Urteil des BSG vom 29.02.2012

Krankenversicherung - Beitragserhebung aus Renten der französischen Zusatzrentensysteme ARRCO und AGIRC - Versorgungsbezüge - Element des Beitrags(tragungs)tatbestands - Gegenstand eines feststellenden Verwaltungsakts - Auslegung des Inhalts von Verwaltun

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 29.2.2012, B 12 KR 19/09
R
Krankenversicherung - Beitragserhebung aus Renten der
französischen Zusatzrentensysteme ARRCO und AGIRC -
Versorgungsbezüge - Element des
Beitrags(tragungs)tatbestands - Gegenstand eines
feststellenden Verwaltungsakts - Auslegung des Inhalts von
Verwaltungsakten - Beitragsbemessung nach dem vollen
allgemeinen Beitragssatz - Verfassungsmäßigkeit
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des
Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. Oktober 2009
aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Stuttgart vom 19. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind nicht
zu erstatten.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten über die Erhebung von
Krankenversicherungsbeiträgen aus laufenden Leistungen, die der
Kläger aus den französischen Zusatzalterssicherungssystemen
AGIRC und ARRCO erhält.
2
Der 1940 geborene Kläger bezieht seit Oktober 2000 eine Rente der
(deutschen) gesetzlichen Rentenversicherung und ist seit 1.4.2002
als Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung
pflichtversichert. Daneben erhält er von der Alterssicherungskasse
CNAV eine Rente der allgemeinen französischen
Rentenversicherung sowie von den Trägerorganisationen
CIRCACIC und IREPS jeweils laufende Leistungen aus den Zusatz-
Alterssicherungssystemen AGIRC und ARRCO (im Folgenden:
französische Zusatzrenten). Die französischen Zusatzrenten
machten im April 2002 (ohne die französische Rente) etwa drei
Viertel seines Gesamtalterseinkommens aus.
3 Mit Bescheid vom 27.3.2002 stellte die beklagte AOK die
Versicherungspflicht des Klägers als Rentner in der Kranken- und
Pflegeversicherung ab 1.4.2002 fest und führte ua aus: "Für Ihre
Beitragsbelastung ab 01.04.2002 gilt Folgendes: Die Zusatzrenten
von IREPS und CIRCACIC (beide aus Frankreich) unterliegen als
betriebliche Zusatzrenten der Beitragspflicht." Mit Bescheid vom
11.4.2002 setzte die Beklagte Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge aus diesen Leistungen ab 1.4.2002
fest und übernahm die genannten Ausführungen zu deren
Beitragspflicht als "betriebliche Zusatzrenten" wortgleich aus dem
vorangegangenen Schreiben. Mit dem nachfolgenden Bescheid
vom 26.2.2003 setzte die Beklagte die Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge wegen Änderungen in der
Beitragsbemessungsgrundlage ab 1.4.2002 neu fest. Im Hinblick auf
die zum 1.1.2004 wirksam werdenden, auf dem GKV-
Modernisierungsgesetz beruhenden Rechtsänderungen teilte die
Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 2.12.2003 ua mit, dass
Krankenversicherungsbeiträge aus Versorgungsbezügen ab
1.1.2004 unter Berücksichtigung des vollen allgemeinen
Beitragssatzes zu berechnen seien. Unter Bezugnahme hierauf
wandte sich der Kläger gegen die "Erhöhung des monatlichen
Beitragssatzes um ca 100 %" für seine französischen Zusatzrenten
ab 1.1.2004 und bat die Beklagte um Bestätigung, dass für diese
"nur die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes" gelte. Zur
Begründung führte er ua aus, dass es sich bei den französischen
Zusatzrenten nicht um Betriebsrenten oder ähnliche
Versorgungsbezüge handele
Versorgungsbezüge handele
(Schreiben des Klägers vom 21.1.2004). Die Beklagte reagierte
darauf mit Schreiben vom 2.2.2004, betonte, dass es sich bei den
französischen Zusatzrenten um Versorgungsbezüge iS des § 229
SGB V handele, und fügte hinzu, dass dies "bereits seit Jahren
mehrfach besprochen" sei, sich "an dieser Rechtsauslegung" auch
zum 1.1.2004 "nichts geändert" habe und es deshalb bei der
Beitragsberechnung … "verbleibe". Der Kläger erhob gegen die
"neue Beitragsberechnung des (vollen) Beitragssatzes für die
französischen Zusatzrenten" unter Bezugnahme auf dieses
Schreiben Widerspruch und bat die Beklagte, von dieser
"außerordentlich hohen Mehrbelastung (Verdoppelung des Beitrags
…) Abstand zu nehmen" (Widerspruch vom 9.2.2004). Mit Bescheid
vom 3.3.2004 setzte die Klägerin die Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge wegen Veränderungen der
Beitragsbemessungsgrundlage ab 1.1.2003 und unter
Berücksichtigung des vollen allgemeinen Beitragssatzes ab
1.1.2004 neu fest. Der Kläger wandte sich daraufhin erneut "gegen
die Beitragsberechnung ab 1.1.2004" und trug ua vor, dass es sich
bei seinen französischen Zusatzrenten "nicht um
Versorgungsbezüge ähnlich wie in Deutschland die Betriebsrenten,
sondern um gesetzliche Renten und gesetzliche Zusatzrenten …"
handele (Widerspruch vom 15.3.2004).
4 Mit Widerspruchsbescheid vom 17.5.2004 wies die Beklagte den
wegen der "Berechnung der Krankenversicherungsbeiträge aus
Versorgungsbezügen mit dem vollen allgemeinen Beitragssatz ab
1.1.2004" erhobenen Widerspruch des Klägers zurück. Bei den
französischen Zusatzrenten handele es sich um
Versorgungsbezüge iS des § 229 SGB V. Das sei bereits durch
bestandskräftigen Bescheid festgestellt und dem Kläger mit
Schreiben vom 2.2.2004 später nochmals erläutert worden. Die
Krankenversicherungsbeiträge habe sie ab 1.1.2004 zutreffend
nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz erhoben.
5
Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt, den Bescheid der
Beklagten vom 11.4.2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004 aufzuheben. Während des
Klageverfahrens hat die Beklagte die Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge mit Bescheid vom 14.4.2005 wegen
Änderungen in der Beitragsbemessungsgrundlage ab 1.1.2004 neu
festgesetzt. Mit Urteil vom 19.12.2005 hat das SG die Klage
abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das LSG mit Urteil
vom 20.10.2009 das erstinstanzliche Urteil sowie die "Bescheide"
der Beklagten vom 11.4.2002, 2.2.2004 und 3.3.2004 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2005 und den Bescheid
vom 14.4.2005 aufgehoben. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt: Weil die Beklagte unter dem 2.2.2004
über die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten als
Versorgungsbezüge erneut entschieden habe, könne das im
Gerichtsverfahren überprüft werden. Die Zusatzrenten unterlägen
allerdings nicht der Beitragspflicht in der Kranken- und
Pflegeversicherung, sodass Beiträge zu diesen
Sozialversicherungszweigen für die streitige Zeit vom 1.4.2002 bis
28.2.2005 nicht hätten erhoben werden dürfen. Beitragspflicht
bestehe deshalb nicht, weil französische Zusatzrenten, wie sie der
Kläger beziehe, wegen einer Notifizierung der französischen
Regierung unter Bezugnahme auf Art 1 Buchst j der EWGV 1408/71
Leistungen nach Art 4 Abs 1 Buchst c EWGV 1408/71 und damit
ihrer Art nach Renten darstellten, die in der deutschen
Krankenversicherung nicht verbeitragt werden dürften.
6
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 229 Abs 1
S 1 Nr 5, S 2 SGB V. Bei seiner Abgrenzung der Renten von den
Versorgungsbezügen habe das LSG Art 4 Abs 1 Buchst c EWGV
1408/71 fehlerhaft ausgelegt. Diese Vorschrift bezwecke lediglich
die Festlegung des sachlichen Geltungsbereichs der Verordnung.
Für die Einordnung und Bewertung der französischen Zusatzrenten
als gesetzliche Renten oder Versorgungsbezüge besage sie
indessen nichts. Insoweit komme es für die Beurteilung als
beitragspflichtige Einnahmen - auch auf der Grundlage der
Rechtsprechung des EuGH - allein auf das nationale, hier das
deutsche Sozialversicherungsrecht an. Nach deutschem Recht
seien aber alle Voraussetzungen für die Annahme erfüllt, dass es
sich bei den Zusatzrenten um Versorgungsbezüge iS des § 229
SGB V handele.
7 Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom
20.10.2009 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das
Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.12.2005 zurückzuweisen.
8 Der Kläger stellt keinen Antrag und äußert sich auch in der Sache
nicht.
9 Mit Schreiben vom 7.12.2011 hat der Senat die Beteiligten darauf
hingewiesen, dass Bedenken bestehen, ob über die Beitragspflicht
der französischen Zusatzrenten als der Rente vergleichbare
Einnahmen (Versorgungsbezüge) im vorliegenden
Revisionsverfahren inhaltlich (überhaupt) noch zu entscheiden ist.
10
Unter dem 14.2.2012 hat die Beklagte die angefochtenen
Ausgangsbescheide aufgehoben, soweit darin auch
Pflegeversicherungsbeiträge festgesetzt wurden.
Entscheidungsgründe
11
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet, sodass das
Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen
das Urteil des SG zurückzuweisen war. Hierüber durfte der Senat
durch Urteil ohne mündliche Verhandlung
(§ 165, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG) entscheiden, weil sich die
Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
12
1. Im Revisionsverfahren zu überprüfen ist der Bescheid der
Beklagten vom 11.4.2002, daneben das vom LSG als Bescheid
angesehene - mit Widerspruch vom 9.2.2004 angefochtene -
Schreiben der Beklagten vom 2.2.2004 und der - mit Widerspruch
vom 15.3.2004 angefochtene - Bescheid vom 3.3.2004, jeweils in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004. Nachdem
der Klageantrag das Schreiben vom 2.2.2004 und den Bescheid
vom 3.3.2004 ursprünglich nicht umfasst und das SG hierüber auch
nicht befunden hatte, hat das Berufungsgericht diese - bei
Zugrundelegung des Schreibens vom 2.2.2004 als Bescheid -
zutreffend in sein Verfahren einbezogen. Der Senat kann dabei
offenlassen, ob eine Einbeziehung solcher Ausgangsbescheide im
Wege einer bloßen Klarstellung des Streitgegenstands erfolgt, als
Erweiterung des Klageantrags nach § 99 Abs 3 Nr 2 SGG oder als
Klageänderung. Jedenfalls hat die Beklagte in deren Einbeziehung
eingewilligt, diese war auch sachdienlich.
13
Zu beurteilen ist ferner der Bescheid der Beklagten vom 14.4.2005.
Dieser bereits während des Klageverfahrens ergangene, vom SG
aber nicht berücksichtigte Bescheid ist nach § 96 Abs 1 SGG in
seiner bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung
Verfahrensgegenstand geworden, weil er den vorangegangenen
Bescheid der Beklagten vom 3.3.2004 über die Beitragsfestsetzung
aus den französischen Zusatzrenten für die Zeit ab 1.1.2004 ersetzt.
14
Ob die Festsetzung von Beiträgen aus den französischen
Zusatzrenten rechtmäßig ist, ist lediglich für den Zeitraum vom
1.4.2002 (Beginn der Versicherungspflicht) bis 28.2.2006 zu prüfen,
nachdem sich die Beklagte in einem in der mündlichen Verhandlung
im Berufungsverfahren geschlossenen Teilvergleich dazu
verpflichtet hat, die "ab 2006 ergangenen Beitragsbescheide"
entsprechend dem Ausgang des Rechtsstreits erneut zu überprüfen,
und der Kläger sein Begehren insoweit beschränkt hat. Der
revisionsgerichtlichen Beurteilung unterliegt auch nur (noch) die
Festsetzung der Krankenversicherungsbeiträge, nachdem die
Beklagte im Revisionsverfahren ihre (Beitrags)Bescheide
hinsichtlich der Festsetzung der Beiträge zur sozialen
Pflegeversicherung aufgehoben hat.
15
2. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Das SG hat die gegen die
Bescheide der Beklagten erhobene Anfechtungsklage im Ergebnis
zutreffend abgewiesen. Die gegen den Bescheid der Beklagten vom
11.4.2002 (dazu a) und ihr Schreiben vom 2.2.2004
(in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004)
(dazu b) erhobene Klage ist allerdings bereits unzulässig. Zulässig,
aber unbegründet ist demgegenüber die Klage gegen den Bescheid
vom 3.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
17.5.2004 und den in das Gerichtsverfahren einbezogenen
Bescheid vom 14.4.2005 (dazu c).
16
a) Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 11.4.2002 gerichtete
Anfechtungsklage ist unzulässig. Der Bescheid, der neben der
(ersten) Beitragsfestsetzung für die Zeit ab 1.4.2002 auch den
Passus enthält: "Wie bereits bekannt, gilt für Ihre Beitragsbelastung
ab 01.04.2002 Folgendes: … Die Zusatzrenten von IREPS und
CIRCACIC (beide aus Frankreich) unterliegen als betriebliche
Zusatzrenten der Beitragspflicht", war im Zeitpunkt der
Klageerhebung bereits (formell) bestandskräftig. Gegen den
Bescheid, dem eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht beigefügt war,
wurden nämlich innerhalb der Jahresfrist des § 66 Abs 2 SGG
Rechtsbehelfe nicht eingelegt.
17
Der Senat kann offenlassen, ob die Beklagte mit diesem oder bereits
dem früheren - hier nicht angefochtenen - Bescheid vom 27.3.2002
oder mit beiden Bescheiden (auch) über die Beitragspflicht der
französischen Zusatzrenten entschieden hat, was zur Folge hätte,
dass der Bescheid vom 11.4.2002 jenen nur wiederholte oder eine
weitere neue Sachentscheidung darstellte. Denn auch der Bescheid
vom 27.3.2002 war - mangels fristgerechter Einlegung eines
Rechtsbehelfs - (formell) bestandskräftig. Die weiteren vom Kläger
angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 3.3.2004 und
14.4.2005 enthielten demgegenüber nur noch
Beitrags(neu)festsetzungen infolge veränderter
Beitragsbemessungsgrundlagen bzw veränderten Beitragssatzes.
18
Die Beklagte hat damit dem Kläger gegenüber eigenständig und mit
bindender Wirkung (§ 77 SGG) festgestellt, dass die französischen
Zusatzrenten als der Rente vergleichbare Einnahmen
(Versorgungsbezüge) iS des § 229 Abs 1 SGB V anzusehen sind
und deshalb der Beitragspflicht zur Krankenversicherung
unterliegen. Zwar hat sie sich bei dieser Feststellung insoweit auf ein
einzelnes Element des Beitrags(tragungs)tatbestandes beschränkt.
Das ist jedoch nicht zu beanstanden. Grundsätzlich dürfen Träger
der gesetzlichen Krankenversicherung eine einzelne Größe zur
Bemessung des Krankenversicherungsbeitrags nicht für sich zum
Gegenstand eines feststellenden Verwaltungsakts machen
(vgl BSG Urteil vom 10.5.2006 - B 12 KR 5/05 R, juris RdNr 9). Nach
ständiger Rechtsprechung des Senats
(vgl BSGE 70, 105, 106 f = SozR 3-2500 § 229 Nr 1 S 2 f; ferner
BSGE 58, 10 = SozR 2200 § 180 Nr 25 und SozR aaO, Nr 38)
ist jedoch - in Abweichung hiervon - die Beitragspflicht von
Einnahmen als Element des Beitrags(tragungs)tatbestandes
gesondert feststellungsfähig.
19
Die gegen den bestandskräftigen feststellenden Verwaltungsakt
über die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten erhobene
Klage ist nicht deshalb (gleichwohl) zulässig, weil die Beklagte über
einen hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers mit
Widerspruchsbescheid vom 17.5.2004 in der Sache entschieden
hätte, dadurch eine "Heilung" der Fristversäumung eingetreten und
ein (Rechtsbehelfs)Verfahren zur Überprüfung der Beitragspflicht
(wieder) "eröffnet" worden wäre. Ein solches - als verfristeter
Widerspruch auszulegendes - Überprüfungsbegehren des Klägers
ist nicht erkennbar. Es könnte allenfalls in seinem Schreiben vom
21.1.2004 gesehen werden. Mit diesem hat sich der Kläger jedoch -
wenn auch unter Hinweis auf das Fehlen der Beitragspflicht als einer
der (Grund)Voraussetzungen der Beitragserhebung - (explizit) nur
zu der Mitteilung der Beklagten vom 2.12.2003 geäußert, dass
Beiträge aus Versorgungsbezügen ab Januar 2004 nach dem vollen
allgemeinen Beitragssatz zu berechnen seien. Dieses Verständnis
liegt auch dem Widerspruchsbescheid vom 17.5.2004 zugrunde.
Denn mit ihm hat die Beklagte vom Standpunkt des Klägers aus
unter Berücksichtigung seines objektiven Erklärungswerts keine
Überprüfung ihrer Feststellungen zur Beitragspflicht der
französischen Zusatzrenten im Rechtsbehelfsverfahren
vorgenommen, sondern sich allein auf den Hinweis zur
Bestandskraft (ihres Bescheides vom 11.4.2002) beschränkt.
20
b) Die Anfechtungsklage ist auch unzulässig, soweit sie sich gegen
das vom LSG als Bescheid angesehene Schreiben der Beklagten
vom 2.2.2004
(in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004) richtet.
Weil das Schreiben keinen Verwaltungsakt enthält und der Kläger
aufgrund der Begleitumstände dieses Schreibens auch nicht davon
ausgehen musste - und wie sich aus seinen Widersprüchen vom
9.2.2004 und 15.3.2004 ergibt (dazu unten) - tatsächlich auch nicht
davon ausgegangen ist, dass hiermit von der Beklagten einseitige
und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige
Feststellungen gewollt waren
(zur Statthaftigkeit der Anfechtungsklage in solchen Fällen vgl BSG
SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 16; Urteil des Senats vom 10.5.2006 - B
12 KR 5/05 R, juris RdNr 9)
, ist die Anfechtungsklage nicht statthaft. Weder handelt es sich bei
dem Schreiben vom 2.2.2004 nämlich um eine weitere neue
Sachentscheidung der Beklagten über die Feststellung der
Beitragspflicht, die ein Verfahren zur Überprüfung der Beitragspflicht
insoweit (neu) "eröffnete", noch hat die Beklagte unter dem 2.2.2004
auf einen nach § 44 SGB X gestellten Antrag des Klägers die
Aufnahme eines entsprechenden Überprüfungsverfahrens
abgelehnt oder nach Aufnahme und erneuter Sachentscheidung
einen für den Kläger negativen Zweitbescheid erlassen. In diesen
Fällen fehlte für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage im Zweifel
auch das Vorverfahren (dazu unten).
21
Der vom Berufungsgericht hierzu vertretenen Auffassung folgt der
Senat nicht, weil die Bewertung des Schriftverkehrs zwischen dem
Kläger und der Beklagten insoweit zu einem anderen Ergebnis führt.
Zum einen wollte der Kläger mit seinem Schreiben vom 21.1.2004
keine Überprüfung - und zwar auch keine solche nach § 44 SGB X -
erreichen (dazu oben a). Zum anderen befand die Beklagte mit
ihrem Schreiben vom 2.2.2004 vom Standpunkt des Klägers aus
unter Berücksichtigung des objektiven Erklärungswerts dieses
Schreibens nicht über einen solchen Überprüfungsantrag und traf
auch keine neue Sachentscheidung über die Beitragspflicht der
französischen Zusatzrenten. Sie teilte vielmehr (nur) - unter Hinweis
auf zurückliegende Korrespondenz - mit, dass sich an ihrer
Auslegung "nichts geändert" habe und es deshalb bei der
Beitragserhebung "verbleibe". Der Senat ist im Revisionsverfahren
befugt, den Inhalt von Verwaltungsakten (und Schreiben)
selbstständig - und damit auch abweichend von den Vorinstanzen -
auszulegen, dh, die sich aus ihnen ergebenden Rechtsfolgen
selbstständig zu bestimmen, etwa soweit es um die vollständige
Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände und die Beachtung
der gesetzlichen Auslegungsregeln geht
(stRspr des BSG, vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl 2012, § 162 RdNr 3b mwN; BSGE 48, 56, 58 f = SozR
2200 § 368a Nr 5).
22
Ebenso wenig hat die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid vom
17.5.2004 - was abschließend zu prüfen ist - in der Sache über die
Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten entschieden. Sie hat
also auch insoweit das Verfahren nicht (wieder) "eröffnet". Vom
Standpunkt des Klägers aus unter Berücksichtigung seines
objektiven Erklärungswerts ist im Widerspruchsbescheid (selbst)
weder eine weitere neue Sachentscheidung über die Beitragspflicht
getroffen worden noch enthält dieser (selbst) eine Entscheidung im
Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X. Abgesehen davon, dass
sich die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid darauf beschränkt
hat, die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten als
bestandskräftig festgestellt zu bezeichnen, und ihr Schreiben vom
2.2.2004 als (bloßes) Erläuterungsschreiben vorgestellt hat (und
solche Entscheidungen von ihr als Widerspruchsbehörde auch gar
nicht getroffen werden dürften), hat sich der Kläger mit seinen
Widersprüchen vom 9.2.2004 und 15.3.2004 gegen die
Beitragspflicht dieser Einnahmen auch (gar) nicht gewandt. Weil er
sich dort jedenfalls mit der Anwendung des halben allgemeinen
Beitragssatzes auf diese Einnahmen einverstanden erklärt hat, hat
er deren Beitragspflicht akzeptiert.
23
c) Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 3.3.2004 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004 und den in das
Gerichtsverfahren einbezogenen Bescheid vom 14.4.2005
erhobene Anfechtungsklage ist zwar zulässig, hat aber in der Sache
keinen Erfolg.
24
In diesen Bescheiden hat die Beklagte, ohne sich mit der
Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten als
(Grund)Voraussetzung der Beitragserhebung ein wiederholtes Mal -
im Wege einer neuer Sachentscheidung oder in einem
Überprüfungsverfahren - zu befassen, über (die) weitere(n)
Elemente des Beitrags(tragungs)tatbestandes entschieden und die
Krankenversicherungsbeiträge für die Zeit ab 1.3.2003 bzw 1.1.2004
wegen Veränderungen in der Beitragsbemessungsgrundlage und
unter Berücksichtigung des vollen allgemeinen Beitragssatzes neu
festgesetzt. Die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen ab
1.1.2004 in Anwendung des vollen allgemeinen Beitragssatzes, die
der Kläger im Rahmen seines um die Höhe der Beiträge geführten
Rechtsstreits allein beanstandet, ist indessen rechtmäßig. Zutreffend
hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 3.3.2004 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004 und dem
Bescheid vom 14.4.2005 die aus den französischen Zusatzrenten
vom Kläger zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträge unter
Berücksichtigung der auf (beitragspflichtige) Versorgungsbezüge ab
1.1.2004 anzuwendenden Vorschrift des § 248 SGB V ermittelt. -
Soweit es die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen für den
vorangegangenen Zeitraum - vom 1.4.2002 bis 31.12.2002 - betrifft,
ist die Beitragsfestsetzung vom Kläger (allerdings) schon deshalb
hinzunehmen, weil der (Beitrags)Bescheid vom 11.4.2002 und der -
hier nicht angefochtene - (Beitrags)Bescheid vom 26.2.2003 - wie
bereits erörtert (dazu oben a)- (formell) bestandskräftig geworden
sind.
25
Nach § 248 S 1 SGB V in der im streitigen Zeitraum maßgebenden,
unverändert geltenden Fassung des Art 1 Nr 148 Buchst a des
Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen
Krankenversicherung vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) gilt bei
Versicherungspflichtigen - und damit auch bei Rentnern
(§ 237 SGB V iVm § 226 Abs 1 S 1 Nr 3 und § 229 SGB V) -für die
Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen der jeweils am
1. Juli geltende allgemeine Beitragssatz ihrer Krankenkasse für das
folgende Kalenderjahr. Gegen die Berechnung des Betrags aus den
französischen Zusatzrenten in Anwendung dieser Vorschrift und
unter Beachtung des satzungsmäßigen allgemeinen Beitragssatzes
hat der Kläger Einwendungen nicht erhoben. Die Erhebung von
Krankenversicherungsbeiträgen aus Versorgungsbezügen nach
dem vollen allgemeinen Beitragssatz ist auch in Ansehung des vom
Kläger behaupteten "drastischen" und "unvorhergesehenen"
Eingriffs in seine Alterssicherung verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden.
26
§ 248 S 1 SGB V hat faktisch eine Verdoppelung der bei
versicherungspflichtigen Rentnern aus den Versorgungsbezügen zu
zahlenden Beiträge gegenüber dem bis zum 31.12.2003 geltenden
Recht bewirkt, denn nach § 248 SGB V in der bis zum 31.12.2003
geltenden Fassung galt bei Versicherungspflichtigen für die
Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen nur die Hälfte
des jeweils am 1. Juli geltenden allgemeinen Beitragssatzes ihrer
Krankenkasse. Weil nach § 250 Abs 1 Nr 1 SGB V in seiner
unveränderten Fassung die Beiträge weiterhin allein vom Mitglied zu
tragen sind, trifft die Erhöhung im wirtschaftlichen Ergebnis allein das
Mitglied und verdoppelt dessen Beitragslast aus
Versorgungsbezügen.
27
Versorgungsbezüge sind in der Krankenversicherung bei
Versicherungspflichtigen wie bei freiwillig Versicherten seit 1983
beitragspflichtige Einnahmen
(vgl § 180 Abs 5 bis 8 RVO idF des Rentenanpassungsgesetzes
1982 vom 1.12.1981, BGBl I 1205).
Wie der Senat bereits in früheren Entscheidungen
(vgl Urteile des Senats vom 24.8.2005 - B 12 KR 29/04 R - SozR 4-
2500 § 248 Nr 1, vom 10.5.2006, ua B 12 KR 5/05 R - USK 2006-25,
B 12 KR 7/05 R - WzS 2007, 155 - und B 12 KR 21/05 R - WzS
2007, 155, sowie vom 13.6.2007 - B 12 KR 18/06 R - USK 2007-12)
- an denen er festhält - ausgeführt hat, ist er nicht davon überzeugt,
dass § 248 SGB V verfassungswidrig ist. Insbesondere hat er
dargelegt, dass sich an der Zumutbarkeit der jetzigen Beitragslast
auf Versorgungsbezüge nichts ändert, wenn die Belastung von
Versorgungsbeziehern im Einzelfall - wie hier - aufgrund eines
höheren Anteils der Versorgung am individuellen Arbeitseinkommen
höher ist. Er hat auch weder eine verfassungswidrige
Ungleichbehandlung im Verhältnis zu freiwillig versicherten
Rentenbeziehern gesehen noch einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1
GG angenommen, soweit nach § 248 S 2 SGB V für
Versorgungsbezüge iS von § 229 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB V, dh Renten
und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung
der Landwirte, weiterhin nur der halbe allgemeine Beitragssatz gilt.
Weiter hat der Senat weder die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1
GG als verletzt angesehen noch die Verdoppelung der Beitragslast
auf Versorgungsbezüge als Verletzung des Art 2 Abs 1 GG iVm dem
rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes bewertet. Das
BVerfG hat in seinem Beschluss vom 28.2.2008
(1 BvR 2137/06 - SozR 4-2500 § 248 Nr 3) die
Verfassungsbeschwerden gegen die Entscheidungen des Senats
vom 10.5.2006
(B 12 KR 3/05 R - WzS 2007, 154, B 12 KR 5/05 R - aaO, B 12 KR
7/05 R - aaO, B 12 KR 9/05 R - WzS 2007, 153 und B 12 KR 13/05
R - WzS 2007, 153)
nicht zur Entscheidung angenommen. Im Zusammenhang mit der
nicht zur Entscheidung angenommen. Im Zusammenhang mit der
Verdoppelung der Beitragslast einer pflichtversicherten Rentnerin mit
einer Witwenrente nach dem Soldatenversorgungsgesetz
(Urteil des Senats vom 13.6.2007 - B 12 KR 18/06 R - USK 2007-12)
hat das BVerfG § 248 SGB V ebenfalls nicht beanstandet
(Beschluss vom 7.4.2008 - 1 BvR 2325/07 - SozR 4-2500 § 248 Nr
4; vgl außerdem BVerfG Beschluss vom 28.5.2008 - 1 BvR 2257/06
- SozR 4-2500 § 240 Nr 11: Verdoppelung der Beitragslast für
beamtenrechtliche Versorgungsbezüge durch Aufhebung von § 240
Abs 3a SGB V)
. In diesen Entscheidungen hat das BVerfG § 248 S 1 SGB V als mit
dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG vereinbar
angesehen. Einen Verstoß gegen Art 2 Abs 1 GG hat es verneint
und ua ausgeführt, die Belastung mit dem vollen allgemeinen
Beitragssatz sei auch dann hinzunehmen, wenn die
Versorgungsbezüge - wie hier - ausnahmsweise einen hohen Anteil
der Alterseinkünfte ausmachten. Es ist weder ersichtlich noch macht
der Kläger geltend, dass in seinem Fall Besonderheiten vorliegen,
die Anlass zu einer abweichenden verfassungsrechtlichen
Beurteilung geben könnten.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.