Urteil des BSG vom 15.03.2017

BSG (gesetzliche grundlage, kläger, satzung, vorbehalt des gesetzes, arbeitgeber, sgg, zeitpunkt, inkrafttreten, krankenkasse, ermächtigung)

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 27.10.2009, B 1 KR 12/09 R
Aufwendungsausgleichsverfahren - Heranziehung des Arbeitgebers zur Umlagepflicht
trotz einer bereits vor In-Kraft-Treten des AufAG beschlossenen Satzungsregelung
einer Krankenkasse - Kostenfreiheit der Arbeitgeber in sozialgerichtlichen Streitigkeiten
bzgl Umlagepflicht
Leitsätze
1. Für die Feststellung, dass ein Arbeitgeber am Verfahren des Ausgleichs von Aufwendungen
für Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall teilnimmt, ist es ohne Belang, dass Satzungsregelungen
dazu bereits vor Verkündung ihrer gesetzlichen Grundlage beschlossen wurden.
2. Arbeitgeber sind in sozialgerichtlichen Streitigkeiten über ihre Umlagepflicht nach dem
Aufwendungsausgleichsgesetz als "Versicherte" kostenprivilegiert.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger zum Umlageverfahren nach dem Gesetz über
den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung
(Aufwendungsausgleichsgesetz - AAG) herangezogen werden darf.
2 Der klagende Rechtsanwalt ist Arbeitgeber einer bei der beklagten Ersatzkasse versicherten
Angestellten. Mit Bescheid vom 7.6.2006 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger als
Arbeitgeber vom 1.1. bis 31.12.2006 am AAG-Ausgleichsverfahren für
Krankheitsaufwendungen (U 1) sowie für Mutterschaftsaufwendungen (U 2) teilnehme; für die
Krankheitsaufwendungen gelte - mangels eines abweichenden Antrags des Klägers - der
satzungsmäßige Erstattungssatz von 65 % (Regelsatz) und der Umlagesatz von 1,6 %.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, für seine auf die Satzung der
Beklagten gestützte Teilnahme am Umlageverfahren für Krankheitsaufwendungen fehle die
gesetzliche Grundlage, weil das AAG erst am 22.12.2005 verabschiedet, die Satzung der
Beklagten aber schon vor dem 9.12.2005 beschlossen worden sei.
3 Die Beklagte wies den Widerspruch zurück: Obwohl das AAG erst nach Beschlussfassung
über die Satzungsänderung in Kraft getreten sei, beruhe sie auf einer gesetzlichen
Ermächtigung. Maßgebend dafür sei nicht das Datum des Beschlusses des Verwaltungsrats,
sondern ihre nach aufsichtsbehördlicher Genehmigung erfolgte Bekanntmachung im
Bundesanzeiger; zu dieser Zeit sei das Gesetz bereits wirksam gewesen. Auch das
Bundessozialgericht (BSG) habe angenommen, dass ein Satzungsbeschluss bereits vor
Inkrafttreten des Gesetzes gefasst werden könne (Urteil vom 18.7.2006 - B 1 A 1/06 R, BSGE
97, 16 = SozR 4-7862 § 9 Nr 1) . Die Ansicht des BSG, dass Krankenkassen neben oder
anstelle des nach dem AAG vorgesehenen gesetzlichen Erstattungssatzes von 80 % durch
ihre Satzung nicht mehrere verschiedene Erstattungssätze unterhalb dieses Satzes festsetzen
dürften, wirke sich nicht zu Gunsten des Klägers aus; denn die Umlagepflicht entstehe kraft
Gesetzes und entfalle selbst durch eine unwirksame Satzungsbestimmung nicht
(Widerspruchsbescheid vom 30.11.2006).
4 Die dagegen erhobene Anfechtungsklage ist beim Sozialgericht (SG) ohne Erfolg geblieben
(Urteil vom 17.2.2009): Die maßgebenden Vorschriften des AAG seien vor der streitigen
Satzungsänderung in Kraft getreten. Selbst ein zeitgleich mit einer Änderung des AAG
vorgenommener Satzungsnachtrag wäre rechtmäßig. Verfassungsrecht werde dadurch nicht
verletzt. - Die Kostenentscheidung folge aus § 197a SGG iVm § 154 Abs 2
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
5 Mit seiner vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Kläger die Verletzung von Art 20
Abs 3 GG: Da das AAG erst am 22.12.2005 ausgefertigt und am 30.12.2005 verkündet worden
sei, habe die Beklagte zuvor noch keine neuen Satzungsvorschriften beschließen dürfen. Die
Beschlussfassung darüber verlange eine bereits rechtsgültige Ermächtigung; mindestens bis
zur letzten Parlamentssitzung müsse mit der Änderung von Gesetzesvorlagen gerechnet
werden. Auch eine aufsichtsbehördliche Genehmigung bewirke nicht das rückwirkende
Wirksamwerden einer ohne Ermächtigung zustande gekommenen Satzung; Gleiches gelte für
das im Laufe des Jahres 2006 hergestellte Einvernehmen der Beklagten mit der
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Das Inkrafttreten einzelner
gesetzlicher Regelungen bereits zum 1.10.2005 habe der Beklagten keine rückwirkende
Satzungskompetenz verliehen, weil eine bloß zufällige Übereinstimmung von Satzungsinhalt
und Gesetzesbefehl nicht ausreiche. Ein noch gar nicht existierendes Gesetz könne wirksam
weder durch Verwaltungsakt noch durch Satzung umgesetzt werden . Auch wenn
untergesetzlichen Normgebern eine Vorlaufzeit eingeräumt werden dürfe, um deren
Regelungswerk an künftig eintretende Gesetzesänderungen anzupassen, sei die Verkündung
des Gesetzes der frühestmögliche Zeitpunkt für einen Satzungsbeschluss. Erst seit 1.4.2007
sei es den Krankenkassen im Übrigen erlaubt, in ihrer Satzung unterschiedliche Umlage- und
Erstattungssätze vorzusehen.
6 Der Kläger beantragt ,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 17. Februar 2009 sowie den Bescheid der
Beklagten vom 7. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November
2006 aufzuheben.
7 Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
8 Sie hält das SG-Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
9 Die zulässige Sprungrevision (§ 161 SGG) des Klägers ist in der Hauptsache unbegründet.
Das Urteil des SG ist rechtmäßig, soweit es die vom Kläger beanstandete Heranziehung
zum Umlageverfahren nach dem AAG betrifft. Es ist lediglich in Bezug auf die
Kostenentscheidung zu ändern (dazu 3.).
10 Die angefochtenen Bescheide der beklagten Ersatzkasse, mit denen sie rechtsförmig
festgestellt hat, dass der Kläger vom 1.1. bis 31.12.2006 am Ausgleichsverfahren für
Krankheitsaufwendungen (U 1) nach dem AAG teilnimmt, sind rechtmäßig (dazu 1.). Zu
Unrecht beanstandet der Kläger, dass es für seine Heranziehung zur Umlagepflicht nach
dem AAG an einer die Satzung der Beklagten abdeckenden gesetzlichen
Ermächtigungsgrundlage gefehlt habe (dazu 2.).
11 1. Nach § 3 Abs 1 Satz 1 AAG (idF vom 22.12.2005, BGBl I 3686) , der am 1.1.2006 - und
damit zu Beginn des hier betroffenen Zeitraums des Jahres 2006 - in Kraft getreten ist (Art 4
Satz 2 AAG), hat die zuständige Krankenkasse jeweils zum Beginn eines Kalenderjahrs
festzustellen, welche Arbeitgeber für die Dauer dieses Kalenderjahrs an dem Ausgleich der
Arbeitgeberaufwendungen nach § 1 Abs 1 AAG teilnehmen. Gemäß § 1 Abs 1 AAG erstatten
die Krankenkassen - wie hier die Beklagte - den Arbeitgebern, die in der Regel
ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten nicht mehr als 30 Arbeitnehmer
und Arbeitnehmerinnen beschäftigen, 80 % des für den in § 3 Abs 1 und 2 und den in § 9
Abs 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) bezeichneten Zeitraum an Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen fortgezahlten Arbeitsentgelts (Nr 1) sowie - in näher beschriebenem
Umfang - der auf die Arbeitsentgelte entfallenden Arbeitgeberanteile der
Sozialversicherungsbeiträge (Nr 2). Diese Erstattungssätze können satzungsmäßig
beschränkt bzw pauschaliert werden (vgl § 9 Abs 2 Nr 1 und 2 AAG), die Höhe der
Umlagesätze wird in der Satzung festgelegt (§ 9 Abs 1 Nr 1 AAG). Die zu gewährenden
Beträge werden dem Arbeitgeber von der Krankenkasse ausgezahlt (vgl § 2 Abs 1 Satz 1
AAG). Die Mittel zur Durchführung des U 1-Verfahrens werden von den am Ausgleich
beteiligten Arbeitgebern jeweils durch gesonderte Umlagen aufgebracht, die jeweils in
einem bestimmten Prozentsatz des Entgelts festzusetzen sind (vgl § 7 Abs 1 und 2 AAG).
12 Die vom Kläger angefochtenen, auf § 3 Abs 1 Satz 1 AAG beruhenden Bescheide haben
den vorgenannten Regelungen entsprochen. Ausweislich der Feststellungen des SG
beschäftigte der Kläger im Jahr 2006 (nur) eine Angestellte und war daher umlagepflichtiger
Arbeitgeber. Da die Beschäftigte bei der Beklagten versichert war, hat die Beklagte als
zuständige Krankenkasse gehandelt. Sie hat zu Recht die Umlagepflicht des Klägers bejaht.
13 Die Einbeziehung von Arbeitgebern mit Kleinbetrieben in das Umlage- und
Ausgleichsverfahren der Entgeltfortzahlungsversicherung begegnet keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies hat das BSG wiederholt für das bereits 1970 mit
dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) eingeführte Verfahren in Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entschieden (vgl zuletzt BSGE 95, 119 =
SozR 4-7860 § 10 Nr 2, jeweils RdNr 21 ff mit umfangreichen Nachweisen) . Nichts anderes
kann für das seit 2006 eingeführte AAG gelten, welches - trotz einzelner Änderungen im
sachlichen Recht - die Regelungen der §§ 10 bis 19 im Zweiten Abschnitt des LFZG in ihrer
generellen Ausrichtung aufgegriffen und ersetzt hat (vgl näher zB Schmitt, EntgFG - AAG, 6.
Aufl 2007, S 325 f; Treber, EntgFG, 2. Aufl 2007, S 249 RdNr 1 ff; Müller/Berenz, EntgFG und
AAG, 2006, § 1 AAG RdNr 1 ff; Wagner in: Reinhard, ua, EntgFG, 2006, § 1 AAG RdNr 1 ff;
Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung - Krankengeld - Mutterschaftsgeld, 7. Aufl, Stand August
2009, Vorbemerkungen zum AAG, L 001 f) . Gegen diese verfassungsrechtliche Würdigung
wendet sich auch der Kläger nicht.
14 2. Der Kläger kann keinen Erfolg mit seinem Revisionsvorbringen haben, es habe für seine
Heranziehung zur AAG-Umlage U 1 an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage dafür
gefehlt, dass die Beklagte schon vor Inkrafttreten des AAG Satzungsänderungen vornahm,
auf deren Grundlage sie ihn zur Umlage heranzog. Denn Rechtsgrundlage der
angefochtenen Feststellung der Umlagepflicht war unmittelbar der am 1.1.2006 in Kraft
getretene § 3 Abs 1 Satz 1 AAG.
15 a) Wie dargestellt, bietet nicht erst die Satzung einer Krankenkasse, sondern bereits das
AAG selbst in § 3 Abs 1 Satz 1 eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage dafür, dass die
Krankenkasse im Bescheidwege Teilnahme an der Umlage zeitbezogen feststellt. Das AAG
wurde als Art 1 "Gesetz über den Ausgleich von Arbeitgeberaufwendungen und zur
Änderung weiterer Gesetze" vom 22.12.2005 vom Deutschen Bundestag mit Zustimmung
des Bundesrates beschlossen und ist am 1.1.2006 in Kraft getreten (Art 4 Satz 2 des
Gesetzes), soweit nicht § 2 Abs 2 Satz 3, § 3 Abs 3, § 7, § 8 Abs 2 und § 9 AAG bereits zum
1.10.2005 in Kraft getreten sind (Art 4 Satz 1 aaO), welche sämtlich Ermächtigungen für die
Krankenkassen enthalten, obligatorisch oder fakultativ bestimmte Einzelheiten zum Umlage-
und Ausgleichsverfahren zu regeln. Durch das teilweise frühere Inkrafttreten sollte für das
Verwaltungshandeln der betroffenen Krankenkassen eine "sichere Rechtsgrundlage"
geschaffen werden (so Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines AAG, BT-
Drucks 16/39 S 15 zu Art 3 des Entwurfs) . Das vor Inkrafttreten des AAG einschlägige LFZG
ist am 1.1.2006 außer Kraft getreten.
16 Die Umlagepflicht hängt dem Grunde nach nicht davon ab, ob die Satzung dazu noch
gesonderte Regelungen enthält oder nicht. Entsprechend sind auch Rechtsprechung und
Literatur zur Vorgängerregelung des § 10 Abs 2 LFZG davon ausgegangen, dass die vom
Gesetz geforderte bescheidmäßige Feststellung mit Blick auf das der gesamten
Sozialversicherung zugrunde liegende Prinzip der Zwangsmitgliedschaft lediglich
deklaratorischen Charakter hat (vgl BSG SozR 7860 § 10 Nr 4; BSG, Urteil vom 16.12.1980 -
3 RK 16/80, USK 80266; BSG SozR 3-7860 § 14 Nr 3 S 12 mwN; Schmitt, aaO, § 3 AAG
RdNr 7 mwN; Wagner, aaO, § 3 AAG RdNr 4 mwN; Knorr/Krasney, aaO, § 3 AAG RdNr 4
mwN). Davon geht auch die Gesetzesbegründung zu § 3 AAG aus (aaO, BT-Drucks 16/39 S
13) .
17 b) Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass selbst wenn man - abweichend von
Vorstehendem - annähme, dass den Satzungsregelungen der Beklagten in Bezug auf die
Frage der Umlagepflicht des Klägers nach dem AAG dem Grunde nach eine eigenständige
Bedeutung zugekommen wäre, die Revision keinen Erfolg haben könnte. Denn die insoweit
vom Kläger unter dem Blickwinkel des Art 20 Abs 3 GG (Grundsatz vom Vorbehalt des
Gesetzes) vorgebrachten Gesichtspunkte greifen nicht durch. Zwar wurde der 71. Nachtrag
der Satzung der Beklagten mit einer Änderung des § 35 der Satzung bereits am 9.12.2005
verabschiedet, wirksam wurde er aber erst mit der satzungsmäßig vorgesehenen
Verkündung im Bundesanzeiger vom 10.1.2006 (S 84) , also zu einer Zeit als das AAG
bereits vollständig in Kraft getreten war. Der erkennende 1. Senat des BSG ist bereits in
seiner bisherigen Rechtsprechung zum AAG davon ausgegangen, dass es für die
Wirksamkeit einer Satzungsregelung ausreicht, dass eine wirksame gesetzliche
Ermächtigung dafür zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung existiert und dass es nicht
erforderlich ist, dass die Ermächtigung schon im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses durch
den (hier nur aus Arbeitgebervertretern bestehenden, § 9 Abs 4 AAG) Verwaltungsrat
vorhanden ist (vgl BSGE 97, 16 = SozR 4-7862 § 9 Nr 1, jeweils RdNr 3) .
18 Dieses deckt sich mit der Rechtsprechung des 6. Senats des BSG zu den zum 1.7.1997
durch den Bewertungsausschuss eingeführten Praxisbudgets im Vertragsarztbereich (BSGE
86, 16, 20 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 23) , auf die die Beklagte zu Recht hinweist. Danach
kommt es - weil ein Normsetzungsbereich außerhalb des Art 80 GG betroffen ist - nicht
darauf an, zu welchem Zeitpunkt Satzungsbeschlüsse gefasst worden sind, sondern auf den
Zeitpunkt, in dem die dabei getroffenen untergesetzlichen Regelungen Wirksamkeit
erlangen; zudem würde die gegenteilige Ansicht dazu führen, dass eine im schnelllebigen
Bereich des Sozialversicherungsrechts eine aus Sachgründen erforderliche Koordinierung
des Normsetzungsprozesses von gesetzlichem und untergesetzlichem Recht oft faktisch
nicht möglich wäre und der untergesetzliche Normgeber erst zu einem späteren Zeitpunkt
auf gesetzliche Ermächtigungen und Vorgaben reagieren könnte. Ausreichend ist in
derartigen Fällen, dass dem untergesetzlichen Normgeber die Absichten des Gesetzgebers
ausdrücklich bekannt waren (so BSG, ebenda) .
19 Diese Erwägungen gelten auch im hier betroffenen Bereich des AAG. Zum einen waren dem
Satzungsgeber seit Veröffentlichung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Entwurf
des AAG (in BT-Drucks 16/39 vom 3.11.2005) die wesentlichen Absichten des
Bundesgesetzgebers bekannt. Zum anderen hat - wie schon dargelegt - der
Bundesgesetzgeber selbst durch das rückwirkende Inkrafttreten bestimmter gesetzlicher
Regelungen bereits zum 1.10.2005 die Situation erkannt und bewusst für das
Verwaltungshandeln der betroffenen Krankenkassen eine sichere Rechtsgrundlage schaffen
wollen. Die Situation unterscheidet sich insoweit wesentlich von Konstellationen, in denen
ein Verwaltungshandeln ohne gesetzliche Grundlage bereits das Stadium
verwaltungsinternen Handelns überschritten hat und vorzeitig Außenwirkungen beansprucht.
20 c) Soweit sich der Kläger im Revisionsverfahren - obwohl er nur die Verletzung des Art 20
Abs 3 GG rügt - ergänzend darauf stützen will, dass das BSG die wahlweise
Inanspruchnahme unterschiedlicher Umlage- und Erstattungssätze (unterhalb von 80 %)
durch eine Satzung für unzulässig erachtet habe (BSGE 97, 16 = SozR 4-7862 § 9 Nr 1) ,
verhilft dies der Revision nicht zum Erfolg. Denn auch soweit die entsprechenden
Satzungsregelungen mit dem ihm zugeordneten Erstattungssatz von 65 % und einem
Umlagesatz von 1,6 % zunächst unwirksam waren, verbleibt es nach der Regelung des § 1
Abs 1 AAG bei dem gesetzlich vorgesehenen Erstattungssatz von 80 % mit der Folge, dass
auch ein entsprechend höherer Umlagesatz einschlägig wäre; ein Rechtsschutzbedürfnis
des Klägers für das Eingreifen eines solchen höheren Satzes wird nicht geltend gemacht
und wäre auch sonst nicht erkennbar.
21 3. Das SG hat indessen den Kläger zu Unrecht zur Tragung der Kosten der Beklagten nach
§ 197a SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO verurteilt. Die Kostenentscheidung folgt vielmehr für
das Klage- und Revisionsverfahren aus § 193 SGG mit der Folge, dass außergerichtliche
Kosten nach billigem Ermessen nicht zu erstatten sind.
22 Wie der Senat bereits entschieden hat, sind Arbeitgeber in Streitigkeiten über die Erstattung
von Aufwendungen für die Entgeltfortzahlung als "Leistungsempfänger" iS von § 183 SGG
anzusehen (BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 3, insbesondere RdNr 9) . Für entsprechende
Rechtsstreitigkeiten ist mithin auch keine Kostenentscheidung unter Heranziehung des §
197a Abs 1 Satz 1 SGG zu treffen. In Fortführung dieser Rechtsprechung sieht der Senat
betroffene Arbeitgeber in Bezug auf Streitigkeiten über die Umlagepflicht nach dem AAG
auch als "Versicherte" iS von § 183 SGG an, weil in Bezug auf die Struktur und Zielrichtung
des AAG als einer "Entgeltfortzahlungsversicherung" und die vom Gesetzgeber
angenommene besondere Schutzbedürftigkeit von Kleinbetrieben insoweit vergleichbare
Erwägungen für das Eingreifen des Kostenprivilegs gelten wie bei abhängig beschäftigten
Versicherten (vgl BSG, aaO) . Arbeitgeberumlagen in der Entgeltfortzahlungsversicherung
sind seit jeher in der Rechtsprechung des BSG materiell als Beitragszahlungen angesehen
worden ( vgl schon BSG SozR 3-7860 § 14 Nr 3 S 12) , sodass die betroffenen
Zahlungspflichtigen und von den Zahlungen unmittelbar Begünstigten auch im
prozessrechtlichen Sinne insoweit als Versicherte angesehen werden können. Die
kostenmäßige Privilegierung als "Versicherter" ist - gleichermaßen für Arbeitgeber - auch
dann einschlägig, wenn ein Rechtsstreit über den Versichertenstatus als solchen geführt
wird (so Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 183 RdNr 5 iVm
RdNr 5a, jeweils mwN) . Dies gilt unabhängig davon, ob der Status als Versicherter
angestrebt wird oder - wie hier - im Prozess vom Betroffenen selbst verneint wird (BSGE 97,
153 = SozR 4-1500 § 183 Nr 4, jeweils Leitsatz 1; Groß in: Lüdtke, SGG, 3. Aufl 2009, § 183
RdNr 3).
23 Eine Entscheidung über den Streitwert ist - anders als vom SG vorgenommen - wegen des
Eingreifens von § 183 SGG nicht zu treffen.