Urteil des BSG vom 13.12.2011

Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung - Erstattungssatz - Satzungsregelung - Wahrung des gesetzlichen Mindesterstattungssatzes nach § 9 Abs 2 Nr 1 AufAG

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 13.12.2011, B 1 KR 3/11
R
Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für
Entgeltfortzahlung - Erstattungssatz - Satzungsregelung -
Wahrung des gesetzlichen Mindesterstattungssatzes nach §
9 Abs 2 Nr 1 AufAG
Leitsätze
Eine Krankenkasse darf in ihrer Satzung die Höhe des
Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung
bei Arbeitsunfähigkeit mit einem Prozentsatz des fortgezahlten
Entgelts festsetzen, ohne zusätzlich den Arbeitgeberanteil am
Gesamtsozialversicherungsbeitrag abzugelten, soweit sie dabei
den gesetzlichen Mindesterstattungssatz nicht unterschreitet.
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen
Landessozialgerichts vom 11. August 2010 wird
zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Ausgleichs der
Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung bei
Arbeitsunfähigkeit (AU).
2
Die beklagte AOK erstattet ausgleichsberechtigten Arbeitgebern für
Aufwendungen bei AU nach ihrer Satzung je nach Umlagesatz nur
Teile des gezahlten Arbeitsentgelts: Wählt ein ausgleichsberechtigter
Arbeitgeber den allgemeinen Umlagesatz, so erhält er 60 vH des an
seine Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen fortgezahlten
Arbeitsentgeltes
(§ 38 Abs 2 Nr 1 iVm § 39 Abs 1 Satzung der Beklagten in der ab
1.1.2009 geltenden Fassung).
Wählt ein Arbeitgeber dagegen den ermäßigten Umlagesatz
(§ 38 Abs 2 Nr 2 Satzung), erstattet die Beklagte 45 vH der
genannten Aufwendungen bei AU. Mit den genannten
Erstattungssätzen sind auch die auf die erstattungsfähigen
Aufwendungen entfallenden Arbeitgeberanteile der Beiträge zur
gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur
Arbeitslosenversicherung abgegolten (§ 39 Abs 3 Satzung). Der
Kläger, selbstständiger Rechtsanwalt mit nicht mehr als 30
Arbeitnehmern, wählte den allgemeinen Umlagesatz. Er zahlte seiner
bei der Beklagten versicherten Sekretärin wegen AU in der Zeit vom
19.1. bis 23.1.2009 das Entgelt fort (Bruttoarbeitsentgelt 372,14 Euro
zuzüglich Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag
70,08 Euro). Die Beklagte erstattete ihm 60 vH des fortgezahlten
Bruttoarbeitsentgelts (223,27 Euro), nicht aber zusätzlich den
entsprechenden Anteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag in
Höhe von 42,05 Euro (
Bescheid vom 16.2.2009, Widerspruchsbescheid vom 23.4.2009).
Klage und zugelassene Berufung waren erfolglos. Das LSG hat ua
ausgeführt, die Satzung der Beklagten habe die Erstattungshöhe im
Rahmen des Gesetzes über den Ausgleich der
Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung -
Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) begrenzt. Soweit der Kläger
betroffen sei, habe sie den Mindesterstattungssatz von insgesamt 40
vH nicht unterschritten. Der effektive Erstattungssatz liege im Falle
des Klägers bei 50,5 vH. Eine mögliche Unterschreitung des
Mindesterstattungssatzes bei Wahl des ermäßigten Umlagesatzes
betreffe den Kläger nicht (Urteil vom 11.8.2010).
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Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 9 AAG und des
rechtsstaatlichen Grundsatzes der Normenklarheit. Er habe Anspruch
auf Erstattung von 60 vH des gesamten fortgezahlten Arbeitsentgelts
einschließlich des von ihm getragenen Arbeitgeberanteils am
Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Die Ermächtigung des § 9 AAG
decke nicht die Satzungsregelung, welche die Arbeitgeberanteile für
die Erstattung nicht berücksichtige. Der tatsächliche Erstattungssatz
unterschreite bei einer Gesamtbetrachtung jenen, den die Satzung
benenne. Bei ermäßigtem Umlagesatz errechne sich für Arbeitgeber
sogar ein Erstattungsbetrag, der unter dem gesetzlichen Mindestsatz
von 40 vH liege. Das Gesetz lasse keine geltungserhaltende
Reduktion der unzulässigen Gesamtregelung zu. Die Bestimmung
des § 39 Satzung sei weder klar noch verständlich, weil sich ihr nicht
entnehmen lasse, in welchen Fällen sie wirksam sei.
4
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 11. August
2010 und des Sozialgerichts Dresden vom 22. Dezember 2009
aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Februar
2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2009
zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere
42,05 Euro zu zahlen.
5
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
6
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
7 Die zulässige Revision des klagenden ausgleichsberechtigten
Arbeitgebers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zu Recht
haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen. Der Kläger hat
keinen Anspruch gegen die beklagte Krankenkasse (KK) auf
zusätzliche Erstattung weiterer 42,05 Euro entsprechend 60 vH der
von ihm getragenen Arbeitgeberbeiträge. Ein solcher Anspruch
besteht weder kraft Satzung (dazu 1.)noch folgt er aus einer
Nichtigkeit des § 39 Abs 3 Satzung, soweit ein Arbeitgeber - wie hier
der Kläger - den regulären Erstattungssatz von 60 vH gewählt hat
(dazu 2.).
8 1. Als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Zahlungsanspruchs
auf Erstattung getätigter Aufwendungen kommt § 39 Satzung
(idF ab 1.1.2009) iVm § 1 Abs 1 und § 9 Abs 2 Gesetz über den
Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung -
Aufwendungsausgleichsgesetz
( idF des GKV-
Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl
I 378)
nicht in Betracht. Nach § 1 Abs 1 AAG erstatten die KKn mit
Ausnahme der landwirtschaftlichen KKn den Arbeitgebern, die in der
Regel ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten
nicht mehr als 30 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen
beschäftigen, auf deren Antrag (§ 2 Abs 2 Satz 1 AAG)80 Prozent 1.
des für den in § 3 Abs 1 und 2 und den in § 9 Abs 1
Entgeltfortzahlungsgesetz bezeichneten Zeitraum an Arbeitnehmer
und Arbeitnehmerinnen fortgezahlten Arbeitsentgelts, 2. der auf die
Arbeitsentgelte nach der Nummer 1 entfallenden von den
Arbeitgebern zu tragenden Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit
und der Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur gesetzlichen Kranken-
und Rentenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung und nach
§ 172 Abs 2 SGB VI sowie der Beitragszuschüsse nach § 257 SGB
V und nach § 61 SGB XI (sog U1-Verfahren, vgl § 1 Abs 3 AAG).
9
Die KK-Satzung gestaltet die Einzelheiten des
Aufwendungsausgleichs in Teilen zwingend näher aus
(§ 9 Abs 1 AAG). Zudem kann die Satzung ua die Höhe der
Erstattung nach § 1 Abs 1 AAG beschränken und verschiedene
Erstattungssätze, die 40 vH nicht unterschreiten, vorsehen
(§ 9 Abs 2 Nr 1 AAG).Die Satzung der Beklagten beschränkt im
Sinne dieser gesetzlichen Grundkonzeption die Höhe der Erstattung
nach § 1 Abs 1 AAG und sieht zwei verschiedene Erstattungssätze
vor. Der Kläger kann aus dieser Ausgestaltung der Satzung indes
nichts für sich herleiten. Denn § 39 Abs 3 Satzung schließt es aus,
für den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen die prozentualen
Erstattungssätze der Satzung auch auf die Arbeitgeberanteile des
Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu erstrecken. Nach dieser
Regelung ist mit den in § 39 Abs 1 und 2 Satzung genannten
Erstattungssätzen der Arbeitgeberanteil an den Beiträgen zur
Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur
Arbeitslosenversicherung gerade mit abgegolten.
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2. Ein Anspruch auf Zahlung weiterer 42,05 Euro ergibt sich auch
nicht aus einer Nichtigkeit der Regelung des § 39 Abs 3 Satzung.
Weder würde die Unwirksamkeit dieser Satzungsbestimmung zur
vom Kläger gewünschten Rechtsfolge führen (dazu a) noch vermag
sich der erkennende Senat von der Nichtigkeit des § 39 Abs 3
Satzung zu überzeugen, soweit ein ausgleichsberechtigter
Arbeitgeber den allgemeinen Umlagesatz gewählt hat (dazu b).
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a) Zu der vom Kläger begehrten Rechtsfolge könnte es bei fehlender
Geltung der Satzungsbestimmung nur kommen, wenn an die Stelle
der Satzungsregelung eine andere Rechtsnorm mit der vom Kläger
begehrten Rechtsfolge träte. So liegt es insbesondere, wenn die
(Teil-)Nichtigkeit einer Satzung zur Geltung der im Gesetz
bestimmten, ggf satzungsgleichen Regelung führt
(vgl hierzu BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 7/11 R - unter II. 3.;
ferner BSG SozR 4-5868 § 1 Nr 4 RdNr 14; BSGE 75, 241, 258 =
SozR 3-5850 § 1 Nr
1 S 19 ff).Um einen solchen Fall geht es vorliegend indes nicht.
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Eine Nichtigkeit der Regelung des § 39 Abs 3 Satzung ist lediglich
mit Blick auf den gesetzlich gebotenen Mindesterstattungssatz und
die insoweit fehlende Normenklarheit denkbar. Beide
Nichtigkeitsgründe bewirken aber nicht, dass eine Rechtsnorm mit
der vom Kläger begehrten Rechtsfolge an die Stelle der Regelung
des § 39 Abs 3 Satzung tritt. Weitere, insbesondere formelle
Nichtigkeitsgründe scheiden dagegen aus. Die förmlichen
Voraussetzungen für den Satzungserlass sind nämlich erfüllt,
insbesondere ist die für eine Satzung zur Regelung des
Aufwendungsausgleichs erforderliche Genehmigung durch die
Aufsichtsbehörde erteilt
(§ 10 AAG iVm § 195 Abs 1 SGB V; vgl BSGE 97, 16 = SozR 4-7862
§ 9 Nr 1, RdNr 12).
13
Bei einem Verstoß der Regelung des § 39 Abs 3 Satzung
(Abgeltung des Arbeitgeberanteils an den Beiträgen zur
Sozialversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung durch die
anteilige Erstattung des fortgezahlten Arbeitsentgeltes) gegen den
Mindesterstattungssatz könnte allein die Regelung des § 9 Abs 2 Nr
1 AAG (Satzungsermächtigung zur Beschränkung der Höhe der
Erstattung) - nicht dagegen die weitergehende Regelung des § 1
Abs 1 Nr 2 AAG (Erstattung von 80 vH des Arbeitgeberanteils an
den Beiträgen) - als die Satzung vertretendes Gesetzesrecht die
Regelungslücke schließen, die aufgrund Unwirksamkeit des § 39
Abs 3 Satzung bestünde. In der Sache kann die Satzung nach § 9
Abs 2 Nr 1 AAG - wie dargelegt - die Höhe der (Gesamt-)Erstattung
nach § 1 Abs 1 AAG zwar beschränken und verschiedene
Erstattungssätze vorsehen, die 40 vH nicht unterschreiten. § 9 Abs 2
Nr 1 AAG setzt indes keine konkreten Vorgaben für
Erstattungsregelungen fest, die sich zur begehrten
Lückenschließung jenseits der zwingenden
Mindesterstattungsgrenze eignen. Vielmehr eröffnet die genannte
Norm dem Satzungsgeber - jenseits der zwingenden
Mindesterstattungsgrenze und Grundstruktur - gerade ein
Gestaltungsermessen.
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Auch das Gebot der Normenklarheit eignet sich nicht zur hier
interessierenden Lückenfüllung
(vgl zum rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit zB BVerfGE
21, 73, 79; BVerfGE 108, 1, 20; BVerfGE 114, 196, 236 ff = SozR 4-
2500 § 266 Nr 9 RdNr 102 ff; BVerfGK 10, 330 = DVBl 2007, 497 ff,
RdNr 41; BSG SozR 2200 § 324 Nr 2 S 2 f; BSGE 89, 227, 233 =
SozR 3-2500 § 194 Nr 1 S 7; BSGE 99, 95 = SozR 4-2500 § 44 Nr
13, RdNr 30; BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 A 1/11 R - unter II. 2 d,
zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen mwN; zur
Beachtung des Gebots der Normenklarheit vgl unten, II. 2 b aa).
Bei einem Nichtigkeit bewirkenden Verstoß der Regelung des § 39
Abs 3 Satzung gegen das Gebot der Normenklarheit wäre nämlich
gerade unklar, welche Regelung gelten soll.
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b) Im Übrigen ist nicht die vorliegend einschlägige
Erstattungsregelung für den allgemeinen Umlagesatz (vgl dazu aa),
sondern lediglich die den Kläger nicht betreffende Satzungsregelung
für den Fall des ermäßigten Umlagesatzes
(§ 39 Abs 3 Satzung iVm § 39 Abs 2 Satzung) teilnichtig, weil sie die
gesetzlich zwingend angeordnete Mindesterstattungsgrenze
unterschreitet (dazu bb). Die Teilnichtigkeit erfasst aber nicht die
Erstattungsregelung für den allgemeinen Umlagesatz (vgl dazu cc).
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Die in der Satzung getroffene Erstattungsregelung für den
allgemeinen Umlagesatz steht - für sich genommen - mit
höherrangigem Recht in Einklang. Die Satzung der Beklagten regelt
den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen bei AU in zwei
getrennten, voneinander unabhängigen, selbstständigen, in sich
nicht teilbaren Komplexen: Wählt ein ausgleichsberechtigter
Arbeitgeber den allgemeinen Umlagesatz (1,9 vH der
Bemessungsgrundlage nach § 7 Abs 2 AAG), so erhält er 60 vH des
an seine Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen fortgezahlten
Arbeitsentgeltes (§ 38 Abs 2 iVm § 39 Abs 1 Satzung).Wählt ein
Arbeitgeber dagegen den ermäßigten Umlagesatz (1,3 vH der
Bemessungsgrundlage nach § 7 Abs 2 AAG), ist der Erstattungssatz
auf 45 vH des fortgezahlten Arbeitsentgelts beschränkt
(§ 38 Abs 2 iVm § 39 Abs 2 Satzung). Mit den genannten
Erstattungssätzen sind in beiden Fällen auch die auf die
erstattungsfähigen Aufwendungen entfallenden Arbeitgeberanteile
der Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und
Rentenversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung abgegolten
(§ 39 Abs 3 Satzung).
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aa) Der erste, hier einschlägige Regelungskomplex bei Wahl des
allgemeinen Umlagesatzes verstößt nicht gegen höherrangiges
Recht. Eine Unterschreitung des Mindesterstattungssatzes kommt
insoweit nicht in Betracht. Der effektive Erstattungssatz liegt im Falle
des Klägers bei 50,5 vH. Entgegen der Auffassung des Klägers
verstößt die Regelung auch nicht gegen das Gebot der
Normenklarheit. Rechtlicher Maßstab hierfür ist eine -
erforderlichenfalls im Wege der Auslegung gewinnbare -
hinreichende Regelungsklarheit und Erkennbarkeit des
Regelungsinhalts für den Adressaten
(vgl BVerfGE 108, 1, 20; BVerfGE 114, 196, 236 ff = SozR 4-2500 §
266 Nr 9 RdNr 102 ff mwN; vgl auch BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1
A 1/11 R mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und
SozR).
Die Satzung regelt die Rechtsfolgen im Sinne dieser Anforderungen
hinreichend klar: Die Erstattung von 60 vH des fortgezahlten
Arbeitsentgelts ohne zusätzliche Abgeltung des Arbeitgeberanteils
an den Beiträgen zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung
sowie zur Arbeitslosenversicherung (§ 39 Abs 3 Satzung). Eine
weitere Erstattung findet nicht statt.
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bb) Teilnichtig ist die Satzung dagegen, soweit sie aufgrund der
Wahl des ermäßigten Umlagesatzes den Erstattungssatz auf 45 vH
des fortgezahlten Arbeitsentgelts unter Ausschluss der
Arbeitgeberanteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag
beschränkt. Der effektive Erstattungssatz unterschreitet in diesem
Falle 40 vH der Aufwendungen des Arbeitgebers iS von § 9 Abs 2
Nr 1 AGG. Der dort - wie dargelegt - geregelte
Mindesterstattungssatz erstreckt sich zwingend auf sämtliche
erstattungsfähigen Aufwendungen nach "§ 1 Abs 1". Er bezieht die
Arbeitgeberanteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 1
Abs 1 Nr 2 AAG mit ein. Diese dem Wortlaut entsprechende
Auslegung wird durch Entstehungsgeschichte und Zielsetzung
bestätigt.
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Die Ermächtigungsnorm des § 9 Abs 2 Nr 1 AAG verbot bis zum
Inkrafttreten des GKV-WSG den KKn nicht ausdrücklich, im U1-
Verfahren den Erstattungssatz in Höhe von 80 vH gemäß § 1 Abs 1
AAG ohne eine Untergrenze zu beschränken. Dies führte in der
Praxis ua dazu, dass KKn Erstattungssätze in Höhe von lediglich 10
vH anboten. Der erkennende Senat hat hierzu entschieden, dass
ein genereller Erstattungssatz von 10 vH mit Sinn und Zweck des
Ausgleichsverfahrens nicht in Einklang zu bringen ist, es aber die
Rechtssicherheit fördern würde, wenn der Gesetzgeber selbst einen
Mindesterstattungssatz festlegen würde, der satzungsrechtlich nicht
mehr unterschritten werden darf
(BSGE 97, 16 = SozR 4-7862 § 9 Nr 1 RdNr 17, 20). Der
Gesetzgeber hat diese Rechtsprechung ua zum Anlass genommen,
nunmehr den KKn ausdrücklich die Möglichkeit einzuräumen,
entsprechend den praktischen Bedürfnissen verschiedene
Erstattungssätze vorzusehen, gleichzeitig jedoch durch eine
Untergrenze von 40 vH für einen gerechten Ausgleich der
unterschiedlichen Anliegen zu sorgen (Art 41 des GKV-WSG,
Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 16/4247 S 66).
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Eine geltungserhaltende Reduktion ist ausgeschlossen. Ihre
Reichweite begründete gegenüber dem Satzungswortlaut
Unklarheit. Ein entsprechender Mechanismus ist weder im Gesetz
noch in der Satzung vorgesehen. Das Gericht kann auch nicht
selbst eine Satzungsregelung anstelle der hierfür berufenen
Selbstverwaltungsorgane treffen, weil es sonst deren
Gestaltungsspielräume missachten würde
(vgl BSG Urteil vom 20.7.1988 - 6 RKa 26/87).
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cc) Die Nichtigkeit der Erstattungsregelung nach der ermäßigten
Umlage führt nicht zur Nichtigkeit der Erstattungsregelung nach dem
allgemeinen Erstattungssatz in Höhe von 60 vH. Sie betrifft einen in
sich geschlossenen, rechtlich abtrennbaren Teil der
Erstattungsregelung
(vgl oben b und entsprechend BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 A
1/11 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
Die Erstattungsregelung nach dem allgemeinen Erstattungssatz
kann hiervon unabhängig Bestand haben.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Nach der
ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats sind
Arbeitgeber in Streitigkeiten über die Erstattung von Aufwendungen
für die Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit und in
Mutterschutzfällen als "Leistungsempfänger" iS von § 183 SGG
anzusehen (BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 3, insbesondere RdNr 9).
An diesem Umstand hat sich durch die Neuordnung des Ausgleichs
der Arbeitgeberaufwendungen durch das AAG nichts geändert. Für
entsprechende Rechtsstreitigkeiten ist mithin auch keine
Kostenentscheidung unter Heranziehung des § 197a Abs 1 Satz 1
SGG zu treffen
(zu Streitigkeiten über die Umlagepflicht nach dem AAG zuletzt vgl
BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 9 mwN).