Urteil des BSG vom 13.12.2011

Krankenversicherung - keine Befugnis zur Beschränkung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen bei Mutterschaft durch Satzungsregelung - Überprüfung angeblicher Rechtsverstöße bei Bemessung der Umlage

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 13.12.2011, B 1 KR 7/11
R
Krankenversicherung - keine Befugnis zur Beschränkung
des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen bei
Mutterschaft durch Satzungsregelung - Überprüfung
angeblicher Rechtsverstöße bei Bemessung der Umlage
Leitsätze
1. Eine Krankenkasse ist nicht befugt, durch Satzung die Höhe
der Erstattung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld zu
beschränken.
2. Angebliche Rechtsverstöße bei Bemessung der Umlage -
Verletzungen des Gleichheitssatzes und Äquivalenzstörungen im
Verhältnis von Leistung und Umlageaufkommen - sind in
Streitigkeiten über die Höhe der Mittelaufbringung zu überprüfen.
Tenor
Die Sprungrevision des Beklagten gegen das Urteil des
Sozialgerichts München vom 17. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen
Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Erstattung des Zuschusses
zum Mutterschaftsgeld.
2
Die privat kranken- und pflegeversicherte C. W. (im Folgenden:
Arbeitnehmerin) ist Arbeitnehmerin der klagenden Arbeitgeberin. Die
Hypo-Vereinsbank Betriebskrankenkasse (BKK) ist für den Einzug
der Beiträge der Arbeitnehmerin zur Renten- und
Arbeitslosenversicherung zuständig. Die BKK übertrug dem
Rechtsvorgänger des beklagten BKK-Landesverbandes Mitte die
Durchführung des U2-Verfahrens. Die Klägerin zahlte der
Arbeitnehmerin während der Mutterschutzfrist vom 29.3. bis 5.7.2007
einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe von 14 124,04 Euro
entsprechend ihrem bisherigen regelmäßigen Einkommen abzüglich
des geleisteten Mutterschaftsgeldes. Der Beklagte erstattete der
Klägerin hiervon lediglich insgesamt 9788,13 Euro mit der
Begründung, für die Berechnung des Zuschusses werde nach § 8
Abs 3 seiner Satzung nur das jeweilige Bruttoarbeitsentgelt bis zur
Höhe der in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) geltenden
Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt
(Bescheid vom 16.11.2007, Teilabhilfebescheid vom 18.2.2008,
Widerspruchsbescheid vom 12.6.2008).
3
Der Beklagte hat beim SG seine Zahlungspflicht für zusätzliche
713,86 Euro anerkannt. Das SG hat den Beklagten verurteilt, der
Klägerin darüber hinaus noch weitere 3622,05 Euro zu zahlen. Der
Zuschuss zum Mutterschaftsgeld sei nämlich in vollem Umfang zu
erstatten. Die Einschränkung des Erstattungsanspruchs durch § 8
Abs 3 der Satzung der BKK-Arbeitgeberversicherung des BKK-
Landesverbandes Ost für den Ausgleich der
Arbeitgeberaufwendungen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz
(im Folgenden: Satzung) sei nichtig, weil sie von der
Ermächtigungsgrundlage des § 9 Gesetz über den Ausgleich der
Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung -
Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) nicht gedeckt sei. Eine
erweiternde Auslegung der Ermächtigungsnorm komme angesichts
des durch das BVerfG bestätigten Schutzauftrags zur Vermeidung
möglicher faktischer Diskriminierungen von Frauen nicht in Betracht
(Urteil vom 17.5.2011).
4
Mit der Sprungrevision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 9 Abs
2 AAG und des Art 3 GG. Bei Anwendung von § 8 Abs 3 Satzung sei
eine Erstattung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld maximal
nach dem Bruttoarbeitsentgelt bis zur Beitragsbemessungsgrenze
der GRV möglich. Die Satzung sei entgegen der Auffassung der
Vorinstanz ermächtigungskonform, weil § 9 Abs 2 AAG bei
verfassungskonformer Auslegung unter Berücksichtigung des
sozialversicherungsrechtlichen Äquivalenzgedankens eine
Öffnungsklausel zugunsten auch der getroffenen
Satzungsbestimmung enthalte.
5
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. Mai 2011 aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
6
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
7
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
8
Die zulässige Sprungrevision (§ 161 Abs 1 Satz 1 und 3 SGG) ist
unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).Die Vorinstanz hat zu Recht
den Beklagten aufgrund der zulässigen kombinierten Anfechtungs-
und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG)verurteilt, der Klägerin den
Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in vollem Umfang zu erstatten, den
sie ihrer Arbeitnehmerin gezahlt hat. Die Voraussetzungen des
Erstattungsanspruchs sind erfüllt (dazu 1.).Die Begrenzung der
Erstattungshöhe durch § 8 Abs 3 Satzung ist nichtig (dazu 2.).Die
Teilnichtigkeit der Satzung bedingt nicht ihre Gesamtnichtigkeit,
sondern führt zur Geltung der im Gesetz bestimmten Regelung der
Erstattungshöhe (dazu 3.).
9 1. Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs (dazu a) sind
erfüllt (dazu b).
10
a) Rechtsgrundlage der Erstattungsverpflichtung ist § 1 Abs 2 Nr 1
Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für
Entgeltfortzahlung
(Aufwendungsausgleichsgesetz - AAG ,
vom 22.12.2005, BGBl I 3686)
iVm der Satzung der BKK-Arbeitgeberversicherung des BKK-
Landesverbandes Ost für den Ausgleich der
Arbeitgeberaufwendungen nach dem
Aufwendungsausgleichsgesetz idF des 2. Nachtrags vom 5.10.2006
(im Folgenden: Satzung). Danach erstatten die Krankenkassen
(KKn) bzw die von diesen satzungsgemäß bestimmten Träger
(§ 8 Abs 2 Satz 1 AAG) dem Arbeitgeber auf Antrag
(§ 2 Abs 2 Satz 1 AAG) den nach § 14 Mutterschutzgesetz
(MuSchG) gezahlten Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in vollem
Umfang (§ 1 Abs 2 Nr 1 AAG).§ 6 Nr 1 Satzung sieht
dementsprechend vor, den ausgleichsberechtigten Arbeitgebern für
Aufwendungen aus Anlass der Mutterschaft 100 vH des nach § 1
Abs 2 Nr 1 AAG gezahlten Zuschusses zum Mutterschaftsgeld zu
erstatten.
11
Die Satzung des Rechtsvorgängers des Beklagten ist maßgeblich,
da er für die streitige Zahlung zuständig ist. Der Beklagte ist nach
Fusionierung zum 1.1.2010 Gesamtnachfolger des ehemaligen
BKK-Landesverbandes Ost geworden und anstelle der BKK zum
BKK-Landesverbandes Ost geworden und anstelle der BKK zum
Ausgleich von Arbeitgeberaufwendungen sachlich legitimiert. Seit
der Neuordnung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen
durch das AAG zum 1.1.2006 sind "die Krankenkassen mit
Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkassen",mithin neben
Ersatzkassen auch BKKn, Träger des Ausgleichs von
Arbeitgeberaufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit und in
Mutterschaftsfällen
(§ 1 Abs 1 AAG; abweichend die bis zum 31.12.2005 geltende
Rechtslage, vgl § 10 Abs 1 Satz 1 Gesetz über die Fortzahlung des
Arbeitsentgelts im Krankheitsfall - Lohnfortzahlungsgesetz ).
§ 8 Abs 1 Satz 1 AAG bestimmt hierzu, dass die KKn die Mittel für
den zum 1.1.2006 neugeordneten Ausgleich der
Arbeitgeberaufwendungen als Sondervermögen verwalten. § 8 Abs
2 Satz 1 AAG ermöglicht es den KKn, durch Satzungsregelung die
Durchführung der Verfahren über den Ausgleich der
Arbeitgeberaufwendungen sowohl bei Arbeitsunfähigkeit
(§ 1 Abs 1 AAG, U1-Verfahren) als auch in Mutterschaftsfällen
(§ 1 Abs 2 AAG, U2-Verfahren) auf eine andere KK oder einen
Landes- oder Bundesverband zu übertragen
(mit Wirkung vom 1.10.2005, vgl Art 4 Satz 1 Gesetz über den
Ausgleich von Arbeitgeberaufwendungen und zur Änderung weiterer
Gesetze vom 22.12.2005, BGBl I 3686)
. Hiervon machte die für die Arbeitnehmerin zuständige BKK nach
den unangegriffenen Feststellungen des SG (§ 163 SGG) Gebrauch
und übertrug die Durchführung des U2-Verfahrens und die
diesbezügliche Satzungshoheit dem BKK Landesverband Ost. Der
Landesverband führt nach seiner Satzung
(§ 3 Abs 3 Satz 1 idF des 11. Nachtrags, genehmigt am 15.5.2006)
für die BKKn den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen nach
dem AAG durch, die ihm die Durchführung nach § 8 Abs 2 AAG
übertragen haben. Die Durchführung des
Arbeitgeberaufwendungsausgleichs erfolgt nach den Bestimmungen
der Satzung der BKK-Arbeitgeberversicherung (früher BKK-
Lohnfortzahlungsversicherung) des BKK-Landesverbandes Ost
(§ 3 Abs 3 Satz 2).Die BKK-Arbeitgeberversicherung ist als
Abteilung der Körperschaft des öffentlichen Rechts "BKK-
Landesverband" organisiert, jener ist mithin materiell verpflichtet (
§ 1 Satz 2 der Satzung der BKK-Arbeitgeberversicherung idF des 2.
Nachtrags vom 5.10.2006; jetzt § 1 Satz 2 der Satzung der BKK-
Nachtrags vom 5.10.2006; jetzt § 1 Satz 2 der Satzung der BKK-
Arbeitgeberversicherung des BKK-Landesverbandes Mitte vom
10.5.2011, abrufbar unter www.bkk-aag.de).
12
Der Beklagte ist wie sein Rechtsvorgänger zur Ausgestaltung des
streitigen Erstattungsanspruchs in seiner Satzung befugt. Die KKn
oder der sonst hierzu bestimmte Träger sind ergänzend zur
autonomen Rechtsetzung durch Satzung ermächtigt, sei es durch
Satzungsbestimmungen als Teil der Kassensatzung, sei es durch
besondere Satzung eigens für die Regelungen des Ausgleichs von
Arbeitgeberaufwendungen (§ 9 Abs 5 iVm Abs 1 und 2 AAG;
vgl Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld,
Mutterschaftsgeld, Stand Mai 2011, § 9 AAG RdNr 1)
, welche der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde bedürfen
(§ 10 AAG iVm § 195 SGB V).
13
§ 6 Nr 1 Satzung steht mit dem Gesetzesrecht in Einklang. Bereits
der Gesetzeswortlaut des § 1 Abs 2 Nr 1 AAG legt es nahe, dass
der vom Arbeitgeber nach § 14 MuSchG gezahlte Zuschuss zu 100
vH zu erstatten ist. Dies bedeutet Erstattung des im Innenverhältnis
zur Arbeitnehmerin geschuldeten und auch tatsächlich gezahlten
Zuschusses in voller Höhe. Für Frauen, die nicht Mitglieder einer
gesetzlichen KK sind - wie hier die Arbeitnehmerin - besteht für die
Zeit der Mutterschutzfristen nach § 3 Abs 2 und § 6 Abs 1 MuSchG
sowie für den Entbindungstag gegenüber dem Arbeitgeber
Anspruch auf einen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrags
zwischen dem Mutterschaftsgeld in Höhe von 13 Euro und dem um
die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen
kalendertäglichen Arbeitsentgelt
(§ 14 Abs 1 Satz 1 iVm § 13 Abs 2 MuSchG). Dieses ist aus den
letzten drei abgerechneten Kalendermonaten vor Beginn der
Schutzfrist des § 3 Abs 2 MuSchG zu berechnen
(§ 14 Abs 1 Satz 2 MuSchG). Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt
bleibt außer Betracht (§ 14 Abs 1 Satz 4 MuSchG). Eine Kappung
des Zuschusses auf der Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze
in der GRV (vgl §§ 159, 160, 228a Abs 1 Nr 2 SGB VI)ist
entsprechend seiner Rechtsnatur als arbeitsrechtlicher
Entgeltfortzahlungsanspruch nicht vorgesehen
(vgl Roos in: Roos/Bieresborn, MuSchG-BEEG, Stand September
2011, § 14 MuSchG RdNr 1a mwN)
.
14
Die Pflicht, den vom Arbeitgeber nach § 14 MuSchG gezahlten
Zuschuss zu 100 vH zu erstatten, entspricht auch dem
Regelungssystem, der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der
gesetzlichen Regelung. Das verdeutlichen der Vergleich mit den
abweichenden Erstattungsregeln im U1-Verfahren und die
Entwicklung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen im U2-
Verfahren: Im U1-Verfahren nach § 1 Abs 1 AAG erstatten die KKn
den Arbeitgebern seit jeher lediglich 80 vH des bei
Arbeitsunfähigkeit fortgezahlten Arbeitsentgelts
(zur Entstehungsgeschichte s Urteil des Senats vom 13.12.2011 - B
1 KR 3/11 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen)
. Diese Kappungsgrenze übernahm das Gesetz zunächst für die
später eingeführte Erstattung des Aufwands im U2-Verfahren
(vgl § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 bis 4 LFZG idF des
Beschäftigungsförderungsgesetzes 1985 vom 26.4.1985, BGBl I
710; vgl BT-Drucks 10/2102 S 36 f).
Erst das Gesetz zur Änderung des Mutterschutzrechts vom
20.12.1996 (BGBl I 2110) sah in den Fällen des U2-Verfahrens eine
volle Erstattung der Aufwendungen der Arbeitgeber nunmehr
abweichend vom U1-Verfahren vor
(§ 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und 3, Nr 4 iVm Nr 3 LFZG). Die
Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom
26.10.1995 verdeutlicht den Regelungszweck. Danach werde das
Umlageverfahren U2 im LFZG mit dem Ziel einer höheren Erstattung
der Mutterschutzkosten verbessert, um die Beschäftigungschancen
junger Frauen zu erhöhen (BT-Drucks 13/2763 S 2). § 10 LFZG
regele seit 1986 das Umlageverfahren U2 für Kleinbetriebe mit in der
Regel nicht mehr als 20 Beschäftigten, wonach diese Arbeitgeber
bis zu 80 vH bestimmter Mutterschutzkosten nach dem MuSchG
von der gesetzlichen KK erstattet erhielten. Die Satzung der KK
könne allerdings auch einen Erstattungssatz unter 80 vH zulassen.
Davon werde in der Praxis häufig Gebrauch gemacht. Es gebe
Hinweise, dass die damit verbundenen Belastungen für die
betroffenen Arbeitgeber nicht mehr hinnehmbar seien, so dass sich
ernstzunehmende Beschäftigungshindernisse für
Arbeitnehmerinnen im gebärfähigen Alter abzeichneten. Die
Kleinbetriebe müssten von ihren Mutterschutzkosten weiter entlastet
werden. Dafür gebe es mehrere Vorschläge. Durchsetzbar sei
jedoch nur eine Änderung des Umlageverfahrens U2 in der Weise,
dass der Erstattungsanspruch in seiner Höhe aufgestockt werde,
also nicht nur höchstens 80 vH - und in der Praxis häufig nur 60 bis
70 vH - betrage, sondern dass künftig die berücksichtigungsfähigen
Zahlungen des Arbeitsgebers ihm uneingeschränkt zu 100 vH
erstattet würden (BT-Drucks 13/2763 S 12).
15
Hieran hat sich in der Folgezeit durch die Entscheidung des BVerfG
vom 18.11.2003 zur Verfassungswidrigkeit des vom Arbeitgeber zu
zahlenden Zuschusses zum Mutterschaftsgeld nichts geändert. Das
BVerfG hat zwar § 14 Abs 1 Satz 1 MuSchG für unvereinbar mit Art
12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 2 GG erklärt, dem Gesetzgeber jedoch
mehrere Möglichkeiten aufgezeigt, den Verstoß zu beseitigen. Ua
hat es das Umlageverfahren als ein einfaches System angeführt,
welches es erlaube, die ungleiche Belastung einzelner Arbeitgeber
durch die monetäre Beteiligung an den Kosten des Mutterschutzes
aufzufangen
(Beschluss vom 18.11.2003 - 1 BvR 302/96 - BVerfGE 109, 64; zur
Verfassungsmäßigkeit des Arbeitgeberzuschusses zum
Mutterschaftsgeld früher BVerfGE 37, 121; 70, 242)
. Als Konsequenz aus der Entscheidung des BVerfG hat der
Gesetzgeber zum 1.1.2006 mit dem AAG die bis dahin geltende
Kleinbetriebsklausel abgeschafft und das U2-Verfahren auf alle
Arbeitnehmer unabhängig von der Zahl ihrer Beschäftigten erstreckt,
um die Gefahren der faktischen Diskriminierung von Frauen bei der
Einstellung in Betrieben zu beseitigen (vgl BT-Drucks 16/39 S 12).
Eine Änderung des Erstattungsumfangs war damit weder
beabsichtigt noch ist sie dementsprechend erfolgt.
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b) Nach den unangegriffenen, bindenden Feststellungen der
Vorinstanz (§ 163 SGG) betrug der zu zahlende und von der
Klägerin gezahlte Zuschuss zum Mutterschaftsgeld für die
betroffene Zeit des Mutterschutzes vom 29.3. bis 5.7.2007
kalendertäglich 145,74 Euro, insgesamt 14 124,04 Euro. Als noch
offene, nicht anerkannte und beglichene Differenz zum vollen
Zuschuss verbleibt der von der Vorinstanz zugesprochene
Restbetrag von 3622,05 Euro.
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2. Die demgegenüber in § 8 Abs 3 Satzung vorgesehene Regelung
zur Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld nach
einem Bruttoarbeitsentgelt maximal bis zur Höhe der in der GRV
geltenden Beitragsbemessungsgrenze ist nichtig, da sie mit
höherrangigem Recht unvereinbar ist.§ 8 Abs 3 Satzung
überschreitet nämlich die durch § 9 Abs 2 AAG vorgegebenen
Grenzen der autonomen Rechtsetzungsbefugnis. Die Nichtigkeit
von § 8 Abs 3 Satzung beschränkt sich indes auf diese
Bestimmung, weil lediglich ein isolierter, abtrennbarer Teil der im
Übrigen gesetzeskonformen Gesamtregelung der Satzung zum
Ausgleichsverfahren betroffen ist (dazu 3.).
18
Anders als die Gemeinden (vgl Art 28 Abs 2 GG) genießen die
Sozialversicherungsträger keinen grundgesetzlich gewährleisteten
Schutz ihrer Selbstverwaltung
(BVerfGE 36, 383, 393 = SozR 5610 Art 3 § 1 Nr 1; BVerfGE 39,
302, 314; BVerfG SozR 4-2500 § 4 Nr 1).
Deshalb kann der Gesetzgeber die Satzungsautonomie insoweit
einschränken, als Satzungsregelungen über zu gewährende
Leistungen nur zulässig sind, soweit das Gesetz solche Leistungen
zulässt. Lässt das Gesetz nur eine einheitliche Regelung zu, so sind
die KKn daran gebunden und dürfen in der Satzung nichts
Abweichendes bestimmen
(zum Sterbegeld BSGE 69, 76 = SozR 3-2500 § 59 Nr 1).
Umgekehrt dürfen Leistungen durch Satzung nicht vorenthalten
werden, die das Gesetz zur Verwirklichung seiner Ziele einheitlich
einräumt. § 9 Abs 2 AGG erlaubt keine über den Regelungsgehalt
des § 1 Abs 2 Nr 1 AAG hinausgehende, den einzelnen KKn zur
freien Ausgestaltung überlassene Beschränkung der Erstattung im
U2-Verfahren. § 9 Abs 2 AAG lässt weder nach Wortlaut,
Systematik, Entstehungsgeschichte und Normzweck (dazu a) noch
verfassungsgeleitet im Lichte des besonderen
Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art 3 Abs 2 GG (dazu b) eine
Auslegung zu, die dem Satzungsgeber ein Abweichen von der in § 1
Abs 2 Nr 1 AAG vorgesehenen Erstattungshöhe gestattet.
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a) § 9 AAG (sowohl idF
vom 22.12.2005, BGBl I 3686 als auch in den folgenden Fassungen
einschließlich jener des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes
vom 26.3.2007,
BGBl I 378) ermächtigt die KKn bzw sonstige Träger
(§ 9 Abs 5 AAG)zur näheren Regelung des Ausgleichs von
Arbeitgeberaufwendungen durch Satzungsbestimmung. § 9 Abs 1
AAG gibt den zwingenden Satzungsinhalt vor ("muss"), § 9 Abs 2
AAG umschreibt freiwillige Satzungsinhalte ("kann"). Die Regelung
benennt ausdrücklich als freiwilligen Satzungsinhalt die
Beschränkung der Erstattung nach § 1 Abs 1
(§ 9 Abs 2 Nr 1 AAG in allen og Fassungen), die Möglichkeit einer
pauschalen Erstattung des von den Arbeitgebern zu tragenden Teils
des Gesamtsozialversicherungsbeitrags für das nach § 11 MuSchG
gezahlte Arbeitsentgelt (§ 9 Abs 2 Nr 2 AAG in allen og Fassungen),
die Zahlung von Vorschüssen
(§ 9 Abs 2 Nr 3 AAG in allen og Fassungen), die Möglichkeit, den
Zeitpunkt der erstmaligen Erstattung im Jahr 2006 nach § 2 Abs 2
Satz 3 festzulegen
(§ 9 Abs 2 Nr 4 AAG, aufgehoben durch Art 41 Nr 3 Buchst b GKV-
WSG mit Wirkung vom 1.4.2007)
und die Übertragung nach § 8 Abs 2
(§ 9 Abs 2 Nr 5 AAG in allen og Fassungen). Die Beschränkung der
Erstattung nach § 1 Abs 2 Nr 1 AAG ist in diesem Regelungskatalog
hingegen nicht speziell vorgesehen.
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Das Regelungssystem lässt keinen Raum für die Annahme einer
unbewussten Regelungslücke bei der Ermächtigung zur
Beschränkung der Erstattung des Zuschusses nach § 14 MuSchG.
Dies liefe nämlich der Erstattungsregelung des § 1 Abs 2 Nr 1 AAG
zuwider (vgl § 10 AAG iVm § 194 Abs 2 Satz 1 SGB V). Insoweit ist
ohne Belang, dass ein positiver Ermächtigungskatalog nicht
zwangsläufig stets mit einem Regelungsverbot im Übrigen
verbunden sein muss
(vgl hierzu Treber, EFZG, 2. Aufl 2007, § 9 AAG RdNr 8;
Müller/Berenz, Entgeltfortzahlungsgesetz und
Aufwendungsausgleichsgesetz, 2006, § 9 AAG RdNr 15;
Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld,
Mutterschaftsgeld, Stand Mai 2011, § 9 AAG RdNr 5 mwN; auch SG
Berlin Urteil vom 16.10.2010 - S 84 KR 1377/07).
21
Auch die Gesetzeshistorie bietet für eine ausdehnende Anwendung
des § 9 Abs 2 AAG keine Grundlage. Der Senat hat bereits zur
Vorgängervorschrift des § 16 Abs 2 Nr 1 LFZG entschieden, dass
eine Beschränkung der Erstattungsbeträge für
mutterschaftsbezogene Leistungen nicht in Betracht kommt. Die
Entscheidung betraf zwar die Erstattung von Beiträgen im U2-
Verfahren, die für eine berufsständische Alterssicherung von
Beschäftigten gezahlt werden, welche von der Versicherungspflicht
in der GRV befreit sind
(BSG SozR 4-7860 § 10 Nr 1 RdNr 17; vgl auch
Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld,
Mutterschaftsgeld, Stand Mai 2011, § 9 AAG RdNr 17 mwN)
. Die späteren Änderungen des Gesetzes geben keinen Anlass,
hinsichtlich der Erstattung des Zuschusses nach § 14 MuSchG
anders zu urteilen. Bereits § 16 Abs 2 Nr 1 LFZG beschränkte zum
1.1.1997 die Ermächtigung der KKn darauf, kraft Satzung die Höhe
der Erstattung lediglich in den U1-Verfahren "nach § 10 Abs 1 Satz 1
Nr 1 und Nr 4 in Verbindung mit Nr 1" LFZG zu begrenzen. Zuvor
erlaubten die früheren Fassungen generell eine Einschränkung in
den Verfahren "nach § 10 Abs 1" LFZG. Der hierfür bis heute
fortbestehende Sinn und Zweck der vorgenannten Begrenzung liegt
darin, parallel zur Einführung der 100 vH-Erstattung durch das
Gesetz zur Änderung des Mutterschutzrechts vom 20.12.1996
(BGBl I 2110; s dazu oben, 1.a) die bis dahin bestehende
Möglichkeit zur satzungsmäßigen Absenkung des
Erstattungsumfangs für die Mutterschutzkosten nach dem U2-
Verfahren aufzuheben (BT-Drucks 13/2763 S 12). Eine
Ermächtigung zur kassenindividuellen Absenkung des
Erstattungsbetrags kraft Satzung lässt sich damit nicht vereinbaren
(aA Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der KKn
zum AAG vom 21.12.2005 in der geänderten Fassung aufgrund der
Ergänzung vom 13.2.2006, Anm 3.18 iVm 2.19).
22
b) Die bewusst in § 9 Abs 2 AGG fortgeführte Regelung, keine
Ermächtigung zur kassenindividuellen Absenkung des
Erstattungsbetrags für die Mutterschutzkosten nach dem U2-
Verfahren kraft Satzung vorzusehen, verleiht schließlich dem
Gleichberechtigungsgebot des Art 3 Abs 2 GG bestmögliche
Beachtung. Das Gleichberechtigungsgebot erfasst auch mittelbare
oder faktische Diskriminierungen
(vgl zB BVerfGE 109, 64; 126, 29, 53 f mwN).Die Verfassungsnorm
zielt auf die Angleichung der Lebensverhältnisse von Frauen und
Männern(vgl BVerfGE 87, 1, 42; 109, 64, 89; 113, 1, 15).Durch die
Anfügung von Satz 2 in Art 3 Abs 2 GG ist ausdrücklich klargestellt
worden, dass sich das Gleichberechtigungsgebot auf die
gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt
(vgl BVerfGE 92, 91, 109; 109, 64, 89; 113, 1, 15).Über eine
unmittelbare Ungleichbehandlung hinaus erlangen für Art 3 Abs 2
GG die unterschiedlichen Auswirkungen einer Regelung auf Frauen
und Männer ebenfalls Bedeutung. Ein solches auf die Verhinderung
mittelbarer Diskriminierung ausgerichtetes
Gleichberechtigungsgebot entspricht der Rechtsentwicklung im
Europarecht
(vgl Art 2 der Richtlinie 76/207/EWG in der Fassung der Richtlinie
2002/73/EG vom 23.9.2002 zur Änderung der Richtlinie
76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des
Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen
Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, ABl L 269 vom
5.10.2002, S 15, 17; Art 2 Buchst b der Richtlinie 2004/113/EG vom
13.12.2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und
bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, ABl L 373 vom
21.12.2004, S 37, 40; EuGHE 1989, 2743; EuGHE I 2003, 12575).
Das gesetzliche Verbot für den Satzungsgeber, eine geringere als
die volle Erstattung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld
vorzusehen, begegnet gerade - wie dargelegt - der Gefahr einer
erheblichen Benachteiligung von Frauen in ihren beruflichen
Chancen (vgl nochmals BT-Drucks 13/2763 S 12).
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3. Die Nichtigkeit von § 8 Abs 3 Satzung führt nicht zur
Gesamtnichtigkeit der Satzung. Vielmehr verbleibt es bei den
übrigen Regelungen zur Erstattung, insbesondere in § 6 Nr 1
Satzung, wonach eine Erstattung des Zuschusses in vollem Umfang
iS des § 1 Abs 2 Nr 1 AAG vorgesehen ist. § 8 Abs 3 Satzung betrifft
keinen integralen, sondern einen rechtlich abtrennbaren Teil der
Erstattungsregelung kraft Satzung, welche ohne diese Bestimmung
Bestand hat (dazu a). Angebliche Rechtsverstöße bei der
Beitragserhebung - Verletzungen des Gleichheitssatzes und
Äquivalenzstörungen im Verhältnis von Leistung und
Umlageaufkommen - sind in Streitigkeiten über die Höhe der
Mittelaufbringung zu überprüfen (dazu b).
24
a) Die Erstattungsbestimmungen der Satzung sind entgegen der
Auffassung des Beklagten durchführbar, auch wenn die Regelung
des § 8 Abs 3 Satzung isoliert nichtig ist. Sie stehen lediglich in
einem kalkulatorischen Zusammenhang mit den Umlagesätzen
nach § 9 Satzung, sind aber rechtlich nicht derart aufeinander
bezogen, dass die eine Bestimmung ohne die andere nicht
funktionsfähig wäre
(vgl BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 A 1/11 R, zur Veröffentlichung in
BSGE und SozR vorgesehen)
. Auch ohne die Begrenzung in § 8 Abs 3 Satzung wird die Satzung
ihrem Auftrag gerecht, das Ausgleichsverfahren bei Mutterschutz zu
sichern.
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Die Teilnichtigkeit der Satzung lässt den Regelungsmechanismus
unberührt, dass der Finanzbedarf des Ausgleichsverfahrens bei
Mutterschutz weiterhin im Umlageverfahren gedeckt wird. Die Mittel
zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen im
U2-Verfahren werden nämlich gemäß § 7 Abs 1 AAG durch
gesonderte Umlagen von den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern
aufgebracht.Das Umlageverfahren dient der Bedarfsdeckung im
Rahmen des Aufwendungsausgleichs. Umgelegt wird nicht der
Bedarf für einen abgelaufenen Zeitraum, sondern - wie bei Beiträgen
- der voraussichtlich entstehende Leistungsbedarf
(BSG SozR 3-7860 § 14 Nr 3;vgl auch
Müller/Berenz, Entgeltfortzahlungsgesetz und
Aufwendungsausgleichsgesetz, 2006, § 7 AAG RdNr 42;
Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld,
Mutterschaftsgeld, Stand Mai 2011, § 7 AAG RdNr 1 f)
. Die Umlagebeträge bemessen sich nicht nach der Anzahl der
beschäftigten Arbeitnehmerinnen, sondern nach der Gesamtzahl der
Beschäftigten. In das Umlageverfahren sind auch solche
Arbeitgeber mit einbezogen, die keine Frauen beschäftigen
(vgl bereits BSGE 71, 24 = SozR 3-7860 § 10 Nr 3). Hieran
anknüpfend geht der erkennende Senat von einer
umlagefinanzierten Versicherung der Arbeitgeber aus und sieht die
am Ausgleichs- und Umlageverfahren teilnehmenden Arbeitgeber
als Solidargemeinschaft an
(vgl BSGE 97, 16 = SozR 4-7862 § 9 Nr 1, RdNr 17 mwN).
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Soweit die verbliebene Erstattungsregelung den Vorstellungen des
Beklagten nicht genügt, bleibt es ihm kraft seiner autonomen
Rechtsetzungsbefugnis überlassen, die Satzung in Erkenntnis der
Teilnichtigkeit gesetzeskonform neu zu gestalten
(vgl zB BSG SozR Nr 9 zu § 368f RVO; BSG Urteil vom 20.7.1988 -
6 RKa 26/87).
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b) Die Klägerin muss sich in ihrem Rechtsstreit um höhere
Erstattung von Leistungen wegen Mutterschaft nicht entgegenhalten
lassen, dass für die Berechnung der Umlage - anders als für die
Höhe der Erstattung - die Beitragsbemessungsgrenze der GRV gilt.
Die Geltung der Beitragsbemessungsgrenze für die Umlage U2
beruht darauf, dass die Umlage jeweils in einem Prozentsatz des
Entgelts (Umlagesatz) festzusetzen ist, nach dem die Beiträge zur
GRV für die im Betrieb Beschäftigten bemessen werden oder bei
Versicherungspflicht zu bemessen wären (§ 7 Abs 2 Satz 1 AAG).
Die Regelung verweist verbindlich - worauf der Beklagte zu Recht
hinweist - auf die Bemessungsgrundlage der Beiträge zur GRV, die
gemäß §§ 159, 160, 228a SGB VI nur bis zur jeweiligen
Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen ist.
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Der Beklagte zieht die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen
Geltung der Beitragsbemessungsgrenze nur für die Umlage, nicht
aber für die Erstattungsregelung wegen Verstoßes gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG in Zweifel. Nach
diesem Ansatz darf in einem Umlagesystem als Ausprägung des
allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art 3 Abs 1 GG) auch
der versicherungsrechtliche Äquivalenzgedanke, nach dem
Leistung und Gegenleistung grundsätzlich in einem dem Risiko
entsprechenden Verhältnis stehen müssen, nicht vernachlässigt
werden
(vgl zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes nach dem fiktiven
Volllohn schon BVerfGE 48, 227 = SozR 7860 § 14 Nr 2; BSG SozR
4-7860 § 10 Nr 1 RdNr 22 f).
Hieran muss sich die Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze
im Umlageverfahren messen lassen, wenn mit ihr eine nicht zu
rechtfertigende Verschiebung des sozialen Ausgleichs der
Arbeitgeber untereinander verbunden sein sollte.
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Der erkennende Senat muss in dieser Sache aber nicht darüber
entscheiden, ob die für die Umlage gesetzlich angeordnete Geltung
der Bemessungsgrundlage der Beiträge zur GRV
verfassungskonform ist. Insbesondere muss er nicht entscheiden,
welches Ausmaß an Ungleichbehandlung die Regelung hervorruft.
Ebenso wenig muss er entscheiden, ob dieses durch die Erwägung
des Gesetzgebers gerechtfertigt ist, dass die Anlehnung an eine für
die Sozialversicherung geltende Bemessungsgrundlage den Einzug
der Umlagebeträge durch die KKn als Träger des Ausgleichs der
Arbeitgeberaufwendungen vereinfacht und dass die in der GRV
geltende Beitragsbemessungsgrenze eine gerechtere
Bemessungsgrundlage als die Beitragsbemessungsgrenze in der
gesetzlichen Krankenversicherung schafft (vgl dazu
Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld,
Mutterschaftsgeld, Stand Mai 2011, § 7 AAG RdNr 6 mwN).
Selbst wenn nämlich die Geltung der Beitragsbemessungsgrenze
der GRV für die Umlagelast rechtlich zu beanstanden sein sollte,
ändert dies nichts an der Rechtmäßigkeit der gesetzeskonformen
Regelung, dass Leistungen wegen Mutterschaft - wie dargelegt -
gesetzes- und verfassungskonform in voller Höhe zu erstatten sind.
Insoweit ist es Angelegenheit der zur Umlage herangezogenen
Arbeitgeber, gegen ihre Heranziehung die Unvereinbarkeit der
Umlage mit Art 3 Abs 1 GG geltend zu machen. Ohne
Vorgreiflichkeit für das Umlageverfahren nach § 7 AAG weist der
Senat beispielhaft darauf hin, dass die Rspr des BSG die
Insolvenzgeldumlage (§§ 358 ff SGB III) trotz vergleichbarer
eventueller Äquivalenzstörungen in der Vergangenheit stets für
verfassungsgemäß gehalten hat
(vgl zuletzt BSGE 100, 286 = SozR 4-4300 § 359 Nr 1 mwN).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Nach der
ständigen Rspr des erkennenden Senats sind Arbeitgeber in
Streitigkeiten über die Erstattung von Aufwendungen für die
Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit und in Mutterschutzfällen
als "Leistungsempfänger" iS von § 183 SGG anzusehen
(BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 3, insbesondere RdNr 9). An diesem
Umstand hat sich durch die Neuordnung des Ausgleichs der
Arbeitgeberaufwendungen durch das AAG nichts geändert. Für
entsprechende Rechtsstreitigkeiten ist mithin auch keine
Kostenentscheidung unter Heranziehung des § 197a Abs 1 Satz 1
SGG zu treffen
(zu Streitigkeiten über die Umlagepflicht nach dem AAG zuletzt vgl
BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 9).