Urteil des BSG vom 20.03.2018

Urteil vom 20.03.2018

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 20.3.2018, B 2 U 16/16 R
ECLI:DE:BSG:2018:200318UB2U1616R0
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des
Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. Januar
2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit
Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Erstattungspflicht von
Behandlungskosten, die infolge eines Sturzes des mittlerweile
verstorbenen S. K. (S. K.) entstanden sind.
2
Der 1937 geborene S. K. (in Zukunft: Verletzter) ist gelernter
Tischlermeister und war seit seinem 56. Lebensjahr im Ruhestand.
Am 20.7.2006 nahm er kleinere Reparaturarbeiten auf dem Dach der
über 80-jährigen Patentante seines Sohnes, Frau N., vor, zu der ein
inniges freundschaftliches Verhältnis bestand. Der Verletzte besuchte
Frau N. nach dem Tod ihres Ehemanns regelmäßig einmal
wöchentlich. Aufgrund ihres Alters konnte sich Frau N. nur noch
wenig um ihr Haus kümmern. Der Verletzte führte kleinere und
größere Handreichungen und Reparaturen im Haushalt der Frau N.
durch, wie zB das Reparieren der Heizung oder Mähen des Rasens.
Der Verletzte stellte dabei auch die Mängel am Dach fest, die er am
Unfalltag unentgeltlich ausbesserte. Später sollte dann eine komplette
Dachsanierung durch eine Firma ausgeführt werden. Der Verletzte
besorgte das für die Ausbesserungsarbeiten benötigte Material, die
Kosten für das Material trug Frau N.
3
Bei den Reparaturarbeiten am 20.7.2006 stürzte der Verletzte aus ca
fünf Metern Höhe vom Hausdach auf den Betonfußboden. Hierbei
erlitt er ein schweres Schädelhirntrauma mit erheblichen weiteren
Verletzungen. Nach Entlassung des Verletzten aus der stationären
Behandlung meldete die Klägerin mit Schreiben vom 10.7.2007 bei
der Beklagten einen Erstattungsanspruch wegen der Kosten der
Krankenhausbehandlung an, weil der Verletzte einen Arbeitsunfall
erlitten habe. In der Folgezeit machte die Klägerin weitere
Erstattungsansprüche wegen ärztlicher Verordnungen von Heil- und
Hilfsmitteln, häuslicher Krankenpflege, Krankentransporten und
Pflegegeld geltend.
4
Die Beklagte lehnte gegenüber dem Verletzten mit Bescheid vom
4.2.2008 die Anerkennung des Sturzes als Arbeitsunfall ab. Mit
Schreiben vom selben Tag teilte sie der Klägerin mit, dass die
Ermittlungen abgeschlossen seien. Gegen den Ablehnungsbescheid
wurde seitens des Verletzten kein Widerspruch eingelegt. Der
Verletzte verstarb am 29.5.2008.
5
Das SG hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 212 981,95 Euro
zu zahlen. Zur Begründung seines Urteils vom 9.8.2011 hat es
ausgeführt, der Verletzte habe einen Arbeitsunfall erlitten, weil er als
Wie-Beschäftigter gemäß § 2 Abs 2 SGB VII tätig geworden sei. Auf
die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG
aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 26.1.2016). Die
Beklagte habe die Anerkennung des Sturzereignisses als
Arbeitsunfall gegenüber dem Verletzten durch den Bescheid vom
4.2.2008 bestandskräftig abgelehnt. Diese Einwendung könne sie
dem Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 105 Abs 1 SGB X
erfolgreich entgegenhalten. In einem Erstattungsstreitverfahren sei
die Ablehnungsentscheidung nur dann zu korrigieren, wenn sie
objektiv dem materiellen Recht deutlich widerspreche. Die
Entscheidung der Beklagten vom 4.2.2008 sei aber nicht
offensichtlich fehlerhaft. denn es sei keine offensichtliche
Fehlentscheidung, eine Wie-Beschäftigung nach § 2 Abs 2 S 1 SGB
VII abzulehnen. Gegen eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit spreche
schon das freiwillige Anerbieten, die undichten Stellen auf dem Dach
unentgeltlich auszubessern. Denn Arbeitnehmer handelten im
Allgemeinen nur nach Aufforderung und nur gegen Entgelt oder für
sonstige materielle Vorteile. Gegen eine arbeitnehmerähnliche,
weisungsabhängige Stellung des Verletzten sprächen auch die
Gesamtumstände, unter denen er tätig geworden sei. Der Verletzte
sei nicht weisungsgebunden gewesen, sondern habe aus eigenem
Antrieb und maßgeblich aus freundschaftlicher Verbundenheit zu
Frau N. gehandelt.
6
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 105 Abs 1 S
1 SGB X. Diese Norm enthalte keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass
der Träger der Unfallversicherung gegen einen Erstattungsanspruch
eines anderen Sozialleistungsträgers die Einwendung erheben dürfe,
er habe bereits gegenüber dem Verletzten einen Versicherungsfall
bestandskräftig abgelehnt.
7
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26.
Januar 2016 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das
Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 9. August 2011
zurückzuweisen.
8
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
9 Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat
im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Klägerin kein
Erstattungsanspruch gegen die Beklagte wegen der an den
Verletzten erbrachten Leistungen zusteht. Zu Recht hat das LSG
daher das Urteil des SG aufgehoben.
10
Statthafte Klageart ist die echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5
SGG. Die Beklagte ist weder berechtigt noch verpflichtet, über den
Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Ein
solcher ist auch nicht ergangen.
11
Als Grundlage für einen Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die
Beklagte kommt allein § 105 Abs 1 SGB X in Betracht, wonach der
zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger unter
bestimmten weiteren Voraussetzungen dem unzuständigen
Leistungsträger, der Sozialleistungen erbracht hat,
erstattungspflichtig ist
(BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 39/02 R - SozR 4-2700 § 105 Nr 1
RdNr 7)
. Die Voraussetzungen des § 105 SGB X liegen jedoch nicht vor,
weil die Beklagte jedenfalls nicht der zuständige Leistungsträger für
die im Erstattungsverlangen seitens der Klägerin geltend gemachten
Kosten ist. Für die Leistung zuständig ist der Sozialleistungsträger,
der im Hinblick auf den erhobenen Sozialleistungsanspruch nach
materiellem Recht richtigerweise sachlich befugt (passiv legitimiert)
ist
(vgl BSG vom 22.7.1987 - 1 RA 63/85 - SozR 1300 § 105 Nr 5 S 13;
BSG vom 25.4.1989 - 4/11a RK 4/87 - BSGE 65, 31 = SozR 1300 §
111 Nr 6; BSG vom 26.10.1998 - B 2 U 34/97 R - SozR 3-2200 §
539 Nr 43 S 176; BSG vom 28.4.1999 - B 9 V 8/98 R - BSGE 84, 61
= SozR 3-1300 § 105 Nr 5, SozR 3-3100 § 27i Nr 1; BSG vom
11.3.2014 - B 11 AL 4/14 R - SozR 4-4300 § 126 Nr 3 RdNr 11)
. Die Zuständigkeit der Klägerin folgt allerdings nicht bereits aus dem
in Bestandskraft erwachsenen Verwaltungsakt der Beklagten vom
4.2.2008, mit dem diese die Anerkennung des Sturzereignisses
gegenüber dem Verletzten als Arbeitsunfall abgelehnt hat
(dazu unter A.). Dahinstehen kann hierbei, ob die Beklagte als auf
Erstattung in Anspruch genommener Leistungsträger diesen
bestandskräftigen Verwaltungsakt aus dem Innenverhältnis zum
Verletzten der Klägerin wegen dessen "Tatbestandswirkung" als
Einwendung entgegen halten kann (dazu unter B.). Denn der
Verletzte hat jedenfalls keinen Versicherungsfall iS des § 7 SGB VII
erlitten, für den die Beklagte einstandspflichtig wäre (dazu unter C.).
12
A. Die Beklagte ist nicht bereits aufgrund ihres Verwaltungsaktes
vom 4.2.2008, mit dem sie gegenüber dem Verletzten die
Anerkennung des Sturzereignisses vom 20.7.2006 als Arbeitsunfall
abgelehnt hat, unzuständiger Leistungsträger. Dieser
Verwaltungsakt wurde zwar bestandskräftig (§ 77 SGB X), weil der
Verletzte keinen Widerspruch eingelegt hat. Die
Erstattungsansprüche nach den §§ 102 ff SGB X sind aber keine
von der Rechtsposition des Berechtigten abgeleiteten, sondern
eigenständige Ansprüche
(stRspr; vgl zB BSG vom 13.9.1984 - 4 RJ 37/83 - BSGE 57, 146,
147 = SozR 1300 § 103 Nr 2 S 3; BSG vom 22.5.1985 - 1 RA 33/84 -
BSGE 58, 119, 125 f mwN = SozR 1300 § 104 Nr 7 S 24 mwN; BSG
vom 14.5.1985 - 4a RJ 21/84 - SozR 1300 § 104 Nr 6; BSG vom
9.12.1986 - 8 RK 12/85 - BSGE 61, 66, 68 mwN = SozR 2200 § 182
Nr 104 S 222 mwN; BVerwG vom 12.9.1991 - 5 C 52/88 - BVerwGE
89, 39, 45 f; BVerwG vom 19.11.1992 - 5 C 33/90 - BVerwGE 91,
177, 185; BVerwG vom 13.3.2003 - 5 C 6/02 - BVerwGE 118, 52, 57
f)
. Eine Feststellungswirkung der Entscheidung, die auch
Sachverhaltsmerkmale und rechtliche Wertungen in die "Bindung"
mit einbezieht, besteht damit nicht
(BSG vom 13.12.2016 - B 1 KR 29/15 R - BSGE 122, 162 = SozR 4-
1300 § 105 Nr 5, RdNr 11; vgl BSG vom 19.3.1998 - B 7 AL 86/96 R
- SozR 3-4100 § 112 Nr 29 S 136; BSG vom 8.9.2015 - B 1 KR
16/15 R - BSGE 119, 298 = SozR 4-2500 § 16 Nr 1, RdNr 22 mwN)
. Jedenfalls sieht das Gesetz eine solche "Bindung" nicht vor.
13
B. Im Ergebnis kann aber auch dahinstehen, ob der Verwaltungsakt
vom 4.2.2008 eine - wie auch immer geartete - tatbestandliche
Drittwirkung entfaltet, sodass er als Einwendung auch gegenüber
der Klägerin geltend gemacht werden könnte. Dies wird zwar in der
Rechtsprechung (dazu unter 1.) sowie der Literatur (dazu unter 2.)
vertreten, nicht aber von der ständigen Rechtsprechung des
erkennenden Senats geteilt (dazu unter 3.). Im vorliegenden Fall
erweist sich aber der ablehnende Bescheid der Beklagten vom
4.2.2008 ohnehin als rechtmäßig, sodass nicht darüber entschieden
werden muss, ob und inwieweit auch ein rechtswidriger
Verwaltungsakt, der gegenüber dem Verletzten bestandskräftig
wurde, von einem anderen Leistungsträger im Erstattungsverfahren
hinzunehmen wäre (hierzu unter C.).
14
1. Die eine solche Drittwirkung gegenüber dem Versicherten
ergangener ablehnender Verwaltungsakte bejahende
Rechtsprechung geht davon aus, dass der nachrangige oder
unzuständige Leistungsträger bei der Geltendmachung der
Erstattung die bestandskräftige Entscheidung des vorrangigen oder
zuständigen Leistungsträgers zu beachten habe. Dem
korrespondiere das Recht des in Anspruch genommenen
Leistungsträgers, sich auf seine eigenen bindenden
Verwaltungsakte zu berufen
(vgl BSG vom 26.6.2008 - B 13 R 37/07 R - BSGE 101, 86 = SozR
4-2500 § 51 Nr 2, RdNr 14; BSG vom 26.7.2007 - B 13 R 38/06 R -
SozR 4-2600 § 116 Nr 1 RdNr 13; BSG vom 12.5.1999 - B 7 AL
74/98 R - BSGE 84, 80, 83 f = SozR 3-1300 § 104 Nr 15 S 56 f; BSG
vom 8.7.1998 - B 13 RJ 49/96 R - BSGE 82, 226, 228 = SozR 3-
2600 § 99 Nr 2 S 4; BSG vom 1.4.1993 - 1 RK 10/92 - BSGE 72,
163, 166 = SozR 3-2200 § 183 Nr 6 S 14 f; BSG vom 6.2.1992 - 12
RK 15/90 - BSGE 70, 99, 104 = SozR 3-1500 § 54 Nr 15 S 41; BSG
vom 22.7.1987 - 1 RA 63/85 - SozR 1300 § 105 Nr 5 S 12; BSG vom
22.5.1985 - 1 RA 33/84 - BSGE 58, 119, 126 = SozR 1300 § 104 Nr
7 S 24 f; BSG vom 13.9.1984 - 4 RJ 37/83 - BSGE 57, 146, 149
f = SozR 1300 § 103 Nr 2 S 5; vgl auch BFH Urteil vom 14.5.2002 -
f = SozR 1300 § 103 Nr 2 S 5; vgl auch BFH Urteil vom 14.5.2002 -
VIII R 88/01
-Juris RdNr 16ff). Aus der Tatbestandswirkung
(Drittbindungswirkung) von Verwaltungsakten folge, dass Behörden
und Gerichte die in einem bindenden Bescheid getroffene Regelung
als verbindlich hinzunehmen und ohne Prüfung der Rechtmäßigkeit
ihren Entscheidungen zugrunde zu legen hätten
(vgl BSG vom 17.6.2009 - B 6 KA 16/08 R - BSGE 103, 243 = SozR
4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 42 f; BSG vom 8.9.2015 - B 1 KR 16/15 R -
BSGE 119, 298 = SozR 4-2500 § 16 Nr 1, RdNr 22 mwN)
. Dies erfordere die Funktionsfähigkeit des auf dem Prinzip der
Aufgabenteilung beruhenden gegliederten Sozialleistungssystems
(vgl BSG vom 30.5.2006 - B 1 KR 17/05 R - SozR 4-3100 § 18c Nr 2
RdNr 30; BSG vom 12.5.1999 - B 7 AL 74/98 R - BSGE 84, 80, 83 f
= SozR 3-1300 § 104 Nr 15 S 57; BSG vom 23.6.1993 - 9/9a RV
35/91 - SozR 3-1300 § 112 Nr 2 S 5; BSG vom 13.9.1984 - 4 RJ
37/83 - BSGE 57, 146, 149 f = SozR 1300 § 103 Nr 2 S 5)
. Eine Bindungswirkung im Erstattungsstreit soll grundsätzlich selbst
dann bestehen, wenn der Verwaltungsakt fehlerhaft sei
(vgl BSG vom 1.4.1993 - 1 RK 10/92 - BSGE 72, 163, 166 = SozR 3-
2200 § 183 Nr 6 S 15; BSG vom 8.7.1998 - B 13 RJ 49/96 R - BSGE
82, 226, 228 = SozR 3-2600 § 99 Nr 2 S 4)
. Der auf Erstattung in Anspruch genommene Leistungsträger dürfe
sich nur dann nicht auf die Bindungswirkung seiner Entscheidung
berufen, wenn diese sich als offensichtlich fehlerhaft erweise und
sich dies zum Nachteil des anderen Leistungsträgers auswirke
(vgl BSG vom 26.6.2008 - B 13 R 37/07 R - BSGE 101, 86 = SozR
4-2500 § 51 Nr 2, RdNr 14; BSG vom 30.5.2006 - B 1 KR 17/05 R -
SozR 4-3100 § 18c Nr 2 RdNr 30; BSG vom 1.4.1993 - 1 RK 10/92 -
BSGE 72, 163, 168 = SozR 3-2200 § 183 Nr 6 S 17; BSG vom
13.9.1984 - 4 RJ 37/83 - BSGE 57, 146, 150 = SozR 1300 § 103 Nr
2 S 6)
.
15
2. Diese Meinung wird in der Literatur mit der Begründung geteilt,
dass aufgrund der Pflicht zur Zusammenarbeit und dem sich daraus
ergebenden Interessenwahrungsgrundsatz der Leistungsträger,
dessen Entscheidung von dem anderen Leistungsträger
ausdrücklich beanstandet werde, in eine nochmalige Überprüfung
der Sach- und Rechtslage einzutreten habe. Hinsichtlich des
Umfangs und des Ergebnisses der Prüfung bestehe aber ein weiter
Spielraum: Der Leistungsträger könne sich in der Regel auf seine
bindende Entscheidung einschließlich ihrer Tatbestandswirkung
berufen, auch dann, wenn der Verwaltungsakt fehlerhaft sei. Der
Leistungsträger dürfe allerdings dann nicht auf der getroffenen
Entscheidung beharren, wenn sich die Entscheidung als
offensichtlich fehlerhaft erweise, wobei nicht die Grenze des § 40
SGB X erreicht werden müsse
(Becker in Hauck/Noftz, SGB X, K § 105 RdNr 71 ff; Roos in von
Wulffen/Schütze, SGB X, vor §§ 102 - 114, RdNr 9; Schlaeger,
jurisPR-SozR 9/2016, Anm 2; vgl dazu auch die Ausführungen bei
Kater in Kasseler Komm, § 103 SGB X RdNr 56; Böttiger in
Diering/Timme/Waschull, SGB X, 4. Aufl 2016, § 103 RdNr 44; dem
grundsätzlich zustimmend auch von Einem, SGb 1989, 184, 190;
Prange in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl 2017, § 105
SGB X, RdNr 64; ablehnend Krasney, KrV 2014, 1 ff)
.
16
3. Der erkennende Senat hat hingegen eine Berechtigung des auf
Erstattung in Anspruch genommenen Sozialleistungsträgers, die
gegenüber dem Leistungsberechtigten ergangenen bindenden
Verwaltungsakte auch dem Erstattungsgläubiger entgegenzuhalten,
stets verneint
(vgl BSG vom 28.9.1999 - B 2 U 36/98 R - Juris RdNr 19 - SozR 3-
5670 § 3 Nr 4; BSG vom 27.8.1987 - 2 RU 49/86 - BSGE 62, 118 =
SozR 2200 § 562 Nr 7; BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 12/12 R - SozR 4-
2700 § 8 Nr 49)
. Er hat dabei darauf hingewiesen, dass es sich bei den
Erstattungsansprüchen der §§ 102 ff SGB X um eigenständige,
originäre Ansprüche handelt, die nicht von der Rechtsposition des
Leistungsberechtigten abgeleitet sind
(BSG vom 28.9.1999 - B 2 U 36/98 R - SozR 3-5670 § 3 Nr 4, SozR
3-5090 § 5 Nr 3, Juris RdNr 19; BSG vom 27.8.1987 - 2 RU 49/86
-BSGE 62, 118, 123 = SozR 2200 § 562 Nr 7 S 10). Nach der
bisherigen Rechtsprechung des Senats steht dementsprechend
selbst die bindende Ablehnung des Anspruchs des
Sozialleistungsberechtigten durch den auf Erstattung in Anspruch
genommenen Leistungsträger einem späteren Erstattungsbegehren
des vorleistenden Leistungsträgers nicht entgegen
(vgl BSG vom 27.8.1987 - 2 RU 49/86 - BSGE 62, 118, 123 = SozR
aaO; BSG vom 30.4.1991 - 2 RU 78/90 - USK 91127 zu § 1504
RVO)
. Auch der 1. Senat des BSG lehnt die Tatbestandswirkung eines
Verwaltungsaktes zumindest dann ab, wenn dieser durch den
Erstattung begehrenden Sozialleistungsträger ergangen ist, weil der
faktisch in Vorleistung getretene (vermeintlich unzuständige)
Leistungsträger weniger schutzwürdig sei als der Leistungsträger,
der von diesem auf Erstattung in Anspruch genommen werde
(BSG vom 13.12.2016 - B 1 KR 29/15 R - BSGE 122, 162 = SozR 4-
1300 § 105 Nr 5, RdNr 15)
.
17
Der Senat kann hier dahinstehen lassen, ob er an seiner
Rechtsprechung festhält. Ebenso kann dahinstehen, ob die durch
den 1. Senat des BSG (aaO) neuerdings vorgenommene
Differenzierung danach, ob der Verwaltungsakt gegenüber dem
Versicherten vom Erstattungsgläubiger oder Erstattungsschuldner
erlassen wurde, überzeugt. Hieran bestehen erhebliche Zweifel,
wenn - wie im vorliegenden Fall - der ablehnende Verwaltungsakt
des potenziellen Erstattungsschuldners zeitlich erst nach der
Geltendmachung des Erstattungsbegehrens durch den
Erstattungsgläubiger erlassen wurde. Denn unabhängig von der
Frage einer wie auch immer gearteten Drittwirkung des ablehnenden
Verwaltungsaktes vom 4.2.2008 besteht im vorliegenden Fall
jedenfalls offensichtlich schon deshalb kein Erstattungsanspruch der
Klägerin, weil die Beklagte zu Recht einen Arbeitsunfall des
Verletzten abgelehnt hat und damit nicht zuständiger
Sozialleistungsträger iS des § 105 SGB X ist. Es kann daher
offenbleiben, inwiefern auch ein rechtswidriger ablehnender
Verwaltungsakt gegenüber dem Versicherten eine solche
Bindungswirkung zulasten der Klägerin entfalten könnte.
18
C. Der Verletzte hat am 20.7.2006 keinen Arbeitsunfall nach § 8 Abs
1 SGB VII, für dessen Entschädigung die Beklagte zuständiger
Leistungsträger wäre, erlitten. Ein Arbeitsunfall setzt voraus, dass
der Unfall infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3
oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit eingetreten ist. Insofern
liegen bei dem Verletzten weder die Voraussetzungen einer
Beschäftigung (dazu unter 1.) noch einer Wie-Beschäftigung
(dazu unter 2.) vor.
19
1. Der Verletzte erlitt den Unfall am 20.7.2006 nicht als Beschäftigter
iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Nach § 7 SGB IV ist Beschäftigung
die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem
Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind
eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die
Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Eine
Beschäftigung liegt zunächst immer dann vor, wenn ein
Arbeitsverhältnis besteht. Sie kann aber auch ohne Arbeitsverhältnis
gegeben sein, wenn der Verletzte sich in ein fremdes Unternehmen
eingliedert und seine konkrete Handlung sich dem Weisungsrecht
eines Unternehmers insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und
Art der Verrichtung unterordnet
(vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-
2700 § 2 Nr 20, RdNr 31 ff)
. Dabei kommt es auf die das Gesamtbild bestimmenden
tatsächlichen Verhältnisse an
(BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 5/14 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 33 RdNr
16; vgl BSG vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 =
SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN und vom 14.11.2013 - B 2 U
15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27 RdNr 14)
. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) liegen
keinerlei Hinweise auf ein Beschäftigungsverhältnis und eine
Eingliederung des Verletzten in den "Betrieb" der Frau N. vor.
20
2. Der Verletzte stand auch nicht als sog Wie-Beschäftigter gemäß §
2 Abs 2 SGB VII unter dem Schutz der Gesetzlichen
Unfallversicherung. Voraussetzung einer Wie-Beschäftigung nach §
2 Abs 2 S 1 SGB VII ist, dass eine einem fremden Unternehmen
dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des
Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert
erbracht wird, die ihrer Art nach von Personen verrichtet werden
könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen
(BSG vom 27.10.2009 - B 2 U 26/08 R - Juris RdNr 25; BSG vom
13.9.2005 - B 2 U 6/05 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 7 RdNr 7 mwN)
. Der Verletzte handelte - ausgehend von den bindenden
Feststellungen des LSG - wie ein Unternehmer und gerade nicht wie
ein Beschäftigter der Frau N. Der Verletzte erbrachte seine Tätigkeit
nicht arbeitnehmerähnlich.
21
Zwar hatte die Tätigkeit, bei der der Verletzte den Unfall erlitt, einen
wirtschaftlichen Wert
(s BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 5/14 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 33; BSG
vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27)
, was das LSG ausdrücklich festgestellt hat. Ebenso diente nach
den bindenden Feststellungen des LSG die unfallbringende
Verrichtung des Verletzten einem fremden Unternehmen - dem
Haushalt der Frau N. - und entsprach zugleich deren Willen
(BSG vom 26.1.1988 - 2 RU 23/87 - Juris RdNr 16; zum Haushalts-
Begriff vgl BSG vom 29.11.1990 - 2 RU 18/90 - SozR 3-2200 § 539
Nr 6, Juris RdNr 20 mwN; vgl Schwerdtfeger in Lauterbach,
Unfallversicherung, Stand November 2017, § 2 RdNr 644;
Bieresborn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl 2014, § 2
SGB VII, RdNr 391)
.
22
Der Verletzte erbrachte die unfallbringende Verrichtung jedoch nicht
arbeitnehmerähnlich und damit "wie ein Beschäftigter nach § 2 Abs
1 Nr 1 SGB VII". Insofern erweist sich die Entscheidung der
Beklagten in dem Bescheid gegenüber dem Verletzten als
zutreffend. Arbeitnehmerähnlichkeit setzt nicht voraus, dass alle
Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses erfüllt sein
müssen (dazu unter a). Das Gesamtbild der Tätigkeit muss aber in
einem größeren zeitlichen Zusammenhang eine
beschäftigungsähnliche Tätigkeit ergeben, was im vorliegenden Fall
zu verneinen ist (dazu unter b).
23
a) Die Arbeitnehmerähnlichkeit im Sinne einer Wie-Beschäftigung
verlangt nicht, dass alle Voraussetzungen eines
Beschäftigungsverhältnisses erfüllt sein müssen. Insbesondere
braucht keine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom
unterstützten Unternehmen vorzuliegen
(s BSG vom 17.3.1992 - 2 RU 22/91 - SozR 3-2200 § 539 Nr 16,
Juris RdNr 15)
, ebenso wenig ist die Eingliederung in das unterstützte
Unternehmen zwingend erforderlich. Dahinstehen kann, ob eine
Wie-Beschäftigung iS des § 2 Abs 2 SGB VII voraussetzt, dass die
Verrichtung typisierend betrachtet üblicherweise von abhängig
Beschäftigten erbracht wird und es insofern für die ausgeübte
Tätigkeit einen Arbeitsmarkt gibt
(vgl LSG Baden-Württemberg vom 31.8.2012 - L 8 U 4142/10 - Juris
RdNr 37; vgl auch Hessisches LSG vom 12.4.2016 - L 3 U 171/13 -
Juris RdNr 33; Matz/Baumann, NJW 2016, 673, 674 mwN)
. Insofern hat das LSG ohnehin bindend festgestellt, dass
Ausbesserungsarbeiten auf Flachdächern, wie sie der Verletzte vor
seinem Unfall erbracht hat, im Regelfall von Arbeitnehmern in
Dachdeckerbetrieben gewerblich ausgeführt werden.
24
b) Die Beklagte hat aber hier zu Recht gegenüber dem Verletzten
die Arbeitnehmerähnlichkeit seiner Verrichtungen abgelehnt. Die
Arbeitnehmerähnlichkeit einer Tätigkeit hängt entscheidend davon
ab, ob das Gesamtbild des Vorhabens in einem größeren zeitlichen
Zusammenhang eine beschäftigungsähnliche Tätigkeit ergibt
(s BSG vom 13.8.2002 - B 2 U 33/01 R - HVBG-INFO 2002, 2818).
Ausschlaggebend ist, ob nach der erforderlichen
Gesamtbetrachtung die Tätigkeit wie von einem Beschäftigten oder
wie von einem Unternehmer
(zu § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO BSG vom 17.3.1992 - 2 RU
22/91 - SozR 3-2200 § 539 Nr 16 - Kfz-Mechaniker sowie BSG vom
31.5.2005 - B 2 U 35/04 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 5 RdNr 11; vgl auch
Kruschinsky in
Krasney/Becker/Burchardt/Kruschinsky/Heinz/Bieresborn,
Gesetzliche Unfallversicherung , Stand Januar 2018, § 2
RdNr 816)
erbracht wurde. Je mehr Gesichtspunkte der bestimmenden
tatsächlichen Verhältnisse für die Arbeitnehmerähnlichkeit sprechen,
umso eher ist eine Wie-Beschäftigung iS des § 2 Abs 2 SGB VII zu
bejahen.
25
Für die Arbeitnehmerähnlichkeit einer Tätigkeit spricht, wenn die in
Betracht kommende Person nach Art der Tätigkeit auch als
Arbeitnehmer hätte beschäftigt werden können
(s BSG vom 5.7.1994 - 2 RU 24/93 - SozR 3-2200 § 548 Nr 20 =
NZS 1995, 81)
. Des Weiteren spricht für das Vorliegen einer Wie-Beschäftigung iS
des § 2 Abs 2 SGB VII die Fremdbestimmtheit der Tätigkeit im
Hinblick auf Zeitpunkt und Art ihrer Ausführung in Anlehnung an für
Beschäftigungsverhältnisse typische Weisungsrechte iS des § 106
GewO und damit eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts iS
des § 315 BGB, ohne dass es einer eine Beschäftigung
charakterisierenden Eingliederung in einen Betrieb bedarf
(vgl BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 1/14 R - SozR 4-2400 § 4 Nr 2
RdNr 23 zur Eingliederung)
. Unschädlich ist, wenn es sich um eine geringfügige Tätigkeit
handelt
(vgl BSG vom 30.4.1979 - 8a RU 38/78 - SozR 2200 § 539 Nr 57)
oder dass der unterstützte Unternehmer eine solche Arbeitskraft
nicht tatsächlich beschäftigt hätte
(vgl BSG vom 5.3.2002 - B 2 U 9/01 R - Juris). Auch ist unerheblich,
ob die in Betracht kommenden Personen von dem Unternehmen
üblicherweise beschäftigt werden, sondern es genügt, dass sie nach
Art der Tätigkeit beschäftigt werden könnten
(s BSG vom 5.7.1994 - 2 RU 24/93 - SozR 3-2200 § 548 Nr 20 =
NZS 1995, 81)
.
26
Als Unternehmer oder unternehmerähnlich wird die Tätigkeit
hingegen verrichtet, wenn die Handlungstendenz nicht auf die
Belange eines fremden Unternehmens gerichtet ist, sondern der
Verletzte in Wirklichkeit wesentlich allein eigenen Angelegenheiten
dienen wollte und es somit an der fremdwirtschaftlichen
Zweckbestimmung fehlt
Zweckbestimmung fehlt
(vgl BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 22/04 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 6;
BSG vom 28.5.1957 - 2 RU 150/55 - BSGE 5, 168, 174; BSG vom
20.1.1977 - 8 RU 38/76 - SozR 2200 § 539 Nr 32; BSG vom
1.2.1979 - 2 RU 65/78 - SozR 2200 § 539 Nr 55 sowie BSG vom
13.9.1984 - 4 RJ 37/83 - BSGE 57, 146 = SozR 1300 § 103 Nr 2;
Mehrtens in Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 2 RdNr 34.12)
. Unternehmer ist nach der gesetzlichen Definition in § 136 Abs 3 Nr
1 SGB VII derjenige, dem das Ergebnis seines Unternehmens
unmittelbar zum Vor- und Nachteil gereicht. Für eine
Unternehmerähnlichkeit ist hingegen kein Geschäftsbetrieb oder
eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit erforderlich
(BSG vom 10.3.1994 - 2 RU 20/93 - SozR 3-2200 § 539 Nr 28 -
Amateurrennreiter)
. Unternehmerähnlich wird zB auch die Tätigkeit eines
Vorstandsvorsitzenden einer Aktiengesellschaft im Rahmen eines
Geschäftsführervertrages verrichtet, der aufgrund seiner das
Unternehmen beherrschenden Stellung kein Beschäftigter ist
(BSG vom 14.12.1999 - B 2 U 38/98 R - BSGE 85, 214 = SozR 3-
2200 § 539 Nr 48, Juris RdNr 17; zuletzt BSG vom 20.3.2018 - B 2 U
13/16 R)
. Für eine Unternehmerähnlichkeit spricht auch, wenn der Verletzte
Tätigkeiten erbringt, die mit einem anderen Vertragstyp vergleichbar
sind, zB mit einem Werkvertrag nach § 631 BGB oder bei Fehlen
einer Vergütungsvereinbarung mit einem Auftrag mit
Werksvertragscharakter (§ 662 BGB). Hier wird dann dem
Auftraggeber nicht die eigene Arbeitskraft zur Verfügung gestellt,
sondern ein Werk eigenverantwortlich hergestellt bzw ein konkreter
Auftrag erledigt
(s BSG vom 27.10.1987 - 2 RU 9/87 - HVBG-Info 03/1988, 213).
Dasselbe gilt, wenn der Verletzte die Ausführung des von ihm
übernommenen im Wesentlichen frei planerisch gestalten und seine
Arbeitszeit bestimmen konnte. Letztere Gesichtspunkte sprechen im
vorliegenden Fall deutlich für das Vorliegen einer
unternehmerähnlichen Handlungstendenz des Verletzten. Es ist
nach dem vom LSG festgestellten Sachverhalt davon auszugehen,
dass der Verletzte in der Durchführung seiner
"Freundschaftsdienste" für die über 80-jährige Frau N. völlig frei war
und jeweils eigeninitiativ eine Reparatur etc vorschlug, ohne dabei
an Weisungen hinsichtlich der Zeit oder der Durchführung gebunden
an Weisungen hinsichtlich der Zeit oder der Durchführung gebunden
zu sein.
27
Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war das
Gesamtbild der Tätigkeit des Verletzten für Frau N. dadurch geprägt,
dass er kleinere und größere Handreichungen und Reparaturen
innerhalb und außerhalb des Hauses regelmäßig durchführte, wozu
das Reparieren der Heizung, das Mähen des Rasens sowie die
Beschaffung des für Ausbesserungsarbeiten am Dach benötigten
Materials gehörten. Frau N. konnte sich nur noch wenig um ihr Haus
kümmern und kann daher nicht als Unternehmerin/Arbeitgeberin
angesehen werden, die gegenüber dem Verletzten ein
Direktionsrecht gehabt haben könnte. Der Verletzte handelte stets
nicht weisungsgebunden, sondern freiwillig aus eigenem Antrieb
und selbstbestimmt. Die finanziellen Mittel für das vom Verletzten zu
verwendende Material wurden zwar von Frau N. zur Verfügung
gestellt, wobei der Verletzte das Material aber wiederum völlig
eigenverantwortlich einkaufte. Nach der erforderlichen
Gesamtbetrachtung in einem größeren zeitlichen Zusammenhang
ergibt sich somit eine Tätigkeit, die aufgrund der fehlenden auch nur
ansatzweise vorhandenen Fremdbestimmtheit nicht
arbeitnehmerähnlich war, sondern der Verletzte beabsichtigte,
eigenverantwortlich ein eigenes Werk herzustellen
(s BSG vom 27.10.1987 - 2 RU 9/87 - HVBG-Info 03/1988, 213).
28
Gegen eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit des Verletzten spricht im
Rahmen der Gesamtbetrachtung ergänzend auch der
Gesichtspunkt, dass die Verrichtung wegen und im Rahmen einer
Sonderbeziehung zu Frau N. erfolgte. Nach den Feststellungen des
LSG bestand eine jahrelange enge Freundschaftsbeziehung
zwischen dem Verletzten und Frau N., die der Verrichtung des
Dachreparierens letztlich ihr Gepräge gab. Eine solche
Dachreparierens letztlich ihr Gepräge gab. Eine solche
Sonderbeziehung, die bei der notwendigen Gesamtbetrachtung eine
arbeitnehmerähnliche Tätigkeit iS des § 2 Abs 2 SGB VII schon für
sich betrachtet ausschließen könnte, liegt bei Erfüllung
gesellschaftlicher, insbesondere familiärer, freundschaftlicher,
nachbarschaftlicher, mitgliedschaftlicher, gesellschaftsrechtlicher
oder körperschaftlicher Art vor (vgl BSG vom 20.4.1993 - 2 RU 38/92
-SozR 3-2200 § 539 Nr 25; BSG vom 25.10.1989 - 2 RU 4/89-
SozR 2200 § 539 Nr 134; BSG vom 26.10.1978 - 8 RU 14/78-
SozR 2200 § 539 Nr 49; BSG vom 1.2.1979 - 2 RU 65/78 - SozR
2200 § 539 Nr 55; BSG vom 8.5.1980 - 8a RU 38/79 - SozR 2200 §
539 Nr 66; BSG vom 29.1.1986 - 9b RU 68/84
-
BSGE 59, 284, 287 = SozR 2200 § 539 Nr 114 S 320 f = SGb 1986,
376; BSG vom 12.5.1981 - 2 RU 40/79
-
BSGE 52, 11 = SozR 2200 § 539 Nr 81; BSG vom 5.8.1987 - 9b RU
18/86
-
SozR 2200 § 539 Nr 123; BSG vom 24.3.1998 - B 2 U 13/97 R -
SozR 3-2200 § 539 Nr 41; BSG vom 31.1.1961 - 2 RU 173/58 -
BSGE 14, 1, 3; BSG vom 31.7.1962 - 2 RU 110/58 - BSGE 17, 211,
216 = SozR Nr 30 zu § 537 RVO aF Aa 31)
. Auch bei einer solchen "Sonderbeziehung" sind allerdings alle
Umstände des Einzelfalls zu würdigen, sodass die konkrete
Verrichtung auch außerhalb dessen liegen kann, was im Rahmen
enger Verwandtschafts- oder Freundschaftsbeziehungen getan oder
erwartet wird
(BSG vom 27.3.2012 - B 2 U 5/11 R - Juris RdNr 57; vgl BSG vom
30.11.1962 - 2 RU 174/60 - BSGE 18, 143 = SozR Nr 33 zu § 537
RVO, Juris RdNr 20; Kruschinsky in
Krasney/Becker/Burchardt/Kruschinsky/Heinz/Bieresborn,
Gesetzliche Unfallversicherung , Stand Januar 2018, § 2
RdNr 858; Schwerdtfeger in Lauterbach, Unfallversicherung, Stand
November 2017, § 2 RdNr 644; Bieresborn in Schlegel/Voelzke,
jurisPK-SGB VII, 2. Aufl 2014, § 2 SGB VII, RdNr 399 ff)
. Nach den Feststellungen des LSG bestand jedoch eine jahrelange
freundschaftliche Beziehung zwischen dem Verletzten und Frau N.,
die zu regelmäßigen Freizeitkontakten und Besuchen führten, die
der Tätigkeit des Dachreparierens letztlich ihr Gepräge gaben. Bei
der Tätigkeit des Dachreparierens letztlich ihr Gepräge gaben. Bei
einer solchen Intensität der Beziehung kann die Übernahme
lediglich vorläufiger Ausbesserungsarbeiten - die endgültige
Dachsanierung sollte nach den Feststellungen des LSG durch eine
fachkundige Firma erfolgen - nicht als außerhalb dessen angesehen
werden, was im Rahmen enger Verwandtschafts- oder
Freundschaftsbeziehungen selbstverständlich getan oder erwartet
wird.
29
Letztlich entspricht dieses Ergebnis auch Sinn und Zweck der Norm
des § 2 Abs 2 SGB VII, nach der aus sozialpolitischen und
rechtssystematischen Gründen Versicherungsschutz in allen Fällen
gelten soll, in denen selbst bei vorübergehenden Tätigkeiten die
Grundstruktur des Beschäftigungsverhältnisses als
Versicherungsgrund vorliegt. Sie geht zurück auf den durch das 6.
Unfallversicherungsänderungsgesetz vom 9.3.1942 (RGBl I 107)
vollzogenen Übergang von der Betriebs- auf die
Personenversicherung
(s BSG vom 28.5.1957 - 2 RU 150/55 - BSGE 5, 168, 171 = NJW
1958, 158; Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts vgl RVO
mit Anmerkungen herausgegeben von Mitgliedern des
Reichsversicherungsamts, Bd III, 2. Aufl 1930, S 70 Anm 5l zu §
544; Kruschinsky in
Krasney/Becker/Burchardt/Kruschinsky/Heinz/Bieresborn,
Gesetzliche Unfallversicherung , § 2 RdNr 801).
Auch dies schließt es aus, Personen, die wie Selbstständige und
zusätzlich ausschließlich aufgrund freundschaftlicher Nähe handeln,
in den Versicherungsschutz der Wie-Beschäftigung einzubeziehen.
30
Da der Verletzte mithin keinen Arbeitsunfall iS des § 8 Abs 1 SGB VII
erlitten hat, scheidet ein Erstattungsanspruch der Klägerin nach §
105 Abs 1 SGB X aus. Es kann deshalb dahinstehen, ob hinsichtlich
des geltend gemachten Pflegegeldes wegen der Zuständigkeit der
Beklagten nur unter den Voraussetzungen des § 44 SGB VII die
Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach § 105 Abs 1
SGB X überhaupt vorgelegen hätten
(vgl BSG vom 3.4.2014 - B 2 U 21/12 R - BSGE 115, 247 = SozR 4-
7610 § 812 Nr 7, RdNr 28; BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 28/08 R -
BSGE 105, 210 = SozR 4-2700 § 33 Nr 1, RdNr 26).
31
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG iVm § 154 Abs 2, §
162 Abs 3 VwGO.