Urteil des BSG vom 01.12.2009

BSG: freistellung von der arbeit, beitragssatz, beigeladener, krankenversicherung, arbeitsentgelt, beitragspflicht, versicherungspflicht, vergütung, gestaltung, stipendium

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Kassel, den 12. November 2009
Terminvorschau Nr. 65/09
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts beabsichtigt, am 1. Dezember 2009 nach
mündlicher Verhandlung über sieben Revisionen zur
Versicherungs- und Beitragspflicht in
der Sozialversicherung
entscheiden.
1)-5) In den ersten fünf Streitsachen ist zwischen den Beteiligten streitig, ob für die Beiträge
zur Krankenversicherung während einer Freistellungszeit der ermäßigte oder der allgemeine
Beitragssatz gilt.
Bei dem klagenden Arbeitgeber gibt es die durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarungen
geregelte Möglichkeit, dass seine Beschäftigten durch Ansparen von Zeitwertguthaben bei
der Inanspruchnahme von Altersteilzeit die Zeit der Freistellung von der Arbeit in die
Aktivphase verlagern oder die Freistellung sogar vor der Alterszeit beginnt. Die Zeit der
vorgezogenen Freistellung wird einzelvertraglich geregelt. Die Betroffenen beziehen für die
Dauer der Altersteilzeit ein Entgelt entsprechend der tarifvertraglichen Regelung über
Altersteilzeit. Für Zeiten einer Freistellung noch vor Beginn der Altersteilzeit beträgt das
Entgelt 100 % des letzten Nettogrundgehalts. Die Klägerin ist der Ansicht, dass für die Zeit
der Freistellung während der aktiven Phase der Altersteilzeit und auch für Freistellungen vor
Beginn der Altersteilzeit Beiträge zur Krankenversicherung nach dem ermäßigten
Beitragssatz zu entrichten sind. Die Beklagte ist der Ansicht, maßgebend sei der allgemeine
Beitragssatz. Der Senat wird insoweit auch zu entscheiden haben, ob Bescheide, in denen
die Beklagte nicht über die Höhe der Beiträge sondern isoliert über die Höhe des
Beitragssatzes entschieden hat, rechtmäßig sind und eine Klage, die allein auf Feststellung
des maßgebenden Beitragssatzes gerichtet ist, zulässig ist.
Im Einzelnen handelt es sich um folgende Sachverhalte:
1) 10.00 Uhr - B 12 KR 23/08 R - V. AG ./. Deutsche BKK und ein Beigeladener
Der Beigeladene hat mit Beginn des 1.6.2005 Altersteilzeit in Anspruch genommen. Die sog
Aktivphase endete am 30.11.2007. Sein letzter Arbeitstag war bereits der 11.4.2005.
Die Klägerin beantragte, bei der Berechnung der Krankenversicherungsbeiträge für den
Beigeladenen für die Zeit vom 12.4.2005 bis zum 30.11.2007 an Stelle des allgemeinen den
ermäßigten Beitragssatz zur Anwendung zu bringen. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid
und Widerspruchsbescheid ab. Die Klage, mit der beantragt wurde, festzustellen, dass für
die oa Zeit der ermäßigte Beitragssatz gelte, ist erfolglos geblieben. Das SG hat ausgeführt,
für diese Zeit gelte der allgemeine Beitragssatz.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom SG zugelassene Sprungrevision der Klägerin. Der
Senat hat die Beteiligten nach Eingang der Revisionserwiderung darauf hingewiesen, es
bestünden Bedenken, ob die Beklagte ohne Feststellung einer konkreten Beitragsforderung
befugt gewesen sei, nur über den maßgeblichen Beitragssatz zu entscheiden und ob die
Klage auf Feststellung des Beitragssatzes als Elementenfeststellungsklage zulässig sei.
Dem sind die Beteiligten entgegengetreten.
SG Braunschweig - S 6 KR 666/06 -
2) 10.00 Uhr - B 12 KR 24/08 R - V. AG ./. Deutsche BKK und ein Beigeladener
Der Beigeladene begann seine Altersteilzeit am 1.7.2004. Die Aktivphase endete am
31.12.2006, freigestellt von der Arbeit war er ab 29.6.2005. Für die Zeit vom 29.6.2005 bis
zum 31.12.2006 beantragte die Klägerin erfolglos die Anwendung des ermäßigten
Beitragssatzes. Im Übrigen entspricht der Sachverhalt dem unter Nr 1 Geschilderten.
SG Braunschweig - S 6 KR 667/06 -
3) 10.00 Uhr - B 12 KR 25/08 R - V. AG ./. Deutsche BKK und ein Beigeladener
Der Beigeladene begann seine Altersteilzeit am 1.8.2005. Dies war auch sein letzter
Arbeitstag. Für die Zeit vom 2.8.2005 bis 31.7.2007 beantragte die Klägerin erfolglos die
Anwendung des ermäßigten Beitragssatzes. Im Übrigen entspricht der Sachverhalt dem
unter Nr 1 Geschilderten.
SG Braunschweig - S 6 KR 668/06 -
4) 10.00 Uhr - B 12 KR 26/08 R - V. AG ./. Deutsche BKK und ein Beigeladener
Der Beigeladene begann seine Altersteilzeit am 1.10.2005, sein letzter Arbeitstag war der
16.8.2005. Für die Zeit vom 17.8.2005 bis 30.9.2007 beantragte die Klägerin erfolglos die
Anwendung des ermäßigten Beitragssatzes. Im Übrigen entspricht der Sachverhalt dem
unter Nr 1 Geschilderten.
SG Braunschweig - S 6 KR 669/06 -
5) 10.00 Uhr - B 12 KR 27/08 R - V. AG ./. Deutsche BKK und ein Beigeladener
Der Beigeladene begann seine Altersteilzeit am 1.5.2005, sein letzter Arbeitstag war der
15.6.2005. Für die Zeit vom 16.6.2005 bis zum 30.9.2006 beantragte die Klägerin erfolglos
die Anwendung des ermäßigten Beitragssatzes. Im Übrigen entspricht der Sachverhalt dem
unter Nr 1 Geschilderten.
SG Braunschweig - S 6 KR 670/06 -
6) 11.00 Uhr - B 12 R 4/08 R - C. Gesellschaft für Datenverarbeitung mbH ./. DRV Bund
und 4 Beigeladene
Die Beteiligten streiten darüber, ob für den Beigeladenen zu 1. wegen einer Beschäftigung
bei der Klägerin Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachzuentrichten sind.
Der Beigeladene zu 1. nahm am 27.9.1999 ein Studium der Wirtschaftsinformatik an der
privaten, staatlich anerkannten Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in B. auf. Das dual
organisierte dreijährige Studium gliederte sich in insgesamt neun (zwölfwöchige) Trimester,
sechs Trimester Lehrveranstaltungen sowie drei berufspraktische Studientrimester. In den
Studienablauf waren außerdem drei Phasen betrieblicher Praxis im Umfang von jeweils
maximal zwölf Wochen integriert. Nachdem der Beigeladene zu 1. eine Studienzusage
erhalten und mit der FHDW einen Studienvertrag abgeschlossen hatte, benannte ihm die
FHDW die Klägerin als Praktikumsbetrieb. Mit der Klägerin, bei der er bis dahin nicht
beschäftigt gewesen war, schloss der Beigeladene zu 1. daraufhin vor Beginn des Studiums
einen "Praktikantenvertrag zur Durchführung der betrieblichen Praktikantenphasen des
Dualen Studiums zum Diplom-Informatiker (FH)". Ein Arbeitsverhältnis sollte dadurch nicht
begründet werden. Der Beigeladene erhielt während der Praktikumszeiten eine Vergütung
von monatlich 1.100 DM und für die Studiumszeiten ein Stipendium in gleicher Höhe.
Während der Praktikumszeiten sollte der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin regelmäßig 40
Stunden wöchentlich tätig sein.
Der beklagte Rentenversicherungsträger stellte nach einer Betriebsprüfung gegenüber der
Klägerin für die Zeit vom 1.10.1999 bis zum 31.12.2000 (Ende des Prüfzeitraums) fest, dass
das vom Beigeladenen zu 1. in dieser Zeit durchgeführte Studium als praxisbezogenes
(berufsintegriertes) Studium im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses bei
der Klägerin durchgeführt worden sei und während dieses Zeitraums Versicherungspflicht
bestanden habe und setzte für diese Zeit Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von
3.666,98 Euro fest. Der Widerspruch blieb erfolglos.
Das SG hat der Klage stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Das LSG
hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Aufgrund des rechtlichen Rahmens und der
tatsächlichen Gestaltung habe der Beigeladene zu 1. sowohl während der Praxis- als auch
während der Theoriephasen seines Studiums nicht der Sozialversicherungspflicht unterlegen.
Während des gesamten Studiums sei er nicht Beschäftigter iS des § 7 Abs 1 SGB IV noch
einem solchen gleichgestellt gewesen. Es habe vielmehr Versicherungsfreiheit als
ordentlicher Studierender bestanden. Die Berufspraktika seien diese Teile des Studiums und
damit der Unterrichtsveranstaltungen gewesen. Sie hätten den rechtlichen Vorgaben der
Studienordnung und einer Regelung und Lenkung durch die FHDW unterlegen.
Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und rügt eine Verletzung der
Vorschriften über die Versicherungspflicht und von § 7 Abs 2 SGB IV. Der Beigeladene zu 1.
sei in der streitigen Zeit nicht versicherungsfrei gewesen. Soweit es um die
berufspraktischen Ausbildungsphasen gehe, sei der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin zum
Zweck der Ausbildung beschäftigt gewesen.
SG Köln - S 29 (3) R 207/05 -
LSG Nordrhein-Westfalen - L 16 (5) R 2/07 -
7) 11.45 Uhr - B 12 R 8/08 R - H. und K. GmbH und Co. KG ./. DRV Rheinland
und 4 Beigeladene
Streitig ist, ob von der Klägerin übernommene Bußgelder Arbeitsentgelt sind.
Die Beklagte forderte nach einer Betriebsprüfung von der Klägerin, einem
Speditionsunternehmen, das im internationalen Frachtverkehr, insbesondere in den Benelux-
Ländern, tätig ist, Beiträge ua für Buß- und Verwarngelder, die im Prüfzeitraum von
Dezember 2002 bis Dezember 2004 wegen Lenkzeit- und Ruhensverstößen ihrer Fahrer in
Belgien und Frankreich angefallen und von der Klägerin übernommen worden waren. Es
handele sich um beitragspflichtigen Arbeitslohn. Die Klägerin habe als Arbeitgeberin auch die
Versteuerung der Buß- und Verwarngelder nach § 40 Abs 1 EStG mit übernommen. Dies
stelle einen geldwerten Vorteil dar, aus dem ebenfalls Sozialversicherungsbeiträge
nachberechnet werden müssten.
Das SG hat die angefochtene Bescheide aufgehoben. Im Berufungsverfahren haben die
Beteiligten den Rechtsstreit auf die Beitragspflicht von 305,25 Euro für ein Bußgeld in Höhe
von 750 Euro, das wegen einer Lenkzeitüberschreitung am 3./4.10.2002 in Frankreich gegen
einen beigeladenen Arbeitnehmer verhängt worden war, beschränkt. Das LSG hat auf die
Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Soweit der
Arbeitgeber das Bußgeld übernommen habe, sei diese Zahlung Arbeitsentgelt. Es liege keine
Zahlung allein im Interesse des Arbeitgebers vor.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Arbeitgebers.
SG Aachen - S 8 R 55/07 -
LSG Nordrhein-Westfalen - L 16 R 2/08 -