Urteil des BSG vom 07.09.2004
BSG: grundsatz der freien beweiswürdigung, besondere gefährlichkeit, einwirkung, gesetzliche vermutung, soziale sicherheit, kroatien, anerkennung, materialien, wahrscheinlichkeit, unternehmen
Bundessozialgericht
Urteil vom 07.09.2004
Sozialgericht Darmstadt
Hessisches Landessozialgericht
Bundessozialgericht B 2 U 25/03 R
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 7. März 2003 wird
zurückgewiesen. Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Streitig ist die Anerkennung und Entschädigung einer Pleuraasbestose und eines Bronchialkarzinoms als
Berufskrankheit (BK).
Der aus dem früheren Jugoslawien stammende Kläger war einige Jahre bei einer Werft in Split als Schlosser und
Werftarbeiter tätig. Seit 1972 arbeitete er in der Bundesrepublik Deutschland bei verschiedenen Arbeitgebern ua als
Lüftungsmonteur, Bauhelfer und Kraftfahrer. Nachdem bei ihm ein Bronchialkarzinom mit ausgedehnten Pleuraplaques
diagnostiziert worden war, wurde der Beklagten im Juni 1995 das Vorliegen einer BK angezeigt. Die Beklagte lehnte
die Anerkennung (Pleuraasbestose) der Erkrankung als BK nach Nr 4103 und 4104 (Lungenkrebs in Verbindung mit
Pleuraasbestose) ab, weil die Lungenerkrankung des Klägers in keinem Zusammenhang mit einer versicherten
Tätigkeit stehe (Bescheid vom 24. Juni 1997). Den Widerspruch des Klägers wies sie zurück (Widerspruchsbescheid
vom 26. Juni 1998).
Das Sozialgericht (SG) Darmstadt hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7. August 2001). Das Hessische
Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 7. März 2003). Die
Voraussetzungen der als Verfahrensvorschrift auch für Versicherungsfälle vor Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs -
Siebtes Buch - (SGB VII) anzuwendenden Vermutungsregelung des § 9 Abs 3 SGB VII seien nicht zu Gunsten des
Klägers erfüllt, da er angegeben habe, seine Tätigkeit als Werftarbeiter in Jugoslawien sei am ehesten als ursächlich
für die Pleuraasbestose anzusehen. Auch habe ein Asbestkontakt bei keiner der vielen Tätigkeiten des Klägers
nachgewiesen werden können. Da die gesetzliche Vermutung nicht greife, müssten sowohl die versicherte Tätigkeit
als auch die körperschädigende Einwirkung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Das sei
nicht der Fall. Vielmehr sei nach Erschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten offen geblieben, in welchem Umfang der
Kläger an den einzelnen Arbeitsstellen überhaupt einer Asbesteinwirkung ausgesetzt gewesen sei.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 551 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und des § 9 Abs 3
SGB VII. Das LSG habe zu Unrecht keinen Raum für die Vermutung des § 9 Abs 3 SGB VII gesehen. Er sei in der
Zeit von 1973 bis 1975 bei verschiedenen Arbeitgebern als Bauarbeiter und im Klima- und Lüftungsbau täglich einer
intensiven Asbestbelastung ausgesetzt gewesen, wobei es nicht darauf ankomme, ob er selbst asbesthaltige
Materialien verarbeitet habe, da er im Bereich der Baustellen und insbesondere in geschlossenen Räumen erhebliche
Mengen von durch die Verwendung asbesthaltigen Materials durch andere entstandenen Asbeststaub eingeatmet
habe. Ausgeschlossen werden könne eine entsprechende Einwirkung auch während seiner anschließenden 10-
jährigen Tätigkeit bei der Fa. O. nicht. Von September 1985 bis August 1986 und im April 1992 sei er als Fahrer beim
Transport von Baumaterial und -schutt mit asbesthaltigem Material in Kontakt gekommen, denn in seiner
unmittelbaren Umgebung seien asbesthaltige Materialien verarbeitet worden.
Eine weitergehende Aufklärung sei entgegen der Auffassung der Instanzgerichte nicht notwendig. Es sei gar nicht
möglich, festzustellen, in welchem Umfang genau er bei den asbestverarbeitenden Betrieben täglich welcher
Asbestdosis ausgesetzt gewesen sei. Wenn das LSG hierfür den Vollbeweis verlange, lege es überzogene
Anforderungen zugrunde. Da er keine toxikologischen Kenntnisse habe und die Gefährlichkeit von Asbest damals
nicht bekannt gewesen sei, sei es ihm weder zumutbar noch möglich, für jeden Arbeitsplatz die tägliche
Asbesteinwirkung anzugeben. Seine Erklärung, mehrere Jahre im Baustellenbereich tätig gewesen zu sein, müsse
ausreichen, da bis vor etwa 20 bis 30 Jahren bekanntlich häufig Asbest in Baumaterialien verarbeitet worden sei und
sowohl der Beklagten als auch dem Gesetzgeber die besondere Gefährlichkeit dieses Stoffes bekannt sei. Die
Vorinstanzen hätten im Übrigen keineswegs alle Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung ausgeschöpft. Zu der
Frage, ob und in welchem Umfang bereits der Aufenthalt in asbesthaltigen Räumen zu einer Gesundheitsgefährdung
führe, hätte ein Sachverständigengutachten eingeholt werden können.
Der Kläger beantragt, die Urteile des SG Darmstadt vom 7. August 2001 und des Hessischen LSG vom 7. März 2003
sowie den Bescheid vom 24. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 1998 aufzuheben
und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm eine BK nach Nr 4103 und 4104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung
(BKVO) anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen, die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung der bei ihm
vorliegenden Pleuraasbestose und des Bronchialkarzinoms als BK, wie SG und LSG zutreffend entschieden haben.
Der Anspruch richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, weil die als BK geltend gemachte Erkrankung vor
dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-
Einordnungsgesetzes; § 212 SGB VII). Gleichermaßen sind die Bestimmungen der bis zum 30. November 1997
geltenden BKVO vom 20. Juni 1968 (BGBl I 721), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 18. Dezember 1992
(BGBl I 2343) maßgebend.
Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalls nach Maßgabe der
folgenden Vorschriften Leistungen, insbesondere Verletztenrente. Als Arbeitsunfall gilt gemäß § 551 Abs 1 Satz 1
RVO auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit
Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545
RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs 1 Satz 2 RVO). Eine solche Bezeichnung nimmt die BKVO mit den
sog Listenkrankheiten vor. Der Versicherungsfall der BK ist eingetreten, wenn alle Tatbestandsmerkmale des § 551
Abs 1 RVO iVm der betreffenden Nummer der Anlage 1 zur BKVO erfüllt sind (BSG SozR 2200 § 551 Nr 35; Koch in
Schulin HS-UV § 35 RdNr 19 ff; Brackmann/Krasney, SGB VII, § 7 RdNr 9).
Für die hier als BK geltend gemachte Erkrankung des Klägers kommen allein Nr 4103 (Asbeststaublungenerkrankung
(Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura) und Nr 4104 mit seiner 2. Alternative
(Lungenkrebs in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura) der Anlage 1 zur BKVO in
Betracht. Nach den Feststellungen des LSG leidet der Kläger sowohl an einer durch Asbeststaub verursachten
Erkrankung der Pleura (Pleuraasbestose) als auch an Lungenkrebs (Bronchialkarzinom des rechten Oberlappens).
Damit liegen zwar Erkrankungen im Sinne beider BK-Tatbestände vor. Nicht nachgewiesen ist aber das Vorliegen der
sog arbeitstechnischen Voraussetzungen, dh der berufsbedingten Einwirkung von Asbeststaub auf den Körper des
Klägers. Ebenso wie die Erkrankung selbst müssen auch die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten
schädigenden Einwirkungen im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit,
feststehen, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der
auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die
(hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (vgl Brackmann/Krasney, SGB
VII, § 9 RdNr 22 und 23 mwN).
Das LSG ist aufgrund seiner Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens zu dem Ergebnis gekommen, dass
nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten eine körperschädigende, mit einer versicherten Tätigkeit in
sachlichem Zusammenhang stehende Einwirkung durch Asbeststaub auf den Kläger nicht nachgewiesen ist. Die
dagegen erhobenen Angriffe der Revision greifen nicht durch.
Die Beweiswürdigung nach § 128 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist grundsätzlich Sache des
Tatsachengerichts. Das Revisionsgericht darf nur prüfen, ob das Tatsachengericht die der freien Beweiswürdigung
gezogenen Grenzen eingehalten, insbesondere nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat. Eine
Nichtbeachtung von Erfahrungssätzen behauptet der Kläger, indem er geltend macht, bei einer mehrjährigen Tätigkeit
in Betrieben des Baugewerbes müsse auch ohne konkrete Feststellungen zu Art und Umfang der Asbestexposition
am jeweiligen Arbeitsplatz aufgrund der früher weiten Verbreitung dieses Baustoffs von einer gesundheitsschädlichen
Einwirkung ausgegangen werden. Er rügt damit sinngemäß, das Berufungsgericht hätte nach den Grundsätzen des
Anscheinsbeweises die Schadstoffbelastung als erwiesen ansehen müssen und konkrete Feststellungen zu einzelnen
Arbeitsverrichtungen sowie zu Intensität und Dauer des Umgangs mit asbesthaltigen Materialien nicht verlangen
dürfen. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden.
Beim Beweis des ersten Anscheins handelt es sich um eine Tatsachenvermutung, die es bei typischen
Geschehensabläufen ermöglicht, von einer festgestellten Ursache auf einen bestimmten Erfolg oder von einem
festgestellten Erfolg auf eine bestimmte Ursache zu schließen. Erforderlich ist ein Hergang, der nach der
Lebenserfahrung unabhängig von den Umständen des Einzelfalls und dem Willen der handelnden Personen in einer
bestimmten Weise abzulaufen pflegt und deshalb auch im zu entscheidenden Fall als gegeben unterstellt werden
kann (siehe dazu: Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl 2002, § 128 RdNr 9 ff mwN; BSG SozR 5670 Anl 1 Nr 2102 Nr 2 S
2). Es gibt indessen ersichtlich keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass Arbeitnehmer in der Baubranche unabhängig
von der Art ihrer Tätigkeit und der Beschaffenheit ihres Arbeitsplatzes regelmäßig einer gesundheitsschädigenden
Einwirkung von Asbeststäuben ausgesetzt sind oder waren. Ein typischer Geschehensablauf - wie etwa der in der 3.
Alternative der BK Nr 4104 der Anlage 1 zur BKVO normierte Tatbestand - ist deshalb hier gerade nicht
nachgewiesen, so dass der Argumentation des Klägers schon im Ansatz nicht gefolgt werden kann.
Auch für die Annahme eines Beweisnotstands und eine daraus abzuleitende Notwendigkeit zu Beweiserleichterungen
ist hier kein Raum. Zwar können Eigentümlichkeiten eines Sachverhalts in besonders gelagerten Einzelfällen Anlass
sein, an den Beweis verminderte Anforderungen zu stellen (BSGE 19, 52, 56 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; 24, 25,
28 f = SozR Nr 75 zu § 128 SGG). Das bedeutet, dass der Unfallversicherungsträger oder das Gericht schon aufgrund
weniger tatsächlicher Anhaltspunkte von einem bestimmten Geschehensablauf überzeugt sein können (BSG Urteil
vom 12. Juni 1990 - 2 RU 58/89 = HV-Info 1990, 2064). Einen solchen Ausnahmefall hat die Rechtsprechung bei einer
unfallbedingten Erinnerungslücke des Verletzten (BSG Urteil vom 12. Juni 1990 - aaO -) oder beim Tod eines
Seemanns auf See aus unklarer Ursache ohne Obduktionsmöglichkeit (BSGE 19, 52, 56 = SozR Nr 62 zu § 542 aF
RVO) anerkannt. Von diesen Ausnahmefällen abgesehen sind nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung
typische Beweisschwierigkeiten, die sich aus den Besonderheiten des Einzelfalles ergeben, ohnehin im Rahmen der
freien richterlichen Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Allgemeingültige Grundsätze zur Beweiserleichterung für den
Fall des Beweisnotstandes würden dagegen dem in § 128 Abs 1 Satz 1 SGG verankerten Grundsatz der freien
Beweiswürdigung widersprechen (BSG Beschluss vom 18. Juli 1990 - 2 BU 37/90 - HV-INFO 1990, 1941).
Schwierigkeiten bei der Aufklärung viele Jahre zurückliegender Sachverhalte gerade im Hinblick auf Einzelheiten von
Arbeitsvorgängen wie im vorliegenden Fall treten generell auf und können nicht zu einer regelmäßigen Annahme des
Beweisnotstandes führen.
Soweit der Kläger vorbringt, er sei hauptsächlich in dem Zeitraum von 1973 bis 1975 täglich einer intensiven
Asbestbelastung ausgesetzt gewesen, wobei er insbesondere durch die Arbeit anderer Personen entstandenen
Asbeststaub eingeatmet habe, beinhaltet das lediglich eine von den Feststellungen des LSG abweichende
Sachverhaltsdarstellung, bezeichnet aber keine zulässige Verfahrensrüge. Da das SG und ihm folgend das LSG im
Übrigen eine Asbestexposition schlechthin nicht mit dem erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad für feststellbar
erachtet haben, geht der Vortrag des Klägers, die Feststellung, in welchem Umfang genau er bei den
asbestverarbeitenden Betrieben täglich welcher Asbestdosis ausgesetzt gewesen sei, sei unmöglich, ins Leere. Dass
der Nachweis einer Exposition gegenüber Asbeststaub generell unmöglich sei, behauptet er selbst nicht. Dasselbe gilt
für seinen Einwand, er könne mangels eigener Fachkenntnisse die Asbesteinwirkung auf den einzelnen Arbeitsplätzen
nicht angeben. Für die Beschreibung der einzelnen Arbeitsplätze sind Kenntnisse nicht erforderlich; die
Unfallversicherungsträger und die Gerichte sind im Verfahren aufgrund des für beide geltenden
Amtsermittlungsprinzips verpflichtet, sich - wie hier auch durch Einschaltung der für die einzelnen Unternehmen
zuständigen Technischen Aufsichtsdienste geschehen - bei der Untersuchung einer einschlägigen Gefährdung
sachkundiger Hilfe zu bedienen.
Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG durch das Berufungsgericht wegen der Unterlassung
eigener Ermittlungen hinsichtlich der Asbestexposition hat der Kläger ebenfalls nicht ordnungsgemäß gerügt. Zur
Freiheit der Beweiswürdigung gehört auch die Entscheidung über den Umfang und die Art der Ermittlungen. Eine
verfahrensrechtliche Pflicht zu weiteren Ermittlungen besteht nur dann, wenn sich dem Tatsachengericht solche auf
der Grundlage seiner Rechtsauffassung aufdrängen mussten (vgl hierzu BSG SozR 1500 § 160 Nr 5). Das Vorliegen
dieser Voraussetzungen ist hier nicht hinreichend dargetan. Der Kläger macht geltend, die Beklagte sei verpflichtet
gewesen, bei der Arbeitsanamnese "sämtliche Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen, insbesondere hinsichtlich
alter Produktionsmethoden, Betriebsverhältnisse, Baustellen, durch Befragung der Kollegen, durch Ermittlungen bei
Innungen, Betriebsrat, etc., durch Befragung anderer fachlich zuständiger Berufsgenossenschaften, des BIA, der BK-
Dokumentation beim HVBG, durch die Auswertung von anderen BK-Altfällen oder Vergleichsarbeitsplätzen". Damit
wird kein Verfahrensfehler des Berufungsgerichts bezeichnet. Auch wenn man davon ausgeht, dass die Rüge zugleich
das Unterlassen entsprechender Ermittlungen durch das LSG erfassen soll, mangelt es an der Darlegung, welche
Ermittlungen genau im vorliegenden Fall und nicht nur allgemein für notwendig gehalten werden und inwiefern sich
dies aufdrängen musste. Da der Kläger nach dem Bericht des BK-Sonderbeauftragten der Beklagten sehr eingehend
nach seinen verschiedenen Tätigkeiten und deren Asbestgefährdung befragt worden war, die Beklagte Auskünfte aller
noch erreichbaren früheren Arbeitgeber eingeholt und die Technischen Aufsichtsdienste aller für die Unternehmen
zuständigen Berufsgenossenschaften eingeschaltet hatte, wäre es erforderlich gewesen, im Einzelnen darzulegen,
welche Fragen zu welcher Tätigkeit noch offen geblieben sind und durch welche der genannten Beweismittel diese
aufzuklären gewesen wären. Dies hat der Kläger versäumt.
Bei Unaufklärbarkeit eines Umstands fallen die Folgen der objektiven Beweislosigkeit dem, der eine ihm günstige
Rechtsfolge geltend macht, zur Last, wobei es keinen Unterschied begründet, ob die Unmöglichkeit des Nachweises
in den besonderen Umständen des Einzelfalles oder in der generellen Eigenart des Leidens oder etwa der gefährlichen
Stoffe wurzelt; in beiden Fällen muss der Beweisfällige eine Ablehnung seines Begehrens hinnehmen, obwohl nicht
mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass der geltend gemachte Anspruch in Wahrheit begründet ist
(vgl BSG SozR 2200 § 551 Nr 1 mwN). Da der Kläger sich auf das Vorliegen der für den von ihm geltend gemachten
Anspruch erforderlichen berufsbedingten körperschädigenden Einwirkungen durch Asbeststaub beruft, muss er die
Folgen der objektiven Beweislosigkeit tragen.
§ 9 Abs 3 SGB VII, dessen Verletzung durch das LSG der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, bezieht
sich nicht auf den Nachweis der schädigenden Einwirkung, sondern lediglich auf den Zusammenhang zwischen
Einwirkung und Erkrankung; die Vermutung erfasst nicht die Tatsache, dass berufsbedingte Einwirkungen im
Einzelfall stattgefunden haben (vgl Ricke in KassKomm, § 9 SGB VII RdNr 28; Kater/Leube, SGB VII, § 9 RdNr 15).
Die vom Kläger in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen sind daher im vorliegenden Fall nicht
entscheidungserheblich. Es kann mithin auch offen bleiben, ob diese Rechtsnorm tatsächlich eine
Verfahrensvorschrift iS des § 214 Abs 4 SGB VII und deshalb auch auf Versicherungsfälle vor Inkrafttreten des SGB
VII am 1. Januar 1997 anzuwenden ist (so LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Juli 1997 - L 7 U 18/97 = HVBG-Info
1998, 524). Schließlich ist auch nicht zu entscheiden, ob das LSG gemäß § 103 SGG verpflichtet war, ein
Sachverständigengutachten über die Frage einzuholen, ob und in welchem Umfang bereits der Aufenthalt in
asbesthaltigen Räumen zu einer Gesundheitsgefährdung führt, da sich diese Rüge auf die Voraussetzungen der
Anwendbarkeit des § 9 Abs 3 SGB VII bezieht, die hier nicht in Betracht kommt.
Bei dieser Sachlage ist es für das Bestehen eines Anspruchs des Klägers aus der deutschen gesetzlichen
Unfallversicherung und damit für die Entscheidung unerheblich, ob er bei seiner Tätigkeit auf der Werft in Split im
ehemaligen Jugoslawien bzw dem heutigen Kroatien einer körperschädigenden Asbesteinwirkung ausgesetzt war.
Nach Art 21 Abs 1 Satz 1 des am 1. Dezember 1998 in Kraft getretenen Abkommens zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Republik Kroatien vom 24. November 1997 (BGBl II 1998, 2034) - Abk Kroatien SozSich -
berücksichtigt der Träger eines Vertragsstaats für den Leistungsanspruch aufgrund einer BK auch Beschäftigungen,
die bei Anwendung der Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaats ausgeübt wurden und ihrer Art nach geeignet
waren, diese Krankheit zu verursachen. Dass damit die Leistungspflicht eines deutschen Sozialversicherungsträgers
nicht begründet wird, wenn für die Entstehung einer BK ausschließlich Arbeiten in Jugoslawien, während der ein
Versicherungsschutz nach deutschen Gesetzen nicht bestand, in Betracht kommen, hat der Senat bereits für die
Rechtslage nach dem hiermit inhaltlich übereinstimmenden Art 20 Abs 1 Satz 1 des Abkommens zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (BGBl
II 1969, 1438) entschieden (BSG Beschluss vom 5. Februar 1980 - 2 BU 27/79 = HVGBG RdSchr VB 62/80). Da hier
eine Beschäftigung mit Asbestexposition in Deutschland nicht mit dem erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad
nachweisbar ist, kämen auf der Grundlage der bindenden Feststellungen des LSG für die Entstehung der geltend
gemachten BKen ausschließlich Arbeiten im ehemaligen Jugoslawien in Betracht, die danach einen Anspruch
gegenüber dem deutschen Unfallversicherungsträger nicht begründen können. Dies ergibt sich bei Anwendung beider
Abkommen; es kann daher offen bleiben, welches Abkommen angesichts der möglicherweise asbestexponierten
Tätigkeit in Split bis zum Jahre 1972 und des möglichen Eintritts des Versicherungsfalls einer BK im Jahre 1995 hier
Anwendung findet (s dazu Art 40 Abs 1 und 2 Abk Kroatien SozSich).
Danach war die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.