Urteil des BSG vom 21.03.2018

Feststellung von rentenversicherungsrechtlich bedeutsamen Tatbeständen im Vormerkungsverfahren - Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes von Eltern im Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 21.3.2018, B 13 R 19/14
R
ECLI:DE:BSG:2018:210318UB13R1914R0
Feststellung von rentenversicherungsrechtlich
bedeutsamen Tatbeständen im Vormerkungsverfahren -
Berücksichtigung des Betreuungs- und
Erziehungsaufwandes von Eltern im Leistungsrecht der
gesetzlichen Rentenversicherung
Leitsätze
1. Nur solche Tatbestände, die nach dem im Zeitpunkt ihrer
Feststellung geltenden Recht in einem künftigen Leistungsfall
rentenversicherungsrechtlich bedeutsam werden können, sind im
Vormerkungsverfahren feststellungsfähig und nach Ablehnung
einklagbar.
2. Es ist nicht von Verfassungs wegen erforderlich, den
Betreuungs- und Erziehungsaufwand von Eltern im
Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung stärker als
bisher zu berücksichtigen.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des
Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. März 2013
wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren
keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Erziehung mehrerer Kinder als
"generativer Beitrag" der Klägerin zur gesetzlichen
Rentenversicherung (GRV) vorzumerken ist und ob hierfür
zusätzliche Entgeltpunkte festzustellen sind.
2
Die 1967 geborene, verheiratete Klägerin ist Mutter von vier in den
Jahren 2001, 2002, 2004 und 2009 geborenen Kindern. Sie war bis
15.4.2008 versicherungspflichtig beschäftigt und ist seitdem
arbeitslos bzw wegen der Geburt ihres vierten Kindes nicht mehr
erwerbstätig. Sie ist bei der Beklagten rentenversichert.
3
Im Oktober 2008 beantragte sie bei der Beklagten, ihrem
Versicherungskonto - zunächst nur für das Jahr 2007 - zusätzlich zu
den bereits vorgemerkten Kindererziehungszeiten und
Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung - 1,4733
Entgeltpunkte gutzuschreiben. Zur Begründung bezog sie sich auf
das Urteil des BVerfG zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) vom
3.4.2001 - 1 BvR 1629/94
(BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2; im Folgenden: sPV-
Urteil)
. Dieses sei auf die GRV zu übertragen, zu deren Funktionsfähigkeit
sie als Mutter einen zusätzlichen generativen Beitrag leiste. Dies
lehnte die Beklagte nach Durchführung eines
Kontoklärungsverfahrens unter Hinweis darauf ab, dass die
Berücksichtigung eines generativen Beitrags im Versicherungskonto
gesetzlich nicht vorgesehen sei
(Bescheid vom 10.3.2009; Widerspruchsbescheid vom 30.4.2009).
Hieran sei sie (die Beklagte) ebenso gebunden wie an die
gesetzgeberische Umsetzung des sPV-Urteils im
Kinderberücksichtigungsgesetz (KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448).
4
Das SG hat die hiergegen sowie auf die Gutschrift zusätzlicher
Entgeltpunkte auch für die Jahre ab 2008 gerichtete Klage
abgewiesen (Urteil vom 14.9.2010). Das LSG hat die Berufung der
Klägerin zurückgewiesen: Über § 70 Abs 2, Abs 3a SGB VI hinaus
seien keine Rechtsgrundlagen für die Ermittlung von Entgeltpunkten
für Kindererziehungszeiten bzw diesbezüglicher
Berücksichtigungszeiten vorhanden. Dies verstoße nicht gegen Art 6
Abs 1 GG, weil dem Gesetzgeber ein Spielraum eingeräumt sei, wie
er einen Familienlastenausgleich vornehme. Auf das sPV-Urteil und
den dortigen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den
Gesetzgeber könne sich die Klägerin nicht berufen. Die
Bindungswirkung dieses verfassungsgerichtlichen Urteils erstrecke
sich nur auf die sPV. Auf das Recht der GRV sei es nicht übertragbar,
weil im Zeitpunkt der Erziehung von Kindern nicht feststünde, dass
diese zukünftig Beitragszahler der GRV würden. Im Gegensatz zur
sPV sei es überdies im Rentenversicherungsrecht möglich, die
Kindererziehung leistungsrechtlich - insbesondere durch die
Anerkennung von Kindererziehungs- und
Kinderberücksichtigungszeiten (§§ 56, 57 SGB VI) - zu honorieren.
Das Leistungsrecht der GRV genüge den verfassungsrechtlichen
Anforderungen, die das BVerfG im "Trümmerfrauen"-Urteil
(vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86 ua - BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg
Nr 1)
aufgestellt habe (Urteil vom 22.3.2013).
5
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie rügt
einen Verstoß der - vom LSG angewandten - "gesetzlichen
Regelungen zur Berücksichtigung der Kindererziehung im
Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 70 SGB VI)"
gegen Art 6 Abs 1 GG und Art 3 Abs 1 GG. Verfassungsrecht sei
verletzt, weil der Gesetzgeber den wesentlich aus dem
kinderbedingten Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung durch
reduzierte Erwerbstätigkeit und Unterhaltskosten bestehenden
konstitutiven generativen Beitrag kindererziehender Versicherter nicht
zusätzlich bei der Ermittlung von Entgeltpunkten berücksichtigt habe.
Der Gesetzgeber sei zudem vom BVerfG ausdrücklich angewiesen
worden, die Bedeutung des sPV-Urteils auch für andere Zweige der
Sozialversicherung zu prüfen. Die Aussagen des sPV-Urteils seien
durchaus auf die GRV zu übertragen: Auch bei der GRV handele es
sich um ein umlagefinanziertes System, das der Deckung eines
maßgeblich vom Älterwerden der Versicherten bestimmten Risikos
diene. Zugleich sei absehbar, dass der generative Beitrag nicht mehr
in der Regel von allen Versicherten erbracht werde. Da der Kreis der
Versicherten in der GRV größer als in der sPV sei, müsse auch deren
Mindestgeschlossenheit angenommen werden. Die durch die
Nichtberücksichtigung des generativen Beitrags entstehende
Benachteiligung von kindererziehenden Versicherten sei
entsprechend der Schlussfolgerung des BVerfG im sPV-Urteil auch
innerhalb des Systems der GRV auszugleichen. Dennoch
verhinderten die bestehenden "Kinderkomponenten" (insbesondere
Kindererziehungszeiten, Berücksichtigungszeiten wegen
Kindererziehung) lediglich die durch die Kindererziehung bedingte
Schlechterstellung von Eltern bei dem Erwerb von
Rentenansprüchen, glichen jedoch den generativen Beitrag der Eltern
nicht aus, durch den sie unverhältnismäßig viel niedrigere
Rentenleistungen als durch Geldbeiträge erzielten. Kindererziehende
Versicherte generierten zudem erhebliche "positive externe Effekte"
zugunsten Versicherter ohne Kinder. Demgegenüber führe der
Familienlastenausgleich nicht zu einem Ausgleich des generativen
Beitrages, da die Familien über die Steuern einen Teil der
Familienförderung mitbezahlten.
6
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom
22. März 2013 und des Sozialgerichts Mannheim vom 14.
September 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.
März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.
April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihrem
Versicherungskonto für das Jahr 2007 zusätzlich 1,4733
Entgeltpunkte und ab dem Jahr 2008 für jedes Jahr auf der
Basis des Einkommenssteuerbescheides des Vorjahres
zusätzliche Entgeltpunkte gutzuschreiben, die dem Betrag des
steuerlichen Existenzminimums der Kinder abzüglich der aus
Kindergeld oder Steuerfreibeträgen erstatteten Kosten sowie
abzüglich des bereits in der sozialen Pflegeversicherung
berücksichtigten Elternbonus für den Zeitraum, in dem
Anspruch auf Kindergeld besteht, entsprechen,
hilfsweise,
das Verfahren nach Art 100 Abs 1 GG auszusetzen und dem
Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
7
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
8
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
9 Die Revision der Klägerin ist zulässig aber unbegründet.
10
Zu Recht hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das ihre
Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen, soweit es den
Gegenstand dieses Revisionsverfahrens betrifft
(hierzu nachfolgend 1.). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf
Aufhebung der angefochtenen Bescheide (hierzu 2.). Im Übrigen ist
der Senat auch nicht davon überzeugt, dass die Berücksichtigung
des Betreuungs- und Erziehungsaufwands von Eltern über die
bereits heute bestehenden Ausgleichsmechanismen hinaus durch
eine weitergehende Berücksichtigung im Leistungsrecht der GRV
von Verfassungs wegen zwingend geboten ist (hierzu 3.). Die in
Kombination mit der Anfechtungsklage erhobene
Verpflichtungsklage war bereits unzulässig (hierzu 4.).
11
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Berufungsurteil nur
noch insoweit, als es die Klage gegen den Bescheid der beklagten
Deutschen Rentenversicherung Bund vom 10.3.2009 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 30.4.2009 und damit
leistungsrechtliche Fragen der GRV betrifft. Das Revisionsverfahren
über die Klage gegen die AOK Baden-Württemberg wegen der Höhe
von Pflegeversicherungsbeiträgen wurde durch Beschluss des 12.
Senats vom 14.7.2014 abgetrennt; hierüber hat der 12. Senat
gesondert verhandelt und entschieden
(BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 13/13 R). Im Hinblick hierauf
hat der Senat das Passivrubrum von Amts wegen berichtigt.
12
Das Ziel der Beseitigung der ihren Antrag ablehnenden Bescheide
verfolgt die Klägerin zutreffend mit der Anfechtungsklage
(§ 54 Abs 1 S 1 SGG). Ihr darüber hinausgehendes Begehren
(§ 123 SGG)ist - entgegen der von ihr gewählten
Antragsformulierung ("verurteilen") - auf die Verpflichtung
(zum sozialgerichtlichen Klagesystem und der Möglichkeit einer
Umdeutung vgl nur Keller in Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 54 RdNr 1
ff)
der Beklagten gerichtet, ihrem Versicherungskonto für die Jahre ab
2007 zusätzliche Entgeltpunkte gutzuschreiben. Dies entspricht der
von ihr formulierten Rüge eines Verstoßes insbesondere des § 70
SGB VI gegen Art 6 Abs 1 GG und Art 3 Abs 1 GG. Hiervon umfasst
ist zugleich das allgemeinere Begehren, die Beklagte zu
verpflichten, nach der abgeschlossenen Kontenklärung im Rahmen
des Vormerkungsverfahrens
(§ 149 Abs 5 SGB VI, hier anzuwenden in der Neufassung vom
19.2.2002, BGBl I 754)
zusätzlich zu Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI) und
Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI) den
darüber hinaus gehenden Wert eines durch Verzicht auf Konsum
und Vermögensbildung zu Gunsten der Kindererziehung erbrachten
"generativen Beitrags" als Tatbestand einer
rentenversicherungsrechtlich relevanten Vorleistung festzustellen.
13
2. Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet, denn die
angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Sie beschweren die
Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs 2 SGG. Vielmehr musste die
Beklagte den Antrag der Klägerin ablehnen, ihrem
Versicherungskonto weitere Entgeltpunkte gutzuschreiben (hierzu a)
. Die ihr im Hinblick auf die Anrechnung und Bewertung der im
Versicherungsverlauf enthaltenen Daten gesetzten Grenzen hat die
Beklagte hierbei eingehalten (hierzu b). Auch dem allgemeineren
Begehren auf Vormerkung eines generativen Beitrages als
zusätzliche rentenversicherungsrechtliche Vorleistung hat die
Beklagte zu Recht nicht entsprochen (hierzu c).
14
a) Den Antrag der Klägerin, ihrem Rentenkonto für das Jahr 2007
weitere 1,4733 Entgeltpunkte gutzuschreiben, hat die Beklagte mit
den angefochtenen Bescheiden zu Recht abgelehnt. Ein solches
auf die Feststellung einer bestimmten Bewertung
rentenversicherungsrechtlich (vermeintlich) relevanter Tatsachen
gerichtetes Verlangen ist erst im Zusammenhang mit der - von der
Klägerin nicht begehrten - Feststellung einer Leistung zulässig.
15
Als Grundlage einer verbindlichen Feststellung
rentenversicherungsrechtlich relevanter Tatsachen kommt im Falle
der bei Antragstellung im Oktober 2008 41jährigen, bis zur
Entscheidung des LSG keine Rente begehrenden Klägerin nur §
149 Abs 5 S 1 SGB VI in Betracht. Danach stellt der
Rentenversicherungsträger, nachdem er das Versicherungskonto
geklärt hat, die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht
bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre
zurückliegen, durch Bescheid fest (sog Vormerkungsbescheid). Der
Rentenversicherungsträger ist befugt, aber nicht verpflichtet, auf
Antrag auch solche geklärten Daten durch Bescheid festzustellen,
die noch keine sechs Jahre zurückliegen. Entscheidet er - wie von
der Klägerin beantragt -auch über Tatbestände, die noch keine
sechs Jahre zurückliegen, muss er einen inhaltlich zutreffenden
Vormerkungsbescheid erlassen
(vgl BSG Urteil vom 24.10.2013 - B 13 R 1/13 R - SozR 4-2600 § 57
Nr 1 RdNr 12 mwN)
.
16
Der Umfang zulässiger Feststellungen im Vormerkungsbescheid ist
jedoch beschränkt. Denn nach § 149 Abs 5 S 3 SGB VI wird über
die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf
enthaltenen Daten erst bei Feststellung einer Leistung entschieden.
Nach der Rechtsprechung des BSG ist der
Rentenversicherungsträger hiernach nicht verpflichtet, aber auch
nicht berechtigt, gleichwohl eine solche Entscheidung zu treffen.
Hierdurch soll vermieden werden, bereits Anrechnungs- und
Bewertungselemente für eine nur möglicherweise später einmal zu
gewährende Leistung festzulegen. Dem Gebot der
tatbestandsmäßigen Feststellung einer Beitrags-, Versicherungs-,
Ersatz- oder Ausfallzeit steht in § 149 Abs 5 SGB VI das Verbot
gegenüber, auch schon einen Teil der Rentenberechnung
vor(weg)zunehmen und eine gerichtliche Überprüfung zu
ermöglichen, die erst nach einem Leistungsfeststellungsverfahren
stattfinden soll, zumal dann uU andere gesetzliche Bestimmungen
über die Berechnung und Bewertung gelten können
(vgl zur inhaltsgleichen Regelung des § 104 Abs 3 S 2 AVG BSG
Urteil vom 21.3.1991 - 4/1 RA 35/90 - SozR 3-2200 § 1325 Nr 3 -
Juris RdNr 15; BSG Urteil vom 30.3.2004 - B 4 RA 36/02 R - SozR 4-
2600 § 149 Nr 1 - Juris RdNr 16)
.
17
Soweit sich die Klägerin in ihrem Antrag vom Oktober 2008 auf eine
ihr zuvor erteilte Renteninformation vom 25.9.2008 bezieht, enthält
diese zwar eine Übersicht über die Höhe der Beiträge, die für
Beitragszeiten vom Versicherten, dem Arbeitgeber oder von
öffentlichen Kassen gezahlt worden sind (§ 109 Abs 3 Nr 5 SGB VI)
und in diesem Zusammenhang auch Angaben zur Gesamtzahl der
bisher erworbenen Entgeltpunkte. Diese Informationen werden
durch das Gesetz jedoch ausdrücklich als unverbindlich qualifiziert.
Sie sind nach § 109 Abs 2 SGB VI mit dem Hinweis zu versehen,
dass sie auf der Grundlage des geltenden Rechts und der im
Versicherungskonto gespeicherten rentenrechtlichen Zeiten erstellt
sind und damit unter dem Vorbehalt künftiger Rechtsänderungen
sowie der Richtigkeit und Vollständigkeit der im Versicherungskonto
gespeicherten rentenrechtlichen Zeiten stehen
(vgl BVerfG Beschluss vom 27.2.2007 - 1 BvL 10/00 - BVerfGE 117,
272, 283 f; BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 13 R 77/07 R - Juris RdNr
25)
. Mangels verbindlicher Regelung und hiermit potentiell verbundener
Beschwer können Renteninformationen gerichtlich weder
angefochten noch kann die Mitteilung oder gar Feststellung einer
bestimmten Summe an Entgeltpunkten verlangt werden
(zu den regelmäßig erst ab Vollendung des 55. Lebensjahrs zu
erteilenden Rentenauskünften vgl BSG Urteil vom 30.8.2001 - B 4
RA 114/00 R - SozR 3-2600 § 149 Nr 6 - Juris RdNr 31 ff)
.
18
b) Die Anfechtungsklage ist auch nicht etwa deshalb begründet, weil
sich die Beklagte nicht an die ihr durch § 149 Abs 5 S 3 SGG
gesetzten Grenzen ihrer Entscheidungsbefugnis gehalten hätte.
19
Soweit der Bescheid vom 10.3.2009 aus Empfängersicht Anlass zu
diesbezüglichen Zweifeln geben könnte, weil er vor dem Hintergrund
des auf die Berücksichtigung weiterer Entgeltpunkte wegen
Kindererziehung gerichteten Antrags der Klägerin auch
Erläuterungen zu dem nach § 56 SGB VI vorgesehenen Umfang
von Kindererziehungszeiten und deren Bewertung nach § 70 Abs 2
SGB VI enthält, werden diese durch den Widerspruchsbescheid
vom 30.4.2009 ausgeräumt. Hierin bezieht sich die Beklagte konkret
auf das im Widerspruch auch allgemeiner formulierte Begehren der
Klägerin, nämlich der "Berücksichtigung eines generativen Beitrags
in Ihrem Versicherungskonto zusätzlich zu den bereits vorgemerkten
Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen
Kindererziehung". Zugleich macht sie deutlich, dass sie wegen der
Gesetzesbindung (Art 20 Abs 3 GG) an das von der Klägerin als
verfassungswidrig eingestufte Recht gebunden sei und die einzige
in Bezug auf das sPV-Urteil für die Klägerin in Betracht kommende
Vergünstigung eines verminderten Beitrags zur sPV nicht
anzuwenden sei, da die Klägerin noch keine Rentenleistung erhalte.
Formulierungen, die auf eine über die bloße Ablehnung des Antrags
der Klägerin hinausgehende Entscheidung der Beklagten auch über
Fragen der Anrechnung oder Bewertung von
rentenversicherungsrechtlichen Tatbeständen hindeuten, finden
sich hier nicht mehr.
20
c) Auch dem allgemeineren Begehren auf Vormerkung eines
"generativen Beitrages" als zusätzliche
rentenversicherungsrechtliche Vorleistung hat die Beklagte zu Recht
nicht entsprochen.
21
Ein solcher Vorleistungstatbestand ist - wovon auch die Klägerin
ausgeht - weder nach dem bei Erlass der angefochtenen Bescheide
noch nach dem zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
in der Revisionsinstanz im Wesentlichen unverändert geltenden
Recht
(zu dessen Maßgeblichkeit für die Entscheidung des Senats vgl
BSG Urteil vom 16.6.2015 - B 13 R 24/14 R - SozR 4-2600 § 134 Nr
3 RdNr 15 mwN)
vorgesehen. So sind nach § 149 Abs 1 S 2 SGB VI in dem
Versicherungskonto die Daten zu speichern, die für die
Durchführung der Versicherung sowie die Feststellung und
Erbringung von Leistungen einschließlich der Rentenauskunft
erforderlich sind, also insbesondere die Sozialdaten, die für die
Feststellung der Höhe einer Rentenanwartschaft erheblich sind
(§ 149 Abs 3 Halbs 2 SGB VI). Nach § 56 Abs 1 S 1 SGB VI sind
Kindererziehungszeiten Zeiten der Erziehung eines Kindes in
dessen ersten drei Lebensjahren. Gemäß § 57 S 1 SGB VI
(in der Neufassung vom 19.2.2002, BGBl I 754) ist die Zeit der
Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten
Lebensjahr bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit
die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit
auch in dieser Zeit vorliegen. Nach § 55 Abs 1 SGB VI
(in der Neufassung vom 19.2.2002, BGBl I 754) sind Beitragszeiten
Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge
(Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind
sowie Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften
als gezahlt gelten. Hierzu gehören auch Kindererziehungszeiten
(Flecks in jurisPK-SGB VI, 2. Aufl 2013, § 55 RdNr 26). Weitere
vormerkungsfähige Tatbestände zur Berücksichtigung der
Kindererziehung durch Eltern sieht das geltende Rentenrecht nicht
vor.
22
Feststellungsfähig sind im Rahmen des Vormerkungsverfahrens
jedoch schon dem Grunde nach nur solche Tatbestände, die nach
der Rechtslage im Zeitpunkt der Feststellung möglicherweise in
einem künftigen Leistungsfall rentenversicherungsrechtlich
bedeutsam werden können und sollen
(vgl BSG Urteil vom 23.8.2005 - B 4 RA 21/04 R - SGb 2006, 429 -
Juris RdNr 40)
. Dies gründet in Sinn und Zweck eines Vormerkungsbescheids.
Dieser besteht darin, bereits im Vorfeld eines
Leistungsfeststellungsverfahrens für den Fall einer zukünftigen
Rentengewährung verbindlich Klarheit über das Vorliegen oder das
Nichtvorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die
Berücksichtigung von rentenrechtlich relevanten Zeiten zu schaffen
(stRspr, zuletzt BSG Urteil vom 24.4.2014 - B 13 R 3/13 R - SozR 4-
1300 § 44 Nr 30 RdNr 17)
. Im Interesse der Versicherten wird hierdurch Klarheit über das
Vorliegen oder Nichtvorliegen der tatbestandsmäßigen
Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Zeiten
rentenversicherungsrechtlicher Relevanz nach dem aktuellen
Rechtsstand geschaffen. Verbindlich festgestellt wird im
Vormerkungsbescheid sowohl der Rechtscharakter der
rentenrechtlichen Zeit als auch deren zeitlicher Umfang und damit,
ob ein behaupteter Vorleistungstatbestand nach seinen
tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen nach dem zum
Zeitpunkt des Erlasses des Vormerkungsbescheides geltenden
materiellen Recht erfüllt ist, sodass die Möglichkeit besteht, dass er
rentenrechtlich relevant werden kann
(stRspr, vgl nur BSG Urteil vom 30.3.2004 - B 4 RA 36/02 R - SozR
4-2600 § 149 Nr 1 - Juris RdNr 16 mwN)
. Schon wegen der unüberschaubaren Vielfalt möglicher
Lebensläufe ist diese "Beweissicherung"
(vgl BSG Urteil vom 23.8.2005 - B 4 RA 21/04 R - SGb 2006, 429 -
Juris RdNr 40)
auf diejenigen Tatbestände zu beschränken, die bereits nach
geltendem Recht rentenrechtlich relevant werden können. Ein
darüber hinausgehender Anspruch auf die Feststellung von
Tatbeständen, die erst aufgrund völlig ungewisser Beschlüsse des
parlamentarischen Gesetzgebers in der Zukunft vielleicht einmal
relevant werden könnten, besteht daher von vornherein nicht.
23
3. Im Übrigen ist der Senat nicht davon überzeugt, dass die
Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwands von
Eltern (zu dessen Bedeutung für die GRV b) über die bereits heute
rentenleistungsrechtlich (hierzu a) bestehenden
Ausgleichsmechanismen hinaus durch eine weitergehende
Berücksichtigung im Leistungsrecht der GRV (hierzu c) von
Verfassungs wegen zwingend geboten ist
(zum Beitragsrecht vgl die Urteile des 12. Senats des BSG vom
5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1, vom
30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3
Nr 77 und vom 20.7.2017 - B 12 KR 14/15 R - SozR 4-1100 Art 3 Nr
84, auch für BSGE vorgesehen)
. Eine Aussetzung des Verfahrens nach Art 100 Abs 1 S 1 Alt 2 GG
und Vorlage an das BVerfG kommt nicht im Betracht. Hierbei hat der
Senat neben den mit der Revisionsbegründung übersandten
umfangreichen Unterlagen auch die zum Urteil des 12. Senats vom
30.9.2015 ( B 12 KR 15/12 R - aaO) veröffentlichte sozialrechtliche
Literatur
(vgl ua Blüggel, jurisPR-SozR 11/2016 Anm 2; Lenze, NVwZ 2015,
1658; Lenze, SGb 2017, 130; Ruland, NZS 2016, 361; Seiler, NZS
2016, 641; Wenner, SozSich 2015, 344)
in den Blick genommen.
24
a) Die Leistungsansprüche der Versicherten in der GRV richten sich,
soweit es Renten betrifft, vor allem nach der Höhe der während des
Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte
und Arbeitseinkommen. Diese werden - bezogen auf einzelne
Kalenderjahre - in Entgeltpunkte umgerechnet. Weitere
Entgeltpunkte werden für beitragsfreie Zeiten angerechnet
(§ 63 Abs 1 bis Abs 3 SGB VI). Der Monatsbetrag einer Rente ergibt
sich, indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors
ermittelten persönlichen Entgeltpunkte mit dem Rentenartfaktor und
dem aktuellen Rentenwert bei Rentenbeginn vervielfältigt werden
(§ 64 SGB VI).
25
Kindererziehungszeiten, also Zeiten der Erziehung eines Kindes in
dessen ersten drei Lebensjahren
(§ 56 Abs 1 S 1 SGB VI; zur Verlängerung dieses Zeitraums bei
Konkurrenz mehrerer auf denselben Zeitraum entfallender
Kindererziehungszeiten s § 56 Abs 5 S 2 SGB VI; zu
Kindererziehungszeiten für ein vor dem 1.1.1992 geborenes Kind
sowie wegen Kindererziehung im Beitrittsgebiet s §§ 249, 249a SGB
VI)
wirken in diesem Rahmen unmittelbar leistungssteigernd, indem sie
für jeden Kalendermonat mit 0,0833 Entgeltpunkten bewertet
werden oder die Entgeltpunkte für sonstige Beitragszeiten um
0,0833 erhöht werden, wenn auch höchstens um die Entgeltpunkte
bis zum Erreichen der jeweiligen jährlichen Höchstwerte an
Entgeltpunkten nach Anlage 2b zum SGB VI
(§ 70 Abs 2 SGB VI; zur Vereinbarkeit der materiell-rechtlichen
Begrenzung auf die Beitragsbemessungsgrenze mit dem GG vgl
BSG Urteil vom 12.12.2006 - B 13 RJ 22/05 R - SozR 4-2600 § 70
Nr 2 mwN)
. Sofern diese Begrenzung nicht greift, führt dies bezogen auf das
jeweilige Kalenderjahr zu einer Bewertung mit nahezu einem
Entgeltpunkt (0,9996 Entgeltpunkte statt 1,000 Entgeltpunkte), also
fast dem Durchschnittsentgelt aller Versicherten der allgemeinen
Rentenversicherung in diesem Jahr (vgl Anlage 1 zum SGB VI).
Soweit Kindererziehungszeiten mit Anrechnungszeiten wegen
Schwangerschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI) zusammentreffen,
kann diese beitragsgeminderte Zeit nach § 71 Abs 2 SGB VI uU
sogar höher bewertet werden
(vgl Heidemann in jurisPK-SGB VI, 2. Aufl 2013, § 70 RdNr 99).
Dabei eröffnet das den Eltern durch § 56 Abs 2 SGB VI eingeräumte
Gestaltungsrecht bei der Zuordnung der Kindererziehungszeiten die
Möglichkeit, Leistungsansprüche in der GRV zu maximieren oder
auch überhaupt erst zu begründen.
26
Zusätzliche Entgeltpunkte können zudem unter den
Voraussetzungen des § 70 Abs 3a SGB VI erworben oder
gutgeschrieben werden für Kalendermonate, in denen
Kinderberücksichtigungszeiten nach § 57 SGB VI - also Zeiten der
Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten
Lebensjahr, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer
Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen - mit
Pflichtbeiträgen, Berücksichtigungszeiten wegen der Erziehung
weiterer Kinder oder Zeiten der nicht erwerbsmäßigen Pflege eines
pflegebedürftigen Kindes zusammenfallen. Hierdurch soll
insbesondere für Frauen ein Nachteilsausgleich dafür geschaffen
werden, dass sie während der Kindererziehungsphase durch
Erwerbstätigkeit in der Regel ein geringeres Arbeitsentgelt (zB durch
Teilzeitarbeit) erzielen und damit Einbußen in ihrer
Versicherungsbiographie erleiden. Zugleich wird aber auch ein
Nachteilsausgleich für Erziehungspersonen bezweckt, die
gleichzeitig mehrere Kinder erziehen und deshalb regelmäßig nicht
einmal in Teilzeit erwerbstätig sind
(Entwurf der Bundesregierung eines Altersvermögensgesetzes, BR-
Drucks 764/00 S 111f zu Art 1 Nr 20 <§ 70> des Entwurfs)
. Im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung findet ein zusätzlicher
Nachteilsausgleich statt, indem Kinderberücksichtigungszeiten für
diesen Zweck mit dem Wert von Kindererziehungszeiten
berücksichtigt werden (§ 71 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB VI).
27
Darüber hinaus enthält das Leistungsrecht der GRV weitere
Regelungen zur Berücksichtigung der Kindererziehung, wie
Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft
(§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI), Zuschlag für Zeiten der
Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),
Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI- gültig bis 16.11.2016), große
Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung
(§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI) und
Erziehungsrente
(§§ 47, 243a SGB VI; vgl ausführlich Buntenbach, Leistungen der
Rentenversicherung für Kindererziehung, DRV-Schriften, Band 108,
S 19)
.
28
b) Dem Senat ist bewusst, dass Versicherte mit Kindern im Vergleich
zu Versicherten ohne Kinder im Allgemeinen in besonderem Maße
zur Leistungsfähigkeit des Systems der GRV und dessen
Nachhaltigkeit beitragen. Wie der 12. Senat bereits in seinem Urteil
vom 20.7.2017
(B 12 KR 14/15 R - SozR 4-1100 Art 3 Nr 84 RdNr 35) betont hat,
funktioniert das umlagefinanzierte System der GRV dauerhaft nur
dann, wenn es stets genügend leistungsfähige Beitragszahler gibt,
die für die Renten der jeweiligen Rentnergeneration aufkommen
können. Dies setzt voraus, dass es auch in Zukunft hinreichend
viele Erwerbstätige und die Möglichkeit zu produktivem
Erwerbsverhalten gibt. Versicherte mit Kindern leisten insoweit bei
typisierender Betrachtung im Allgemeinen mehr für die
Nachhaltigkeit des Systems als Versicherte ohne Kinder, denn
Versicherte mit Kindern und Versicherte ohne Kinder finanzieren
durch ihre monetären Beiträge zwar die aktuellen Renten mit.
Versicherte mit Kindern sorgen aber - auch durch Inkaufnahme von
Einschränkungen persönlicher und finanzieller Art - in besonderer
Weise dafür, dass es auch künftig Beitragszahler gibt, die künftige
Renten finanzieren können.
29
c) Dennoch hat die Klägerin keinen aus dem GG ableitbaren
Anspruch auf einen weitergehenden leistungsrechtlichen Ausgleich
der ihr in Verbindung mit der Kinderbetreuung und -erziehung im
Vergleich zu Kinderlosen entstandenen finanziellen und
persönlichen Nachteile. Eine verfassungsrechtliche Prüfung hat
nicht ausschließlich anhand der Maßstäbe des sPV-Urteils des
BVerfG zu erfolgen (hierzu aa). Vielmehr ist die Frage einer - nach
Auffassung der Klägerin - nicht ausreichenden Berücksichtigung
ihres Erziehungs- und Betreuungsaufwands durch die oben unter a)
dargestellten Normen unter Beachtung der Ausführungen des
BVerfG im sPV-Urteil in erster Linie anhand der Rechtsprechung des
BVerfG zum allgemeinen Gleichheitssatz
(Art 3 Abs 1 GG - hierzu bb) iVm dem Familienförderungsgebot des
Art 6 GG (Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG - hierzu cc) zu prüfen. Der
Senat schließt sich damit für das Leistungsrecht der GRV den
Ausführungen des 12. Senats zum Beitragsrecht
(BSG Urteil vom 20.7.2017 - B 12 KR 14/15 R - SozR 4-1100 Art 3
Nr 84 RdNr 37 ff)
nach eigener Prüfung im Ergebnis sinngemäß an.
30
aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist auf das Leistungsrecht der GRV
nicht wegen der den Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2
S 2 BVerfGG zukommenden Gesetzeskraft und der ihnen nach § 31
Abs 1 BVerfGG zukommenden Bindungswirkung "zu übertragen".
Dies gilt bereits deshalb, weil das sPV-Urteil ausweislich des Tenors
nur zur Pflegeversicherung und deren beitragsrechtlichen Normen
ergangen ist
(vgl im Einzelnen BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R -
BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 33)
. Mit seinem Urteil vom 3.4.2001 zur Frage der beitragsrechtlichen
Berücksichtigung des Aufwandes für Kinder in der sozialen
Pflegeversicherung (sPV-Urteil, aaO) hat das BVerfG keineswegs
dem Gesetzgeber das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs
dieses Aufwandes allein auf der Leistungsseite aufgegeben (vgl
schon BSG Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 §
157 Nr 1 RdNr 50)
. Darüber hinaus entspricht die GRV in ihren wesentlichen
Strukturprinzipien nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-
Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen
Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder
aufgestellt hat (hierzu sogleich bb). Auch dies steht deren
Übertragung auf das Leistungsrecht der GRV entgegen.
31
bb) Die Berücksichtigung des Erziehungs- und Betreuungsaufwands
von Eltern durch die oben unter a) dargestellten Normen des
Leistungsrechts der GRV genügt den Anforderungen des
allgemeinen Gleichheitssatzes.
32
Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich
und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für
ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen.
Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch
Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der
Ungleichbehandlung angemessen sind. Aus dem allgemeinen
Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und
Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den
Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen
Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Dabei gilt ein
stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter
Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt,
sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach-
und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Eine strengere
Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere anzunehmen, wenn
die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, wobei
sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr
verschärfen, je weniger die Merkmale für den Einzelnen verfügbar
sind oder je mehr sie sich denen des Art 3 Abs 3 GG annähern. Eine
strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich auch aus den
jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben
(vgl insgesamt zB BVerfG Beschluss vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 -
BVerfGE 130, 240, 254 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 40, 42;
BVerfG Urteil vom 17.12.2014 - 1 BvL 21/12 - BVerfGE 138, 136
RdNr 121 f, jeweils mwN zur stRspr des BVerfG)
.
33
Vorliegend geht es um die Frage, ob der Gesetzgeber einen (noch)
ausreichenden Ausgleich geschaffen hat für die Nachteile, die sich
im Leistungsrecht der GRV mit Rücksicht auf eine regelmäßig
verminderte Erwerbstätigkeit von Versicherten während der
Erziehung und Betreuung von Kindern gegenüber Versicherten
ohne Kinder ergeben, sowie für den besonderen Beitrag, den
Versicherte mit Kindern für die Nachhaltigkeit des Systems der GRV
erbringen, oder ob er diese Gruppen ohne hinreichende sachliche
Gründe im Wesentlichen gleich behandelt und dadurch Versicherte
mit Kindern in einer die durch Art 3 Abs 1 GG gesetzten Grenzen
überschreitenden Weise benachteiligt. Dabei legt der Senat einen
am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientierten Prüfungsmaßstab
zugrunde. Denn die ua für Beschäftigte, zu denen auch die Klägerin
bis April 2008 gehörte, gesetzlich angeordnete Versicherungs- und
Beitragspflicht in der GRV greift in deren durch Art 2 Abs 1 GG
geschützte allgemeine Handlungsfreiheit ein
(vgl BVerfG Beschluss vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98 - BVerfGE
115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 18 = Juris RdNr 49, mwN)
.
34
Selbst unter Zugrundelegung eines solchen strengen
Prüfungsmaßstabs ist der Senat nicht davon überzeugt, dass der
Gesetzgeber die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf
die Berücksichtigung der Kindererziehung und Betreuung nicht
eingehalten hätte. Vor allem durch die Gewährung von Leistungen in
der GRV selbst gewährleistet er eine verfassungsgemäße
Behandlung auch der Versicherten mit Kindern. So wird bereits
durch die oben unter a) angeführten kinderbezogenen
rentenrechtlichen Zeiten und deren Bewertung ein erheblicher
systemimmanenter Ausgleich für die mit der Kindererziehung und -
betreuung verbunden Nachteile gewährt.
35
Dem vom BVerfG im sPV-Urteil (
vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 §
54 Nr 2 - Juris
RdNr 69)postulierten Prüfauftrag bezüglich anderer Zweige der
Sozialversicherung ist die Bundesregierung nachgekommen. Sie hat
im November 2002 in Gestalt des damaligen Ministeriums für
Gesundheit und Soziale Sicherung die Kommission "Nachhaltigkeit
in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme" eingerichtet.
Diese hat sich ua mit der Bedeutung des sPV-Urteils für die GRV
befasst. In Auswertung des auch von der Klägerin zitierten Berichts
dieser Kommission kommt die Bundesregierung zu dem Ergebnis,
dass der vom Gesetzgeber beschrittene Weg, Kindererziehung auf
der Leistungsseite zu honorieren, sachgerecht sei
(BT-Drucks 15/4375 S 4 ff, insbesondere S 7).
36
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Möglichkeiten des
Gesetzgebers auch mit Rücksicht auf das sPV-Urteil keineswegs
allein auf einen solchen systemimmanenten Nachteilsausgleich
beschränkt
(vgl hierzu BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE
120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 49, 60)
. Vielmehr sind auch ausgleichende und fördernde Regelungen in
anderen Zweigen der Sozialversicherung, in weiteren Bereichen des
Sozialrechts sowie in sonstigen Rechtsgebieten wie etwa dem
Steuerrecht oder in Form kostenloser Schul-, Fachschul- und
Hochschulausbildung sowie durch öffentliche Mittel zumindest
subventionierter Kinderbetreuung in Krippen, Kindergärten und
Horten, in den Blick zu nehmen. Solche Regelungen sind zB die
Gewährung von Versicherungspflichtzeiten im
Arbeitsförderungsrecht für die Zeit der Kindererziehung
(§ 26 Abs 2a SGB III), die Gewährung von Elterngeld und zuvor
Erziehungsgeld (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, zuvor
Bundeserziehungsgeldgesetz), von Ausbildungsförderung
(Bundesausbildungsförderungsgesetz) oder die Gewährung von
Kindergeld (Bundeskindergeldgesetz) oder Kinderfreibeträgen im
Steuerrecht (Einkommensteuergesetz). Deren ausgleichende
Funktion wird auch nicht dadurch aufgehoben, dass Versicherte mit
Kindern mit ihren Steuern und Beiträgen ihrerseits in erheblichem
Umfang selbst zur Finanzierung von familienfördernden Leistungen
beitragen. Dass Versicherte mit Kindern durch familienfördernde
Leistungen durch den Gesetzgeber "auf Euro und Cent" so gestellt
werden müssten, als hätten sie keine Kinder, ist Wortlaut, Sinn und
Zweck der einschlägigen Vorschriften des GG
(hier insbesondere Art 3 Abs 1 und 3 GG) ebenso wenig zu
entnehmen, wie der Rechtsprechung des BVerfG hierzu
(im Einzelnen vgl BSG Urteil vom 20.7.2017 - B 12 KR 14/15 R -
SozR 4-1100 Art 3 Nr 84 RdNr 47 ff)
.
37
Soweit demgegenüber angenommen wird, das BVerfG habe in
seinem sPV-Urteil bezüglich des Nachteilsausgleichs auch in Bezug
auf die GRV einen "qualitativen Sprung"
(so Lenze, NZS 2007, 407 und SGb 2017, 130, 133) im Vergleich zu
den Ausführungen im Trümmerfrauenurteil
(BVerfG Urteil vom 7.7.1992 -1 BvL 51/86 -
BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) gemacht, teilt der Senat
diese Ansicht ebenso wenig wie der 12. Senat
(vgl BSG Urteil vom 20.7.2017 - B 12 KR 14/15 R - SozR 4-1100 Art
3 Nr 84 RdNr 53 mwN)
. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht
arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern bedarfsbezogen. Der
Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher
in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt
werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV
strukturell, weil danach Rentenleistungen sowohl hinsichtlich der
Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme als auch ihrer Höhe von
der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkret
versicherten Arbeitsentgelte abhängig sind (vgl § 63 SGB VI).
38
cc) Die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des
Leistungsrechts der GRV stehen - ebenso wenig wie die des
Beitragsrechts
(vgl BSG Urteil vom 20.7.2017 - B 12 KR 14/15 R - SozR 4-1100 Art
3 Nr 84 RdNr 55 f mwN) -
auch nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG iVm Art 3 GG. Denn
der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat
verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an,
jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der
Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip
ist zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem
Familienlastenausgleich zu entnehmen. Dennoch verpflichtet Art 6
Abs 1 GG den Gesetzgeber weder, jegliche die Familie betreffende
Belastung auszugleichen oder jeden Unterhaltspflichtigen zu
entlasten, noch zwingt er ihn dazu, Familien - ohne Ausgleich mit
anderen Gemeinwohlbelangen sowie ohne Beachtung der
Funktionsfähigkeit und des Gleichgewichts des Ganzen - zu fördern
(so bereits unter Berücksichtigung des sPV-Urteils BSG Urteil vom
12.12.2006 - B 13 RJ 22/05 R - SozR 4-2600 § 70 Nr 2 Juris RdNr
31 mwN)
. Insbesondere ist Art 6 Abs 1 GG aber keine Entscheidung darüber
zu entnehmen, in welchem Umfang und in welcher Weise ein
solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem
Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu
schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen
Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der
Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit
besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des
Gesetzgebers
(vgl hierzu BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE
120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 35 mwN, insbesondere zur
Rspr des BVerfG)
.
39
4. Die in Kombination mit der Anfechtungsklage erhobene
Verpflichtungsklage, mit der die Klägerin ihr Begehren verfolgt, ihrem
Versicherungskonto ab dem Jahr 2007 zusätzliche Entgeltpunkte
gutzuschreiben bzw den von ihr erbrachten "generativen Beitrag" als
Tatbestand einer rentenversicherungsrechtlich relevanten
Vorleistung festzustellen, war bereits unzulässig. Daher ist die
Revision insoweit ebenfalls unbegründet.
40
Für das erstmals mit der Klageschrift geltend gemachte Verlangen,
eine solche Gutschrift bzw Feststellung auch für die Jahre ab 2008
vorzunehmen, fehlte schon die notwendige Vorbefassung der
Beklagten (hierzu a). Im Übrigen fehlte auch die notwendige
Klagebefugnis oder ein Feststellungsinteresse für eine solche Klage
(hierzu b).
41
a) Das Begehren der Klägerin, die Beklagte zu einer Gutschrift
weiterer Entgeltpunkte bzw zur Feststellung eines "generativen
Beitrags" als weiterem Vorleistungstatbestand zu verpflichten, war
für die Jahre ab 2008 bereits deshalb unzulässig, weil es insoweit an
der notwendigen Vorbefassung der Beklagten fehlte. Die hiermit
erhobene Verpflichtungsklage - hier in der Form der Vornahmeklage
- setzt das Vorliegen eines im Vorverfahren angegriffenen und
überprüften Verwaltungsakts voraus
(§§ 54 Abs 1, 78 Abs 1 S 1 und Abs 3 SGG; vgl BSG Urteil vom
10.2.2005 - B 4 RA 48/04 R - Juris RdNr 36; Keller in Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 54 RdNr
6a, 20, 21)
. Hieran fehlt es, denn die Klägerin hat im Oktober 2008 gegenüber
der Beklagten ausdrücklich die Gutschrift weiterer Entgeltpunkte
zunächst nur für das Jahr 2007 beantragt. Nur hierüber hat die
Beklagte im angefochtenen Verwaltungsakt entschieden. Erst in
ihrer Klageschrift hat die Klägerin ihr Begehren auf die Jahre ab
2008 erweitert, ohne die Beklagte zuvor mit diesem Anliegen zu
befassen.
42
b) Für die Zulässigkeit einer Verpflichtungs-, Leistungs- oder
Feststellungsklage zur Durchsetzung ihrer Begehren fehlte der
Klägerin auch die notwendige Klagebefugnis oder ein
Feststellungsinteresse.
43
Wie bereits oben (unter 2.) ausgeführt, ist die Beklagte weder befugt
noch verpflichtet, über die Feststellung oder gar Anrechnung und
Bewertung der streitigen Zeit schon jetzt - vor der Feststellung einer
Leistung - überhaupt zu entscheiden. Dann kann aber erst recht
nicht verlangt werden, dass ein neuer Bescheid mit der Feststellung
gesetzlich nicht vorgesehener Vorleistungstatbestände oder einer
bestimmten Bewertung zu erlassen sei; Verpflichtungs-, Leistungs-
oder Feststellungsklagen mit diesem Ziel sind unzulässig (vgl
BSG Urteil vom 30.8.2001 - B 4 RA 114/00 R - SozR 3-2600 § 149
Nr 6 LS 2 und Juris RdNr 29 ff mwN;
BSG Urteil vom 21.3.1991 - 4/1 RA 35/90 - SozR 3-2200 § 1325
RVO Nr 3 S 6 f - Juris RdNr 18 ff)
. Es fehlt insbesondere die Klagebefugnis für eine Verpflichtungs-
oder Leistungsklage
(vgl hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG,
12. Aufl 2017, § 54 RdNr 22, 39)
, da der Klägerin das geltend gemachte Recht zum gegenwärtigen
Zeitpunkt unter keinem Gesichtspunkt zustehen kann.
Popularklagen zur Verfolgung politischer - auch sozial- und
familienpolitischer - Zwecke sind jedoch unzulässig
(vgl BSG Urteil vom 27.1.1977 - 7 RAr 17/76 - BSGE 43, 134, 141 =
SozR 4100 § 34 Nr 6 - Juris RdNr 37)
.
44
Auch eine Feststellungsklage, in die der geltend gemachte
Anspruch ggf umgedeutet werden könnte, wäre nicht zulässig. Es
kann nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein, wofür
aufgrund einer materiell-rechtlichen Sondervorschrift
(§ 149 Abs 5 S 3 SGB VI) die Verpflichtungsklage ausgeschlossen
ist. Im Übrigen müsste eine Feststellungsklage auch scheitern, weil
es am berechtigten Interesse an der baldigen Feststellung im Sinne
von § 55 Abs 1 SGG fehlt. In diesem Zusammenhang ist von
Bedeutung, dass sich der prozessuale Anspruch auf die Höhe einer
später nur möglicherweise zu gewährenden Leistung bezieht und
dann mit der Leistungsklage geltend gemacht werden kann
(zum inhaltsgleichen § 104 Abs 3 S 2 AVG vgl
BSG Urteil vom 21.3.1991 - 4/1 RA 35/90 - SozR 3-2200 § 1325
RVO Nr 3 S 7 - Juris RdNr 19; vgl auch BSG Urteil vom 30.8.2001 -
B 4 RA 114/00 R - SozR 3-2600 § 149 Nr 6 - Juris RdNr 41)
.
45
Der verfassungsrechtliche Aspekt, um den es hier im Kern geht -
nämlich ausdrücklich die Überprüfung des § 70 Abs 2, Abs 3a SGB
VI sowie inzident weiterer Regelungen des Leistungsrechts der GRV
- bestätigt dies. Das BVerfG hat zu Verfassungsbeschwerden gegen
ein gerichtliches Urteil ausgeführt, dass zwar der Beschwerdeführer
durch ein Urteil in der Regel beschwert sei, dies jedoch bei
gerichtlicher Überprüfung eines Verwaltungsaktes anders sein
könne, dessen Erlass der Beschwerdeführer provoziert habe, um im
Gerichtszug im Wege der Inzidentkontrolle eine Norm auf ihre
Verfassungsmäßigkeit überprüfen zu lassen und so die
Möglichkeiten zu erweitern, durch die eine verfassungsgerichtliche
Normprüfung im Wege der Verfassungsbeschwerde erreicht werden
könne
(BVerfG Beschluss vom 12.2.1986 - 1 BvR 1578/82 - SozR 2200 §
1248 Nr 45 unter Hinweis auf BVerfG Beschluss vom 18.5.1982 - 1
BvR 602/78 - BVerfGE 60, 360, 369 f)
. Dies sei aber, ebenso wie bei der unmittelbar gegen gesetzliche
Vorschriften gerichteten Verfassungsbeschwerde, nur zulässig,
wenn der Beschwerdeführer durch die Norm selbst unmittelbar und
gegenwärtig betroffen werde. Gleiches muss hier für die Zulässigkeit
der Feststellungsklage gelten, wo die Aussetzung des Verfahrens
nach Art 100 GG in Frage stünde. Denn auch insoweit muss es bei
der konkreten Entscheidung auf die Gültigkeit der Norm ankommen.
Dies ist nicht der Fall, wenn - wie hier - die Klägerin im Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung noch nicht von der für grundgesetzwidrig
gehaltenen Norm betroffen wird und zweifelhaft ist, ob sie je
betroffen sein wird (vgl
BSG Urteil vom 21.3.1991 - 4/1 RA 35/90 - SozR 3-2200 § 1325
RVO Nr 3 S 7 - Juris RdNr 20)
.
46
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.