Urteil des BSG vom 01.01.2005
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BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 13.11.2008, B 14/7b AS 4/07 R
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - Kindergeld für
volljähriges Pflegekind - Direktauszahlung an Pflegekind nach Ablehnung der
Abzweigung
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes II (Alg
II) in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005.
2 Der Kläger ist 1944 geboren und alleinstehend. Seit 1994 lebte der am 24. April 1984
geborene M. K. (K) als Pflegekind im Haushalt des Klägers. Der Kläger bezog für ihn seit
November 2001 Kindergeld. Auf einen Antrag des Klägers vom 5. Januar 2005 hin überwies
die Familienkasse ab Januar 2005 das Kindergeld in Höhe von monatlich 154 Euro
unmittelbar auf ein Konto des K bei der Sparkasse D. Einen Antrag des K auf Abzweigung
des Kindergeldes vom 1. März 2005 lehnte die Familienkasse durch bestandskräftigen
Bescheid vom 10. März 2005 mit der Begründung ab, K lebe im Haushalt eines
Kindergeldberechtigten und erhalte durch die Haushaltsaufnahme in ausreichender Höhe
Unterhalt. Der Kläger erzielte aus einer abhängigen Teilzeitbeschäftigung in den Monaten
Januar bis Juni 2005 Nebeneinkommen in unterschiedlicher Höhe.
3 Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 10. Dezember 2004 dem Kläger Alg II in Höhe von
monatlich 362,09 Euro. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus der Regelleistung in Höhe
von 345 Euro abzüglich des Kindergeldes in Höhe von 154 Euro = 191 Euro zzgl Kosten für
Unterkunft und Heizung in Höhe von 171,09 Euro (hälftiger Anteil an den Gesamtkosten in
Höhe von 357,49 Euro abzüglich 18 %igem Abschlag bei den Heizkosten
Euro> für die Warmwasserbereitung). Mit Bescheid vom 21. Januar 2005 reduzierte die
Beklagte den Zahlbetrag für die Zeit vom 1. Februar bis 30. Juni 2005 wegen der vom Kläger
erzielten Nebenverdienste auf 264,62 Euro monatlich. Den Widerspruch des Klägers wies die
Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2005 zurück.
4 Die Klage, die sich gegen die Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen richtete,
wies das Sozialgericht (SG) Duisburg mit Urteil vom 14. Februar 2006 zurück. In einem
Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen
waren die Beteiligten im Hinblick auf die unterschiedlichen Nebenverdienste des Klägers
sowie der zusätzlich zu berücksichtigenden Wegepauschale darüber einig, dass dem Kläger
für den Monat Februar 2005 weitere 7,65 Euro und für die Monate März bis Mai 2005 jeweils
1,70 Euro sowie für den Monat Juni 2005 24,99 Euro zu zahlen sind. Das LSG hat mit Urteil
vom 2. November 2006 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückgewiesen.
Die Beklagte habe zu Recht das Kindergeld als Einkommen berücksichtigt. Kindergeld stelle
grundsätzlich berücksichtigungsfähiges Einkommen nach § 11 Abs 1 Satz 1
Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - (SGB II) dar. Dass das Kindergeld direkt an K überwiesen
werde, führe nicht zu einer anderen Beurteilung. Bereits unter Geltung des
Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) sei in der Rechtsprechung anerkannt gewesen, dass
Kindergeld nicht dem Kind selbst, sondern dem Anspruchsberechtigten zustehe und als
Einkommen zuzurechnen sei. In Kenntnis dieser Rechtsprechung habe der Gesetzgeber im
SGB II keine abweichenden Regelungen getroffen. Lediglich für den hier nicht einschlägigen
Fall des minderjährigen Kindes enthalte § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II eine Sonderregelung. Es
sei unerheblich, ob im konkreten Einzelfall eine Änderung der Bezugsberechtigung von der
Familienkasse abgelehnt worden und ob dies ggf zu Recht erfolgt sei. Die Frage, ob eine
Änderung der Bezugsberechtigung erfolge, müsse der Hilfebedürftige ausschließlich im
Verhältnis zur Familienkasse klären. Deren bestandskräftige Entscheidung gelte, um
divergierende Beurteilungen zu vermeiden, auch im Verhältnis des Hilfebedürftigen zur
Arbeitsgemeinschaft.
5 Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Durch seinen Antrag vom 5. Januar 2005
habe er veranlasst, dass das Kindergeld direkt an Herrn K ausgezahlt werde. Mehr sei auch
nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) aber nicht erforderlich,
damit das Kindergeld als Einkommen des Kindes und nicht des Kindergeldberechtigten
anzusehen sei. Auf die Rechtsgrundlage dieser Auszahlung komme es nicht an. Gerade auf
der Grundlage der vom LSG vertretenen Ansicht, dass im Rechtsverhältnis zwischen dem
Kläger und der Beklagten die bestandskräftigen Entscheidungen der Familienkasse nicht zu
überprüfen seien, liege hier eine dem Antrag des Klägers stattgebende Entscheidung der
Familienkasse W. vor, das Kindergeld direkt an Herrn K auszuzahlen. Dies führe dazu, dass
ihm das Kindergeld nicht mehr als anspruchsminderndes Einkommen zuzurechnen sei. Nach
dem Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom 6. Dezember 2007 - B 14/7b AS 54/06 R -
trägt der Kläger ergänzend vor, der leibliche Vater von Herrn K, nicht er sei
kindergeldberechtigt gewesen. Er habe lediglich dafür gesorgt, dass nach der Trennung des K
von seinem leiblichen Vater das Kindergeld nicht mehr an diesen ausgezahlt worden sei.
6 Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. November 2006 sowie das
Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 14. Februar 2006 aufzuheben, die Bescheide der
Beklagten vom 10. Dezember 2004 und 21. Januar 2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2005 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen,
ihm Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich zusätzlich 154 Euro für die Zeit vom 1. Januar
bis 30. Juni 2005 zu gewähren.
7 Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
8 Sie hält die angefochtenen Urteile für zutreffend.
Entscheidungsgründe
9 Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung begründet, § 170
Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Zu Recht hat das LSG zwar entschieden, dass
das Kindergeld für den volljährigen K im streitigen Zeitraum als Einkommen des Klägers
gemäß § 11 SGB II zu berücksichtigen war. Der Senat vermochte jedoch die genaue Höhe
der SGB II-Leistungen des Klägers nicht zu bestimmen. Es fehlt insofern an hinreichenden
Feststellungen des LSG zur Höhe des nach § 11 SGB II zu berücksichtigenden Einkommens
des Klägers.
10 1. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer
Sachentscheidung nicht entgegen.
11 a) Gegenstand des Verfahrens sind Ansprüche des Klägers für die Zeit vom 1. Januar 2005
bis 30. Juni 2005. Auf diesen Zeitraum beziehen sich die angefochtenen Bescheide. Die die
Folgezeiträume betreffenden Bescheide sind nicht nach § 96 SGG Gegenstand des
Verfahrens geworden (vgl BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 30).
12 b) Im Rahmen der vom Kläger erhobenen Anfechtungs- und Leistungsklage sind seine
Leistungsansprüche nach dem SGB II unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen.
Beim Streit um höhere Leistungen sind auch im SGB II Gegenstand der Prüfung
grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach (BSG,
Urteile vom 23. November 2006 - B 11b AL 9/06 R = SozR 4-4300 § 428 Nr 3 RdNr 16 ff und
vom 16. Mai 2007 - B 11b AS 29/06 R). Eine Begrenzung auf einzelne Teilelemente, bei
denen es sich nicht um abtrennbare Verfügungen handelt, ist auch einvernehmlich nicht
möglich (vgl BSG SozR 4-4300 § 428 Nr 3 RdNr 17). Der Kläger begehrt hier auch nicht
etwa nur eine Verurteilung der Beklagten dem Grunde nach (vgl dazu BSG SozR 4-4200 §
11 Nr 3 RdNr 13), sondern beansprucht um 154 Euro höhere Leistungen.
13 c) Die Beklagte als eine nach § 44b SGB II in der Fassung des Kommunalen
Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I 2014) gebildete Arbeitsgemeinschaft ist
beteiligtenfähig nach § 70 Nr 2 SGG (BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr
30). § 44b SGB II ist ungeachtet seiner Verfassungswidrigkeit bis zum 31. Dezember 2010
weiterhin anwendbar (Bundesverfassungsgericht , Urteil vom 20. Dezember 2007 -
2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04 - BVerfGE 119, 331 = DVBl 2008, 173 ff = NVwZ 2008,
183 ff = NZS 2008, 198 ff).
14 2. Nach den Feststellungen des LSG erfüllt der Kläger die Voraussetzungen des § 7 Abs 1
Satz 1 iVm § 19 Satz 1 SGB II (idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004,
BGBl I 2014). Gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch
Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet
haben (Nr 1), erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig (Nr 3) sind sowie ihren gewöhnlichen
Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Der Kläger erfüllt diese
Voraussetzungen, er ist insbesondere hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 SGB II, weil er seinen
Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem
nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen
oder Vermögen sichern konnte und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere
von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhielt.
15 a) Die Beklagte hat den Bedarf des Klägers für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005
zutreffend dergestalt ermittelt, dass sie gemäß § 20 Abs 2 SGB II (in der Fassung des Vierten
Gesetzes für die Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl
I 2954) für den Kläger 345 Euro als monatliche Regelleistung zugrundegelegt und hierzu die
Hälfte der Unterkunftskosten addiert hat.
16 aa) Der Kläger war im streitigen Zeitraum alleinstehend im Rechtssinne gemäß § 20 Abs 2
SGB II (vgl zur hier maßgeblichen alten Rechtslage BSGE 97, 211 = SozR 4-4200 § 20 Nr 2,
jeweils RdNr 18 ff). Der im Haushalt lebende K war als Pflegekind keiner der in § 7 Abs 3 Nr
1 SGB II genannten Fallgruppen zuzuordnen und bildete daher mit dem Kläger keine
Bedarfsgemeinschaft (vgl BSG, SozR 4-4200 § 11 Nr 3 RdNr 14). Ungeachtet dessen hätte
er auf Grund seines Lebensalters auch nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II (idF des Kommunalen
Optionsgesetz vom 30. Juli 2004 ) eine eigene Bedarfsgemeinschaft gebildet
(vgl auch BSGE 97, 211 = SozR 4-4200 § 20 Nr 2, jeweils RdNr 20 f).
17 bb) Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem Bedarf des Klägers die Hälfte
der Unterkunftskosten nach § 22 SGB II zuzurechnen ist. Nutzen Hilfebedürftige eine
Wohnung gemeinsam, so sind die Kosten hierfür im Regelfall unabhängig von Alter oder
Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen. Das gilt auch, wenn die Wohnung
gemeinsam mit Personen genutzt wird, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören (vgl BSG,
Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R; Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/11b AS
55/06 R -; Urteil vom 31. Oktober 2007 - B 14/11b AS 7/07 R - FamRZ 2008, 688; BSGE 97,
265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, jeweils RdNr 28 unter Hinweis auf BVerwGE 79, 17 zur
Sozialhilfe). Zu den Kosten der Unterkunft und Heizung zählen die Grundmiete und die
Nebenkosten sowie die Kosten für die Wärmeversorgung. Nach der Rechtsprechung des
Senats (Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/11b AS 15/07 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 5, auch
zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) ist für die Warmwasserversorgung ein Abzug in
Höhe von 6,22 Euro vorzunehmen. Nachdem die Beklagte dies für den streitigen Zeitraum
berücksichtigt und mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2008 weitere Leistungen in Höhe von 1,43
Euro monatlich bewilligt hat, ist die Höhe der Leistungen nach § 22 Abs 1 SGB II nicht mehr
zu beanstanden.
18 b) Im Rahmen der Prüfung der Hilfebedürftigkeit gemäß § 7 Abs 1 Nr 3 SGB II iVm §§ 9, 11
SGB II hat die Beklagte zu Recht die Nebenverdienste sowie das Kindergeld für K als
Einkommen des Klägers berücksichtigt.
19 aa) Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder
Geldeswert zu berücksichtigen. Die Beklagte hat zu Recht die vom Kläger im streitigen
Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte als Einkommen berücksichtigt. Mit der Erzielung von
Arbeitsentgelt war eine wesentliche Änderung der tatsächlichen und rechtlichen
Verhältnisse eingetreten, die beim Erlass des Bewilligungsbescheides vom 10. Dezember
2004 vorgelegen hatten. Damit waren die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 1
Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - für eine Teilaufhebung des Bewilligungsbescheides für
die Zukunft durch den Bescheid vom 21. Januar 2005 gegeben. In welchem Umfang das um
die nach § 11 Abs 2 SGB II abzusetzenden Beträge bereinigte Einkommen zu
berücksichtigen war, lässt sich anhand der Feststellungen des LSG aber nicht nachprüfen.
Zwar haben die Beteiligten vor dem LSG eine Teileinigung getroffen. Abgesehen davon,
dass mit dieser Vereinbarung, deren tatsächliche Grundlagen nach den Feststellungen des
LSG nicht nachvollziehbar sind, ein einzelnes Berechnungselement nicht der Überprüfung
entzogen werden kann, ist dem Wortlaut der Vereinbarung auch nicht zweifelsfrei zu
entnehmen, dass eine abschließende Regelung über die Einkommensanrechnung erfolgen
sollte.
20 bb) Auch das Kindergeld für K war als Einkommen des Klägers zu berücksichtigen. Der
Senat folgt insoweit dem 11b-Senat des Bundessozialgerichts (BSG), der bereits in seinem
Urteil vom 23. November 2006 (B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3,
jeweils RdNr 33 ff) für die hier maßgebliche Rechtslage entschieden hat, dass das
Kindergeld für volljährige, im Haushalt lebende Kinder, jeweils als Einkommen des
Kindergeldberechtigten (hier des Klägers) zu berücksichtigen ist (vgl Urteil des Senats vom
6. Dezember 2007 - B 14/7b AS 54/06 R = FEVS 59, 395 ff). Dies folgt aus § 11 Abs 1 Satz 2
und Satz 3 SGB II in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung (zur Änderung des § 11
Abs 1 Satz 3 SGB II mit Wirkung ab 1. Juli 2006 vgl ua Wenner, SozSich 2005, 413). Danach
ist nur Kindergeld für minderjährige Kinder bei dem jeweiligen Kind zuzurechnen, soweit es
bei diesem minderjährigen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Diese
Regelung war nach damaligem Recht auch folgerichtig, weil gemäß § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II
aF nur minderjährige Kinder zur Bedarfsgemeinschaft gehören konnten. Dieses Ergebnis
wird bestätigt durch die allerdings erst mit Wirkung ab 1. Oktober 2005 eingefügte Nr 8 des §
1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) idF der Verordnung vom 22.
August 2005 (BGBl I 2499), wonach das Kindergeld für volljährige Kinder, "soweit es
nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende volljährige Kind
weitergeleitet wird", nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist. Zu Recht hat das LSG
mithin entschieden, dass aus dem Regelungszusammenhang des § 11 Abs 1 Satz 3 iVm § 1
Nr 8 Alg II-V nur der Schluss gezogen werden kann, dass nach dem Willen des
Gesetzgebers das Kindergeld für volljährige, im Haushalt lebende Kinder dem
Kindergeldberechtigten als Einkommen zugerechnet wird. Insofern erscheint dieser
Regelungszusammenhang nicht interpretations- oder auslegungsfähig (vgl für das
Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch - BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b
SO 23/06 R -, wo ausdrücklich offen gelassen wird, ob die Rechtsprechung des 11b. und des
erkennenden Senats zur Berücksichtigung von Kindergeld für im Haushalt des
Kindergeldberechtigten lebende volljährige Kinder auf das SGB XII übertragbar ist).
21 Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass das Kindergeld für den volljährigen Pflegesohn
von der Kindergeldkasse an diesen direkt (auf dessen Konto) ausgezahlt wurde.
Steuerrechtlich steht nach § 62 Einkommensteuergesetz (EStG) der Anspruch auf
Kindergeld "für Kinder iS des § 63" anders als nach § 1 Abs 2 Bundeskindergeldgesetz für
den dort bezeichneten Sonderfall nicht dem Kind für sich selbst zu, sondern einem mit dem
Kind, für das Kindergeld gewährt wird, nicht identischen Anspruchsberechtigten. Da
Kindergeld für jedes Kind nur einem Berechtigten gezahlt werden soll (§ 64 Abs 1 EStG),
beurteilt sich bei mehreren Berechtigten nach § 64 Abs 2 EStG, wem von ihnen das
Kindergeld bezahlt wird. Lediglich in Sonderfällen sieht § 74 EStG (vgl §§ 48 ff
Sozialgesetzbuch - Erstes Buch -) vor, dass das Kindergeld an Dritte ausgezahlt werden
kann bzw auszuzahlen ist. Nichts anderes ergibt sich aus der vom Kläger zitierten
Entscheidung des BVerwG vom 17. Dezember 2003 - 5 C 25/02 - (= NJW 2004, 2541 f). Das
LSG hat zu Recht entschieden, dass nach der bestandskräftigen Ablehnung einer
Abzweigung durch Bescheid der Familienkasse vom 10. März 2005 offen bleiben kann, ob
die materiellen Voraussetzungen des § 74 EStG vorlagen. Dies wäre im Verfahren gegen
die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Eigenschaft als Familienkasse zu klären gewesen.
Allein die tatsächliche Zahlung auf ein Konto des K vermag eine Abzweigungsentscheidung
nicht zu ersetzen.
22 Wie das BVerwG klargestellt hat, folgt aus dem Zweck des Kindergeldes keine von der
Auszahlung unabhängige Zuordnung als Einkommen des Kindes (BVerwG, Urteil vom 17.
Dezember 2003, 5 C 25/02 = NJW 2004, 2541). Nach der steuerrechtlichen Regelung des
Kindergeldes in §§ 31, 62 ff EStG fallen wegen eines Kindes in Höhe des Kindergeldes
weniger Steuern an oder ist das Kindergeld eine Leistung zur Förderung der Familie und
fließt in dieser Höhe Einkommen zu (BVerwGE 114, 339, 340). Zweck des Kindergeldes ist
es mithin, die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des
Existenzminimums eines Kindes zu bewirken (§ 31 EStG). Mit diesem Zweck wird
Kindergeld nicht dem Kind selbst (vertreten durch die Eltern) als Einkommen zur Sicherung
seines Existenzminimums gewährt, sondern es bleibt der Teil des Einkommens der Eltern
steuerfrei, den diese zur Existenzsicherung ihres Kindes benötigen. Eine Steuerfreistellung
kann zu einem höheren Nettoeinkommen des Anspruchsberechtigten, nicht dagegen zu
Einkommen des Kindes selbst führen, für das Kindergeld gewährt wird (so BVerwG, Urteil
vom 17. Dezember 2003 - 5 C 25/02 = NJW 2004, 2541).
23 Insofern ergibt sich keine Besonderheit daraus, dass K von der Familienkasse als Pflegekind
nach § 32 Abs 1 Nr 2 EStG berücksichtigt wurde. Soweit der Kläger nunmehr einwendet,
nicht er, sondern der leibliche Vater sei kindergeldberechtigt gewesen, hat das LSG zu
Recht darauf hingewiesen, dass die Familienkasse das Kindergeld seit dem Jahr 2001 an
den Kläger gezahlt und diesen als Berechtigten nach § 63 Abs 1 iVm § 32 Abs 1 Nr 2 EStG
angesehen hat. Im Laufe des Verfahrens hat er selbst fortlaufend zu erkennen gegeben,
dass er sich als Berechtigten ansah. Nach § 64 Abs 2 Satz 1 EStG wird das Kindergeld,
soweit mehrere Personen anspruchsberechtigt sind, der Person gewährt, die das Kind in
ihren Haushalt aufgenommen hat. Auch im Fall einer Anspruchskonkurrenz ist damit der
Kläger als Berechtigter anzusehen.
24 Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.