Urteil des BSG vom 08.03.2018

Elterngeld - Einkommensermittlung - nichtselbstständige Erwerbstätigkeit - pauschal versteuerte Einmalzahlungen - Weihnachtsgeld - Urlaubsgeld - Heiratsbeihilfe - laufender Arbeitslohn - sonstige Bezüge - lohnsteuerrechtliche Behandlung - Minijob - pausch

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 8.3.2018, B 10 EG 8/16 R
ECLI:DE:BSG:2018:080318UB10EG816R0
Elterngeld - Einkommensermittlung - nichtselbstständige
Erwerbstätigkeit - pauschal versteuerte Einmalzahlungen -
Weihnachtsgeld - Urlaubsgeld - Heiratsbeihilfe - laufender
Arbeitslohn - sonstige Bezüge - lohnsteuerrechtliche
Behandlung - Minijob - pauschale Versteuerung -
sozialrechtliches Verwaltungsverfahren -
steuerrechtsakzessorische Prüfung durch die
Elterngeldbehörden - sozialgerichtliches Verfahren - isolierte
Anfechtung der endgültigen Elterngeldfestsetzung
Leitsätze
Auch pauschal versteuerte Einmalzahlungen werden bei der
Elterngeldberechnung nicht als Einkommen berücksichtigt.
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen
Landessozialgerichts vom 26. Oktober 2016 wird
zurückgewiesen.
Der Beklagte hat auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu
tragen.
Tatbestand
1 Die Klägerin wendet sich gegen die endgültige Festsetzung ihres
Elterngelds und die damit verbundene Rückforderung bereits
ausgezahlter Beträge.
2 Die Klägerin beantragte im Februar 2014 Elterngeld für den ersten
bis 12. Lebensmonat ihrer am 7.1.2014 geborenen Tochter. Im
Antrag gab sie an, sie beabsichtige keine Erwerbstätigkeit im
Bezugszeitraum.
3 Der Beklagte gewährte der Klägerin unter Anrechnung von
Mutterschaftsleistungen Elterngeld in Höhe von 0 Euro für den
ersten Lebensmonat, 82,88 Euro für den zweiten Lebensmonat und
1160,45 Euro für den dritten bis 12. Lebensmonat
(Bescheid vom 26.2.2014).
4 Im April 2014 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, sie werde nun
doch ab dem 12.5.2014 bis zum Ende des Jahres für drei Stunden
pro Woche eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Das Steuerbrutto
werde im Mai 106,67 Euro und ab Juni 160 Euro monatlich
betragen.
5 Daraufhin hob der Beklagte die Elterngeldgewährung der Klägerin
teilweise auf und setzte ihr Elterngeld vorläufig neu fest. Vom
monatlichen Nettoerwerbseinkommen im Bemessungszeitraum sei
ein durchschnittliches monatliches Erwerbseinkommen in Höhe von
73,04 Euro abzuziehen. Für die Zeit ab dem 7.5.2014 ergebe sich
ein Elterngeld in Höhe von 1112,97 Euro im Monat. Eine endgültige
Entscheidung erfolge nach Vorlage der Nachweise über das
Einkommen im Bezugszeitraum. Zuviel erbrachte Leistungen seien
dann zu erstatten (Bescheid von 16.4.2014).
6 Nach Vorlage der Lohn- und Gehaltsabrechnungen für die Monate
Mai bis Dezember 2014 setzte der Beklagte das Elterngeld der
Klägerin endgültig fest. Nach Höhe der jetzt feststehenden Einkünfte
in den bewilligten Lebensmonaten sei unter Berücksichtigung der
jeweiligen Abzugsmerkmale ein durchschnittliches monatliches
Erwerbseinkommen von 370,93 Euro anzurechnen. Das monatliche
Elterngeld belaufe sich ab 7.5.2014 auf 945,02 Euro. Das überzahlte
Elterngeld von 1290,42 Euro sei von der Klägerin zu erstatten
(Bescheid vom 5.2.2015).
7
Mit ihrem Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen die
Anrechnung der "Sonderzahlungen" von 49 Euro Urlaubsgeld im
Juni 2014, 1600 Euro Heiratsbeihilfe im Juli 2014 und 745 Euro
Weihnachtsgeld im Dezember 2014. Aus den Einmalzahlungen vor
dem Elterngeldbezug habe sie auch keinen Elterngeldanspruch
erworben. Der Beklagte habe ihr zudem zuvor mitgeteilt, diese
Zahlungen würden nicht angerechnet. Es handele sich um
Einmalzahlungen, die ihr Arbeitgeber freiwillig und zusätzlich zum
normalen Lohn gezahlt habe. Diese freiwilligen Zahlungen hätten
nichts mit dem laufenden Lohn zu tun. Dieser werde pauschal beim
Minijob versteuert.
8 Der Beklagte wies den Widerspruch zurück. Unter Berücksichtigung
der auf das Elterngeld anzurechnenden, pauschal versteuerten
Einkünfte aus dem Minijob und den Einmalzahlungen im fünften bis
12. Lebensmonat errechne sich nur noch ein monatliches Elterngeld
in Höhe von 945,02 Euro (Widerspruchsbescheid vom 13.5.2015).
9 Auf die Klage hat das SG den Bescheid des Beklagten vom
5.2.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.5.2015
aufgehoben. Bei den streitigen Vergütungen im Bezugszeitraum
handele es sich um einmaligen Arbeitslohn, weil dieser nicht
regelmäßig fortlaufend der Klägerin zugeflossen sei. In einem
Lohnsteuerabzugsverfahren würden diese Vergütungsbestandteile
als sonstige Bezüge behandelt. Sie seien daher nach § 2c Abs 1 S
2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz
(BEEG idF vom 10.9.2012) nicht bei der Elterngeldberechnung zu
berücksichtigen.
10
Seine Berufung hat der Beklagte ausdrücklich nur darauf gestützt,
die Heiratsbeihilfe sowie das Urlaubs- und Weihnachtsgeld seien auf
das Elterngeld anzurechnen.
11
Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Die im Bezugszeitraum
erfolgten Einmalzahlungen in Form von Heiratsbeihilfe, Urlaubs- und
Weihnachtsgeld seien nicht auf das Elterngeld anzurechnen.
Entscheidend sei, ob diese Zahlungen bei Anwendung des
Lohnsteuerabzugsverfahrens abstrakt-generell als laufender
Arbeitslohn oder, wie hier, als sonstige Bezüge zu behandeln wären.
Der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität müsse hinter
verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen, vor allem dem
Gleichheitssatz, zurücktreten (Urteil vom 26.10.2016).
12
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine
Verletzung des § 2c Abs 1 S 2 BEEG (idF vom 10.9.2012). Die
normative Ausgestaltung dieser Bestimmung spräche dafür,
pauschal versteuerte Einnahmen bei der Elterngeldbemessung stets
zu berücksichtigen. Andernfalls werde die vom Gesetzgeber
beabsichtigte Verwaltungsvereinfachung verfehlt. Unabhängig
davon hätte die Anfechtungsklage wegen verschiedener anderer
Unstimmigkeiten bei der Elterngeldberechnung in keinem Fall in
vollem Umfang Erfolg haben dürfen.
13
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Oktober
2016 und des Sozialgerichts Augsburg vom 18. November 2015
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
14
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
15
Die zulässige Revision ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).
16
Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 5.2.2015 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.5.2015 ist rechtswidrig
und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil der Beklagte ihr
Elterngeld zu niedrig festgesetzt und zu Unrecht überzahltes
Elterngeld zurückgefordert hat. Das SG hat diese Bescheide daher
zu Recht aufgehoben und ist darin vom LSG mit dem
angefochtenen Berufungsurteil zutreffend bestätigt worden.
17
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die endgültige
Festsetzung des Elterngelds im Bescheid des Beklagten vom
5.2.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.5.2015
(§ 95 SGG),soweit der Beklagte die im Bezugszeitraum erfolgten
Einmalzahlungen in Form von Heiratsbeihilfe, Urlaubs- und
Weihnachtsgeld in die Bemessungsgrundlage des Elterngelds
einbezogen und vorläufig gewährtes Elterngeld zurückgefordert hat.
18
Hiergegen hat die Klägerin zulässig nur eine isolierte
Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 S 1 SGG erhoben
(vgl Senatsurteil vom 26.3.2014 - B 10 EG 13/13 R - SozR 4-7837 §
2 Nr 29 RdNr 11)
. Denn sie zielt mit ihrem Klagebegehren (vgl § 123 SGG) insoweit
auf eine vollständige Aufhebung des angefochtenen Bescheids vom
5.2.2015 und der darin erfolgten endgültigen Elterngeldfestsetzung
ab. Ihr Klageantrag zwingt zu keiner anderen Auslegung. Dies
widerspricht auch nicht ihrem erkennbaren Rechtsschutzinteresse.
Die Klägerin hat den Rechtsstreit allein wegen der drei
Einmalzahlungen - Heiratsbeihilfe, Urlaubs- und Weihnachtsgeld -
geführt, will aber ersichtlich mit der Anfechtung auch der Verfügung
über die endgültige Festsetzung uneingeschränkt zur vorläufigen
Elterngeldfestsetzung zurückkehren
(zur auch möglichen Teilanfechtung vgl Senatsurteil vom 5.4.2012 -
B 10 EG 10/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 14 RdNr 19)
.
19
2. Die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin ist auch begründet.
Die endgültige Elterngeldfestsetzung des Beklagten vom 5.2.2015 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.5.2015 (§ 95 SGG)
war rechtswidrig und hat die Klägerin in ihren Rechten verletzt.
20
a) Die Ermächtigung des Beklagten zu einer von der geänderten
vorläufigen Elterngeldfestsetzung im Bescheid vom 16.4.2014
abermals abweichenden Regelung ergibt sich aus dem damit
verbundenen Vorbehalt der Vorläufigkeit, mit dem der Beklagte den
ursprünglichen Bescheid vom 26.2.2014 nachträglich nach § 8 Abs
3 BEEG versehen hat
(zu dieser Möglichkeit vgl Senatsurteil vom 26.3.2014 - B 10 EG
13/13 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 29 RdNr 14 mwN).
21
b) Die Klägerin war dem Grunde nach zum Bezug von Elterngeld
berechtigt. Wie der Beklagte im Ausgangsbescheid vom 26.2.2014
zu Recht festgestellt hat, erfüllte die Klägerin vom 7.1.2014 bis
6.1.2015 die Grundvoraussetzungen der Elterngeldgewährung iS
von § 1 BEEG.
22
c) Die Höhe des Elterngeldanspruchs der Klägerin berechnet sich
gemäß § 2 Abs 3 S 1 iVm Abs 1 und 2 BEEG aus dem
Unterschiedsbetrag ihres Einkommens im Bemessungszeitraum vor
und im Bezugszeitraum nach der Geburt multipliziert mit der
gesetzlich bestimmten Ersatzrate. Die aufgrund der angefochtenen
Entscheidungen und ihrer Feststellungen allein streitbefangene
Höhe des Einkommens der Klägerin im Bezugszeitraum ergibt sich -
ebenso wie diejenige im Bemessungszeitraum - aus § 2c BEEG in
der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Vereinfachung
des Elterngeldvollzugs vom 10.9.2012 (BGBl I 1878). Einkommen
aus nichtselbstständiger Tätigkeit ist demnach der monatlich
durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen
aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert über ein
Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, vermindert um die
Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den § 2e und 2f BEEG
(§ 2c Abs 1 S 1 BEEG).
23
Das von der Klägerin im Bezugszeitraum erzielte Einkommen aus
einer geringfügigen Beschäftigung ist Einkommen aus
nichtselbstständiger Arbeit iS von § 2 Abs 1 Nr 4 EStG
(siehe § 2 Abs 1 S 2 BEEG) und nicht nach § 3 EStG steuerfrei
gestellt
(vgl Senatsurteil vom 15.12.2011 - B 10 EG 13/10 R - SozR 4-7837
§ 2 Nr 12 RdNr 32 mwN)
. Es gehört daher zu den im Inland zu versteuernden Einkünften iS
von § 2 Abs 1 S 3 BEEG und damit grundsätzlich zur
Bemessungsgrundlage des Elterngelds.
24
Wie indes § 2c Abs 1 S 2 BEEG als Ausnahme davon bestimmt,
werden bei der Berechnung des elterngeldrelevanten Einkommens
solche Einnahmen nicht berücksichtigt, die im
Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge "behandelt
werden". Nach dieser Vorschrift haben die Vorinstanzen zutreffend
die drei Einmalzahlungen (Heiratsbeihilfe, Urlaubs- und
Weihnachtsgeld) an die Klägerin im Bezugszeitraum von der
Bemessungsgrundlage des Elterngelds ausgenommen. Dieser
Ausschluss ergibt sich aus Wortlaut (aa) sowie vor allem aus der
systematischen Stellung und dem Zweck der Norm (bb), wie er
maßgeblich in der Entstehungsgeschichte zum Ausdruck kommt
(cc).
25
aa) Die Formulierung "im Lohnsteuerabzugsverfahren" zusammen
mit der Gegenwartsform "behandelt werden" in § 2c Abs 1 S 2
BEEG bezeichnet zum einen solche Einnahmen, von denen der
Arbeitgeber tatsächlich Lohnsteuer abzieht. Der Wortlaut lässt
darüber hinaus aber Raum für ein weitergehendes normatives
Begriffsverständnis. Es umfasst auch solche Einnahmen, die in
einem nur gedachten ("fiktiven") Lohnsteuerabzugsverfahren im
Sinne einer "Als-ob-Betrachtung" als sonstige Bezüge zu behandeln
wären. Die Wendung "im Lohnsteuerabzugsverfahren" ist damit
nicht ausschließlich beschränkt auf ein im konkreten Fall tatsächlich
durchgeführtes Lohnsteuerabzugsverfahren. Sie kann darüber
hinaus auch auf das Verfahren des Lohnsteuerabzugs als solches
bezogen werden, also auf die Erhebung der Einkommensteuer
durch Vorauszahlung in Form des Abzugs vom Arbeitslohn
(vgl § 38 Abs 1 S 1 EStG) und vor allem auf die dafür geltenden
materiell-rechtlichen Vorgaben. Für dieses normative Verständnis
spricht maßgeblich der Wortlaut der Nachfolgeregelung
(in der Fassung des Gesetzes zur Einführung des Elterngeld Plus
mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im
Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz vom 18.12.2014, BGBl I
2325)
, mit dem der Gesetzgeber den Inhalt der Norm nicht wesentlich
ändern, sondern diesen nur verdeutlichen wollte
(vgl Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - Juris RdNr 24
unter Hinweis auf BT-Drucks 18/2583 S 24 f - zur Veröffentlichung
vorgesehen in BSGE und SozR)
. Danach werden solche Einnahmen nicht als elterngeldrelevantes
Einkommen berücksichtigt, die im Lohnsteuerabzugsverfahren
"nach den lohnsteuerlichen Vorgaben" als sonstige Bezüge "zu
behandeln sind".
26
bb) Bestätigt wird die zutreffende Auslegung der Vorinstanzen durch
die systematische Stellung sowie den Sinn und Zweck der Norm. Im
Lohnsteuerabzugsverfahren dient die Unterscheidung zwischen
sonstigen Bezügen und laufendem Arbeitslohn durch §§ 38a, 39b
EStG der gleichmäßigen Besteuerung des Arbeitnehmers im
Jahresverlauf
(vgl Senatsurteil vom 26.3.2014 - B 10 EG 14/13 R - BSGE 115,198
= SozR 4-7837 § 2 Nr 25, RdNr 18 f).
Werden Einkünfte dagegen pauschal versteuert, bedarf es dieser
Unterscheidung insoweit nicht. Pauschal versteuerte
Sonderzahlungen - wie zB Weihnachtsgeld - sind auch ohne
Anwendung der genannten Vorschriften über den Lohnsteuerabzug
rechnerisch auf die gesamten Lohnzahlungszeiträume zu verteilen,
für die sie erbracht worden sind
(BFH Urteil vom 21.7.1989 - VI R 157/87 - Juris RdNr 11; Krüger in
Schmidt, EStG, 36. Aufl 2017, § 40a RdNr 4 mwN)
.
27
Gleichwohl behält die begriffliche Unterscheidung zwischen
sonstigen Bezügen und laufendem Arbeitslohn im Steuerrecht selbst
dann eine Funktion, wenn kein Lohnsteuerabzug stattfindet. So
ermöglicht § 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG dem Arbeitgeber, die
Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz zu erheben, der unter
Berücksichtigung des § 38a EStG zu ermitteln ist, soweit der
Arbeitgeber sonstige Bezüge in einer größeren Zahl von Fällen
gewährt. Er trägt dann nach Abs 3 der Vorschrift diese pauschale
Lohnsteuer, während der Arbeitnehmer an diesem
Pauschalierungsverfahren nicht beteiligt ist.
28
cc) Im steuerrechtsakzessorischen Recht des Elterngelds erfüllt die
Unterscheidung zwischen sonstigen Bezügen und laufendem
Arbeitslohn auch außerhalb des unmittelbaren
Anwendungsbereichs der §§ 38a, 39b EStG beim Lohnsteuerabzug
eine zentrale Funktion, wie sich vor allem aus der
Gesetzgebungsgeschichte ergibt. Bei der Ausgestaltung des
Elterngelds als (teilweiser) Einkommensersatz kam es dem BEEG-
Gesetzgeber darauf an, in generalisierender Weise eine
Bemessungsgrundlage zu schaffen, die das zukünftig wegfallende
Einkommen verlässlich und realitätsgetreu abbildet. Dafür hat er sich
- wie bei anderen kurzfristigen Entgeltersatzleistungen - der
sogenannten Bezugs- bzw Referenzmethode bedient
(vgl Senatsurteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 20/09 R - SozR 4-7837 §
2 Nr 8 RdNr 59)
. Sie beschränkt den Einkommensersatz auf solche Einkünfte,
welche die vorgeburtliche Lebenssituation geprägt, dh wesentlich
beeinflusst haben
(Senatsurteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 20/09 R - SozR 4-7837 § 2
Nr 8 RdNr 65)
. Spiegelbildlich gilt dies dann auch für den Bezugszeitraum.
29
Das ausschlaggebende Kriterium zur Feststellung solcher
prägender Einkünfte sollte dabei zunächst der Begriff der einmaligen
Einnahmen bilden. Nach dem Gesetzentwurf der Fraktionen
CDU/CSU und SPD zur Einführung des Elterngeldes vom 20.6.2006
(BT-Drucks 16/1889 S 21), der noch vom Einkommensbegriff des
SGB II ausgegangen war, sollten einmalige Einnahmen wie
Weihnachts- und Urlaubsgeld, Prämien sowie Erfolgsbeteiligungen
weder im Bemessungszeitraum vor der Geburt noch während des
Bezugszeitraums des Elterngelds berücksichtigt werden. Solche
Einnahmen prägten laut Entwurf die für das Elterngeld als
monatliche Leistung maßgeblichen Verhältnisse nicht mit der
gleichen Nachhaltigkeit wie das laufende Erwerbseinkommen.
Darüber hinaus könne der zufällige Zufluss einmaliger Einnahmen
im Bezugszeitraum den Elterngeldanspruch insbesondere
teilzeitbeschäftigter Eltern beeinträchtigen
(Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - Juris RdNr 20).
30
Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens ist an die Stelle des Begriffs
der einmaligen Einnahmen derjenige der sonstigen Bezüge
getreten. Er hat damit auch dessen Abgrenzungsfunktion
übernommen. Sie bleibt maßgeblich für die Feststellung, welche
Einnahmen das vorgeburtliche Einkommen hinreichend sicher
geprägt haben und deshalb durch das Elterngeld teilweise zu
ersetzen sind. Der Gesetzgeber zielt seit jeher darauf ab, sonstige
Bezüge im Sinne des materiellen Lohnsteuerrechts aus der
Bemessungsgrundlage für das Elterngeld nichtselbstständig
Erwerbstätiger auszuschließen. Die ursprüngliche Gesetzesfassung
hatte zu diesem Zweck ausdrücklich angeordnet, sonstige Bezüge
iS von § 38a Abs 1 S 3 EStG nicht als elterngeldrelevante
Einnahmen zu berücksichtigen, ohne das
Lohnsteuerabzugsverfahren überhaupt zu erwähnen
(vgl Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - Juris RdNr 20).
Der in späteren Fassungen hinzugefügte Verweis auf die
Ergebnisse dieses Verfahrens soll die nach den Kriterien des
materiellen Steuerrechts ausgeschlossenen Einnahmen zweifelsfrei
identifizieren
(Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - Juris RdNr 25).
Dieser Verweis ersetzt aber nicht die verbindlichen materiell-
rechtlichen Zuordnungsregeln des Steuerrechts, sondern betont und
verstärkt nur ihre Verbindlichkeit für das Elterngeldverfahren
(Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - Juris RdNr 34).
31
Nichts Anderes ergibt sich aus dem von der Revision
hervorgehobenen Detail der Entstehungsgeschichte zur
Behandlung pauschal versteuerter Einnahmen im Elterngeldrecht.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum
Haushaltsbegleitgesetz 2011 (BT-Drucks 17/3030) hatte zunächst
vorgesehen, pauschal versteuerte Einnahmen ebenso wie heute
noch sonstige Bezüge vollständig aus der Bemessungsgrundlage
des Elterngelds auszuklammern. (aaO, S 19) Dieser Vorschlag ist
aber hinsichtlich pauschal versteuerter Einnahmen nicht Gesetz
geworden, sondern im Gesetzgebungsverfahren gestrichen worden.
Anlass für die Streichung war die Befürchtung, ansonsten
insbesondere erwerbstätige Mütter mit geringem Einkommen, das
häufig pauschal versteuert wird, zu benachteiligen
(BR-Drucks 532/1/10 S 26). Diese Entstehungsgeschichte spricht für
das Ziel der gesetzgeberischen Konzeption, Einkommen aus
abhängiger Beschäftigung unabhängig vom gewählten
Besteuerungsverfahren bei der Elterngeldbemessung denselben
Regeln zu unterwerfen. Anders als der Beklagte meint, liegt darin
keine gleichheitswidrige Benachteiligung von Müttern mit geringem,
pauschal versteuerten Einkommen, sondern deren folgerichtige
Gleichbehandlung.
32
Wegen der geschilderten gesetzlichen Systematik im Lichte der
Entstehungsgeschichte bleibt es somit bei der zentralen Bedeutung
der materiell-rechtlichen Unterscheidung zwischen sonstigem Bezug
und laufendem Arbeitslohn für die Elterngeldberechnung selbst
dann, wenn im konkreten Fall kein Lohnsteuerabzug nach §§ 38a,
39b EStG stattfindet. Auch im Fall einer pauschalen Besteuerung
kann auf die materiellen Unterscheidungskriterien des Steuerrechts
zurückgegriffen werden, um sonstige Bezüge aus der
Bemessungsgrundlage des Elterngelds ausschließen
(zu diesen Kriterien im Einzelnen Senatsurteil vom 14.12.2017 - B
10 EG 7/17 R - Juris RdNr 26 ff mwN)
.
33
Dieser Ausschluss ist auch stets erforderlich. Wie das LSG zu Recht
ausgeführt hat, darf die Elterngeldhöhe nach der gesetzlichen
Konzeption nicht allein von der Wahl des Besteuerungsverfahrens
abhängen, die bei geringfügiger Beschäftigung im freien Ermessen
des Arbeitgebers liegt
(vgl BAG Urteil vom 13.11.2014 - 8 AZR 817/13 - Juris RdNr 19).
Beide Besteuerungsverfahren unterscheiden sich zwar. So schuldet
insbesondere bei der Lohnsteuerpauschalierung im Unterschied
zum Lohnsteuerabzugsverfahren (§ 38 Abs 2 EStG) nicht der
Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber die Lohnsteuer
(§ 40a Abs 5 iVm § 40 Abs 3 S 1 und S 2 Halbs 1 EStG). Mit Blick
auf Systematik und Zielsetzung des Elterngelds ist dieser
Unterschied jedoch ohne Belang. Die pauschale Lohnsteuer ist nicht
anders als eine besonders berechnete Lohnsteuer
(vgl Krüger in Schmidt, EStG, 36. Aufl 2017, § 40 RdNr 24). Die
Bemessungsgrundlage ist in beiden Besteuerungsverfahren im
Grundsatz identisch. Maßgeblich ist jeweils der "Arbeitslohn" iS des
§ 19 Abs 1 Nr 1 EStG und § 2 LStDV
(BAG Urteil vom 29.8.2012 - 10 AZR 589/11 - Juris RdNr 23). Und
gerade an diese Bemessungsgrundlage knüpft die Höhe des
Elterngelds auf dem Weg über § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 BEEG maßgeblich
an
(vgl Senatsurteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/09 R - SozR 4-7837 §
2 Nr 7 RdNr 26)
. Wollte man trotzdem die Bemessungsgrundlage des Elterngelds
von der Wahl des Besteuerungsverfahrens abhängig machen,
obwohl diese Wahl im freien Ermessen des Arbeitgebers liegt, so
gerieten die Bestimmungen über die Elterngeldhöhe in Gefahr, ihre
systembezogene Folgerichtigkeit zu verlieren.
34
d) Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass ohne ein
Lohnsteuerabzugsverfahren die Unterscheidung zwischen
laufendem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen nicht bereits im
Steuerverfahren getroffen und von dort übernommen werden kann.
Gleichwohl bleibt diese Unterscheidung als wesentliches
Referenzkriterium unverzichtbar, um die prägenden Einnahmen für
die Elterngeldberechnung zu bestimmen. Ist das
Lohnsteuerabzugsverfahren daher im Zeitpunkt der
Elterngeldfestsetzung ausnahmsweise noch nicht abgeschlossen,
müssen die Elterngeldbehörden selbst steuerrechtsakzessorisch
überprüfen, ob Einnahmen im laufenden
Lohnsteuerabzugsverfahren nach den steuerrechtlichen
Vorschriften zu Recht als sonstige Bezüge behandelt worden sind.
Findet das Verfahren auf einen Teil oder alle steuerpflichtigen
Einkünfte von vornherein keine Anwendung, weil sie pauschal vom
Arbeitgeber versteuert werden, müssen die Elterngeldstellen diese
Unterscheidung vollumfänglich selbst treffen. Der damit in
Einzelfällen verbundene erhöhte Verwaltungsaufwand ist
hinzunehmen und auch zumutbar. Er ist zwangsläufige Folge der
vom BEEG-Gesetzgeber angeordneten strengen
Steuerrechtsakzessorietät des Elterngeldrechts. Zudem vermeidet
er Zufallsergebnisse und damit Ungerechtigkeiten. Allerdings dürften
hohe pauschal versteuerte Einmalzahlungen wie im Fall der Klägerin
ohnehin eher eine seltene Ausnahme bilden.
35
e) Nach diesen Vorgaben wären die hier allein streitbefangenen
pauschal versteuerten Einmalzahlungen an die Klägerin in einem
Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge iS von § 2c Abs 1
S 2 BEEG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom
10.9.2012 (aaO) zu behandeln. Sie sind deshalb von der
Bemessungsgrundlage des Elterngelds auszunehmen. Denn
gemäß den lohnsteuerrechtlichen Vorgaben sind sonstige Bezüge
all jene Entgeltzahlungen, deren Zahlungszeiträume von dem als
Regel vorgesehenen Zahlungsturnus für Arbeitslohn nicht nur
unerheblich abweichen, weil sie entweder nicht für bestimmte,
aufeinanderfolgende Zeiträume erfolgen oder den üblichen
Lohnzahlungszeitraum erheblich überschreiten
(Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - Juris RdNr 31). Im
Vergleich zu dem in allen Monaten des Elterngeldbezugs
gleichbleibend gewährten Entgelt für die geringfügige Beschäftigung
der Klägerin wäre damit das ihr gewährte Weihnachts- und
Urlaubsgeld
(vgl dazu zuletzt Senatsurteil vom 29.6.2017 - B 10 EG 5/16 R -
SozR 4-7837 § 2 Nr 32 RdNr 17 ff)
ebenso als sonstiger Bezug zu behandeln wie die ihr einmalig
gezahlte Heiratsbeihilfe. Denn alle drei Zahlungen erfolgten nicht für
bestimmte, aufeinander folgende Zeiträume, sondern einmalig und
anlassbezogen.
36
§ 2c Abs 1 S 2 BEEG schließt daher die drei im Bezugszeitraum
gewährten Einmalzahlungen von der Bemessungsgrundlage aus;
der Beklagte hat sie deshalb auch im Bezugszeitraum des
Elterngelds zu Unrecht elterngeldmindernd als Einkommen
berücksichtigt. Dadurch hat er das Elterngeld der Klägerin zu niedrig
festgesetzt und zu Unrecht bereits gezahlte Beträge
zurückgefordert. Davon kann der Senat bei der Entscheidung über
die isolierte Anfechtungsklage der Klägerin auch ohne weitere
Feststellungen und Berechnungen des LSG zur konkreten Höhe
ihres Elterngeldanspruchs ausgehen. Der Beklagte hat diesen
Anspruch allein deshalb abgesenkt und vorläufig gewährtes
Elterngeld nach § 26 Abs 2 BEEG iVm § 328 Abs 3 SGB III teilweise
zurückgefordert, weil er die drei einmaligen Zahlungen im
Bezugszeitraum unzutreffend als Einkommen berücksichtigt hat.
Denn lässt man diese außer Betracht, so hat der Beklagte im
vorläufigen Bescheid vom 16.4.2014 nach den insoweit bindenden
Feststellungen des LSG sogar ein höheres Einkommen im
Bezugszeitraum angesetzt als danach in seinem endgültigen
Bescheid.
37
Der Beklagte kann dagegen nicht mit seinem Einwand
durchdringen, er habe im Bezugszeitraum einerseits weiteres
pauschal versteuertes Einkommen der Klägerin zu Unrecht
unberücksichtigt gelassen und andererseits im
Bemessungszeitraum zu hohe Einnahmen zugrunde gelegt. Im
Berufungsverfahren sind zwischen den Beteiligten nur die drei
genannten Einmalzahlungen streitig gewesen. Nur hierüber hat das
LSG auch entschieden. Folgerichtig hat es keine gesonderten
Feststellungen zu anderen Berechnungsposten des Elterngelds
getroffen (und auch nicht treffen müssen). Durchgreifende
Verfahrensrügen hat der Beklagte hiergegen nicht erhoben. Den
neuen (Tatsachen-)Vortrag des Beklagten im Revisionsverfahren
darf der Senat deshalb nicht berücksichtigen. Nichts Anderes gilt für
die weiteren von der Revision thematisierten, aber außerhalb der
hier allein streitgegenständlichen Anrechnung der im
Bezugszeitraum gezahlten Einmalzahlungen liegenden Einzelheiten
der Elterngeldberechnung, etwa hinsichtlich steuerfrei gewährter
Beiträge zu einer Arbeitnehmerdirektversicherung.
38
f) Erweist sich damit die vollständige Aufhebung des endgültigen
Elterngeldbescheids durch das SG und ihre Bestätigung durch das
LSG auf der Grundlage seiner für den Senat bindenden
tatsächlichen Feststellungen (vgl § 163 SGG)als richtig, so verfügt
die Klägerin wegen der von ihr beantragten Vollanfechtung weiterhin
nur über eine vorläufige Elterngeldbewilligung in der ursprünglichen
festgesetzten Höhe. Dem Beklagten bleibt es unbenommen, bei der
jetzt wieder ausstehenden endgültigen Elterngeldfestsetzung die
von ihm im Revisionsverfahren behaupteten (vermeintlichen)
Unstimmigkeiten der Elterngeldberechnung zu berichtigen, solange
er dabei die rechtlichen Vorgaben dieses Urteils beachtet.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und folgt der
Entscheidung in der Hauptsache.