Urteil des BSG vom 13.12.2001

BSG: verlängerung der frist, treu und glauben, ambulante behandlung, konstitutive wirkung, wirtschaftlichkeit, versorgung, form, zugang, vergütung, befristung

Bundessozialgericht
Urteil vom 13.12.2001
Sozialgericht Berlin
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Bundessozialgericht B 3 KR 11/01 R
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 28. März 2001 wird
zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über restliche Krankenhausbehandlungskosten, nachdem die beklagte Krankenkasse (KK)
wegen von ihr statistisch festgestellter überlanger Verweildauern in Berliner Krankenhäusern dazu übergegangen war,
Kostenübernahmeerklärungen regelmäßig zu befristen und Behandlungen nur bis zum Fristablauf zu bezahlen.
Der 1935 geborene R. D., der bei der beklagten Betriebskrankenkasse krankenversichert ist, wurde am 3. Januar 2000
aufgrund einer Einweisung der Medizinischen Poliklinik im Krankenhaus der Klägerin wegen sekundärer bösartiger
Neubildungen der Atmungs- und Verdauungsorgane aufgenommen. Mit der bei der Beklagten am 5. Januar 2000
eingegangenen Aufnahmeanzeige teilte das Krankenhaus der Beklagten die Aufnahme des Versicherten, den
Aufnahmegrund sowie die Aufnahmediagnose mit und beantragte die Übernahme der Kosten der stationären
Behandlung. Mit Kostenübernahmeschein vom 7. Januar 2000, der am 10. Januar 2000 bei der Klägerin eingegangen
ist, befristete die Beklagte die Kostenübernahme ohne nähere Erläuterung bis zum 12. Januar 2000. Der Versicherte
wurde wegen der bei ihm festgestellten bösartigen Neubildungen der Leber und des Dickdarms, Psoriasis sowie
atheriosklerotischer Herzkrankheit mit Kammerflattern und -flimmern behandelt und am 15. Januar 2000 entlassen.
Ohne eine Verlängerung der Frist beantragt zu haben, übersandte die Klägerin der Beklagten die Rechnung über die
Kosten für die gesamte Behandlungszeit in Höhe von 10.464,72 DM. Hiervon bezahlte die Beklagte die Kosten nach
tagesgleichen Pflegesätzen bis zum 12. Januar 2000 in Höhe von 8.720,60 DM und wies die Klägerin mit Schreiben
vom 15. Februar 2000 darauf hin, daß eine Übernahme der Behandlungskosten über den Befristungszeitraum hinaus
nur möglich sei, wenn die medizinische Notwendigkeit einer weiteren stationären Behandlung nachgewiesen werde.
Der auf Zahlung des Restbetrages nebst Zinsen gerichteten Klage hat das Sozialgericht (SG) Berlin durch Urteil vom
18. September 2000 stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten wurde vom Landessozialgericht
(LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 28. März 2001). Das LSG hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, der
Zahlungsanspruch der Klägerin sei nicht auf den Zeitraum begrenzt, für den die Beklagte eine Kostenübernahme
erklärt habe. Maßgebend sei allein, ob die Krankenhausbehandlung für den in Rechnung gestellten Zeitraum
erforderlich gewesen sei; die Kostenübernahmeerklärung habe dagegen keine konstitutive Wirkung. Die Beklagte
könne - als zahlungspflichtige KK - gegen die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung im Einzelfall Einwendungen
vorbringen und den Zahlungsanspruch des Krankenhauses damit zu Fall bringen. Hierbei müsse sie sich jedoch an
die Regelungen des Berliner Rahmenvertrages zur Überprüfung der Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung
halten. Generelle Kürzungen aufgrund statistischer Erhebungen überlanger Verweildauern seien unzulässig. Die von
der Beklagten herangezogenen Statistiken könnten lediglich den Anstoß für eine Wirtschaftlichkeitsprüfung des
betroffenen Krankenhauses bieten. Es sei nicht Sache der Sozialgerichte, im Nachhinein die Notwendigkeit der
Krankenhausbehandlung im Einzelfall festzustellen. Nur wenn die Beteiligten die vereinbarten Regeln zur
medizinischen Aufklärung eingehalten hätten und der Sachverhalt nach Überprüfung durch den Medizinischen Dienst
der Krankenversicherung (MDK) zwischen diesem und den behandelnden Krankenhausärzten streitig bleibe oder sich
dem Gericht Zweifel an der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit des Versicherten aufgrund der vorliegenden
medizinischen Unterlagen geradezu aufdrängten, sei das Gericht zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts durch
Einholung eines Sachverständigengutachtens verpflichtet. Es könne nicht außer Betracht bleiben, daß durch
medizinische Überprüfungsmaßnahmen nicht unerhebliche Kosten entstünden, die bei einer Verlagerung der
medizinischen Aufklärung auf die Sozialgerichte diesen aufgebürdet würden. Im Hinblick auf das Verhalten der
Beklagten sei es auch nicht geboten, den Beteiligten eine Nachholung des vertraglichen Prüfungsverfahrens
aufzugeben. Angesichts der vorliegenden Unterlagen habe das Gericht keinen Zweifel an der Notwendigkeit der
Behandlungsdauer. Für eine weitere Ermittlung von Amts wegen böten sie keinen Anlaß.
Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt die Beklagte unter Bezugnahme auf § 39 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch
(SGB V) iVm §§ 106, 109 und 112 SGB V eine Verletzung des Gebots der Wirtschaftlichkeit in der gesetzlichen
Krankenversicherung. Die KK sei nach den Berliner Krankenhausverträgen berechtigt, die Kostenübernahme auch
rückwirkend zu befristen. Ob eine kürzere Krankenhausbehandlung bei einem Patienten, der inzwischen entlassen
sei, zu dem gleichen Erfolg geführt hätte, lasse sich nachträglich kaum noch feststellen. Aufgrund von umfangreichen
statistischen Erhebungen mit einer Toleranzgrenze von 10 % und nach einer Vorwarnung sämtlicher Berliner
Krankenhäuser habe sie, die Beklagte, notgedrungen zum Mittel der befristeten Kostenübernahmeerklärung gegriffen.
Das Krankenhaus der Klägerin weise eine um 21 % überhöhte Verweildauer auf. Damit sei es Sache des
Krankenhauses, die Notwendigkeit einer weiteren Behandlung jeweils zu begründen. Die Beklagte rügt als
Verfahrensfehler, das LSG habe zu Unrecht eine weitere Sachaufklärung abgelehnt. Nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) komme es, soweit eine Kostenzusage der KK nicht vorliege, allein auf die medizinische
Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung an. Das LSG habe sich mit der Bejahung dieser Notwendigkeit
medizinische Sachkunde angemaßt.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 28. März 2001 sowie das Urteil des
Sozialgerichts Berlin vom 18. September 2000 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 28. März
2001 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
1. Der Senat hat mit Urteil vom 17. Mai 2000 (B 3 KR 33/99 R, BSGE 86, 166, 167 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1)
entschieden, daß die auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichtete Klage eines Krankenhauses
gegen eine KK als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig ist; denn es geht um
einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht
kommt (zur Entstehung des Vertragsverhältnisses insbesondere bei sog Plankrankenhäusern vgl auch BSG SozR 3-
2500 § 39 Nr 4).
2. Rechtsgrundlage des hier geltend gemachten Vergütungsanspruches, dessen Höhe rechnerisch nicht angegriffen
wird, ist § 109 Abs 4 S 3 SGB V iVm dem am 1. Januar 1994 in Kraft getretenen Vertrag über die Allgemeinen
Bedingungen der Krankenhausbehandlung vom 1. November 1994 idF der Ergänzungsvereinbarung vom 22.
Dezember 1997 (nachfolgend: Krankenhausbehandlungsvertrag - KBV) sowie dem Vertrag zur Überprüfung der
Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung zwischen der Berliner Krankenhausgesellschaft eV und den
Landesverbänden der KKn (nachfolgend: Krankenhausüberprüfungsvertrag - KÜV). Die Beteiligten sind jeweils
Mitglieder dieser Verbände. Beide Verträge, in denen ua Voraussetzungen und Modalitäten der Zahlungspflicht der
KKn geregelt sind, sind auf der Grundlage von § 112 Abs 2 SGB V geschlossen worden, der zur Sicherstellung der
gesetzesentsprechenden Krankenhausbehandlung den Abschluß von Rahmenverträgen auf Landesebene vorsieht.
Die Zahlungsverpflichtung der KK entsteht, wie der Senat ebenfalls bereits im Urteil vom 17. Mai 2000 (aaO)
entschieden hat, unabhängig von einer Kostenzusage der KK unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch
den Versicherten. Die KK ist bei einem zugelassenen Krankenhaus iS des § 108 SGB V als Korrelat zu dessen
Behandlungspflicht auch ohne zusätzliche vertragliche Vereinbarung verpflichtet, die normativ festgelegten Entgelte
zu zahlen (so auch BSGE 78, 154, 156 = SozR 3-2500 § 39 Nr 3), sofern die Versorgung im Krankenhaus erforderlich
ist. Über die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung entscheidet zunächst der Krankenhausarzt. Eine
Zahlungspflicht der KK für die stationäre Versorgung eines Versicherten entfällt nur dann, wenn sich die Entscheidung
des Krankenhausarztes nach seinen jeweiligen Erkenntnismöglichkeiten als nicht vertretbar herausstellt.
Die Kostenübernahmeerklärung hat für den Zahlungsanspruch des Krankenhauses dagegen keine konstitutive
Bedeutung in dem Sinne, daß davon die Zahlungspflicht der KK abhängt. Das LSG hat zu Recht deutlich gemacht,
daß der Streit der Beteiligten über die Frage, ob die Beklagte nach den Rahmenverträgen berechtigt war,
Kostenübernahmeerklärungen zu befristen, auf den Zahlungsanspruch der Klägerin keinen Einfluß hat. Die
Kostenübernahmeerklärung hat lediglich eine beweisrechtliche Funktion, falls sie abgegeben wird und den
Behandlungszeitraum abdeckt. Das war hier nicht der Fall. Insoweit ist es auch unerheblich, wenn die KK die
Kostenübernahmeerklärung dem Krankenhaus erst zuleitet, nachdem der befristete Zeitraum bereits abgelaufen ist,
wie dies in den meisten Streitverfahren der Beteiligten, die in der Revisionsinstanz anhängig sind, der Fall ist, oder
wenn - wie hier - der nach dem Zugang der Kostenübernahmeerklärung bis zum Ablauf der Befristung verbleibende
Zeitraum (hier: zwei Tage) so knapp bemessen ist, daß für ein Verlängerungsverfahren, wie im
Krankenhausbehandlungsvertrag vereinbart (dort § 6 Nr 6 bis 8), kein Raum bleibt. In jedem Fall kommt es auf die
objektive Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung für die von einer Kostenübernahmeerklärung nicht abgedeckte
Zeitspanne an. Soweit die Beklagte die Kostenübernahme häufig auf einen Zeitraum befristet hat, der bei Zugang der
Erklärung im Krankenhaus bereits abgelaufen war, verfehlte sie allerdings den eigentlichen Sinn der
Kostenübernahmeerklärung, Klarheit für die weitere Behandlung zu schaffen. In der Erklärung ist in diesen Fällen
lediglich die deklaratorische Anerkennung ihrer Leistungspflicht für die Behandlung in dem abgelaufenen "befristeten"
Zeitraum zu sehen, die weitere Einwendungen gegen die Zahlungspflicht insoweit endgültig ausschließt.
Das Fehlen einer Kostenübernahmeerklärung in bezug auf die hier streitige Behandlungszeit hat aber nicht zur Folge,
daß die Klägerin entsprechend dem allgemeinen Beweisgrundsatz, daß derjenige, der ein Recht beansprucht, die
entsprechenden Voraussetzungen beweisen muß, das Vorliegen weiterer Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit
nachweisen muß und die Gerichte gehalten sind, die entsprechenden Tatsachen zu ermitteln. Diese Folgen träten nur
dann ein, wenn die Beklagte das Verfahren eingehalten hätte, das in den nach § 112 Abs 2 SGB V abgeschlossenen
Rahmenverträgen hierfür vereinbart worden ist oder wenn die Klägerin durch ihr Verhalten die Durchführung des
vereinbarten Verfahrens unmöglich gemacht oder zumindest erheblich erschwert hätte. Für eine derartige Annahme
sind keine Anhaltspunkte zu erkennen und auch die Beklagte beruft sich nicht darauf, die Klägerin habe eine
vertragsgemäße Behandlung ihrer Einwände unmöglich gemacht.
Die Beklagte berühmt sich vielmehr des Rechts, die fehlende Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung im
Einzelfall wegen allgemeiner statistischer Auffälligkeiten geltend machen zu können. Aus der Tatsache, daß die
Verweildauern der Klägerin den Durchschnitt der Berliner Krankenhäuser bzw den bundesweiten Durchschnitt
erheblich überstiegen, ergebe sich die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Klägerin. Für ein derartiges
Vorgehen liefern weder das Gesetz noch die maßgebenden Rahmenverträge eine Grundlage. Die Regelungen des
Vertragsarztrechts zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit in der vertragsärztlichen Versorgung (§ 106 SGB V)
enthalten keine allgemeinen Grundsätze, die auch im Bereich der stationären Versorgung eine Honorarkürzung auf der
Grundlage von statistischen Auffälligkeiten zuließen. Zudem hat die Beklagte weder deutlich gemacht, von welchen
statistischen Grundlagen sie im einzelnen ausgeht, noch, daß sie tatsächlich im Einzelfall die Rechnung nach
statistisch errechneten Maßstäben, zB prozentual, kürzt. Für die Anerkennung einer Behandlungsdauer von nur neun
Tagen gibt sie überhaupt keine Begründung ab. Da es sich nicht um eine sog Standardoperation handelte, für die es
allgemeine Erfahrungswerte über die erforderliche Behandlungsdauer geben könnte, ist die Rechnungskürzung auf
keine Weise nachvollziehbar. Sie ist in dieser Form kein taugliches Mittel, einer allgemein vermuteten
Unwirtschaftlichkeit im Krankhaus zu begegnen.
Der Gesetzgeber hat zur allgemeinen Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Krankenhausbehandlung ein anderes
Verfahren vorgesehen, worauf das LSG bereits zutreffend hingewiesen hat. Nach § 113 Abs 1 SGB V können die
Landesverbände der KKn nur gemeinsam mit den Ersatzkassen und den privaten Krankenversicherungsunternehmen
die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausbehandlung eines zugelassenen Krankenhauses durch einvernehmlich mit dem
Krankenhausträger bestellte Prüfer untersuchen lassen. Bei fehlender Einigung über die Person des Prüfers kann die
Landesschiedsstelle die Auswahl treffen. Hierbei festgestellte Unwirtschaftlichkeiten sind bei der nachfolgenden
Pflegesatzfestsetzung zu berücksichtigen, können also zu einer Verringerung des Budgets führen; sie können in
besonderen Fällen auch zur Kündigung des Versorgungsvertrages nach § 110 SGB V berechtigen (§ 113 Abs 3 SGB
V).
Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, daß das Gesetz damit die generelle Prüfung und Kontrolle der
Wirtschaftlichkeit eines zugelassenen Krankenhauses abschließend geregelt hat und daneben unwirtschaftliches
Verhalten eines Krankenhauses von der KK allein nach Maßgabe der auf der Grundlage von § 112 Abs 2 SGB V
geschlossenen Rahmenverträge geltend gemacht werden muß; das sind die Vereinbarungen der Vertragspartner des
Berliner KÜV, die ein abgestuftes Verfahren unter frühzeitiger Einschaltung des MDK vorsehen und damit auch der
gesetzlichen Verpflichtung der KKen Rechnung tragen, bei der Prüfung von Krankheitsverläufen eine gutachtliche
Stellungnahme des MDK einzuholen (§§ 275 Abs 1 Nr 1, 276 Abs 4 SGB V).
Danach sind Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung medizinisch zu beurteilende Fragen (§ 1 Abs 3
KÜV), die im Regelfall noch während der stationären Behandlung zu überprüfen sind (§ 1 Abs 4 KÜV). Die KK muß bei
Zweifeln an der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung vom Krankenhaus einen Kurzbericht anfordern, der der KK
innerhalb von einer Woche nach Zugang der Anforderung zuzusenden ist (§ 2 Abs 1 KÜV). Für den Fall, daß dies
nicht ausreicht, um die Zweifel der Kasse auszuräumen, ist eine Prüfung durch den MDK im Zusammenwirken mit
dem behandelnden Krankenhausarzt vorgesehen; auch dies soll in der Regel während des stationären Aufenthalts
erfolgen (§ 2 Abs 4 KÜV), einschließlich einer erforderlich werdenden Untersuchung im Krankenhaus (§ 2 Abs 5 KÜV).
Der MDK muß Bedenken hinsichtlich der Notwendigkeit des Krankenhausaufenthaltes zunächst mit dem
Krankenhausarzt erörtern und das Ergebnis in einer Stellungnahme festhalten. Das vereinbarte Kontrollverfahren gilt
auch für nachträgliche Überprüfungen (§ 2 Abs 8 KÜV).
Die KK hat hier bereits die Anforderung eines Kurzberichtes unterlassen. Das ist damit zu erklären, daß es ihr wegen
ihrer grundsätzlichen Einstellung auf die Frage der Behandlungsnotwendigkeit und -dauer im Einzelfall nicht ankam.
Das Krankenhaus hat es auch nicht anders verstanden. Selbst wenn man aber in der Befristung der
Kostenübernahmeerklärung konkludent eine Aufforderung zum Kurzbericht sähe, fehlte es jedenfalls an der Angabe
des Anlasses für die Überprüfung des Behandlungsfalls, wie dies § 2 Abs 1 Satz 2 KÜV fordert. Nur bei
vertragsgemäßem Vorgehen der Beklagten wäre die Klägerin verpflichtet gewesen, der Beklagten einen Kurzbericht
zukommen zu lassen, um diese in den Stand zu versetzen, den Umfang ihrer Leistungspflicht nachzuprüfen. Die
Weigerung eines Krankenhauses, einer derartigen Aufforderung nachzukommen, hätte nach den vom erkennenden
Senat im Urteil vom 17. Mai 2000 (aaO) angeführten Beweislastregeln zur Folge, daß das Krankenhaus seinen
Vergütungsanspruch nicht durchsetzen könnte.
Die Parteien des KÜV sind erkennbar und zutreffend davon ausgegangen, daß für die Notwendigkeit der
Krankenhausbehandlung - entsprechend dem Grundgedanken des § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V - zunächst die
Beurteilung des Krankenhausarztes maßgebend ist. Sie ist prima facie der Beweis für die
Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit des Versicherten und damit auch für die Pflicht der KK, die anfallende
Vergütung zu entrichten. Ihr liegt in der Regel die Beurteilung des ambulant behandelnden Arztes zugrunde, der eine
ambulante Behandlung nicht mehr für ausreichend hält, und damit eine zweite ärztliche Meinung außerhalb des
Krankenhauses. Dieser Anscheinsbeweis kann nicht dadurch erschüttert werden, daß generell auf zu lange
Verweildauern verwiesen wird, sondern nur durch substantiierte Einwendungen im Einzelfall. Da es der Kasse, vor
Einschaltung des MDK, in der Regel an medizinischem Sachverstand fehlt, kommt zunächst nur eine
Plausibilitätskontrolle in Betracht, etwa bei offenbaren Diskrepanzen zwischen Aufnahmediagnose und Verweildauer,
ungewöhnlich langer Verweildauer bei Standardbehandlungen oder bei einer stationären Aufnahme in
Behandlungsfällen, die üblicherweise ambulant durchgeführt werden. Erst wenn die KK eine derart fehlende
Plausibilität im konkreten Einzelfall geltend macht, ist das Krankenhaus zur Abgabe einer Stellungnahme, zB in Form
eines Kurzberichts verpflichtet. Vorliegend hat die Beklagte ihre Kostenübernahmeerklärung ohne jeden erkennbaren
Bezug zur Aufnahmediagnose des Versicherten befristet. Für die Klägerin ergab sich hieraus keine Veranlassung, die
Notwendigkeit des längeren Aufenthaltes des Versicherten näher zu begründen. Auch nach Erhalt der Rechnung hat
die Beklagte keine substantiierten Einwendungen erhoben, die für das Krankenhaus Anlaß zu einer Stellungnahme
hätten geben müssen. Sie hat sich in Verkennung des Gesetzes- und Vertragslage damit begnügt, die Klägerin
pauschal aufzufordern, die Notwendigkeit der Behandlung zu begründen. Dem hätte die Klägerin nur dadurch
nachkommen können, daß sie einen umfassenden Bericht über sämtliche diagnostischen und therapeutischen
Maßnahmen einschließlich der zugrundeliegenden medizinischen Erwägungen abgab. Ein solcher Aufwand ohne
konkreten Anlaß würde einen großen Teil der ärztlichen Arbeitskraft beanspruchen, zumal wenn er routinemäßig
verlangt würde, und letztlich die Krankenhäuser in ihrem eigentlichen Versorgungsauftrag beeinträchtigen. Gerade
diese Folge wollen die vertraglichen Vereinbarungen mit ihrem abgestuften Verfahren bei Zweifeln an der
Notwendigkeit einer Behandlung vermeiden. Die Einhaltung des vereinbarten Verfahrens, auch für nachträgliche
Überprüfungen, ist nicht vom Krankenhaus vereitelt worden, sondern an der Beklagten gescheitert.
Die Beklagte hat auch im Revisionsverfahren nicht zu erkennen gegeben, auf welche Art und Weise eine dem KÜV
entsprechende Überprüfung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit in Tausenden von Fällen nachträglich hätte
durchgeführt werden können. Die von ihr nach wie vor geforderte Beweisführung allein durch die Klägerin ist durch den
KÜV gerade ausgeschlossen. Danach kann die Beklagte ohne eigene Mitwirkung und vor allem ohne Einbeziehung
des MDK einen Nachweis der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit durch das Krankenhaus nicht verlangen.
Die Weigerung eines Vertragspartners, die vertraglich vereinbarte Form der Überprüfung einzuhalten, führt zwar nicht
zum sofortigen Verlust der Rechtsposition, solange eine Nachholung möglich ist. Die Überprüfung kann aber nur
nachgeholt werden, solange sich der andere Vertragspartner hierauf einstellen kann und muß. Das im KÜV vereinbarte
Verfahren ist auf eine zeitnahe Durchführung ausgerichtet. Es soll nicht ein Gutachter nachträglich allein auf
schriftliche Dokumentationen angewiesen sein, sondern vor allem die anschauliche Beurteilung des laufenden Falles
oder die frische Erinnerung des behandelnden Krankenhausarztes im Zusammenwirken mit dem Vertreter des MDK
nutzbar sein. Dies ist der beste Weg, aufgekommene Zweifel möglichst rasch und unbürokratisch auszuräumen. Ein
solches Verfahren kann im Betrieb einer Großklinik, wie sie die Klägerin mit der Charité betreibt, nicht noch lange Zeit
nach Abschluß des jeweiligen Behandlungsfalls nachgeholt werden, weil die anschauliche Erinnerung, insbesondere
des behandelnden Arztes, nachläßt. Das verschlechtert die Beweislage des Krankenhauses und erhöht seinen
Aufwand. Die Einleitung des Verfahrens unter Einschaltung des MDK ist deshalb spätestens dann notwendig, wenn
die KK nach Vorlage der Rechnung und dem Fälligwerden der geforderten Vergütung (§ 12 Abs 4 KBV: 14
Kalendertage nach Rechnungseingang) Zweifel an der Behandlungsnotwendigkeit hat. Unterläßt sie dies, so ist sie
nach Treu und Glauben mit solchen Einwendungen endgültig ausgeschlossen, die bis dahin geltend gemacht werden
konnten.
Damit kann der Verzicht der Beklagten darauf, das vertraglich vorgesehene Überprüfungsverfahren durchzuführen,
auch nicht dazu führen, daß später das Gericht das Verfahren aussetzt und das vereinbarte Überprüfungsverfahren
nachholen läßt (so aber Adelt, BKK 2001, 513, 518). Die Beweislage ist dann durch den Zeitablauf für das
Krankenhaus noch ungünstiger geworden. Die Nachholung des vertraglichen Überprüfungsverfahrens ist selbst dann
für das Krankenhaus unzumutbar geworden, wenn nunmehr substantiierte Einwendungen im Einzelfall geltend
gemacht würden. Das LSG hat daher zwar zu Recht davon abgesehen, die Nachholung eines solchen
Überprüfungsverfahrens anzuregen, weil nach wie vor keine substantiierten Einwendungen von der Beklagten erhoben
worden sind; dies gälte aber auch im anderen Fall.
Das LSG hat schließlich zu Recht davon abgesehen, die Notwendigkeit der Behandlungsdauer von Amts wegen
selbst weiter aufzuklären. Soweit es dazu ausführt, daß es aufgrund der vorliegenden Unterlagen von dieser
Notwendigkeit überzeugt sei, hat es allerdings die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1
Satz 1 SGG) überschritten, weil zu dieser Beurteilung medizinische Sachkunde erforderlich ist und das Gericht nicht
erkennen läßt, worauf sich seine Sachkunde gründet. Die insoweit zu Recht erhobene Verfahrensrüge der Beklagten
greift aber nicht durch, weil sich der Verfahrensfehler auf die Entscheidung nicht ausgewirkt hat. Das LSG hat nämlich
sein Absehen von einer weiteren Sachaufklärung zutreffend auch aus Rechtsgründen hergeleitet. Angesichts des
Fehlens substantiierter Einwendungen der Beklagten sprach für die Klägerin nach wie vor der durch den
Krankenhausarzt begründete Anscheinsbeweis, der weitere Ermittlungen entbehrlich machte. Aber auch wenn
substantiierte Einwendungen im gerichtlichen Verfahren nachgeschoben worden wären, bestünde keine Veranlassung,
dem weiter gerichtlich nachzugehen. Denn auch dies geschähe zu einem Zeitpunkt, in dem sich die Beweislage zu
Ungunsten des Krankenhauses aus von der Beklagten zu vertretenden Gründen verschlechtert hätte. Dies ist bereits
der Beweisverlust, der zu Lasten der Beklagten geht, ohne daß noch ermittelt werden müßte, ob und in welchem
Umfang konkrete Beweisverluste dafür verantwortlich sind, daß die Klägerin ihre grundsätzliche Beweisführungspflicht
nicht mehr erfüllen kann.
Der Beklagten ist zuzugestehen, daß das vereinbarte Verfahren der Einzelfallprüfung nicht geeignet ist, die
Wirtschaftlichkeit eines Krankenhauses umfassend überprüfen und insbesondere überdurchschnittlichen
Verweildauern wirksam entgegentreten zu können. Die KKn können zudem zur Wahrung der Wirtschaftlichkeit der
stationären Versorgung auch nicht ohne weiteres auf die Möglichkeit verwiesen werden, in Rahmenverträgen nach §
112 Abs 2 SGB V Prüfverfahren auf statistischer Grundlage mit den Landeskrankenhausgesellschaften bzw mit den
Verbänden der Krankenhausträger abzuschließen. Da die ganz überwiegende Zahl aller Krankenhäuser allein aufgrund
ihrer Stellung als sog Plankrankenhaus bzw - wie hier - als Universitätsklinik aufgrund fingierter Versorgungsverträge
zur Versorgung der Versicherten zugelassen sind (§ 108 iVm § 109 Abs 1 Satz 2 SGB V) und auch eine Kündigung
nicht ohne weiteres möglich ist, ist die Verhandlungsposition der KKn bzw die ihrer Verbände insoweit eher schwach.
Die Möglichkeit, Vergleichsprüfungen durchzusetzen, dürfte daher kaum bestehen. Die Problematik besteht allerdings
nur so lange, wie Krankenhausleistungen überwiegend auf der Basis tagesgleicher Pflegesätze vergütet werden. Sie
verliert ihre Bedeutung, wenn die Vergütung durch Festpreise erfolgt, etwa in Form von Fallpauschalen, wie dies für
den Bereich somatischer Erkrankungen gesetzlich (§ 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz idF des GKV - GRG 2000,
vom 22. Dezember 1999, BGBl I 2626, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. April 2001, BGBl I 772) für die Zeit ab
2003 vorgesehen ist.
Der Zinsanspruch beruht auf § 12 Abs 5 KBV iVm § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.