Urteil des BSG vom 03.05.2018

Krankenversicherung - Spitzenverband Bund der Krankenkassen - Auskunftsanspruch gegenüber einem pharmazeutischen Unternehmer über vereinbarte Preise für Fertigarzneimittel mit parenteralen Zubereitungen - Durchsetzung durch Verwaltungsakt - keine teilweis

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 3.5.2018, B 3 KR 13/16 R
ECLI:DE:BSG:2018:030518UB3KR1316R0
Krankenversicherung - Spitzenverband Bund der
Krankenkassen - Auskunftsanspruch gegenüber einem
pharmazeutischen Unternehmer über vereinbarte Preise für
Fertigarzneimittel mit parenteralen Zubereitungen -
Durchsetzung durch Verwaltungsakt - keine teilweise
Aufhebung eines Auskunftsverwaltungsakts durch Gerichte
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen
Landessozialgerichts vom 24. Mai 2016 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Die Festsetzung des Streitwerts ergeht durch gesonderten
Beschluss.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten darüber, ob der beklagte Spitzenverband
Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) Anspruch gegen
die Klägerin - eine pharmazeutische Unternehmerin in der
Rechtsform einer GmbH & Co. KG - auf Erteilung von Auskünften
und Nachweisen zu Preisen für Fertigarzneimittel in parenteralen
Zubereitungen hat.
2
Mit Schreiben vom 27.2.2013 teilte der Beklagte mit, dass er
beabsichtige, der Klägerin aufzugeben, ihm die tatsächlichen
Verkaufskonditionen für sämtliche bei der Herstellung parenteraler
Zubereitungen verwendeten Arzneimittel mit den Wirkstoffen
Docetaxel und Paclitaxel für den Monat Januar 2013 mitzuteilen
(gestützt auf § 129 Abs 5c S 4 SGB V idF des seit 1.1.2011
geltenden Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der
gesetzlichen Krankenversicherung -
Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz - AMNOG - vom 22.12.2010,
BGBl I 2262; im Folgenden aF)
. Andere Möglichkeiten, die Einkaufskonditionen vergleichbar in
zuverlässiger Weise in Erfahrung zu bringen, stünden ihm nicht zur
Verfügung; die allgemeinen Listenpreise für Fertigarzneimittel
bildeten nicht die tatsächlichen Marktverhältnisse ab, weil Preise und
Einkaufsvorteile zwischen pharmazeutischen Unternehmern,
Großhändlern, Herstellungsbetrieben sowie Apotheken regelmäßig
individuell vereinbart würden; der Auskunftsanspruch bestehe
gleichrangig gegen Apotheker und pharmazeutische Unternehmer.
3 Die Klägerin trat dem entgegen, weil das Ersuchen vom Wortlaut
des § 129 Abs 5c S 4 SGB V aF nicht gedeckt sei. Daraus lasse
sich insbesondere weder der Umfang der verlangten Daten
entnehmen noch die Pflicht zur Vorlage von Rechnungen oder
Verkaufsbelegen herleiten. Der Auskunftsanspruch betreffe nur die
Berechnung der "tatsächlichen Einkaufspreise" durch die Apotheke
bei Nichtvorliegen einer Vereinbarung zwischen dem GKV-
Spitzenverband und dem Deutschen Apothekerverband (DAV).
Geschäftsdaten, insbesondere mit Kunden vereinbarte
Einkaufsbedingungen, unterlägen der Vertraulichkeit und dürften
von ihr ohne entsprechende gesetzliche Pflicht nicht offenbart
werden.
4
Mit Bescheid vom 22.5.2013 verfügte der Beklagte gegenüber der
Klägerin dann ua Folgendes:
"1. Ihnen wird aufgegeben, dem GKV-Spitzenverband
innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieses
Bescheides über sämtliche für das Inverkehrbringen in
Deutschland zugelassene Fertigarzneimittel mit den
Deutschland zugelassene Fertigarzneimittel mit den
Wirkstoffen Docetaxel und Paclitaxel, die Sie im Monat Januar
2013 an Großhändler, Apotheken und Herstellungsbetriebe
abgegeben haben, Auskunft zu erteilen. Maßgeblich ist das
jeweilige Datum des Lieferscheins. Ihre Auskunft hat folgende
Informationen zu umfassen:
- Datum des Lieferscheins
-
Pharmazentralnummer
(PZN)
der
abgegebenen
Fertigarzneimittel
- Produktbezeichnung sowie Packungsgröße
- Anzahl abgegebener Packungen des Fertigarzneimittels je
Lieferung
- Frei gewähltes Pseudonym des Abnehmers
- Tätigkeit des Abnehmers (Großhändler, Apotheker oder
Herstellungsbetrieb)
- Verkaufspreis je Fertigarzneimittelpackung exklusive
Umsatzsteuer
- Aufstellung sämtlicher gewährter oder noch zu gewährender
Einkaufsvorteile, die sich unmittelbar oder mittelbar mindernd
auf den Preis des Fertigarzneimittels auswirken (bspw.
Preisnachlässe,
Rabatte,
Rückvergütungen,
Umsatzbeteiligungen, Gewinnbeteiligungen, Bonifikationen
oder sonstige geldwertige Vorteile).
Die geforderten Informationen sind in den als Anlage 1 und 2
übersandten Bearbeitungsbögen zu erfassen. Diese Anlagen
sind Bestandteil des Bescheides.
2. Sie haben die unter Ziffer 1 genannten Auskünfte innerhalb
derselben
Frist
durch
Vorlage
korrespondierender
Rechnungen in Kopie nachzuweisen. Diese können insoweit
geschwärzt werden, als dies zur Unkenntlichmachung der
geschwärzt werden, als dies zur Unkenntlichmachung der
Abnehmer erforderlich ist. Das frei gewählte Pseudonym des
Abnehmers ist auf der Rechnung zu vermerken. Die Vorlage
der Verträge ist nicht erforderlich."
5 Zur Begründung führte der Beklagte ua aus, dass er nach der
Gesetzesbegründung zu § 129 Abs 5c S 4 SGB V aF in die Lage
versetzt werde, mit dem DAV in der Hilfstaxe marktnahe Preise zu
vereinbaren. Das Auskunftsverlangen sei gesetzeskonform und
verhältnismäßig. Durch die Abfrage der Daten des Monats Januar
2013 solle ein repräsentativer Überblick über die tatsächlichen
Preise erlangt werden.
6 Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und stützte sich ua
auch darauf, dass der Auskunftsanspruch nicht durch
Verwaltungsakt geltend gemacht werden dürfe; allerdings sei sie
grundsätzlich auskunftsbereit. Am 4.7.2013 teilte sie dem Beklagten
die Preisspannen einschließlich des Durchschnittspreises für die im
Monat Januar 2013 an Apotheken gelieferten Produkte Paclitaxel-
und Docetaxel mit.
7
Der Widerspruch blieb erfolglos. Da sich die Beteiligten nicht in
einem Gleichordnungsverhältnis gegenüberstünden, dürfe gegen
die Klägerin durch Verwaltungsakt vorgegangen werden. Auch die
Reichweite des Auskunftsanspruchs sei gesetzeskonform. Würden
(wie von der Klägerin verlangt) die Vertriebswege pharmazeutischer
Unternehmer - Großhändler - selbst herstellende Apotheke,
pharmazeutischer Unternehmer - Großhändler - Herstellungsbetrieb
und pharmazeutischer Unternehmer - Herstellungsbetrieb
ausgeklammert, geriete das Gesetzesziel in Gefahr, ihm (dem
Beklagten) einen aussagekräftigen Überblick über die
Marktverhältnisse zu verschaffen. Die anonymisierte Abfrage der
Abgabepreise aus einem eng begrenzten Zeitraum sei nicht
unverhältnismäßig (Widerspruchsbescheid vom 24.7.2013).
8 Mit Bescheid vom 30.7.2013 nahm der Beklagte die im
angefochtenen Bescheid erklärte sofortige Vollziehung zurück,
soweit dies das Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Paclitaxel betraf.
9 Auf die Klage hat das SG die Bescheide des Beklagten aufgehoben
und die darüber hinaus von ihm erhobene Widerklage abgewiesen,
weil er den Auskunftsanspruch nicht durch Verwaltungsakt habe
geltend machen dürfen und den Widerspruchsbescheid eine
unzuständige Stelle erlassen habe; die Widerklage sei unzulässig
(Urteil vom 26.9.2013).
10
Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das SG-Urteil
hinsichtlich der Widerklage aufgehoben und dessen Berufung im
Übrigen zurückgewiesen: Der Auskunftsanspruch nach § 129 Abs
5c S 4 SGB V aF habe zwar durch Verwaltungsakt geltend gemacht
werden dürfen, sodass über die hilfsweise erhobene Widerklage
nicht mehr zu entscheiden sei. Die gesetzliche Befugnis zu einem
Auskunftsverlangen umfasse es zugleich, die
Auskunftsverpflichtung ggf durch Zwangsmaßnahmen
durchzusetzen. Der Verwaltungsakt habe sich auch nicht
zwischenzeitlich erledigt. Materiell-rechtlich müsse die Klägerin dem
Beklagten über die mit Schreiben vom 4.7.2013 erteilten Auskünfte
hinaus keine Informationen erteilen. Inhalt und Reichweite des
Auskunftsverlangens seien gemessen am Grundsatz der
Normenklarheit und Bestimmtheit nach Wortlaut und Auslegung des
§ 129 Abs 5c S 4 SGB V aF überwiegend nicht mehr von dieser
Norm gedeckt. Der Beklagte habe zudem das ihm durch die
Regelung eingeräumte Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt
(Urteil vom 24.5.2016).
11
Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von § 129 Abs
5c S 4 SGB V aF durch das LSG. Er sei zur Geltendmachung der
Auskunft durch Verwaltungsakt befugt, weil zwischen den Beteiligten
weder ein Gleichordnungsverhältnis noch eine Vertragsbeziehung
bestehe. Dem Anspruch stehe nicht entgegen, dass bereits am
1.9.2014 mit dem DAV eine Preisvereinbarung für Fertigarzneimittel
in parenteralen Zubereitungen getroffen bzw in einem - im Übrigen
im Klagewege angegriffenen - Schiedsspruch am 19.1.2018 eine
Hilfstaxe festgelegt worden sei. Die streitige Regelung habe einen
umfassenden Auskunftsanspruch gegen den pharmazeutischen
Unternehmer zum Inhalt, der auf die Vorlage von Nachweisen über
die vereinbarten Verkaufspreise für alle Fertigarzneimittel in
parenteralen Zubereitungen gerichtet sei. Die Bestimmung sei weder
zeitlich limitiert noch auf bestimmte pharmazeutische Unternehmer
oder Abnehmer begrenzt. Die umfassenden Angaben seien
erforderlich, damit für Arzneimittel in parenteralen Zubereitungen
marktnahe Vereinbarungen über abrechnungsfähige Preise
getroffen werden könnten. Es seien auch bezüglich der Auskünfte
für Januar 2013 noch Parallelverfahren in den Tatsacheninstanzen
anhängig. Dieser Auskünfte bedürfe es weiterhin, weil nur eine
Vielzahl von auf unterschiedliche Zeiträume bezogene
Informationen einen Marktüberblick zuließen und die Dynamik des
Marktes aussagekräftig abbildeten. Der Umfang der Abfrage sei nur
im Rahmen der Überprüfung des ihm (dem Beklagten) gesetzlich
eingeräumten Ermessens relevant, das hier ordnungsgemäß
ausgeübt worden sei. Für eine verfassungskonforme Auslegung sei
kein Raum. Das LSG habe die Grenzen zulässiger richterlicher
Rechtsfortbildung überschritten und eine "völlig neue Regelung
außerhalb des vom Gesetzgeber verfolgten Regelungsziels"
geschaffen. Das Urteil weise insoweit auch Begründungsdefizite auf.
Sollte keine Verwaltungsaktbefugnis für die Geltendmachung des
Auskunftsanspruchs bestehen, müsse zumindest der hilfsweise
erhobenen Eventualwiderklage stattgegeben werden.
12
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Mai
2016 sowie des Sozialgerichts München vom 26. September
2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die vorgenannten Urteile aufzuheben und die Klägerin im
Wege der Widerklage zu verurteilen,
1.ihm innerhalb von sechs Wochen nach Rechtskraft eines Urteils
über sämtliche für das in Verkehr bringen in Deutschland
zugelassene Fertigarzneimittel mit den Wirkstoffen Docetaxel und
Paclitaxel, die sie im Monat Januar 2013 an Großhändler,
Apotheken und Herstellungsbetriebe abgegeben hat, Auskunft zu
erteilen. Die Auskunft hat folgende Informationen zu umfassen:-
Datum des Lieferscheins,
- Pharmazentralnummer der abgegebenen Fertigarzneimittel,
- Produktbezeichnung sowie Packungsgröße,
- Anzahl abgegebener Packungen des Fertigarzneimittels je
Lieferung,
- Frei gewähltes Pseudonym des Abnehmers,
- Tätigkeit des Abnehmers (Großhändler, Apotheker oder
Herstellungsbetrieb),
- Verkaufspreis je Fertigarzneimittelpackung exkl. Umsatzsteuer,
- Aufstellung sämtlicher gewährter oder noch zu gewährender
Einkaufsvorteile, die sich unmittelbar mindernd auf den Preis des
Fertigarzneimittels auswirken (bspw. Preisnachlässe, Rabatte,
Rückvergütungen, Umsatzbeteiligungen, Gewinnbeteiligungen,
Bonifikationen oder sonstige geldwerte Vorteile).
Maßgeblich ist das jeweilige Datum des Lieferscheins.
Und
2.die unter 1. genannten Auskünfte innerhalb derselben Frist durch
Vorlage korrespondierender Rechnungen in Kopie nachzuweisen.
Diese können insoweit geschwärzt werden, als dies zur
Unkenntlichmachung der Abnehmer erforderlich ist. Das frei
gewählte Pseudonym des Abnehmers ist auf der Rechnung zu
vermerken.
13
Die Klägerin beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen und die Widerklage
abzuweisen.
14
Sie hält das LSG-Urteil im Ergebnis für zutreffend. Der Beklagte
habe nach § 129 Abs 5c S 4 SGB V aF Auskünfte über vereinbarte
Preise für die streitigen Fertigarzneimittel mit in- und ausländischen
Großhändlern sowie Herstellungsbetrieben nicht fordern dürfen. Der
Auskunftsanspruch sei durch die mit Schreiben vom 4.7.2013
gelieferten Preisnachweise erfüllt worden. Bei Letzteren handele es
sich um hinreichend aussagekräftige Marktdaten, weil sich auf
dieser Grundlage auch der Beklagte und der DAV auf einen neuen
Inhalt der Hilfstaxe hätten einigen können, in deren Rahmen die
Abschläge für Taxane von 25 % auf 46 % erhöht worden seien.
Außerdem habe sich der Anspruch des Beklagten durch Zeitablauf
erledigt. Das von ihm behauptete, auch jetzt noch fortbestehende
Informationsbedürfnis sei zu verneinen. Die vom Beklagten
herangezogene gesetzliche Grundlage decke sein Verlangen nicht.
Erst nach der Neufassung des § 129 Abs 5c SGB V durch das GKV-
Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz vom 4.5.2017
(BGBl I 1050, AMVSG) habe ihm mit Wirkung ab 13.5.2017 ein
entsprechender Anspruch zugestanden.
Entscheidungsgründe
15
Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet und daher
zurückzuweisen.
16
Das LSG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass auf die
Anfechtungsklage der pharmazeutischen Unternehmerin hin der
Bescheid des beklagten GKV-Spitzenverbandes vom 22.5.2013 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.7.2013 und des
Änderungsbescheides vom 30.7.2013 aufzuheben und die
Widerklage des Beklagten abzuweisen war. Die genannten
Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren
Rechten. Sie war nicht verpflichtet, die in der von ihm detailliert
umschriebenen Art und Weise verlangten Auskünfte zu erteilen und
entsprechende Nachweise zu erbringen. Über die
Eventualwiderklage war nicht mehr zu entscheiden, weil das
Auskunftsverlangen zu Recht durch Verwaltungsakt geltend
gemacht wurde.
17
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der prozessual zu Recht mit der
Anfechtungsklage angegriffene Bescheid des Beklagten vom
22.5.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
24.7.2013. Damit verlangte der Beklagte von der Klägerin als
pharmazeutisches Unternehmen konkrete, dezidiert umschriebene
Auskünfte und Nachweise im Zusammenhang mit vereinbarten
Preisen für Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen nach §
129 Abs 5c S 4 SGB V aF (idF des AMNOG, aaO). In den
Rechtsstreit ist gemäß § 96 Abs 1 SGG der Bescheid vom
30.7.2013 einbezogen, mit dem der Bescheid vom 22.5.2013
hinsichtlich der teilweisen Rücknahme der sofortigen Vollziehung
geändert wurde. Dies ist für das Revisionsverfahren allerdings
irrelevant, weil dadurch nur Fragen der sofortigen Vollziehung in
einem eigenen Rechtsmittelregime betroffen sind
(vgl § 86a Abs 2 Nr 5, § 86b, § 177 SGG).
18
2. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfenden
Sachurteilsvoraussetzungen der Klage liegen vor.
19
Die Anfechtungsklage der Klägerin gegen das durch Verwaltungsakt
geltend gemachte Auskunftsersuchen ist nicht etwa unzulässig, weil
es sich iS von § 39 Abs 2 SGB X erledigt hätte und der Klägerin die
Klagebefugnis oder das Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung
des angefochtenen Bescheides fehlte.
20
a) Die im Dezember 2015 erfolgte Umfirmierung der Klägerin (=
bloße Namensänderung unter Beibehaltung der Rechtsform) hat in
Bezug auf das von ihr weiter verfolgte Klageziel keine
prozessrechtlichen Auswirkungen.
21
b) Das Verlangen nach der auf den Monat Januar 2013 bezogenen
Auskunftserteilung und nach dem Erbringen von Nachweisen hat
sich - auf der Grundlage des Vorbringens des Beklagten im
Revisionsverfahren - insbesondere nicht durch Zeitablauf erledigt.
22
aa) Durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt sich der
Verwaltungsakt nur, wenn er seine regelnde Wirkung verliert oder
die Ausführung seines Hauptverfügungssatzes rechtlich oder
tatsächlich unmöglich geworden ist
(BSGE 72, 50, 56 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1 S 8). Das ist etwa bei
befristeten Verwaltungsakten mit Fristablauf der Fall oder bei Eintritt
einer im Verwaltungsakt genannten Bedingung, bei Erfüllung einer
ausgesprochenen Verfügung sowie bei Zweckerreichung des
Verwaltungsakts
(vgl zB Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 39
RdNr 14)
. Eine solche Konstellation ist vorliegend nicht gegeben. Zwar haben
der Beklagte und der DAV am 1.9.2014 eine neue vertragliche
Vereinbarung über die Preisberechnung von nicht industriell
gefertigten Arzneimitteln, insbesondere Rezepturen, getroffen (sog
Hilfstaxe). Zudem sind diese Vertragspartner nach § 129 Abs 5c S 2
und 4 SGB V mit Inkrafttreten des AMVSG vom 4.5.2017
(BGBl I 1050) verpflichtet worden, die Höhe der Preise für
parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie
bis zum 31.8.2017 als Hilfstaxe neu zu vereinbaren. Grund für die
Regelung sind die durch das AMVSG geänderten gesetzlichen
Rahmenbedingungen für die Erschließung von
Einsparmöglichkeiten bei Fertigarzneimitteln für parenterale
Zubereitungen in der Onkologie
(vgl § 129 Abs 1 S 4 iVm § 130a Abs 8a SGB V; dazu von Dewitz in
BeckOK SozR, 47. Ed 1.12.2017, SGB V, § 129 RdNr 28)
. Die Schiedsstelle nach § 129 Abs 5c S 3 SGB V hat
zwischenzeitlich am 19.1.2018 auch durch einen - im Übrigen
gesondert im Klagewege angegriffenen - Schiedsspruch hierüber
entschieden.
23
bb) Die Klägerin kann sich bezüglich der begehrten Aufhebung des
sie belastenden Auskunftsverwaltungsakts aber weiterhin auf ein
rechtliches Interesse am Ausgang des Revisionsverfahrens berufen,
da sich der Beklagte auch trotz des nachfolgenden
Zustandekommens von Hilfstaxen, dh unabhängig vom
eingetretenen Zeitablauf, jedenfalls immer noch des auf den Monat
Januar 2013 bezogenen Auskunftsanspruchs berühmt. Er gab der
Klägerin mit dem angefochtenen Bescheid auf, über sämtliche für
das Inverkehrbringen in Deutschland zugelassene Fertigarzneimittel
mit den Wirkstoffen Docetaxel und Paclitaxel, die im Monat Januar
2013 an Großhändler, Apotheken und Herstellungsbetriebe
abgegeben wurden, Auskunft über die Höhe der tatsächlichen
vereinbarten Abgabepreise für Fertigarzneimittel in parenteralen
Zubereitungen zu erteilen und Nachweise darüber vorzulegen.
Diese Angaben sollen nach den im Gesetzgebungsverfahren
allgemein zum Ausdruck kommenden Erwägungen "erforderlich
(sein), damit für diese Arzneimittel marktnahe Vereinbarungen über
abrechnungsfähige Preise zwischen den Krankenkassen und den
Apotheken getroffen werden können"
(vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum
AMNOG, BT-Drucks 17/2413 S 30 zu Nr 15 <§ 129> Zu Buchst b).
Die Verfolgung dieses Ziels ist sachlich nicht zu beanstanden. Eine
zeitliche Begrenzung von Auskunftsplichten lässt sich aus den
Gesetzesmaterialien nicht herleiten. Trotz eines zwischenzeitlich
eingetretenen Zeitablaufs ist die Erteilung der verlangten Auskünfte
auch nachträglich möglich. Diese Auskünfte können im Übrigen
Aufschluss über die "Marktnähe" und Entwicklung von
Preisvereinbarungen geben.
24
Im Revisionsverfahren hat der Beklagte explizit erklärt, an seinem
Auskunftsverlangen festzuhalten und insofern unter Hinweis auf
plausible dynamische Auswirkungen des Monats Januar 2013 auf
Folgezeiträume und auf eine behauptete unzureichende Abbildung
der vereinbarten Abrechnungspreise in den Hilfstaxen vom 1.9.2014
und vom 19.1.2018 nachvollziehbar dargelegt, dass nach wie vor
ein erhebliches Interesse an den Auskünften der Klägerin auch für
den Monat Januar 2013 bestehe. Nach Ansicht des Beklagten sei
es notwendig, die angeforderten Daten zu erhalten, um die
Marktentwicklung im Zeitverlauf abschätzen und diese auch in
Folgezeiträumen den Vergütungsverhandlungen zugrunde legen zu
können. Die gleiche Notwendigkeit gelte für die Erstellung der
Hilfstaxe, auch für die Zukunft, weil ansonsten erforderliche
verlässliche Parameter für die Preisbildung fehlten. Der Beklagte hat
darüber hinaus unwidersprochen ausgeführt, dass selbst bezüglich
des in der Vergangenheit liegenden Zeitraums noch weitere nicht
rechtskräftig beendete Parallelrechtsstreitigkeiten in erster und
zweiter Instanz der Sozialgerichtsbarkeit anhängig seien. Unter
diesem Blickwinkel können weder eine Klagebefugnis bzw ein
Rechtsschutzinteresse der Klägerin verneint werden, noch ist eine
Erledigung der streitbefangenen Fragen zu bejahen. Das gilt sowohl
unter dem Aspekt, dass der Klägerin die geltend gemachten Rechte
unter Zugrundelegung ihres Vorbringens offensichtlich und eindeutig
nach keiner Betrachtungsweise (mehr) zustehen können, als auch
deshalb, weil die Klage nach den besonderen Umständen des
Falles nicht etwa "unnütz" (geworden) ist bzw weil die Rechte der
Klägerin auf einfachere Weise zu verwirklichen wären
(vgl zu diesem Maßstab allgemein Keller in Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 54 RdNr
14a mwN, Vor § 51 RdNr 16a mwN)
.
25
3. In der Sache ist die Klage begründet.
26
Der streitige Bescheid des Beklagten vom 22.5.2013 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 24.7.2013 und des
Änderungsbescheides vom 30.7.2013 ist zwar formell rechtmäßig
(dazu im Folgenden a), aber materiell rechtswidrig und verletzt die
Klägerin in ihren Rechten (dazu b).
27
a) Das Verwaltungshandeln des Beklagten begegnet in formell-
rechtlicher Hinsicht keinen revisionsrechtlichen Bedenken.
28
aa) Das LSG hat rechtsfehlerfrei die Befugnis des Beklagten bejaht,
das Auskunftsverlangen gegenüber der Klägerin durch
Verwaltungsakt iS von § 31 SGB X durchzusetzen.
29
Insoweit ist bereits im Ausgangspunkt auf den Unterschied zwischen
der Rechtslage hinzuweisen, dass ein Bürger von der Verwaltung
Auskunft begehrt und die Behörde diese verweigert
(dazu zB Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, aaO, § 31
RdNr 57 ff)
und dem hier umgekehrten Fall, dass ein Auskunftsverlangen der
Behörde gegenüber dem Bürger durchgesetzt werden soll. Bei
Letzterem handelt es sich - zumal dann, wenn wie hier eine
besondere gesetzliche Ermächtigung in § 129 Abs 5c S 4 SGB V aF
geschaffen wurde -, um die Verfügung einer Behörde zur Regelung
eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts iS von § 31
S 1 SGB X, die auf unmittelbare Rechtswirkung gegenüber dem
Auskunftspflichtigen gerichtet ist. Der Senat hat nur in Fällen, in
denen ein Träger der Sozialversicherung dem Bürger auf der Ebene
der Gleichordnung - insbesondere bei bestehenden vertraglichen
Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten - gegenübertritt, die
Befugnis der Behörde zum Tätigwerden durch Verwaltungsakt
verneint
(vgl zuletzt Urteil vom 29.6.2017 - B 3 KR 16/16 R - SozR 4-2500 §
129 Nr 12 - Apotheker-Vertragsstrafe, auch zur Veröffentlichung in
BSGE vorgesehen).
Um eine solche Konstellation geht es vorliegend nicht, vielmehr um
eine Streitigkeit zwischen einem pharmazeutischen Unternehmen
und dem GKV-Spitzenverband
(vgl §§ 217a ff SGB V; dazu von Boetticher, SGb 2009, 15 ff; Axer,
SGb 2012, 501 ff)
. Beide stehen in der dem Rechtsstreit zugrunde liegenden
Konstellation nicht in vertraglichen Beziehungen zueinander, wie zB
grundsätzlich gleichberechtigte Partner in einem Abrechnungsstreit.
Die Rechtsgrundlage für den Auskunftsanspruch wurzelt nicht in
zwischen den Beteiligten geltenden Verträgen, sondern ergibt sich
unmittelbar aus gesetzlichem, nur den beklagten GKV-
Spitzenverband begünstigenden Sonderrecht.
30
bb) Dass im Siebten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB V
(vgl zB § 130a Abs 8, § 130b Abs 1 und 3, §§ 130c, 131 SGB V)
auch der Abschluss von Vereinbarungen zwischen den Beteiligten
vorgesehen ist und die darauf fußenden Rechtsbeziehungen als
solche in einem Gleichordnungs- und nicht in einem
Subordinationsverhältnis einzuordnen sind, steht den Ausführungen
unter aa) nicht entgegen. Gleiches gilt für den Kontext zu
Verhandlungen zwischen dem Beklagten und dem DAV über die
Hilfstaxe nach § 129 Abs 5c SGB V. Die Hilfstaxe ist schon weder
eine Vereinbarung zwischen den Beteiligten, noch erstrecken sich
ihre Rechtswirkungen auf pharmazeutische Unternehmer, sondern
nur auf Apotheker. Vielmehr erfüllt der Beklagte dabei als
Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß § 217a Abs 2 SGB V
seine ihm zugewiesene Aufgabe gemäß § 217f Abs 1 iVm § 129
Abs 5c S 4 SGB V aF. Das streitige Auskunftsbegehren beruht hier
auf einem dem Beklagten kraft Gesetzes eingeräumten Anspruch,
sodass die Beteiligten in einem durch Sonderrecht ausgestalteten
Über- und Unterordnungsverhältnis stehen. Das Gesetz enthält mit §
129 Abs 5c S 4 SGB V aF eine ausdrückliche Befugnis zur
Geltendmachung eines Auskunftsverlangens mit einem bestimmten
Inhalt. Die Notwendigkeit, diesen Anspruch gegenüber einem
pharmazeutischen Unternehmer - unabhängig vom konkreten Inhalt
- ggf auch mit den Mitteln des Verwaltungszwangs durchsetzen zu
können, rechtfertigt es, dem Beklagten auch die Befugnis zum
Erlass eines entsprechenden vollstreckbaren Verwaltungsaktes
einzuräumen
(vgl zum Ganzen auch von Dewitz in BeckOK SozR, 47. Ed
1.12.2017, SGB V, § 129 RdNr 28)
.
31
cc) Die Befugnis (und rechtliche Notwendigkeit) zum Handeln der
Beklagten durch Verwaltungsakt folgt schließlich mittelbar auch aus
dem seit 13.5.2017 geltenden § 129 Abs 5c S 11 SGB V idF des
AMVSG. Danach haben Klagen über den Auskunftsanspruch
seither generell keine aufschiebende Wirkung (mehr) und ein
Vorverfahren findet nicht statt. Diese Vorschrift lässt zwanglos den
Schluss darauf zu, dass das Auskunftsverlangen des Beklagten
schon nach dem vorangegangenen Recht in der Handlungsform
eines Verwaltungsakts erfolgte. Denn nur dann ist grundsätzlich ein -
nun ausdrücklich für entbehrlich erklärtes - Vorverfahren
durchzuführen (§ 78 Abs 1 S 2 Nr 1 SGG). Nur dann hat eine Klage
aufschiebende Wirkung, die ohne Vorliegen eines Verwaltungsakts
gar nicht in Betracht käme (vgl § 86a SGG). Durch § 129 Abs 5c S
11 SGB V idF des AMVSG wurde die Befugnis des Beklagten zum
Erlass eines Verwaltungsakts insoweit ausdrücklich bekräftigt, ohne
dass damit eine Rechtsänderung verbunden war. Das Gesetz hat
dabei an die schon zuvor bestehende Rechtslage angeknüpft und
wollte damit gerade die schnelle und effektive Durchsetzung des
Auskunftsanspruchs gewährleisten
(vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum AMVSG, BT-Drucks
18/10208 S 31 zu Nr 7 <§ 129> Buchst c Doppelbuchst bb am
Ende)
.
32
dd) Der Befugnis des Beklagten zum Erlass eines Verwaltungsakts
stehen die Regelungen in § 217e Abs 2 und § 217f SGB V nicht
entgegen. Nach § 217e Abs 2 SGB V gelten die vom GKV-
Spitzenverband abgeschlossenen Verträge und seine sonstigen
Entscheidungen für die Mitgliedskassen des Spitzenverbandes, die
Landesverbände der Krankenkassen und die Versicherten. Diese
Vorschrift bezweckt lediglich, die Verbindlichkeit der Entscheidungen
des Beklagten gegenüber seinen Mitgliedskrankenkassen und den
Krankenkassenverbänden sowie gegenüber Versicherten zu
gewährleisten
(vgl Peters in KassKomm, § 217e SGB V RdNr 9,
Kommentierungsstand September 2013)
. Sie enthält jedoch keine Vorgaben für das Vorgehen des Beklagten
bezüglich des ihm durch § 129 Abs 5c S 4 SGB V aF eingeräumten
Auskunftsanspruchs gegenüber dem "pharmazeutischen
Unternehmer". Insbesondere lässt sich § 217e Abs 2 SGB V nicht
entnehmen, dass der Beklagte nur gegenüber den dort genannten
Adressaten zum Erlass von Verwaltungsakten befugt wäre. Gleiches
gilt für § 217f SGB V, der mit Wirkung ab 1.7.2008 in allgemeiner
Form die dem Beklagten gesetzlich zugewiesenen Aufgaben regelt,
ohne diese angesichts ihrer Vielzahl erschöpfend aufzuzählen oder
gar die Form der Wahrnehmung zu regeln
(vgl Krasney in KassKomm, § 217f SGB V RdNr 4,
Kommentierungsstand September 2016)
.
33
ee) Da der Beklagte gemäß § 217d Abs 1 SGB V im Bereich des
Leistungsrechts der Aufsicht des Bundesministeriums für
Gesundheit untersteht - die nächsthöhere Behörde mithin eine
oberste Bundesbehörde ist -, war er im Übrigen selbst zur
Entscheidung über den Widerspruch der Klägerin berufen
(vgl ähnlich zum Hilfsmittelbereich BSGE 97, 133 = SozR 4-2500 §
139 Nr 2, RdNr 20).
Nach § 217e Abs 1 S 5 SGB V bestand keine Verpflichtung zur
Einrichtung einer Widerspruchsstelle. Nach § 129 Abs 5c S 11 SGB
V idF des AMVSG bedarf es seit 13.5.2017 keines Vorverfahrens
mehr (§ 78 Abs 1 S 2 Nr 1 SGG).
34
b) Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der auf
Auskunftserteilung und Nachweiserbringung gerichtete
Verwaltungsakt mit den im Bescheid vom 22.5.2013 konkret
aufgeführten Einzelpunkten nicht von der Ermächtigung in § 129
Abs 5c S 4 SGB V aF gedeckt. Daher hat das LSG im Ergebnis zu
Recht die angefochtenen Bescheide aufgehoben.
35
aa) Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit
eines belastenden Verwaltungsakts bei einer reinen
Anfechtungsklage ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage bei
Erlass des Verwaltungsakts bzw des Widerspruchsbescheides
(vgl zB Keller in Meyer-Ladewig, ua, aaO, § 54 RdNr 33 mwN), hier
bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 24.7.2013.
36
Die Vorläufernorm von § 129 Abs 5c S 4 SGB V in der
Ausgangsfassung des Gesetzes zur Änderung
arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.7.2009
(BGBl I 1990, mWv 23.7.2009) lautete wie folgt:
37
"Die Krankenkasse kann von der Apotheke Nachweise über
Bezugsquellen und verarbeitete Mengen sowie die tatsächlich
vereinbarten Einkaufspreise und vom pharmazeutischen
Unternehmer über die vereinbarten Preise für Fertigarzneimittel in
parenteralen Zubereitungen verlangen."
38
Durch das AMNOG vom 22.12.2010 (BGBl I 2262, mWv 1.1.2011)
wurden dann in Abs 5c S 4 lediglich die Wörter "Die Krankenkasse
kann" durch die Wörter "Der Spitzenverband Bund der
Krankenkassen und die Krankenkasse können" ersetzt.
39
Primär anhand dieser Regelung ist das Begehren des Beklagten
gegenüber der Klägerin als pharmazeutische Unternehmerin in dem
angefochtenen Bescheid zu messen, mit dem er die unter I sowie im
Revisionsantrag des Beklagten im Detail wiedergegebenen zitierten
Auskünfte und Nachweise verlangt.
40
bb) Die Auslegung von § 129 Abs 5c S 4 SGB V aF
(idF des AMNOG) ergibt, dass er keine hinreichende gesetzliche
Ermächtigung für das konkrete streitige Auskunftsverlangen des
Beklagten gegenüber der Klägerin enthält. Das Begehren des
Beklagten geht über die gesetzlich nur normierte Berechtigung des
Beklagten, "Nachweise ... vom pharmazeutischen Unternehmer über
die vereinbarten Preise für Fertigarzneimittel in parenteralen
Zubereitungen verlangen" zu dürfen, in rechtswidriger und
rechtsverletzender Weise hinaus.
41
(1) Der Senat muss nicht entscheiden, ob die Klägerin mit den in
ihrem Schriftsatz vom 4.7.2013 dem Beklagten mitgeteilten
Preisspannen einschließlich des Durchschnittspreises für die im
Monat Januar 2013 (allein) an Apotheken (nicht aber auch an
Großhändler und Herstellungsbetriebe) gelieferten Produkte
Paclitaxel- und Docetaxel ihren gesetzlichen Auskunftspflichten im
gebotenen Umfang entsprach (s dazu noch unten 3. c). Nach
Wortlaut und Systematik des § 129 Abs 5c S 4 SGB V aF hat ein
pharmazeutischer Unternehmer jedenfalls lediglich "Nachweise ...
über die vereinbarten Preise" zu erbringen, während die
Auskunftspflichten von Apothekern präziser und weitreichender
geregelt sind. Deren Auskunfts- und Nachweispflichten gehen
darüber hinaus und schließen auch "Bezugsquellen und
verarbeitete Mengen sowie die tatsächlich vereinbarten
Einkaufspreise" mit ein. Spiegelbildliche Informationspflichten von
Großhändlern und Herstellungsbetrieben, die nicht zugleich
Apotheken oder pharmazeutische Unternehmer iS von § 4 Abs 18
Arzneimittelgesetz (AMG) sind, spricht die Regelung zudem gar
nicht an. Vor diesem Hintergrund kann entgegen der Ansicht des
Beklagten von einem "eindeutigen Wortlaut der Regelung", der
gleichermaßen die Erlangung der von der Klägerin in detaillierter und
in bestimmter Art und Weise zu übermittelnde Informationen
rechtfertige, offenkundig nicht die Rede sein.
42
(2) Nichts anderes ergibt sich aus den vom Beklagten in Bezug
genommenen Gesetzesmaterialien und dem darin zum Ausdruck
kommenden Sinn und Zweck des § 129 Abs 5c S 4 SGB V aF. So
heißt es im Entwurf der Bundesregierung des Gesetzes zur
Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften
(BT-Drucks 16/12256 S 66 zu Nr 8 Buchst b <§ 129>) nur, dass die
Verpflichtung der Apotheken und der pharmazeutischen
Unternehmer, auf Anforderung Bezugsquellen und Einkaufspreise
nachzuweisen, "die kontrollierte Einhaltung des Verfahrens" sichere.
Ebenso gibt der Bericht des Gesundheitsausschusses des
Deutschen Bundestags zum og Gesetzentwurf
(BT-Drucks 16/13428 S 93 zu Nr 8 Buchst b <§ 129>) keinen klaren
Aufschluss über die konkrete Reichweite und die Grenzen des
Auskunftsanspruchs gegen pharmazeutische Unternehmer. Dort
wird lediglich noch einmal betont, der "Auskunftsanspruch über
vereinbarte Preise" solle für Fertigarzneimittel in Zubereitungen
gegenüber pharmazeutischen Unternehmern bestehen und in dem
Umfang geltend gemacht werden können, wie dies "für die
Vereinbarung marktnaher Preise in der 'Hilfstaxe' erforderlich" sei.
43
In dem verabschiedeten Gesetzestext von § 129 Abs 5c S 4 SGB V
aF verblieb es schließlich dabei, dass das Verlangen nach
Nachweisen über Bezugsquellen und verarbeitete Mengen sowie
die tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise allein gegenüber
Apothekern geltend gemacht werden darf, während
pharmazeutische Unternehmer insoweit nicht genannt werden. Von
welcher Art die zu verlangenden Beweismittel ("Nachweise ... über
die vereinbarten Preise …") im Einzelnen sein sollten und welche
konkreten Details die "Nachweise" enthalten sollten, wird im
Gesetzestext ebenso nicht ausgeführt. Insbesondere ist eine
Rechtsgrundlage für die von der Beklagten explizit geforderten
Angaben (zB zu den Lieferscheindaten, zur PZN der abgegebenen
Fertigarzneimittel, zu Produktbezeichnung, Packungsgröße, Anzahl
abgegebener Packungen des Fertigarzneimittels je Lieferung, zur
Tätigkeit des Abnehmers, ua) ebenso wenig erkennbar wie für das
Verlangen, die geforderten Unterlagen in bestimmten
Bearbeitungsbögen aufzubereiten und zu übersenden.
44
(3) Der vom Beklagten vertretenen Ansicht hinsichtlich einer in ihrem
Sinne vorzunehmenden weiten Auslegung des § 129 Abs 5c S 4
SGB V aF unter Hintanstellung von Wortlaut und Systematik kann
auch unter Berücksichtigung seiner Zielrichtung aus
rechtsstaatlichen und datenschutzrechtlichen Gründen nicht gefolgt
werden.
45
(a) Nach der Rechtsprechung des BVerfG gebietet der
verfassungsrechtliche, dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3
GG zuzuordnende Bestimmtheitsgrundsatz, dass eine gesetzliche
Ermächtigung der Exekutive zur Vornahme von Verwaltungsakten
nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt
ist, sodass das Handeln der Verwaltung messbar und in gewissem
Ausmaß voraussehbar und berechenbar wird
(vgl BVerfGE 56, 1, 12 mwN). Dieser Maßstab gilt auch bei der
Auslegung des § 129 Abs 5c S 4 SGB V aF in Bezug auf die
Konkretisierung seiner Rechtsfolgen. Das Rechtsstaatsprinzip
gebietet, grundrechtsrelevante Vorschriften
(hier einschlägig: Art 12 GG) in ihren Voraussetzungen und ihrem
Inhalt so klar zu formulieren, dass die Rechtslage für den
Betroffenen erkennbar ist und er sein Verhalten danach einrichten
kann
kann
(vgl zB BVerfGE 83, 130, 145; 86, 288, 311; 108, 52, 75; 114, 1, 53 f
mwN)
. Der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit als tragendes Grundprinzip
der Verfassung verlangt - namentlich, wenn er in Verbindung mit
allgemeinen Freiheitsvermutungen zugunsten des Bürgers gesehen
wird, - dass der Einzelne vor unnötigen Eingriffen der öffentlichen
Gewalt bewahrt bleibt. Ist ein solcher Eingriff in Gestalt eines
gesetzlichen Gebots oder Verbots aber unerlässlich, so müssen
seine Voraussetzungen möglichst klar und für den Bürger erkennbar
umschrieben werden.Das Bestimmtheitsgebot zwingt den
Gesetzgeber zwar nicht, den Tatbestand mit genau erfassbaren
Maßstäben zu umschreiben, sodass es allein noch nicht gegen die
Normklarheit und Justitiabilität verstößt, wenn ein Gesetz
unbestimmte, der Auslegung und Konkretisierung bedürftige Begriffe
verwendet (BVerfGE 37, 132, 142). Allerdings ist das Gesetz so
bestimmt zu handhaben, wie dies nach der Eigenart der zu
ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck
möglich ist, wobei von Verfassungs wegen nur unvermeidbare
Auslegungsschwierigkeiten in Randbereichen hinzunehmen sind.
Entscheidend bleibt, dass die von der Norm Betroffenen die
Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten und in
zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen
Voraussetzungen für eine bestimmte Rechtsfolge vorliegen
(vgl BVerfGE 103, 332, 384 mwN; zum Ganzen BVerfG,
Nichtannahmebeschluss vom 3.9.2014 - 1 BvR 3353/13 - Juris;
weitere Nachweise zB bei Burghart in Leibholz/Rinck, GG, Stand
November 2017, Art 20 GG RdNr 681 ff; Jarass in Jarass/Pieroth,
GG, 15. Aufl 2018, Art 20 RdNr 86 mwN).
Das ist in Bezug auf die von dem Beklagten favorisierte Auslegung
nicht gewährleistet.
46
(b) Ebenso problematisch erweist sich die Auslegung des Beklagten
im Lichte der Rechtsprechung des BVerfG zu grundrechtsrelevanten
datenschutzrechtlichen Belangen
(grundlegend: BVerfGE 65, 1 ff - Volkszählungsurteil), wie sie
einfachgesetzlich auch vor dem Hintergrund des Art 12 GG im
Schutz von den Sozialdaten gleichgestellten Betriebsgeheimnissen
zum Ausdruck kommen
zum Ausdruck kommen
(vgl § 35 Abs 4 SGB I, § 67 Abs 1 S 2 SGB X). Seit dem
Volkszählungsurteil des BVerfG ist geklärt, dass der Einzelne das
Recht hat, grundsätzlich selbst zu entscheiden, in welchen Grenzen
er persönliche Lebenssachverhalte offenbart und welche
persönlichen Daten weitergegeben und verwendet werden
(vgl BVerfGE 65, 1, 41 ff). Danach gilt, dass Einschränkungen des
Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nur im überwiegenden
Allgemeininteresse zulässig sind und einer verfassungsgemäßen
gesetzlichen Grundlage bedürfen, die dem rechtsstaatlichen Gebot
der Normenklarheit entsprechen muss. Bei entsprechenden
Regelungen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten
und es sind organisatorische und verfahrensrechtliche
Vorkehrungen zu treffen, welche der Gefahr von
Rechtsverletzungen entgegenwirken. In seiner Rechtsprechung hat
auch der erkennende 3. Senat des BSG anerkannt, dass selbst in
vertraglichen Sonderrechtsbeziehungen des
Leistungserbringungsrechts der GKV (sozial-)datenschutzrechtliche
Belange Beachtung finden müssen
(vgl vor allem BSGE 115, 40 = SozR 4-2500 § 302 Nr 1, RdNr 16 ff
; ebenso BSG Urteil vom 28.11.2013 - B 3 KR
24/12 R - Juris)
. Dabei kommt es nicht erst darauf an - worauf der Beklagte den
Schwerpunkt legt -, dass eine Offenbarung der erhobenen Daten an
Dritte ausscheiden soll, vielmehr bedarf es bereits hinreichend
bestimmter Ermächtigungen für die Erhebung von Daten
(vgl § 67a SGB X). Dafür reicht allein das von ihm hervorgehobene,
zT in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende Anliegen
des Gesetzgebers nicht aus, mit dem Auskunftsanspruch des § 129
Abs 5c S 4 SGB V aF darauf reagieren zu wollen, dass erhebliche
Rabatte und Einkaufsvorteile für pharmazeutische Unternehmer
nicht an die Krankenkassen flössen, aber durch die Weiterleitung
von Einkaufsvorteilen bei onkologischen Rezepturen an die
gesetzliche Krankenversicherung (GKV) diese dauerhaft um 300
Mio Euro jährlich entlastet werden sollte
(Hinweis auf die Begründung des Gesetzentwurfs der
Bundesregierung zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer
Vorschriften, BT-Drucks 16/12256 S 2, 3 und 4)
. Hierbei handelt es sich um eine nicht einmal generalklauselartig in
den Gesetzestext des § 129 SGB V selbst aufgenommene
den Gesetzestext des § 129 SGB V selbst aufgenommene
Erwägung, die - selbst wenn dies der Fall wäre - nicht schon deshalb
ohne Weiteres sämtliche von dem Beklagten bzw den
Krankenkassen für erforderlich gehaltenen Datenerhebungen unter
dem Blickwinkel der Bestimmtheit von Eingriffsbefugnissen
rechtfertigen könnten.
47
Dem kann auch nicht etwa entgegengehalten werden, dass der
Klägerin nur die Offenbarung anonymisierter Daten abverlangt
werde. Denn bei der im Verhältnis zu Massenphänomenen
typischerweise relativ übersichtlichen Zahl der Kundenbeziehungen
eines pharmazeutischen Unternehmers in Bezug auf einen
bestimmten Wirkstoff ist selbst bei der anonymisierten Abfrage
mehrerer unterschiedlicher Datensätze zumindest die Gefahr von
betriebsbezogenen Rückschlüssen auf einzelne Kunden durch
Datenzusammenführung nicht von der Hand zu weisen, zumal
spiegelbildlich ja auch noch Informationen von Apotheken eingeholt
werden können. Das erfordert ebenfalls eine klare gesetzliche
Umschreibung der Offenbarungspflichten der in Anspruch
genommenen pharmazeutischen Unternehmer.
48
(c) Die vorbeschriebenen Auslegungsdefizite werden schließlich
auch nicht dadurch beseitigt, dass der Beklagte meint, ihm sei ein
gesetzliches Ermessen darüber eingeräumt worden, in welchem
Maße er die Datenerhebung für erforderlich halte.
49
Zwar trifft es zu, dass es in § 129 Abs 5c S 4 SGB V aF heißt, dass
der GKV-Spitzenverband und die Krankenkassen Nachweise
verlangen "können". Die Verwendung dieses Verbs deutet zwar
typischerweise auf ein Ermessen der Behörde hin, jedoch bedarf
auch und gerade eine Ermessensnorm einer hinreichend
bestimmten Ermächtigung zu Zweck und gesetzlichen Grenzen
(vgl nur im Sozialleistungsrecht § 39 Abs 1 SGB I).
Rechtsstaatlichen Grenzen bei der Auslegung einer Norm kann
jedenfalls unter dem Blickwinkel der Voraussehbarkeit staatlichen
Handelns gegenüber Grundrechtsträgern nicht allein durch das
Gebot nur pflichtgemäß auszuübenden Ermessens hinsichtlich der
für erforderlich gehaltenen Informationen Rechnung getragen
werden. Unbeschadet dessen sieht der Senat § 129 Abs 5c S 4
SGB V aF aber auch nicht als eine Ermessensregelung an
(vgl insoweit § 38 SGB I einerseits, § 39 SGB I andererseits), die
außerhalb des Leistungsrechts für das hier relevante
Leistungserbringungsrecht der GKV ohnehin eher untypisch ist. Der
Beklagte übersieht dabei (wie auch das LSG), dass "Kann-
Regelungen" insbesondere im Leistungserbringungsrecht oftmals
nur eine Kompetenz-Zuweisung enthalten, dh Befugnisnormen sind
(im Sinne eines rechtlichen Dürfens einer bestimmten Institution).
Entsprechendes hat die höchstrichterliche Rechtsprechung auch
schon in anderen Bereichen des Leistungserbringungsrechts
angenommen
(vgl zB BSG Urteil vom 25.1.2017 - B 6 KA 11/16 R - SozR 4-5540 §
5 Nr 2 RdNr 30 f , auch zur
Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; vgl auch LSG
Niedersachsen-Bremen vom 24.1.2018 - L 2 R 245/17 - NZS 2018,
334 = Juris RdNr 58 )
.
50
(d) Für die Richtigkeit der dargestellten Erwägungen, dass die
Regelungen in § 129 Abs 5c S 4 SGB V aF den konkret geltend
gemachten Auskunftsanspruch des Beklagten nicht stützen
konnten, spricht schließlich § 129 Abs 5c SGB V
(idF des AMVSG vom 4.5.2017, BGBl I 1050 mWv 13.5.2017).
Durch diese Neuregelungen sollte ausdrücklich der auch im
Gesetzgebungsverfahren erkannten Bestimmtheitsproblematik
Rechnung getragen und - allerdings erst mit Wirkung für die Zukunft
- eine rechtssichere Rechtsgrundlage geschaffen werden. Nach §
129 Abs 5c S 8 SGB V idF des AMVSG heißt es nunmehr:
51
"Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die
Krankenkasse können von der Apotheke Nachweise über
Bezugsquellen und verarbeitete Mengen sowie die tatsächlich
vereinbarten Einkaufspreise und vom pharmazeutischen
Unternehmer über die Abnehmer, die abgegebenen Mengen und
die vereinbarten Preise für Fertigarzneimittel in parenteralen
Zubereitungen verlangen."
52
Ferner wurde in § 129 Abs 5c S 10 SGB V idF des AMVSG nunmehr
Folgendes bestimmt:
53
"Der Anspruch nach Satz 8 umfasst jeweils auch die auf das
Fertigarzneimittel und den Gesamtumsatz bezogenen Rabatte."
54
In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es dazu, dass der
GKV-Spitzenverband sowie die Krankenkassen bereits nach dem
bis dahin geltenden Recht vom pharmazeutischen Unternehmer
Nachweise über die vereinbarten Preise für Fertigarzneimittel in
parenteralen Zubereitungen verlangen könnten, dass das
Auskunftsrecht jedoch "in der Praxis Durchsetzungsschwierigkeiten"
begegne. Wegen der Bedeutung von Herstellbetrieben und
Krankenhausapotheken bei der Versorgung mit Zytostatika durch
öffentliche Apotheken sei daher "klarzustellen", dass der
Auskunftsanspruch auch den tatsächlichen Einkaufspreis eines für
die Apotheke tätig werdenden Herstellbetriebs oder einer
Krankenhausapotheke umfasst; dies betreffe andere Apotheken,
Krankenhausapotheken sowie Betriebe, die über eine Erlaubnis
nach § 13 AMG verfügten und die für Apotheken die genannten
Arzneimittel herstellten. Von Einkaufsvorteilen bzw Einkaufsrabatten
sollten die Krankenkassen profitieren, indem diese Vorteile oder
Rabatte bei den Beratungen zur sogenannten Hilfstaxe bekannt
seien. Für einen angemessenen Marktüberblick sei es erforderlich,
dass auch die tatsächlichen Einkaufspreise der zuliefernden
Herstellbetriebe und Krankenhausapotheken in den
Auskunftsanspruch der Krankenkassen einbezogen würden. Dies
sei angesichts des Ziels der Sicherstellung der stabilen
Finanzierung der GKV angemessen. Es werde "klargestellt", dass
auch die auf das Fertigarzneimittel und den Gesamtumsatz
bezogenen Rabatte zum Umfang der Auskunftsverpflichtung zählten
(so der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum AMVSG, BT-
Drucks 18/10208 S 31 zu Buchst c, Doppelbuchst bb).
55
Dieser im AMSVG erkannte Neuregelungsbedarf wurde
gleichermaßen in den Beratungen des Ausschusses für Gesundheit
(14. Ausschuss) gesehen. So heißt es in der Beschlussempfehlung
und dem Bericht des Ausschusses
(BT-Drucks 18/11449 S 37 zu Nr 7 zu Buchst c, Doppelbuchst bb)
wie folgt: "Dass zu einem transparenten Marktüberblick auch
Angaben von Seiten der pharmazeutischen Unternehmer beitragen,
ist bereits in § 129 Absatz 5c anerkannt, da dort ein entsprechender
Auskunftsanspruch vorgesehen ist. Die Rechtsprechung hält die
Rechtsgrundlage dieses Auskunftsanspruchs teilweise für zu
unbestimmt. Dem wird mit dieser Regelung abgeholfen."
56
Entgegen der Ansicht des Beklagten lässt sich aus dem
Vorstehenden nicht ableiten, dass durch diese Neuregelungen
letztlich gar keine substanzielle Änderung der Rechtslage mit
Wirkung für die Zukunft erfolgte; eine rückwirkende Geltung ordnet
das Gesetz jedenfalls nicht an. Obwohl in der Begründung des
Regierungsentwurfs zum AMVSG noch von einer vermeintlichen
bloßen "Klarstellung" die Rede ist, wurde gleichwohl eine
rechtssichere Ermächtigung durch Erweiterungen des
Gesetzestextes geschaffen, indem nunmehr genauere Befugnisse
des Beklagten normiert und umschrieben sind. So wurde in § 129
Abs 5c S 8 SGB V idF des AMVSG den pharmazeutischen
Unternehmern aufgegeben, auch Nachweise über die Abnehmer,
die abgegebenen Mengen und die vereinbarten Preise zu erbringen,
und in § 129 Abs 5c S 10 SGB V idF des AMVSG wurde die
Auskunftspflicht explizit auf die auf das Fertigarzneimittel und den
Gesamtumsatz bezogenen Rabatte konkretisiert. Dies steht in
Einklang damit, dass nun auch in den Ausschussberatungen nicht
mehr nur von einer bloßen "Klarstellung" einer vermeintlich schon
immer geltenden Rechtslage die Rede ist; vielmehr wird dort
sinngemäß auf das im vorliegenden Revisionsverfahren
angefochtene LSG-Urteil Bezug genommen und ausgeführt, dass
die Rechtsprechung § 129 Abs 5c SGB V (aF) als "zu unbestimmt"
angesehen habe und dass "dem" mit der Neuregelung abgeholfen
werde
(vgl BT-Drucks 18/11449 S 37 zu Nr 7 zu Buchst c, Doppelbuchst
bb)
. Diese Erwägungen stehen im Einklang mit den obigen
Ausführungen unter (3) (a) bis (c).
57
c) Wie bereits erwähnt (s oben 3. b) bb) <1>), kann nach den
vorstehenden Erwägungen dahinstehen, ob die Auskünfte der
Klägerin an den Beklagten in ihrem Schreiben vom 4.7.2013 der
Auskunftspflicht nach § 129 Abs 5c S 4 SGB V aF genügten und ob
die Klägerin ihrer Pflicht dadurch nachkam, dass sie die
Preisspannen inklusive des Durchschnittspreises für die im Monat
Januar 2013 an Apotheken gelieferten streitigen Produkte benannte.
Die Klägerin beruft sich insoweit darauf, dass auch diese Angaben
tatsächlich mit zu einer neuen Hilfstaxenbildung geführt hätten.
Denn über die Frage, ob das Schreiben zur Erfüllung des
Auskunftsverlangens möglicherweise zumindest teilweise "inhaltlich
ausreichte", ist vom Senat nicht zu entscheiden. Maßgebend ist
vielmehr, dass sich der Beklagte in seinem Bescheid vom 22.5.2013
konkreter detaillierter Informationsrechte berühmt und dass die
Klägerin die vollständige Aufhebung dieses Bescheides in der
Fassung der nachfolgend ergangenen Bescheide begehrt. Gerichte
sind - so auch der Senat im Revisionsverfahren - nach den
Grundsätzen zur "geltungserhaltenden Reduktion" eines
Aufkunftsverwaltungsakts
(vgl BSGE 107, 255 = SozR 4-4200 § 60 Nr 1, RdNr 23 mwN; Keller
in Meyer-Ladewig, ua, SGG, aaO, § 131 RdNr 3b, 3c)
nicht befugt, einen solchen Bescheid im Sinne eines vermeintlichen
"Minus" nur teilweise aufzuheben. Ein zur Verfolgung eines
konkreten Zwecks mehrere Detailpunkte umfassendes und in einem
Bescheid "ensembleartig" zusammengeführtes Auskunftsverlangen
ist regelmäßig als einheitlicher Verwaltungsakt anzusehen. Bei
einem solchen Verwaltungsakt scheidet eine Teilrechtswidrigkeit
grundsätzlich aus, weil die behördliche Verfügung ansonsten durch
eine gerichtliche Umgestaltung einen insgesamt
wesensverändernden neuen Inhalt erhalten könnte. Von daher
kommt - wie vom LSG zu Recht vorgenommen - in derartigen Fällen
nur eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides insgesamt in
Betracht.
58
4. Da der Senat die allgemeine Befugnis des Beklagten, Auskünfte
und Nachweise durch Verwaltungsakt zu fordern(s oben unter 3. a)
bestätigt hat, war über den - nur für den Fall der Verneinung einer
Verwaltungsaktsbefugnis gestellten - Hilfsantrag des Beklagten auf
Entscheidung im Wege der Widerklage nicht mehr zu befinden.
59
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG
iVm § 154 Abs 2 VwGO.
60
6. Die Streitwertfestsetzung hat der Senat einem gesonderten
Beschluss vorbehalten.