Urteil des BSG vom 14.03.2018

Sozialversicherungspflicht - Instrumentalmusiklehrer (hier: Gitarrenlehrer) an einer städtischen Musikschule auf honorarvertraglicher Basis - Bindung an Rahmenlehrpläne - Vereinbarung eines selbstständigen Dienstverhältnisses - gelebtes Vertragsverhältnis

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 14.3.2018, B 12 R 3/17 R
ECLI:DE:BSG:2018:140318UB12R317R0
Sozialversicherungspflicht - Instrumentalmusiklehrer (hier:
Gitarrenlehrer) an einer städtischen Musikschule auf
honorarvertraglicher Basis - Bindung an Rahmenlehrpläne -
Vereinbarung eines selbstständigen Dienstverhältnisses -
gelebtes Vertragsverhältnis - abhängige Beschäftigung -
selbstständige Tätigkeit - Abgrenzung
Leitsätze
1. Kann eine Tätigkeit sowohl aufgrund einer Beschäftigung als
auch selbstständig erbracht werden, kommt den vertraglichen
Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer/Auftragnehmer und
Arbeitgeber/Auftraggeber zwar keine allein ausschlaggebende,
doch eine gewichtige Rolle zu.
2. Die Geltung eines Lehrplanwerks führt nicht per se zur
Annahme von Weisungsunterworfenheit.
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des
Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Juli 2016 und
des Sozialgerichts Münster vom 15. Juli 2014 sowie der
Bescheid der Beklagten vom 22. September 2011 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 5. April 2012, in der Fassung vom
6. Juli 2016 aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen
Rechtszügen mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen. Im
Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Der Streitwert wird in allen Rechtszügen auf 5000 Euro
festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob der zu 1. beigeladene
Musikschullehrer in seiner Tätigkeit für die Klägerin aufgrund
Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlag.
2
Die klagende Stadt ist Trägerin einer als öffentliche
Bildungseinrichtung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene
betriebenen Musikschule. Deren Aufgabe ist die musikalische
Grundausbildung, die Heranbildung des Nachwuchses für das Laien-
und Liebhabermusizieren, die Begabtenfindung und -förderung sowie
die eventuelle Vorbereitung auf ein Berufsstudium. Die Musikschule
arbeitet nach Ziff 2 ihrer Schulordnung (SchulO) auf der Grundlage
der Richtlinien des Verbandes deutscher Musikschulen eV (VdM). Die
Klägerin beschäftigte (Stand Juni 2012) 18 angestellte Musiklehrer
einschließlich der Schulleitung (10,3 Vollzeitstellen) sowie zwei
angestellte Verwaltungskräfte im Schulsekretariat. Daneben
beauftragte sie auf honorarvertraglicher Grundlage zehn
Musikschullehrer (70,28 Unterrichtsstunden/Woche
2012>), darunter den Beigeladenen zu 1. Dieser ist ausgebildeter
Diplom-Musikpädagoge für Gitarre und Kontrabass. Seit 2008 war er
auf der Basis von Honorarverträgen (HV) für die Klägerin tätig, stand
daneben aber noch bei einer anderen Musikschule in einem
abhängigen (Teilzeit-)Beschäftigungsverhältnis. Für die Klägerin
erteilte der Beigeladene zu 1. ab 10.1.2011 in Zeiträumen von jeweils
zwischen rund drei und rund sechs Monaten Gitarrenunterricht im
Umfang von etwa 8 bis 12 Stunden pro Woche in Unterrichtsräumen
der Musikschule. Als Honorar waren 23,50 Euro je Unterrichtsstunde
(45 Minuten) vereinbart. Die zu unterrichtenden Schüler wurden ihm
durch die Schulleitung zugewiesen, wobei er ein Ablehnungsrecht
hatte. Er griff auf eigene Instrumente mit entsprechendem
Ausrüstungszubehör zurück. Der Beigeladene zu 1. nahm auch
wiederholt an Konferenzen teil, wofür er - im Gegensatz zu
festangestellten Lehrkräften - eine gesonderte Vergütung erhielt.
3
Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund stellte im Rahmen
eines vom Beigeladenen zu 1. im April 2011 initiierten
Statusfeststellungsverfahrens gegenüber der Klägerin und dem
Beigeladenen zu 1. fest, dass letzterer in seinen Tätigkeiten für die
Klägerin seit 10.1.2011 aufgrund Beschäftigung der
Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung
unterliegt
(Bescheide vom 22.9.2011, Widerspruchsbescheid vom 5.4.2012).
Das SG hat die Klage der Klägerin hiergegen abgewiesen
(Urteil vom 15.7.2014).
4
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte ihre angefochtenen
Bescheide abgeändert und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. in
seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 10.1. bis zum
22.7.2011, vom 9.9. bis zum 19.12.2011, vom 9.1. bis zum 6.7.2012,
vom 24.8. bis zum 20.12.2012, vom 7.1. bis zum 19.7.2013, vom 6.9.
bis zum 20.12.2013, vom 8.1. bis zum 4.7.2014 und vom 20.8. bis
zum 19.12.2014 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Das LSG hat
die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Der Beigeladene zu 1.
habe Weisungen der Klägerin unterlegen: in inhaltlicher Hinsicht
wegen der Pflicht zur Beachtung des Lehrplanwerks des VdM, in
örtlicher Hinsicht wegen der Nutzung der Unterrichtsräume und in
zeitlicher Hinsicht, da er sich in einem eng geschnürten Korsett
befunden habe. Darüber hinaus sei der Beigeladene zu 1. auch in die
für ihn fremde, einseitig von der Klägerin vorgegebene
Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen. Auf das
Vertragsverhältnis zwischen Schüler und Musikschule habe er keinen
Einfluss nehmen können. In die schulische Gesamtorganisation sei er
eingegliedert gewesen, weil er durch die Mitwirkung an Konzerten zu
einer positiven Außendarstellung der Musikschule beigetragen habe.
Für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Merkmale seien nur in
geringem Umfang gegeben. Auch dem Übereinkommen der
Beteiligten, wonach ein Arbeitsverhältnis auch in
sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht nicht habe begründet werden
sollen, komme nur eine geringe Indizwirkung zu. In der
vorzunehmenden Gesamtabwägung würden daher die für eine
abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale der Eingliederung
und Weisungsgebundenheit die für eine selbstständige Tätigkeit
sprechenden Indizien, die lediglich in einem geringen Maß
festzustellen seien, deutlich überwiegen (Urteil vom 6.7.2016).
5
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie rügt eine
Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV und trägt ua vor, konkrete
Weisungen seien dem Beigeladenen zu 1. nie erteilt worden. Der
Lehrplan begründe keine persönliche Abhängigkeit, sondern
formuliere lediglich Inhalte und Lernziele des Unterrichts. Gleiches
gelte für das Lehrplanwerk des VdM, welches nur der genauen
Bestimmung der vertraglich geschuldeten Leistung diene.
6
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Juli
2016 und des Sozialgerichts Münster vom 15. Juli 2014 sowie den
Bescheid der Beklagten vom 22. September 2011 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 5. April 2012, in der Fassung vom 6. Juli
2016 aufzuheben.
7
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
8
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Der Beigeladene zu
1. teilt die Rechtsauffassung des LSG.
Entscheidungsgründe
9
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Der Berufung der
Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG war
stattzugeben. Der Bescheid der Beklagten vom 22.9.2011 in Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 5.4.2012, in der Fassung vom
6.7.2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Die Beklagte hat zu Unrecht nach § 7a SGB IV festgestellt, dass der
Beigeladene zu 1. in seinen Tätigkeiten für die Klägerin beschäftigt
und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtig war.
10
Zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen
Widerspruchsbescheids vom 5.4.2012 unterlagen Personen, die
gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV), in der sozialen Pflegeversicherung
(sPV) und in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) sowie
nach dem Recht der Arbeitsförderung der Versicherungspflicht
(vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1
SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III in den jeweils geltenden
Fassungen)
. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Beigeladene zu
1. war bei der Klägerin nicht abhängig beschäftigt.
11
1. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen)
Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die
nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach
Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des
Weisungsgebers.
12
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine
Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber
persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden
Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb
eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der
Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers
unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei
Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht
dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein.
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch
das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen
Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene
Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und
Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder
selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten
Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt
davon ab, welche Merkmale überwiegen
(stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR
19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; BSG Urteil vom
29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7
Nr 17, RdNr 15 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung
zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG
Beschluss vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400
§ 7 Nr 11)
. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum
rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw der selbstständigen
Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als
Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer
Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit
diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen
der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander
abgewogen werden
(vgl insoweit insbesondere BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR
24/10 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 15 LS und RdNr 25)
.
13
b) Fehlen zwingende gesetzliche Rahmenvorgaben und kann die im
vorliegenden Fall zu prüfende Tätigkeit als Lehrer sowohl in der
Form einer Beschäftigung als auch in der einer selbstständigen
Tätigkeit erbracht werden
(vgl § 2 Abs 1 S 1 SGB VI; hierzu auch BSG Urteil vom 12.2.2004 -
B 12 KR 26/02 R - USK 2004-25 mwN)
, kommt den vertraglichen Vereinbarungen zwischen
Arbeitnehmer/Auftragnehmer und Arbeitgeber/Auftraggeber zwar
keine allein ausschlaggebende, so doch eine gewichtige Rolle zu.
Zwar haben es die Vertragsparteien nicht in der Hand, die kraft
öffentlichen Rechts angeordnete Sozialversicherungspflicht durch
bloße übereinstimmende Willenserklärung auszuschließen. Dem
Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung begründen zu wollen, kommt nach der
Rechtsprechung des BSG aber indizielle Bedeutung zu, wenn
dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen
nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte
gestützt wird bzw die übrigen Umstände gleichermaßen für
Selbstständigkeit wie für eine abhängige Beschäftigung sprechen
(vgl BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 =
SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 26 mwN)
.
14
2. Die Klägerin und der Beigeladene zu 1. haben ein selbstständiges
Dienstverhältnis vereinbart und dieses auch tatsächlich praktiziert.
Das "gelebte" Vertragsverhältnis entspricht dem formell vereinbarten
Vertrag über ein selbstständiges Dienstverhältnis. Tatsächliche
Umstände, die bei einer Gesamtschau zwingend zu einer
Beurteilung des Vertragsverhältnis als abhängige Beschäftigung,
insbesondere als Arbeitsverhältnis führen müssten, hat das LSG
nicht festgestellt.
15
a) Gegenstand der Verträge zwischen Klägerin und Beigeladenem
zu 1. ist "eine selbständige Tätigkeit als freier Mitarbeiter, die sich
nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
über den Dienst- und Werkvertrag (§§ 611 f BGB) richtet. Der
Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer mit der
erfolgsorientierten Durchführung von Musikunterricht für die
Musikschule (…) im Unterrichtsfach Gitarre für den Zeitraum (…)".
16
Die Beteiligten hatten in den jeweiligen HV schriftlich festgehalten,
kein Arbeitsverhältnis auch in sozialversicherungsrechtlicher
Hinsicht begründen zu wollen. Anhaltspunkte dafür, dass der
Vertragsschluss und die darin übereinstimmend getroffenen
Regelungen allein aufgrund eines erheblichen Ungleichgewichts der
Verhandlungspositionen oder unter Ausnutzung besonderer
Umstände des Beigeladenen zu 1. (denkbar wären zB geschäftliche
Unerfahrenheit, Ausnutzung einer akuten Zwangslage bzw
Notsituation) zustande gekommen sind
(vgl BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 =
SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 26 mwN)
, liegen nicht vor. Dass nach den Feststellungen des LSG
maßgebliches Motiv der Klägerin für den Einsatz von Honorarkräften
Einsparmöglichkeiten auf der Ausgabenseite waren, ändert an
dieser Beurteilung schon deshalb nichts, weil sich der Einsatz von
Honorarkräften nur auf künftig frei werdende Stellen bezog.
17
b) Zwingendes Recht steht einer Qualifizierung der
Vertragsverhältnisse von Musikschullehrern als freier Dienstvertrag
nicht entgegen. Im Gegenteil nimmt die arbeitsgerichtliche
Rechtsprechung an, dass Lehrer an Musikschulen nur dann als
Arbeitnehmer anzusehen sind, wenn die Parteien dies vereinbart
haben oder im Einzelfall festzustellende Umstände hinzutreten, aus
denen sich ergibt, dass der für das Bestehen eines
Arbeitsverhältnisses erforderliche Grad der persönlichen
Abhängigkeit gegeben ist
(vgl aktuell zu Musikschullehrern BAG Urteil vom 21.11.2017 - 9
AZR 117/17 - Juris; BAG Urteil vom 17.10.2017 - 9 AZR 792/16 -
Juris; BAG Urteil vom 27.6.2017 - 9 AZR 851/16 - Juris; BAG Urteil
vom 27.6.2017 - 9 AZR 852/16 - Juris mwN)
. Die im konkreten Fall zwischen der Klägerin und dem
Beigeladenen zu 1. im Übrigen getroffenen Vereinbarungen sowie
deren tatsächliche Durchführung
(vgl hierzu der zum 1.4.2017 in Kraft getretene § 611a Abs 1 S 6
BGB idF des Gesetzes zur Änderung des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom
21.2.2017 )
stehen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung und -würdigung aller
Umstände mit dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien,
ein freies Dienstverhältnis zu begründen, ebenfalls nicht im
Widerspruch.
18
c) Gegenstand der Tätigkeit waren nach den vertraglichen
Vereinbarungen zwischen Klägerin und Beigeladenem zu 1.
Unterrichtsleistungen im Musikschulfach Gitarre. Nach den
Feststellungen des LSG bestand zwischen den tatsächlichen
Unterrichtsphasen keine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1. zu
einer Rufbereitschaft. Auch für ein Abrufarbeitsverhältnis bestehen
keine Anhaltspunkte. Ansprüche auf bezahlten Erholungsurlaub
oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, wie sie für ein
Arbeitsverhältnis typisch sind, standen dem Beigeladenen zu 1.
nicht zu. Vielmehr war er verpflichtet, Rechnungen zu stellen und für
seine soziale Absicherung selbst Sorge zu tragen.
19
d) Konkrete arbeitskraftbezogene Weisungen wurden dem
Beigeladenen zu 1. nach den Feststellungen des LSG nicht erteilt.
Der Beigeladene zu 1. war zwar verpflichtet, die Unterrichtszeiten
genau einzuhalten und ausgefallene Stunden in Absprache mit der
Musikschule nachzuholen. Weitere Weisungen hinsichtlich Zeit und
Ort der Durchführung der Tätigkeit gab es dagegen nur als
Rahmenvorgaben. So wurden den Lehrern bei der Festlegung der
Unterrichtszeiten Rahmenzeiten und Unterrichtsräume zugewiesen.
Den Lehrkräften standen konkrete Räume innerhalb eines
bestimmten Zeitfensters zur Verfügung. Innerhalb dieses
Zeitfensters konnten festangestellte Kräfte und Honorarkräfte die
Verteilung der Schüler frei bestimmen bzw mit den Eltern
vereinbaren. Zwar unterrichtete der Beigeladene zu 1. für die
Klägerin nur Schüler, mit denen die Klägerin zuvor ein
privatrechtliches Vertragsverhältnis begründet hatte, auf das der
Beigeladene zu 1. selbst keinen Einfluss hatte. Die Schüler wurden
ihm seitens der Schulleitung "zugeteilt", jedoch hatte er das Recht,
einzelne Schüler abzulehnen. Vor allem aber stand ihm - anders als
den angestellten Unterrichtskräften - die Teilnahme an Konferenzen
frei. Zudem erhielt er, was im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses
ebenfalls untypisch wäre, für die 15 bis 20 Konferenzen, an denen
er teilgenommen hatte, eine gesonderte Vergütung.
20
e) Eine Weisungsunterworfenheit des Beigeladenen zu 1. unter das
Direktionsrecht der Klägerin ergibt sich auch nicht daraus, dass die
Vertragsparteien vereinbart hatten: "Grundlage für den Unterricht ist
das Lehrplanwerk des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM).
Im Übrigen ist jede Lehrkraft in der inhaltlichen und methodischen
Gestaltung des Unterrichts frei." Dabei kann offenbleiben, ob sich
das fehlende Direktionsrecht bereits daraus ergibt, dass der Geltung
des Lehrplanwerks in der praktischen Unterrichtsarbeit auch aus
Sicht der Schulleitung keinerlei (entscheidende) Bedeutung zukam.
Jedenfalls macht der Begriff "Grundlage" den Charakter dieser
Klausel als bloße, abstrakte Beschreibung der vom Beigeladenen zu
1. zu erbringenden Leistung deutlich. Der Klausel und dem
Lehrplanwerk können keine detaillierten Unterrichtsvorgaben
entnommen werden, welche die Schulleitung ggf im Wege einer
Weisung gegenüber dem Beigeladenen zu 1. hätte wirkmächtig
durchsetzen können. Nach den Feststellungen des LSG formuliert
das Lehrplanwerk lediglich "strukturierte didaktische Empfehlungen",
benennt "Lernfelder" und enthält "Literaturempfehlungen". Auf dieser
Basis ist nicht ersichtlich, wie die Musikschule etwa im Fall eines -
wie auch immer - festgestellten Verstoßes eines Musiklehrers - in
welcher Form auch immer - gegen die Rahmenvorgaben im
Lehrplanwerk des VdM konkrete Weisungen hätte erteilen können.
21
Die Vorgabe gewisser "Eckpunkte" des jeweiligen "Einsatzauftrags"
wie Beginn und Ende des Einsatzes und "grober" Inhalt der Tätigkeit
können weder die Annahme von Weisungsunterworfenheit noch die
Eingliederung in eine fremde Betriebsordnung im Sinn
"funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess"
begründen, vor allem, wenn noch Handlungsspielräume verbleiben,
die arbeitnehmeruntypisch sind
(vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 19;
BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 23)
. Dies deckt sich mit aktueller arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung
gerade in Bezug auf Musikschullehrer. Danach führt eine
Vertragsformulierung, in der die Vertragsparteien vereinbart haben,
dass die Musikschullehrer bei der Gestaltung und Durchführung
ihres Unterrichtes frei und an Weisungen der Musikschule nicht
gebunden sind und die Vertragspartner über die dem Unterricht
zugrunde zu legenden Lehrpläne (Lehrpläne des Verbandes
deutscher Musikschulen oder andere Lehrpläne) Einvernehmen
herstellen, nicht zur Annahme von Weisungsrechten
(vgl BAG Urteil vom 17.10.2017 - 9 AZR 792/16 - Juris RdNr 20).
22
f) Dass der Beigeladene zu 1. über keine eigene Betriebsstätte
verfügte, ist angesichts der Natur der Tätigkeit (Musikschulunterricht)
ebenso wenig von ausschlaggebender Bedeutung wie der
Umstand, dass er seine eigenen Instrumente eingesetzt hat.
23
3. Nach allem musste der Beigeladene zu 1. seine Dienstleistung
zwar in den Räumen der Klägerin erbringen und sich zeitlich an
deren Unterrichtsplanung und -konzept orientieren; dies sind
Gesichtspunkte, die isoliert betrachtet für abhängige Beschäftigung
sprechen könnten. Darüber hinaus hatte er sich in den mit der
Klägerin jeweils für bestimmte Zeiträume geschlossenen Verträgen
jedoch keinem strikten einseitigen Weisungsrecht der Klägerin
hinsichtlich Art, Zeit und Ort der Tätigkeit unterworfen und hatte sich
die Klägerin ein solches nicht ausbedingen wollen. Insbesondere
stand ihm die Teilnahme an Konferenzen frei und ihm wurde die
Teilnahme hieran gesondert vergütet, was für selbstständige
Tätigkeit spricht. Zwingende Gesichtspunkte für oder gegen
abhängige Beschäftigung sind nicht festgestellt, sodass im Rahmen
der Gesamtwürdigung aller Umstände dem gemeinsam geäußerten
und auch "gelebten" Vertragswillen beachtliches Gewicht zukommt
und der Beigeladene zu 1. nach allem in seinen für die Klägerin vom
10.1.2011 bis 19.12.2014 wiederholt ausgeübten Tätigkeiten als
Musikschullehrer nicht iS von § 7 Abs 1 SGB IV beschäftigt, sondern
selbstständig tätig war.
24
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG
iVm § 154 Abs 1 VwGO, § 162 Abs 3 VwGO.
25
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1
SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG. In allen
Rechtszügen war der Auffangstreitwert festzusetzen
(vgl zB BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 R 11/07 R - BSGE 103, 17
= SozR 4-2400 § 7a Nr 2 RdNr 30; BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R
6/08 R - USK 2009-72; BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11
R - Die Beiträge Beilage 2014, 387, 400)
, weil Gegenstand des Rechtsstreits nicht (auch) eine
Beitrags(nach)forderung war.