorare grundsätzlich nicht zu verzinsen sind,
auch soweit Krankenhäuser auf gesetzlicher Grundlage an der
vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen
(BSG SozR 4-2500 § 43b Nr 1 RdNr 52-53). Eine solche
Konstellation liegt hier nicht vor, weil die hier betroffenen
Laborleistungen der Hochschulambulanzen im Rahmen des
Screenings nicht von der KÄV aus der vertragsärztlichen
Gesamtvergütung honoriert werden.
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Soweit die Beklagte pauschal die Fälligkeit bestreitet, ist das
unbeachtlich. Der Kläger hat für jede Rechnung genau das Datum,
die Fälle und das Quartal bezeichnet und die Beklagte hat sich dazu
nicht substantiiert geäußert.
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 155
Abs 1 VwGO. Die Kostenquote berücksichtigt, dass die Klage in
Höhe von 99 550 Euro abgewiesen wurde; Zinsen wirken sich auf
die Kostenquote nicht aus.