Urteil des BSG vom 23.08.2011

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - Rückzahlung von Arbeitslosengeld nach dem Zuflussmonat durch rückwirkende Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 23.8.2011, B 14 AS
165/10 R
Grundsicherung für Arbeitsuchende -
Einkommensberücksichtigung - Rückzahlung von
Arbeitslosengeld nach dem Zuflussmonat durch
rückwirkende Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung
Leitsätze
Entsteht eine Verpflichtung zur Rückzahlung einer laufenden
Einnahme erst nach dem Monat des Zuflusses (hier durch
Aufhebung und Rückforderung einer dem Arbeitslosengeldbezug
zugrundeliegenden Bewilligungsentscheidung für die
Vergangenheit), bleibt es für den Zuflussmonat bei der
Berücksichtigung als Einkommen.
Tenor
Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts
Duisburg vom 9. September 2010 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1 Streitig ist die Höhe von Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts für den Monat Juli 2007.
2 Der 1977 geborene Kläger zu 1 und die 1980 geborene Klägerin zu
2 sind miteinander verheiratet und leben mit ihren gemeinsamen, am
2003 und am 2007 geborenen Kindern, den Klägern zu 3 und 4, in
einer ca 72 qm großen 3-Zimmer-Wohnung in Duisburg, für die im
Juli 2007 insgesamt 432,69 Euro zu zahlen waren.
3
Seit dem 7.4.2007 bezog der Kläger zu 1 Arbeitslosengeld (Alg)
nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in Höhe von
823,80 Euro monatlich (27,46 Euro täglich), zuletzt aufgrund des
Bewilligungsbescheides der Bundesagentur für Arbeit (BA) vom
21.3.2007. Für die Kinder wurde Kindergeld in Höhe von jeweils 154
Euro gezahlt. Die Kläger bezogen daneben Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch
Zweites Buch (SGB II). Unter anderem bewilligte der beklagte Träger
der Grundsicherung mit Bescheid vom 1.6.2007 für den
Bewilligungszeitraum vom 1.4.2007 bis zum 30.9.2007 Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts und dabei für den Monat Juli
2007 (unter Berücksichtigung des Kindergeldes und des Alg)
Leistungen in Höhe von insgesamt 340,89 Euro (Regelleistung an
die Kläger zu 1 und 2 sowie Kosten der Unterkunft und Heizung an
sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft).
4 Am 27.6.2007 nahm der Kläger zu 1 eine Vollzeittätigkeit als
Produktionshelfer auf und informierte die BA hierüber am 3.7.2007
und den Beklagten am 2.8.2007. Der Arbeitgeber zahlte Mitte Juli
2007 für die vier im Juni 2007 geleisteten Arbeitstage 261,26 Euro
brutto (219,21 Euro netto). Am 31.7.2007 zahlte die BA an den
Kläger zu 1 Alg in Höhe von 823,80 Euro.
5 Mit Bescheid vom 2.8.2007 hob die BA ihre Bewilligung von Alg ab
dem 27.6.2007 auf und forderte mit Erstattungsbescheid vom
9.8.2007 Leistungen in Höhe von 933,64 Euro zurück. Diese
Bescheide sind bestandskräftig. Der Kläger zu 1 zahlte den
Rückforderungsbetrag seit dem 14.12.2007 in monatlichen Raten
von zuletzt 30 Euro zurück.
6 Mit Änderungsbescheid vom 14.8.2007 bewilligte der Beklagte den
Klägern Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 1.7.2007
bis 30.9.2007. Für den Monat Juli 2007 gewährte er Leistungen in
Höhe von 423,27 Euro unter Berücksichtigung von Alg in Höhe von
741,42 Euro. Den Wegfall des Alg berücksichtigte er erst ab August
2007.
7
Wegen der Erzielung von Erwerbseinkommen im Juli 2007 forderte
der Beklagte von den Klägern mit Bescheiden vom 27.8.2007
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom
1.7.2007 bis 31.7.2007 in Höhe von insgesamt 55,59 Euro
gegenüber den Klägern zu 2 bis 4, sowie in Höhe von 31,37 Euro
gegenüber dem Kläger zu 1 zurück.
8 Gegen den Änderungsbescheid des Beklagten vom 14.8.2007 und
die Bescheide vom 27.8.2007 legten die Kläger am 3.9.2007 (mit
zwei Schriftsätzen) Widerspruch ein. Gegen die Berücksichtigung
des Erwerbseinkommens wandten sie sich in der Folge nicht mehr
(Schriftsatz vom 11.10.2007) und beglichen die sich aus den
Bescheiden vom 27.8.2007 ergebende Rückforderung. Soweit sie
geltend machten, das mittlerweile zurückgeforderte Alg sei nicht als
Einkommen zu berücksichtigen, blieb der Widerspruch ohne Erfolg
(Widerspruchsbescheid vom 1.2.2008).
9
Die hiergegen gerichtete Klage zum Sozialgericht (SG) Duisburg hat
das SG mit Urteil vom 9.9.2010 abgewiesen. Der Streitgegenstand
sei vorliegend durch einen in einem Erörterungstermin
geschlossenen Vergleich wirksam auf die Frage der
Berücksichtigung des Alg auf den Bedarf der Kläger für den Monat
Juli 2007 beschränkt worden. Gegenstand der zulässigen
Anfechtungs- und Leistungsklage sei allein der Bescheid vom
14.8.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.2.2008.
Die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 27.8.2007 seien
dagegen nach Auffassung der Kammer nicht Gegenstand des
Widerspruchverfahrens und damit auch nicht Gegenstand des
Klageverfahrens geworden. Zwar beträfen sowohl der angegriffene
Bescheid vom 14.8.2007 als auch die Aufhebungs- und
Erstattungsbescheide vom 27.8.2007 die
Grundsicherungsleistungen für Juli 2007, sie beinhalten aber
unterschiedliche, nämlich gegenläufige Verfügungen (Bewilligung
und Aufhebung) im Hinblick auf unterschiedliche Einnahmen (Alg
und Erwerbseinkommen). In der Sache ergebe sich ein Anspruch
der Kläger auf höhere Leistungen im Juli 2007 nicht. Zutreffend sei
der Beklagte von einem Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft in
Höhe von 1472,69 Euro ausgegangen (Regelleistungen und
tatsächliche Kosten der Unterkunft in Höhe von 432,69 Euro). Von
dem Gesamtbedarf seien zunächst 308 Euro Kindergeld
abzusetzen und sodann das zugeflossene Alg. Das Alg sei seiner
Natur nach - anders als ein gewährtes Darlehen - zum endgültigen
Verbrauch bestimmt gewesen und habe den Klägern bei
wirtschaftlicher Betrachtung im streitigen Zeitraum auch zur
Verfügung gestanden. Daran ändere nichts, dass die Zahlung nicht
rechtmäßig erfolgt sei.
10
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihren Sprungrevisionen. Die
zu Unrecht ausgezahlte Sozialleistung dürfe nicht als Einkommen
berücksichtigt werden. Beim Alg handele es sich um eine
zweckbestimmte Leistung. Die Leistung habe im Juli 2007 nicht dem
Zweck dienen können, den Lebensunterhalt bei Arbeitslosigkeit zu
decken, weswegen sie nicht habe zweckbestimmt eingesetzt
werden können. Rechtswidrig gezahlte Leistungen seien von
vornherein nicht geeignet, den Bedarf zu decken, denn sie seien
von vornherein damit belastet, dass sie zurückgezahlt werden
müssten. Jedenfalls wenn einem Hilfebedürftigen eine Einnahme
zufließe, die mit einer sofortigen Rückzahlungspflicht verbunden sei,
und unstreitig sei, dass die Rückzahlungspflicht bestehe, könne ein
solcher Zufluss nicht als Einkommen oder als Vermögen
berücksichtigt werden.
11
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 9. September 2010
aufzuheben und die Bescheide des Beklagten vom 14. August 2007
und vom 27. August 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2008 zu ändern und den
Klägern höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu
zahlen.
12
Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
13
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
14
Die zulässigen Revisionen der Kläger sind unbegründet. Ein
Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts für den Monat Juli 2007 besteht nicht. Dabei ist
entgegen der Auffassung des SG der Streitgegenstand nicht dahin
beschränkt, dass der geltend gemachte Anspruch nur unter dem
Gesichtspunkt der Berücksichtigung des Alg als Einkommen zu
prüfen wäre (dazu unter 1). Ein Anspruch der Kläger auf Änderung
der angefochtenen Bescheide zu ihren Gunsten besteht nicht, wie
das SG zutreffend entschieden hat. Für Juli 2007 war neben dem
Erwerbseinkommen das zugeflossene Alg zu berücksichtigen
(dazu unter 2). Weder die Kenntnis des Klägers zu 1 von der
fehlenden Leistungsberechtigung nach dem SGB III noch die
Aufhebung der der Zahlung zugrunde liegenden Bewilligung durch
die BA im August 2007 führen dazu, dass das Alg im Zeitpunkt
seines Zuflusses nicht als Einkommen zu berücksichtigen war
(dazu unter 3).
15
1. Streitgegenstand sind vorliegend höhere Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts an sämtliche Mitglieder der
Bedarfsgemeinschaft im Juli 2007. Die Kläger machen mit ihrem
Vorbringen, es sei für Juli 2007 das zugeflossene Alg nicht als
Einkommen zu berücksichtigen, sowohl höhere Leistungen für
Unterkunft und Heizung an die minderjährigen Mitglieder der
Bedarfsgemeinschaft als auch (höhere) Regelleistungen an
sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft geltend. Eine
Beschränkung des Streitgegenstandes auf Regelleistungen
einerseits und Kosten der Unterkunft und Heizung andererseits
haben sie damit nicht vorgenommen, wovon auch das SG
ausgegangen ist. Lediglich in zeitlicher Hinsicht haben sie den
Streitgegenstand zulässigerweise beschränkt.
16
Demgegenüber war es nicht zulässig, den Streitgegenstand "durch
Vergleich" weitergehend auf die Frage der Berücksichtigung des Alg
als Einkommen zu beschränken. Bei den von den Beteiligten
vorliegend im Erörterungstermin abgegebenen Erklärungen hat es
sich schon nicht um ein gegenseitiges Nachgeben im Sinne eines
(Teil-)Vergleichs gehandelt
(§ 101 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz ), denn der Beklagte hat
weder materiell noch prozessual nachgegeben. Auch davon
unabhängig ist eine Beschränkung des Streitstoffs auf die Prüfung
bestimmter Tatsachen durch eine einvernehmliche Regelung der
Beteiligten nicht möglich
(vgl zum Teilanerkenntnis BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr
13, RdNr 12)
. Voraussetzung hierfür wäre, dass insoweit eine Regelung über
einen abtrennbaren Teil des Streitgegenstandes erfolgen würde.
Hinsichtlich bestimmter Berechnungselemente der Leistung scheidet
ein Vergleich also aus, soweit diese Leistung - wie hier - nach dem
Willen der Kläger in allen Teilen, also hinsichtlich Regelleistungen
und Kosten für Unterkunft und Heizung, zur Überprüfung gestellt
werden soll. Eine rechtliche Einschränkung des Prüfungsumfangs
ergibt sich aus diesem Grund auch nicht aus dem Vorbringen der
Kläger, wonach sie die Berücksichtigung von Erwerbseinkommen im
streitigen Monat der Sache nach nicht beanstanden. Eine wirksame
Beschränkung durch eine nur teilweise Anfechtung der Bescheide
liegt darin nicht, schon weil sie ihren Klageantrag nicht beziffert
haben.
17
Damit sind sowohl der Bescheid vom 14.8.2007 als auch die
Bescheide vom 27.8.2007 Gegenstand eines einheitlichen
Widerspruchsverfahrens iS des § 86 SGG. Alle diese Bescheide
treffen aufeinander aufbauend eine Entscheidung hinsichtlich der
Höhe der Leistungen und ändern damit die ursprüngliche
Bewilligung ab. Die Erklärungen der Kläger sowohl im
Widerspruchsverfahren als auch im Klageverfahren sind zwar dahin
zu verstehen, dass sie die Berücksichtigung des
Erwerbseinkommens in der Sache nicht beanstanden. Dies
bedeutet aber nicht, dass die Bescheide vom 27.8.2007
bestandskräftig werden sollten, denn ihre Bestandskraft stünde
einem Anspruch auf höhere Leistungen entgegen. Mit dem
Widerspruchsbescheid vom 1.2.2008 hat der Beklagte schließlich
über die geltend gemachten höheren Leistungen unter allen
rechtlichen Gesichtspunkten - und damit auch unter
Berücksichtigung der Bescheide vom 27.8.2007 - entschieden. Das
Vorverfahren als Klagevoraussetzung (§ 78 SGG) ist damit
durchgeführt.
18
2. Als Rechtsgrundlage für die von den Klägern begehrte
Bewilligung von höheren Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts kommt nur § 48 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes
Buch (SGB X) in Betracht. Die Vorschrift setzt ua voraus, dass in
den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass
eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine
wesentliche Änderung eintritt. Dabei sind für die Frage, ob bzw
inwieweit eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dazu führt,
dass der Ausgangsbescheid vom 1.6.2007 zugunsten der Kläger zu
ändern ist, grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem
Grunde und der Höhe nach zu prüfen. Dabei ist auf die Rechtslage
im damaligen Bewilligungszeitraum abzustellen.
19
Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass die Kläger zu 1
und 2 als erwerbsfähige Hilfebedürftige (vgl § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II)
und die Kläger zu 3 und 4, die als gemeinsame, nicht erwerbsfähige
Kinder mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft leben
(vgl § 7 Abs 2, 3 SGB II), dem Grunde nach Anspruch auf
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
(vgl §§ 19, 28 SGB II) haben. Wegen der Höhe ihrer Ansprüche ist
zunächst der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft aus dem
Bedarf jeder einzelnen Person zu ermitteln und sodann das zu
berücksichtigende Einkommen (vgl § 11 SGB II) im Verhältnis der
Einzelbedarfe zum Gesamtbedarf zu verteilen
(§ 9 Abs 2 Satz 3 SGB II). Entgegen der Auffassung des SG beträgt
der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft vorliegend allerdings
lediglich 1164,69 Euro, zusammengesetzt aus einem Bedarf der
Eltern in Höhe von jeweils 312 Euro und der Kinder in Höhe von
jeweils 54 Euro sowie tatsächlichen Kosten für Unterkunft und
Heizung in Höhe von 432,69 Euro. Das zugeflossene Kindergeld ist
nämlich nach § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II vorliegend ausschließlich zur
Bedarfsdeckung der Kinder heranzuziehen und also vorab von ihren
Bedarfen abzusetzen (vgl BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 4 RdNr 24).
20
Bei der Ermittlung des Gesamteinkommens sind - wie bereits in den
Monaten zuvor - das am 31.7.2007 zugeflossene Alg
(dazu im Einzelnen unter 3) sowie (zusätzlich) das
Erwerbseinkommen in Höhe von 86,96 Euro (Nettoeinkommen in
Höhe von 219,21 Euro abzüglich der Freibeträge aus § 11 Abs 2
Satz 2 <100 Euro>, § 30 SGB II <32,25 Euro>) zu berücksichtigen.
Nach den Feststellungen des SG und dem ausdrücklichen
Vorbringen der Kläger ergibt sich kein Hinweis, dass bezüglich des
Gesamteinkommens im Monat Juli 2007 über den beim
Erwerbseinkommen abgesetzten Betrag nach § 11 Abs 2 Satz 2
SGB II hinaus weitere Absetzungen vorzunehmen wären. Dies gilt
umso mehr, als der Beklagte das Alg im Juli 2007 versehentlich nur
in Höhe von 741,42 Euro statt der tatsächlich gezahlten 823,80 Euro
zugrunde gelegt hat. Es wirkt sich wegen dieses Fehlers auf die
Ansprüche der Kläger auch nicht aus, dass bei Verteilung des
Gesamteinkommens unter Zugrundelegung der soeben
dargestellten Einzelbedarfe im Verhältnis zum Gesamtbedarf sich
richtigerweise geringfügig andere Individualansprüche ergeben
hätten. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen
Verhältnissen ist damit im Juli 2007 (wegen des Zuflusses von
Erwerbseinkommen) lediglich zu ihren Lasten, nicht aber zugunsten
der Kläger eingetreten.
21
3. Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu
berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme
der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem
Bundesversorgungsgesetz (BVG) und den Gesetzen, die eine
entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und Renten oder
Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden
an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden. Dabei
ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II nach der Rechtsprechung
der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate
grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig
dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits
hatte (vgl nur BSG
SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 §
11 Nr 15, RdNr 18)
. Damit handelt es sich bei der Zahlung von Alg nach §§ 117 ff SGB
III auf Grundlage des Bewilligungsbescheides vom 21.3.2007 im
Grundsatz um laufendes Einkommen
(vgl insoweit § 2 Abs 2 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung
)
, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist.
22
a) Ohne Bedeutung für die Berücksichtigung als Einkommen ist
dabei, dass es sich um eine Entgeltersatz- und Sozialleistung nach
vorangegangener versicherungspflichtiger Beschäftigung handelt.
Der Zweck des Alg als Entgeltersatzleistung bei Arbeitslosigkeit führt
nicht dazu, im Alg eine zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs
3 Nr 1 Buchst a SGB II zu sehen
(vgl BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 19 RdNr 19 für Krankengeld nach
dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch und BSG SozR 4-4200 § 11 Nr
22 RdNr 13 für das Insolvenzgeld)
. Mit der Gewährung der Leistung wird den Leistungsempfängern ein
bestimmter "Verwendungszweck" nicht auferlegt. Daraus folgt
zugleich, dass mit der materiell rechtswidrigen Zahlung von Alg nach
Wegfall der Arbeitslosigkeit - anders als die Kläger meinen - ein nach
dem SGB II beachtlicher Zweck dieser Leistung nicht verfehlt wird.
23
b) Der Berücksichtigung des Alg steht die Rechtsprechung des
Senats nicht entgegen, wonach nur solche Einnahmen in Geld oder
Geldeswert als Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II anzusehen
sind, die einen Zuwachs von Mitteln bedeuten, der dem
Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleibt
(BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 46/09 R - BSGE 106, 185 =
SozR 4-4200 § 11 Nr 30, RdNr 16)
. Entscheidend für die Privilegierung von bestimmten Zuflüssen ist
nach dieser Rechtsprechung, dass in dem Zeitpunkt, in dem die
Einnahme als Einkommen berücksichtigt werden soll, der Zufluss
bereits mit einer (wirksamen) Rückzahlungsverpflichtung belastet ist.
Jedenfalls sofern eine Verpflichtung zur Rückzahlung der laufenden
Einnahme erst nach dem Monat eintritt, für den sie berücksichtigt
werden soll (zum Monatsprinzip bei laufenden Einnahmen vgl § 2
Abs 2 Alg II-V in der bis zum 31.3.2011 geltenden Fassung), besteht
die Verpflichtung des Hilfebedürftigen, die Leistung als "bereite
Mittel" in dem Monat des Zuflusses auch zu verbrauchen.
Insbesondere können solche Rückstellungen nicht geschützt sein,
die Leistungsempfänger in Bezug auf möglicherweise eintretende,
im Zeitpunkt des Zuflusses aber noch ungewisse, künftige
Zahlungsverpflichtungen vornehmen.
24
Damit ist das SG zutreffend davon ausgegangen, dass das im Juli
ausgezahlte Alg auch für diesen Monat zu berücksichtigen ist. Zwar
ist die Arbeitslosigkeit des Klägers zu 1 als Leistungsvoraussetzung
nach § 118 SGB III und damit das Stammrecht auf Alg vom
Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme (am 27.6.2007) an entfallen. Dies
allein führt jedoch nicht dazu, dass die Zahlung des Alg rechtswidrig
geworden und bereits bei Auszahlung mit einem
Rückzahlungsanspruch belastet war
(zur Unterscheidung von Stammrecht und Leistungsanspruch etwa
BSGE 75, 235 = SozR 3-4100 § 100 Nr 5 mwN)
. So wie die BA an die Zuerkennung des Leistungsanspruchs
gebunden ist, solange der Bewilligungsbescheid Bestand hat, steht
auch dem Kläger zu 1 in dieser Zeit ein Rechtsgrund für das
Behalten der Leistung zur Seite. Ein auf einer bindenden Bewilligung
begründeter Leistungsbezug von Alg ist rechtmäßig, solange der
Bewilligungsbescheid besteht
(vgl nur BSGE 61, 286, 287 = SozR 4100 § 134 Nr 31). Die fehlende
Übereinstimmung des Bezuges mit dem materiellen Recht kann
dem Kläger zu 1 gegenüber also nicht vor der Aufhebung des
Bescheides geltend gemacht werden, und zwar auch dann nicht,
wenn er Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Leistung hatte.
Spiegelbildlich dazu können er und die übrigen Mitglieder der
Bedarfsgemeinschaft sich auf eine Rückzahlungsverpflichtung, die
der Berücksichtigung als Einkommen durch den Träger der
Grundsicherung entgegenstehen könnte, erst berufen, wenn die
Bindungswirkung der Bewilligungsentscheidung nach den
Regelungen der §§ 45, 48 SGB X aufgehoben worden ist. Insoweit
kommt es allein auf den Zahlungsanspruch an, da nach dem oben
Ausgeführten dieser Anspruch (und nicht bereits das Stammrecht)
den für § 11 Abs 1 SGB II entscheidenden Zufluss der Einnahme
vermittelt. Die so getroffene Abgrenzung ist schließlich sachgerecht
auch deshalb, weil der Träger der Grundsicherung damit von einer
Prüfung, ob bei materieller Rechtswidrigkeit die zusätzlichen
Voraussetzungen für eine Rücknahme für die Vergangenheit
vorliegen, entbunden ist und es allein auf die Aufhebung der
Bewilligung durch die BA ankommt.
25
c) Zwar ist die Bewilligung von Alg mit Wirkung für die Vergangenheit
- und also auch für den hier streitigen Zuflussmonat - aufgehoben
worden, die Rückzahlungsverpflichtung, die für die Bestimmung der
Hilfebedürftigkeit allein maßgeblich ist, tritt jedoch erst zukünftig ein.
Die (bestandskräftig gewordene) Aufhebung der
Bewilligungsentscheidung im August 2007 hat deshalb im Verhältnis
zum Träger der Grundsicherung lediglich die Bedeutung, dass die
Hilfebedürftigen (erst) von diesem Zeitpunkt an mit Schulden
(gegenüber der BA) belastet sind. Solche Verpflichtungen sind aber
grundsätzlich bei Bestimmung der Hilfebedürftigkeit unbeachtlich
(BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14/7b AS 10/07 R - SozR 4-4200 §
11 Nr 18 RdNr 25; Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE
101, 291 ff = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 19; Urteil vom
16.12.2008 - B 4 AS 70/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 19 RdNr 28;
Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 29/08 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 22
RdNr 13; Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - SozR 4-5870 § 6a
Nr 2, RdNr 18)
. Soweit das SG die Möglichkeit der Gewährung eines
Sonderbedarfs (vgl § 23 Abs 1 SGB II) zur Deckung der Schulden
erwogen hat, widerspräche eine solche Bewilligung dieser
Rechtsprechung. Freiwillige Zahlungen an die BA, wie sie der Kläger
zu 1 offensichtlich geleistet hat, sind - auch wenn sie einem
Versicherungsträger zugute kommen - unbeachtlich
(ausdrücklich BSGSozR 4-4200 § 11 Nr 18 RdNr 25 am Ende).
26
Soweit die Kläger - sinngemäß - eine Härte darin erkennen, dass (ihr
Vorbringen als zutreffend unterstellt) die Überzahlung vorliegend
allein durch eine fehlerhafte Arbeitsweise der BA eingetreten ist und
dieses fehlerhafte Verwaltungshandeln zu dem Zufluss von
Einkommen im Juli 2007 geführt hat, weist der Senat darauf hin,
dass solche Sachverhalte im Verhältnis zum Leistungsempfänger
ausschließlich bei einer Entscheidung über den Erlass der aus dem
Bescheid der BA vom 9.8.2007 begründeten Erstattungsforderung
(vgl § 76 Abs 2 Nr 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch)
Berücksichtigung finden (vgl BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 13 S 94).
Ob Erstattungsansprüche der Träger untereinander bestanden
hätten, kann vorliegend deshalb offen bleiben.
27
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.